-
Die Erfindung betrifft ein Verfahren und System zum Betreiben eines Fahrerassistenzsystems eines Fahrzeugs. Des Weiteren betrifft die Erfindung ein Computerprogramm sowie ein computerlesbares Medium, welche ein solches Verfahren unterstützen.
-
Unter dem Begriff „automatisiertes Fahren“ kann im Rahmen dieses Dokuments ein Fahren mit automatisierter Längs- oder Querführung oder ein autonomes Fahren mit automatisierter Längs- und Querführung verstanden werden. Der Begriff „automatisiertes Fahren“ umfasst ein automatisiertes Fahren mit einem beliebigen Automatisierungsgrad. Beispielhafte Automatisierungsgrade sind ein assistiertes, teilautomatisiertes, hochautomatisiertes oder vollautomatisiertes Fahren. Diese Automatisierungsgrade wurden von der Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt) definiert (siehe BASt-Publikation „Forschung kompakt“, Ausgabe 11/2012). Beim assistierten Fahren führt der Fahrer dauerhaft die Längs- oder Querführung aus, während das System die jeweils andere Funktion in gewissen Grenzen übernimmt. Beim teilautomatisierten Fahren (TAF) übernimmt das System die Längs- und Querführung für einen gewissen Zeitraum und/oder in spezifischen Situationen, wobei der Fahrer das System wie beim assistierten Fahren dauerhaft überwachen muss. Beim hochautomatisierten Fahren (HAF) übernimmt das System die Längs- und Querführung für einen gewissen Zeitraum, ohne dass der Fahrer das System dauerhaft überwachen muss; der Fahrer muss aber in einer gewissen Zeit in der Lage sein, die Fahrzeugführung zu übernehmen. Beim vollautomatisierten Fahren (VAF) kann das System für einen spezifischen Anwendungsfall das Fahren in allen Situationen automatisch bewältigen; für diesen Anwendungsfall ist kein Fahrer mehr erforderlich. Die vorstehend genannten vier Automatisierungsgrade gemäß der Definition der BASt entsprechen den SAE-Level 1 bis 4 der Norm SAE J3016 (SAE - Society of Automotive Engineering). Beispielsweise entspricht das hochautomatisierte Fahren (HAF) gemäß der BASt dem Level 3 der Norm SAE J3016. Ferner ist in der SAE J3016 noch der SAE-Level 5 als höchster Automatisierungsgrad vorgesehen, der in der Definition der BASt nicht enthalten ist. Der SAE-Level 5 entspricht einem fahrerlosen Fahren, bei dem das System während der ganzen Fahrt alle Situationen wie ein menschlicher Fahrer automatisch bewältigen kann; ein Fahrer ist generell nicht mehr erforderlich.
-
Eine wichtige Komponente für die sichere und effiziente Nutzung automatisierter Systeme stellt ein angemessenes Vertrauen des Nutzers in die Automation dar. Nur wenn ein Nutzer weder zu niedriges noch zu hohes Vertrauen hat und ein System wie vorgesehen nutzt kann eine Automation ihre Vorteile voll ausspielen. Aus dem Stand der Wissenschaft ist bereits bekannt, dass der Aufbau bzw. die Entwicklung eines angemessenen Vertrauens des Nutzers in die Automation ein kontinuierlicher, mehr oder weniger langwieriger Prozess ist. Gleichzeitig ist er jedoch eine zwingende Voraussetzung für das Gelingen des Zusammenspiels von Mensch und Automation. Infolgedessen werden stets Methoden zum Aufbau und zur Entwicklung dieses Vertrauens gesucht.
-
Beispielsweise ist aus der
WO 2017/177128 A1 ein System und Verfahren zum Bereitstellen einer hybriden Gehirn-Computer-Schnittstelle bekannt, die die Verstärkungssignale eines Individuums (z.B. Grad des Interesses, Erregung, emotionale Reaktivität, kognitive Müdigkeit, kognitiver Zustand oder dergleichen) in Reaktion auf Objekte, Ereignisse und/oder Aktionen in einer Umgebung erfassen kann. Dabei werden Verstärkungssignale zur Verbesserung eines die Umgebung beeinflussenden KI-Agenten, wie beispielsweise eines autonomen Fahrzeugs, erzeugt. Darüber hinaus können die offenbarten Systeme und Verfahren neuronale, physiologische oder Verhaltenssignaturen verwenden, um lernbasierte KI-Systeme zu informieren. Hierdurch soll der Benutzerkomfort und das Vertrauen in die Automatisierung verbessert werden.
