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Die vorliegende Offenbarung betrifft ein Verfahren zur Auswahl von Verkehrsregeln für ein automatisiert fahrendes Fahrzeug, ein Speichermedium zum Ausführen des Verfahrens, ein System zur Auswahl von Verkehrsregeln für ein automatisiert fahrendes Fahrzeug, und ein Fahrzeug mit einem solchen System. Die vorliegende Offenbarung betrifft insbesondere ein korrektes Bereitstellen von Verkehrsregeln für automatisiert fahrende Fahrzeuge.
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Stand der Technik
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Fahrassistenzsysteme zum automatisierten Fahren gewinnen stetig an Bedeutung. Das automatisierte Fahren kann mit verschiedenen Automatisierungsgraden erfolgen. Beispielhafte Automatisierungsgrade sind ein assistiertes, teilautomatisiertes, hochautomatisiertes oder vollautomatisiertes Fahren. Diese Automatisierungsgrade wurden von der Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt) definiert (siehe BASt-Publikation „Forschung kompakt“, Ausgabe 11/2012). Beispielsweise sind die Fahrzeuge mit Level 4 vollautonom im Stadtbetrieb unterwegs.
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Für einen sicheren Betrieb derartiger Fahrassistenzsysteme zum automatisierten Fahren ist es unerlässlich, dass das Fahrassistenzsystem basierend auf korrekten Verkehrsregeln arbeitet. Ist dies nicht der Fall, kann es zu Unfällen und einer Gefährdung der Fahrzeuginsassen und von anderen Verkehrsteilnehmern kommen.
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Offenbarung der Erfindung
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Es ist eine Aufgabe der vorliegenden Offenbarung, ein Verfahren zur Auswahl von Verkehrsregeln für ein automatisiert fahrendes Fahrzeug, ein Speichermedium zum Ausführen des Verfahrens, ein System zur Auswahl von Verkehrsregeln für ein automatisiert fahrendes Fahrzeug, und ein Fahrzeug mit einem solchen System anzugeben, die ein korrektes Bereitstellen und Einhalten von Verkehrsregeln für automatisiert fahrende Fahrzeuge ermöglichen.
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Diese Aufgabe wird durch den Gegenstand der unabhängigen Ansprüche gelöst. Vorteilhafte Ausgestaltungen sind in den Unteransprüchen angegeben.
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Gemäß einem unabhängigen Aspekt der vorliegenden Offenbarung ist ein Verfahren zur Auswahl von Verkehrsregeln für ein automatisiert fahrendes Fahrzeug, insbesondere ein Kraftfahrzeug, angegeben. Das Verfahren umfasst ein Bestimmen einer Geoposition des Fahrzeugs; und ein Auswählen eines Satzes einer Vielzahl von Verkehrsregeln basierend auf der Geoposition, wobei die Vielzahl von Verkehrsregeln zumindest zwei verschiedene Arten von Verkehrseregeln umfasst, wobei die zumindest zwei verschiedenen Arten vonVerkehrsregeln gesetzliche Verkehrsregeln und sozialen Verkehrsregeln umfassen.
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Erfindungsgemäß wird ein Satz von Verkehrsregeln basierend auf einer Geoposition ausgewählt, so dass jederzeit die aktuell gültigen Verkehrsregeln zur Steuerung des automatisiert fahrenden Fahrzeugs vorliegen. Zudem kann der Satz verschiedenartige Verkehrsregeln umfassen, die hierarchisch sortiert sein können. Zum Beispiel kann der Satz gesetzliche Verkehrsregel (erste Art von Verkehrsregeln) und soziale Verkehrsregeln (zweite Art von Verkehrsregeln) umfassen.
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In einigen Ausführungsformen kann ein Logiklöser, wie zum Beispiel ein Logikprogrammlöser verwendet werden, der die verschiedenen Verkehrsregeln kombiniert, so dass eine deterministische, erklärbare und überprüfbare Entscheidung gegeben werden kann. Insbesondere kann der Logiklöser die verschiedenen Verkehrsregeln zusammen mit weiterem Weltwissen und weiteren Fakten, die die gegebene Situation beschreiben, verwenden, um die Gültigkeit und/oder die Erfüllung von Verkehrsregeln zu bestimmen.