-
Es ist eine Aufgabe der vorliegenden Erfindung, ein verbessertes Verfahren bzw. ein verbessertes System anzugeben, welches einen Aufbau von Vertrauen zwischen Automation und Nutzer unterstützt und hierdurch eine effizientere und sicherere Nutzung der Automation ermöglicht.
-
Die Aufgabe wird durch ein System bzw. ein Verfahren gemäß den unabhängigen Patentansprüchen gelöst. Vorteilhafte Ausführungsformen sind in den abhängigen Ansprüchen angegeben. Es wird darauf hingewiesen, dass zusätzliche Merkmale eines von einem unabhängigen Patentanspruch abhängigen Patentanspruchs ohne die Merkmale des unabhängigen Patentanspruchs oder nur in Kombination mit einer Teilmenge der Merkmale des unabhängigen Patentanspruchs eine eigene und von der Kombination sämtlicher Merkmale des unabhängigen Patentanspruchs unabhängige Erfindung bilden können, die zum Gegenstand eines unabhängigen Patentanspruchs, einer Teilungsanmeldung oder einer Nachanmeldung gemacht werden kann. Dies gilt in gleicher Weise für in der Beschreibung erläuterte technische Lehren, die eine von den Merkmalen der unabhängigen Patentansprüche unabhängige Erfindung bilden können.
-
Ein erster Aspekt der Erfindung betrifft ein Verfahren zum Betreiben eines Fahrerassistenzsystems (FAS) eines Fahrzeugs.
-
Bei dem Fahrzeug kann es sich insbesondere um ein Kraftfahrzeug handeln, d.h. um ein Landfahrzeug, das durch Maschinenkraft bewegt wird, ohne an Bahngleise gebunden zu sein. Ein Kraftfahrzeug in diesem Sinne kann z.B. als Kraftwagen, Kraftrad oder Zugmaschine ausgebildet sein.
-
Das FAS kann z.B. ein automatisiertes Fahren des Fahrzeugs ermöglichen. Dabei ist mit dem Begriff „automatisierten Fahren“, wie eingangs erwähnt, grundsätzlich ein breites Spektrum von möglichen Automatisierungsgraden, einschließlich des lediglich assistierten Fahrens, gemeint.
-
Ein Schritt des Verfahrens ist das Erfassen von Informationen über ein Verhalten eines Fahrzeuginsassen mittels einer Mensch-Maschine-Schnittstelle des Fahrzeugs.
-
Die Mensch-Maschine-Schnittstelle kann beispielsweise ein oder mehrere Betätigungselemente, wie z.B. ein Lenkrad und/oder ein Gaspedal des Fahrzeugs umfassen. Demnach können z.B. Informationen über ein Lenkverhalten und/oder über eine Betätigung des Gaspedals durch einen Fahrer des Fahrzeugs erfasst werden.
-
Beispielsweise können die erfassten Informationen darüber Auskunft geben, in welcher Weise ein Fahrer des Fahrzeugs eine Querführungsaufgabe übernimmt, z.B. hinsichtlich einer Häufigkeit und/oder Stärke von manuellen Lenkbewegungen.
-
So kann das FAS gemäß einer Ausführungsform z.B. eine Abstandsregeltempomat-Funktion (ACC) unterstützen, wobei die erfassten Informationen über Lenkbewegungen, die der Fahrzeuginsasse (d.h. in diesem Fall der Fahrer) ausführt, Auskunft geben.
-
Alternativ oder zusätzlich können die erfassten Informationen sich z.B. darauf beziehen, in welcher Weise der Fahrer eine Längsführungsaufgabe übernimmt. Hierbei können z.B. Gaspedal- und/oder Bremsbetätigungen erfasst werden. Ferner können die erfassten Informationen z.B. über eine Stärke von Geschwindigkeitsschwankungen, über Abstände zu vorausfahrenden Fahrzeugen usw. Auskunft geben.
-
Gemäß einer Ausführungsform unterstützt das FAS eine Lenk- und Spurführungsassistenzfunktion (LSA), wobei die erfassten Informationen darüber Auskunft geben, in welcher Weise der Fahrzeuginsasse eine Längsführungsaufgabe ausführt.
-
Unter den Begriff Mensch-Maschine-Schnittstelle wie er in der vorliegenden Beschreibung verwendet wird sollen auch Schnittstellen fallen, mit welchen der Fahrzeuginsasse ohne eigenes Zutun (d.h. passiv) erfasst wird, wie z.B. eine Innenraumkamera des Fahrzeugs. Insbesondere kann die Mensch-Maschine-Schnittstelle z.B. ein System zur Blickerfassung des Fahrzeuginsassen sein. Die erfassten Informationen können dementsprechend auch Informationen über ein beobachtetes Verhalten, z.B. hinsichtlich einer Mimik und/oder Gestik, des Fahrzeuginsassen umfassen.
-
Bei einer vorteilhaften Ausführungsform geben die erfassten Informationen beispielsweise darüber Auskunft, ob (und ggf. zu welchem Grade) der Fahrzeuginsasse wahrnehmungs- und/oder eingriffsbereit ist, während eine Fahrerassistenzfunktion des FAS aktiv ist. Die erfassten Informationen können dementsprechend z.B. Rückschlüsse auf einen Aufmerksamkeits- oder Wachheitsgrad des Fahrzeuginsassen erlauben.
-
Die erfassten Informationen können z.B. auch darüber Auskunft geben, ob und wie schnell der Fahrzeuginsasse auf einen von dem Fahrerassistenzsystem ausgegebenen Warnhinweis oder auf eine von dem Fahrerassistenzsystem ausgegebene Handlungsaufforderung, wie z.B. eine Übernahmeaufforderung (Englisch: take-over request - TOR) reagiert (hat).
-
Das Erfassen der Informationen erfolgt über mehrere Aktivierungszyklen des Fahrerassistenzsystems hinweg. Damit kann z.B. gemeint sein, dass das Erfassen der Informationen über mehrere Fahrten hinweg erfolgt, bei welchen das FAS jeweils wenigstens einmal aktiviert oder verändert (d.h. z.B. in einer Funktionsausprägung angepasst oder parametriert) wird. Es kann jedoch auch ausreichend sein, dass das Erfassen der Informationen während einer einzigen Fahrt über mehrere Fahrkilometer bzw. über mehrere Fahrminuten oder sogar Fahrstunden hinweg erfolgt, wobei das FAS auf der gefahrenen Strecke bzw. während der Fahrzeit mehrfach aktiviert oder verändert wird. Die erfassten Informationen bzw. die in einem nachfolgenden Schritt (s.u.) daraus abgeleiteten Vergleichsergebnisse können also z.B. über mehrere Aktivierungszyklen, insbesondere über einen längeren Zeitraum, über mehrere Fahrten und/oder über mehrere Fahrkilometer hinweg, aggregiert werden.
-
In einem weiteren Schritt werden die erfassten Informationen mit Vergleichsinformationen über ein erwartetes Verhalten des Fahrzeuginsassen verglichen.
-
Der Vergleich wird automatisiert mittels einer Auswertevorrichtung durchgeführt. Die Auswertevorrichtung kann z.B. Teil eines Steuerungssystems des Fahrzeugs sein, das einen oder mehrere Prozessoren (wie z.B. CPUs und/oder GPUs) umfasst, auf welchen die nötigen Rechenoperationen zur Vornahme des Vergleichs ausgeführt werden. Die Auswertevorrichtung kann auch eine verteilte Anordnung von mehreren Prozessoren umfassen. Es ist z.B. möglich, dass die Auswertevorrichtung ganz oder teilweise außerhalb des Fahrzeugs angeordnet ist, etwa in Form eines oder als Teil eines Backend-Servers.
-
Bei den Vergleichsinformationen kann es sich um vorbestimmte Informationen handeln, z.B. in einem Datenspeicher hinterlegt sind, auf welchen die Auswertevorrichtung zugreifen kann.
-
Inhaltlich können die Vergleichsinformationen z.B. ein wünschenswertes Verhalten des Fahrzeuginsassen kennzeichnen, welches auf Englisch auch als „compliant“ bezeichnet werden kann. Damit ist z.B. ein Verhalten gemeint, welches einer bestimmungsgemäßen Interaktion des Fahrzeuginsassen mit dem FAS entspricht. Dies kann z.B. eine Häufigkeit von Unaufmerksamkeiten des Fahrzeuginsassen und/oder eine Reaktionszeit des Fahrzeuginsassen nach einer Warnung betreffen.
-
Aus dem Vergleich der erfassten Informationen mit den Vergleichsinformationen kann z.B. geschlossen werden, ob eine Gesamtfunktion oder bestimmte Teilfunktionen des FAS in angemessener Weise durch den Fahrer überwacht werden. So können die erfassten Informationen z.B. dahingehend ausgewertet werden, ob der Fahrer in kritischen Situationen seine Hände am Lenkrad hat. Dies kann beispielsweise in Fällen sinnvoll sein, in denen das FAS eine kombinierte Längsführungs- sowie Lenk- und Spurführungsassistenzfunktion (ACC und LSA) unterstützt. Im Fall eines Level-3-FAS kann z.B. überprüft werden, ob der Fahrer wahrnehmungsbereit bleibt während das Level-3-FAS aktiviert ist und ob er ggf. zügig auf Übernahmeaufforderungen reagiert. Im Fall eines Level-4-FAS kann z.B. überprüft werden, ob der Fahrer wach und prinzipiell fahrbereit bleibt während das Level-4-FAS aktiviert ist und ob er relativ normal/unauffällig fährt, nachdem er anschließend die (ggf. teilweise) manuelle Fahrzeugführung übernommen hat.
-
Gemäß einer vorteilhaften Ausführungsform wird in Abhängigkeit von einem Ergebnis des Vergleichs der erfassten Informationen mit den Vergleichsinformationen ein digitales Compliance-Profil des Fahrzeuginsassen erstellt oder aktualisiert. Im vorliegenden Zusammenhang bezeichnet der Begriff Compliance einen Grad der Befolgung solcher Kooperationsanforderungen des FAS (z.B. betreffend die Wahrnehmung von verbleibenden Fahraufgaben, wie z.B. die Querführung bei ACC, oder die Reaktion auf Warnungen oder Übernahmeaufforderungen) durch den Fahrzeuginsassen. Dementsprechend kann ein solches Compliance-Profil auch als „Vertrauenswürdigkeitsprofil“ des Fahrzeuginsassen bezeichnet werden, wobei sich insbesondere die Vertrauenswürdigkeit auf die Fähigkeit und/oder Bereitschaft des Fahrzeuginsassen beziehen kann, derartige Kooperationsanforderungen des FAS zu erfüllen.
-
In einem weiteren Verfahrensschritt wird eine Funktionsausprägung des FAS automatisch in Abhängigkeit von einem Ergebnis des Vergleichs der erfassten Informationen mit den Vergleichsinformationen eingestellt. Dies kann z.B. automatisch mittels einer Steuervorrichtung erfolgen, die mit der Auswertevorrichtung datentechnisch verbunden ist und von dieser Informationen über das Ergebnis des Vergleichs empfängt. Dabei können die Steuervorrichtung und die Auswertevorrichtung gemäß einigen Ausführungsformen auch in ein und derselben Vorrichtung integriert sein.
-
Beispielsweise kann das Einstellen der Funktionsausprägung des FAS in Abhängigkeit von einem Compliance-Profil des Fahrzeuginsassen erfolgen, welches auf der Grundlage eines Vergleichs der erfassten Informationen mit den Vergleichsinformationen erstellt oder aktualisiert worden ist.
-
Gemäß einer Ausführungsform umfasst das Einstellen der Funktionsausprägung ein Erweitern oder Reduzieren (ggf. auch ein bewusstes Unverändertlassen) eines aktuell zur Verfügung stehenden Funktionsumfangs des Fahrerassistenzsystems.
-
Konkret kann das Einstellen der Funktionsausprägung z.B. ein Aktivieren oder Deaktivieren wenigstens einer der nachfolgend aufgelisteten Funktionen umfassen:
- - Abstandsregeltempomat mit automatischer Ampelphasenerkennung;
- - Abstandsregeltempomat mit automatischer Kreuzungssituationserkennung (d.h. ACC mit einer automatischen Querverkehrserkennung mit der Möglichkeit zum Bremseingriff);
- - Abstandsregeltempomat mit prädiktiver Geschwindigkeitsregelung (z.B. in Kurven oder Kreisverkehren);
- - Teilautomatisiertes Fahren mit automatisiertem Fahrstreifenwechsel;
- - Teilautomatisierten Fahren mit Möglichkeit zur Blickabwendung;
- - Teilautomatisiertes Fahren mit Möglichkeit zur Nutzung ohne Hände am Lenkrad (sog. „Hands-off“-Funktion);
- - Hochautomatisiertes Fahren mit Möglichkeit zur Beschäftigung mit Nebentätigkeiten (sog. „Mind-off“-Funktion);
- - Vollautomatisiertes Fahren (z.B. mit der Möglichkeit zum Schlafen).
-
Es liegt auch im Rahmen der Erfindung, dass das Einstellen der Funktionsausprägung ein Anpassen von Funktionsparametern, wie z.B. von bestimmten Zeitlimits für erwartete Reaktionen des Fahrzeuginsassen auf Ereignisse, Warnungen oder Aufforderungen, umfassen kann. Beispielsweise kann bei einer FAS-Funktion, die ein teilautomatisiertes Fahren mit der Möglichkeit zur Blickabwendung unterstützt, ein maximal zulässiges Zeitintervall für die Blickabwendung in Abhängigkeit des Vergleichsergebnisses modifiziert, d.h. vergrößert oder verkleinert, werden.
-
Gemäß einer weiteren Ausführungsform umfasst das Einstellen der Funktionsausprägung das Einstellen einer Wartezeit, welche zwischen dem Erkennen einer Nichtbefolgung von Verhaltensanforderungen, die das FAS an den Fahrer stellt, und einer automatischen Reaktion seitens des FAS (z.B. in Form einer Warnung und/oder eines Eingriffs in die Fahrzeugführung) auf die Nichtbefolgung verstreicht. Eine Nichtbefolgung einer Verhaltensanforderung könnte je nach der betreffenden FAS-Funktion beispielsweise darin bestehen, dass der Fahrer seine Hände vom Lenkrad nimmt (z.B. bei einer Level-2-FAS-Funktions) und/oder dass sein Blick von der Straße abschweift.
-
Gemäß einem zweiten Aspekt der Erfindung wird ein System zum Betreiben eines Fahrerassistenzsystems eines Fahrzeugs vorgeschlagen.
-
Das System umfasst: Eine Auswertevorrichtung, die eingerichtet ist, von einer Mensch-Maschine-Schnittstelle des Fahrzeugs Informationen über ein Verhalten eines Fahrzeuginsassen, die über mehrere Aktivierungszyklen des Fahrerassistenzsystems hinweg erfasst worden sind, zu empfangen und die erfassten Informationen mit Vergleichsinformationen über ein erwartetes Verhalten des Fahrzeuginsassen zu vergleichen; und eine Steuervorrichtung, die eingerichtet ist, eine Funktionsausprägung des Fahrerassistenzsystems in Abhängigkeit von einem Ergebnis des Vergleichs der erfassten Informationen mit den Vergleichsinformationen einzustellen.
-
Gemäß einer Weiterbildung umfasst das System ferner eine Mensch-Maschine-Schnittstelle zum Erfassen von Informationen über ein Verhalten eines Fahrzeuginsassen, wobei die Auswertevorrichtung datentechnisch mit der Mensch-Maschine-Schnittstelle verbunden und eingerichtet ist, die mittels der Mensch-Maschine-Schnittstelle erfassten Informationen zu empfangen.
-
Die Auswertevorrichtung und die Steuervorrichtung können z.B. Teile eines (ggf. verteilten) Steuerungssystems des Fahrzeugs sein, welches einen oder mehrere Prozessoren (wie z.B. CPUs und/oder GPUs) umfasst. Gemäß einer möglichen Ausführungsform kann die Steuervorrichtung auch die Auswertevorrichtung umfassen.
-
Ein System nach dem zweiten Aspekt der Erfindung kann insbesondere dazu eingerichtet sein, ein Verfahren nach dem ersten Aspekt der Erfindung auszuführen. Daher können Ausführungsformen des erfindungsgemäßen Systems in analoger Weise den vorstehend und nachfolgend beschriebenen vorteilhaften Ausführungsformen des erfindungsgemäßen Verfahrens entsprechen und umgekehrt.
-
Ein dritter Erfindungsaspekt ist ein Computerprogramm, das Befehle umfasst, die bewirken, dass ein System gemäß dem zweiten Erfindungsaspekt die Verfahrensschritte gemäß dem ersten Erfindungsaspekt ausführt.
-
Ein vierter Erfindungsaspekt ist ein computerlesbares Medium, auf dem ein Computerprogramm gemäß dem dritten Erfindungsaspekt gespeichert ist.
-
In Übereinstimmung mit einigen Ausführungsformen liegt der Erfindung der Gedanke zu Grunde, dass sich ein „Vertrauen“ eines FAS in die Compliance eines Fahrers im Laufe der Zeit aufgrund empirischer Erfahrungen (in die eine oder andere Richtung) entwickeln kann. Das System weiß nämlich in der Regel zunächst nicht, wie sein Nutzer es verwendet, ob er z.B. häufig zu schnell fährt oder sich leicht ablenken lässt und wie verlässlich er auf bestimmte Warnungen, Vorschläge oder Aufforderungen seitens des Systems reagiert.
-
Mittels eines erfindungsgemäßen Verfahrens und Systems kann ein FAS mit einem Nutzer (z.B. einem Fahrer) über eine Mensch-Maschine-Schnittstelle kommunizieren und interagieren. Dabei können Informationen bezüglich einer Interaktion eines Fahrers mit einem FAS erfasst werden. Auf dieser Basis kann ein Maß für ein „Vertrauen“ des FAS in den Fahrer (z.B. in Form eines Compliance-Profils des Fahrers) bestimmt werden. Mit anderen Worte kann also z.B. mittels diverser Sensoren und über Nutzerreaktionen erfasst und ausgewertet werden, ob und inwiefern der Nutzer den Ausgaben, Hinweisen und Aufforderungen des FAS folgt. Diese Information kann genutzt werden, indem ein Maß für das „Vertrauen der Maschine in den Nutzer“ berechnet wird. In Abhängigkeit dieses Maßes kann sodann eine Funktionsausprägung des FAS eingestellt werden.
-
Beispielsweise kann sich auf diese Weise empirisch herausstellen, dass der Fahrer für eine bestimmte Funktionen oder Funktionsumfänge nicht „compliant“ genug ist, mit der Folge, dass die entsprechenden Funktionen bzw. Funktionsumfänge seitens des FAS nicht zur Verfügung gestellt werden.
-
Es kann z.B. vorgesehen sein, das dem Fahrer insoweit zunächst vergleichsweise enge Grenzen gesteckt werden und dass der Funktionsumfang nur sukzessive mit zunehmend entwickeltem „Vertrauen“ des FAS in den Fahrer erweitert wird. Dies bedeutet z.B., dass ein Nutzer/Fahrer zunächst mit „null Vertrauen“ anfängt, sodass das FAS nur unter bestimmten, tendenziell eher strenger ausgelegten Kriterien funktioniert bzw. dass nur ein geringerer und/oder konservativer Funktionsumfang zur Verfügung steht. Im Laufe der Zeit kann das Vertrauen des FAS in den Fahrer dann steigen (z.B. wenn mittels eines Fahrer-Monitorings eine permanente Aufmerksamkeit des Fahrer festgestellt oder schnelle und richtige Reaktionen auf Hinweise des Systems festgestellt wurden) oder sinken (z.B. wenn teilweise Unaufmerksamkeit des Fahrers bzw. falsche oder langsame Reaktionen auf Hinweise des Systems festgestellt wurden). Dieser Prozess kann kontinuierliche (insbesondere permanent) erfolgen. Aus den so gewonnenen Erkenntnissen können Maßnahmen wie z.B. zusätzliche Hinweistexte, Hilfsangebote und/oder Anpassungen der Funktion abgeleitet werden, sodass das FAS maximal effizient und sicher genutzt und das Fahrer-Fahrzeug-System insgesamt bestmöglich funktionieren kann.
-
Alternativ ist es auch denkbar, mit einem vergleichsweise großen „Vertrauensvorschuss“ (und z.B. einem entsprechend weiten Funktionsumfang) zu starten und sodann das „Vertrauen“ (und z.B. den Funktionsumfang) aufgrund der empirisch erfassten Informationen mit der Zeit genauer zu kalibrieren.
-
Ein anfänglicher Vertrauensvorschuss kann z.B. auch davon abhängig gemacht werden, dass bereits ein Fahrerprofil mit einem gewissen Vertrauensmaß besteht, dass eine speziell Fahrausbildung nachgewiesen wurde o.ä.
-
Das erfindungsgemäße Verfahren und System optimiert somit auf der Grundlage von Interaktion und/oder Kommunikation zwischen einem FAS und dessen Nutzer den Aufbau von beiderseitigem (d.h. bidirektionalem) „Vertrauen“ zwischen Nutzer und FAS und ermöglicht dadurch eine effizientere und sicherere Nutzung eines FAS unter Berücksichtigung des Gesamtsystems aus Nutzer und FAS. Im Ergebnis kann der Nutzer, je nachdem wie sehr ihm das FAS „vertraut“ bzw. „vertrauen kann“, angemessen auf die jeweils angepassten Funktionsausprägungen des FAS zugreifen. Dadurch kann der Nutzer durch das FAS maximal unterstützt und entlastet werden, ohne gleichzeitig unterfordert zu sein.
-
Dies geht über die eingangs erwähnten in der Wissenschaft verfolgten Ansätzen hinaus, welche die Entwicklung des Automationsvertrauens rein eindirektional betrachten, indem sie untersuchen, wie sich das Vertrauen eines Nutzers (z.B. „Overtrust“ oder „Undertrust“) in ein automatisiertes System auf das Gesamtsystem aus Nutzer und automatisiertem System auswirkt.
-
Die Erfindung wird nun anhand von Ausführungsbeispielen sowie unter Bezugnahme auf die beigefügten Zeichnungen näher erläutert. Dabei sind die in der Beschreibung genannten und/oder in den Zeichnungen alleine gezeigten Merkmale und Merkmalskombinationen nicht nur in der jeweils angegebenen Kombination, sondern auch in anderen Kombinationen oder in Alleinstellung verwendbar, ohne den Rahmen der Erfindung zu verlassen.
- 1 zeigt beispielhaft ein schematisches Blockdiagramm eines Systems zum Betreiben eines Fahrerassistenzsystems eines Fahrzeugs.
- 2 zeigt beispielhaft ein schematisches Ablaufdiagramm eines Verfahrens zum Betreiben eines Fahrerassistenzsystems eines Fahrzeugs.
- 3 zeigt beispielhaft und schematisch ein Diagramm, welches einen Grad des „Vertrauens“ eines Fahrerassistenzsystems in einen Fahrer zu einem Grad der „Vertrauenswürdigkeit“ des Fahrers in Beziehung setzt.
-
Die 1 zeigt schematisch und beispielhaft ein System 10 zum Betreiben eines Fahrerassistenzsystems (FAS) eines Fahrzeugs.
-
Das System 10 umfasst eine Auswertevorrichtung 102, die eingerichtet ist, von einer Mensch-Maschine-Schnittstelle 101 des Fahrzeugs über mehrere Aktivierungszyklen des FAS hinweg erfasste Informationen über ein Verhalten eines Fahrzeuginsassen zu empfangen und die erfassten Informationen mit Vergleichsinformationen über ein erwartetes Verhalten des Fahrzeuginsassen zu vergleichen. Dabei kann die Mensch-Maschine-Schnittstelle 101 gemäß einigen Ausführungsformen auch als Teil des Systems 10 verstanden werden.
-
Das System 10 umfasst ferner eine Steuervorrichtung 103, die mit der Auswertevorrichtung 102 kommunikationstechnisch verbunden ist. Die Steuervorrichtung 103 ist eingerichtet, eine Funktionsausprägung des FAS in Abhängigkeit von einem Ergebnis des Vergleichs der erfassten Informationen mit den Vergleichsinformationen einzustellen.
-
Die 2 zeigt beispielhaft ein schematisches Ablaufdiagramm eines Verfahrens 2 zum Betreiben eines FAS eines Fahrzeugs. Das Verfahren 2 kann z.B. mittels eines Systems 10 gemäß 1 ausgeführt werden.
-
Dabei werden mittels der Mensch-Maschine-Schnittstelle 101 über mehrere Aktivierungszyklen des FAS hinweg Informationen über ein Verhalten eines Fahrzeuginsassen erfasst (Schritt 21).
-
Beispielsweise kann das FAS eine Abstandsregeltempomat-Funktion unterstützen, und die erfassten Informationen können darüber Auskunft geben, in welcher Weise der Fahrer des Fahrzeugs eine Querführungsaufgabe ausführt. In diesem Fall kann die Mensch-Maschine-Schnittstelle 101 z.B. ein Lenkrad umfassen, wobei Lenkbewegungen des Fahrers erfasst werden.
-
Alternativ oder zusätzlich kann das FAS z.B. eine Lenk- und Spurführungsassistenzfunktion unterstützen, und die erfassten Informationen können darüber Auskunft geben, in welcher Weise der Fahrer eine Längsführungsaufgabe ausführt. In diesem Fall kann die Mensch-Maschine-Schnittstelle 101 z.B. ein Gaspedal und/oder ein Bremspedal umfassen, wobei entsprechende Pedalbetätigungen durch den Fahrer erfasst werden.
-
Ferner können (z.B. unter Verwendung einer Innenraumkamera als Mensch-Maschine-Schnittstelle 101 oder als Teil der Mensch-Maschine-Schnittstelle 101) auch Informationen erfasst werden, die darüber Auskunft geben, ob der Fahrzeuginsasse wahrnehmungs- und/oder eingriffsbereit ist, während eine bestimmte Fahrerassistenzfunktion aktiv ist und/oder Informationen, die darüber Auskunft geben, ob und ggf. wie schnell der Fahrzeuginsasse auf einen von dem FAS ausgegebenen Warnhinweis oder auf eine von dem FAS ausgegebene Handlungsaufforderung reagiert.
-
Die erfassten Informationen werden mittels der Auswertevorrichtung 102 mit Vergleichsinformationen über ein erwartetes Verhalten des Fahrzeuginsassen verglichen (Schritt 22). Beispielsweise kann mittels der Auswertevorrichtung 102 in Abhängigkeit von einem Ergebnis des Vergleichs der erfassten Informationen mit den Vergleichsinformationen ein Compliance-Profil des Fahrzeuginsassen erstellt oder aktualisiert werden.
-
Sodann wird mittels der Steuervorrichtung 103 eine Funktionsausprägung des FAS eingestellt (Schritt 23), wobei das Einstellen in Abhängigkeit von einem Ergebnis des Vergleichs der erfassten Informationen mit den Vergleichsinformationen erfolgt. Dies kann z.B. in Abhängigkeit eines im Schritt 22 erstellten oder aktualisierten Compliance-Profils des Fahrzeuginsassen geschehen.
-
Das Einstellen 23 der Funktionsausprägung kann z.B. ein Erweitern oder Reduzieren eines zur Verfügung stehenden Funktionsumfangs des FAS umfassen. Alternativ oder zusätzlich kann das Einstellen 23 ein Parametrieren einer Funktion des FAS umfassen, wie z.B. das Einstellen einer Wartezeit, welche zwischen dem Erkennen einer Nichtbefolgung von Verhaltensanforderungen, die das FAS an den Fahrzeuginsassen stellt, und einer automatischen Reaktion seitens des FAS auf die Nichtbefolgung verstreicht.
-
In einem (in 2 nicht dargestellten) optionalen weiteren Schritt, welcher beispielsweise dem Schritt 21 vorausgehen kann, kann ein (möglichst eindeutiges) Identifizieren des Fahrzeuginsassen erfolgen. Das Identifizieren kann z.B. mittels einer Innenraumkamera durchgeführt werden. Die Auswertevorrichtung kann z.B. eingerichtet sein, die für das Identifizieren des Fahrzeuginsassen notwendigen Rechenoperationen auszuführen.
-
Mittels eines Systems und Verfahrens 2 und Systems 10 der vorliegend beschriebenen Art kann ein Aufbau von gegenseitigem „Vertrauen“ zwischen dem FAS und dem Fahrzeuginsassen unterstützt werden. Dabei wird es insbesondere ermöglicht, dass das FAS auf der Grundlage von gewonnen Erfahrungen mit dem Fahrer (d.h. auf Basis von erfassten Informationen über dessen Verhalten bei der Interaktion mit dem FAS) zu einem bestimmten Grad „Vertrauen“ in die Kompetenz und/oder Kooperationsbereitschaft des Fahrers fasst und dass das FAS diesen Vertrauensgrad bei der dem Fahrer zur Verfügung gestellten Funktionsausprägung berücksichtigt. Mit zunehmendem Umfang der erfassten Informationen kann dabei das „Vertrauen“ des Systems in den Fahrer zunehmend gut kalibriert, d.h. an die tatsächliche „Vertrauenswürdigkeit“ oder Compliance des Fahrers abgestimmt werden, um die Funktionsausprägung passgenau einzustellen.
-
Die 3 zeigt beispielhaft und schematisch ein Diagramm, welches einen Grad des „Vertrauens“ V eines FAS in einen Fahrer zu einem Grad der „Vertrauenswürdigkeit“ oder Compliance C des Fahrers in Beziehung setzt
-
Positionen auf der Gerade G entsprechen dabei einem kalibrierten (angemessenen) Vertrauen des Systems in den Fahrer. Das bedeutet, dass das dem Fahrer durch das System entgegengebrachte Vertrauen zu dessen tatsächlicher Compliance passt. Dementsprechend kann das System dem Fahrer passgenau geeignete Funktionsumfänge des FAS anbieten, welche ihn weder unter- noch überfordern.
-
Oberhalb der Geraden G befindet sich ein Bereich, in welchem das System dem Fahrer zu viel zutraut („Overtrust“). Dies kann zur Folge haben, dass der Fahrer durch das FAS überfordert wird.
-
In dem Bereich unterhalb der Geraden G unterschätzt das System („Undertrust“ oder „Distrust“) die Fähigkeiten bzw. die Compliance des Fahrers, was zur Unterforderung des Fahrers durch das FAS führen kann.
-
Die markierten Bereiche a, b sollen den Einfluss einer unterschiedlich guten Auflösung bei der Zuordnung von „Vertrauenswürdigkeit“ und „Vertrauen“ verdeutlichen: Die Bereiche a steht für eine gute Auflösung, die sich dadurch auszeichnet, dass ein bestimmter Bereich von Fähigkeiten bzw. von für die Compliance relevanten Verhaltensweisen eines Nutzers auf einen angemessen dimensionierten Bereich auf einer „Vertrauensskala“ (in einer geeigneten Metrik) des Systems abgebildet wird. Im Unterschied dazu stehen die Bereiche b für eine schlechte Auflösung, da hier ein vergleichsweise großer Bereich von Fähigkeiten bzw. von für die Compliance relevanten Verhaltensweisen des Nutzers auf einen unverhältnismäßig kleinen Bereich auf der „Vertrauensskala“ des Systems abgebildet wird.
-
ZITATE ENTHALTEN IN DER BESCHREIBUNG
-
Diese Liste der vom Anmelder aufgeführten Dokumente wurde automatisiert erzeugt und ist ausschließlich zur besseren Information des Lesers aufgenommen. Die Liste ist nicht Bestandteil der deutschen Patent- bzw. Gebrauchsmusteranmeldung. Das DPMA übernimmt keinerlei Haftung für etwaige Fehler oder Auslassungen.
-
Zitierte Patentliteratur
-