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Die Verkehrsregeln können hierarchisch sortiert sein, was bedeutet, dass bestimmte Verkehrsregeln vor anderen Verkehrsregeln Vorrang haben. Beispielsweise kann die gesetzliche Verkehrsregel an einem Fußgängerübergang eine Vorfahrt für das Egofahrzeug angeben, eine länderspezifische soziale Verkehrsregel jedoch dem Fußgänger Vorrang einräumen. Das Fahrzeug kann dem Fußgänger trotz der gesetzlich gegebenen Vorfahrt den Vortritt einräumen.
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Hierbei ist zu beachten, dass Vorfahrt haben eine Möglichkeit und kein Zwang ist. Vorfahrt geben ist allerdings ein Zwang. Die sozialen Verkehrsregeln können dabei den Aspekt, dass Vorfahrt haben eine Möglichkeit ist und kein Zwang ist, weiter detaillieren bzw. verfeinern.
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Die Verkehrsregeln des Satzes können auf Hierarchieebenen sortiert sein, wobei jede Hierarchieebene eine oder mehrere Verkehrsregeln umfassen kann. Mehrere Verkehrsregeln auf einer Hierarchieebene stehen dabei gleichberechtigt nebeneinander, und keine der mehreren Verkehrsregeln dieser Hierarchieebene hat Vorrang zu einer anderen Verkehrsregel dieser Hierarchieebene. Zusätzlich können Sicherheitsregeln definiert sein. Die Sicherheitsregeln stellen dabei eineRückfallebene dar. Insbesondere kann bei mehreren sich widersprechenden Regeln der gleichen Hierarchieebene ein adäquates Verhalten aus den Sicherheitsregeln folgen. Die Sicherheitsregeln sind zu jeder Zeit präsent und dienen bei nicht-Eindeutigkeit von anderen Regelklassen als Rückfallebene. In der Hierarchie der Regeln sind die Sicherheitsregeln dabei an oberster Stelle. Dadurch ist gewährleistet, dass diese erfüllt werden, auch bei uneindeutigen Regeln auf anderen Ebenen.
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Der Begriff „Verkehrsregeln“, wie er im Rahmen der vorliegenden Offenbarung verwendet wird, bezieht sich auf während der Fahrt zu berücksichtigenden Aspekten insbesondere im Zusammenspiel mit anderen Verkehrsteilnehmern, um eine sichere und unfallfreie Fahrt zu ermöglichen. Die Verkehrsregeln sind daher nicht auf gesetzliche Verkehrsregeln beschränkt, wie sie zum Beispiel in der deutschen Straßenverkehrsordnung festgelegt sind.
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Vorzugsweise sind die zumindest zwei Arten von Verkehrsregeln aus der Gruppe ausgewählt, die gesetzliche Verkehrsregeln, soziale Verkehrsregeln und Verkehrsregeln zur Kollisionsvermeidung umfasst, oder die daraus besteht.
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Die gesetzlichen Verkehrsregeln sind zum Beispiel in einem regionsspezifischen und/oder länderspezifischen Regelwerk festgelegt, wie der deutschen Straßenverkehrsordnung. Regionsspezifisch bedeutet, dass auch innerhalb eines Landes die Verkehrsregeln variieren können. Zum Beispiel gelten in den USA in den Bundesstaaten unterschiedliche Verkehrsregeln.
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Die sozialen Verkehrsregeln betreffen im Umgang mit anderen Verkehrsteilnehmern übliche Verhaltensregeln. Die sozialen Verkehrsregeln können ebenfalls regionsspezifischen und/länderspezifisch sein. Beispielsweise kann entsprechend den sozialen Verkehrsregeln Personen Vorrang gewährt werden, zum Beispiel an einer Kreuzung. Dabei kann der Umgang mit Fußgängern im Allgemeinen (aber nicht speziellen) in unterschiedlichen Ländern verschieden stark ausgeprägt sein (z.B. zuvorkommend und weniger zuvorkommend).
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Die Verkehrsregeln zur Kollisionsvermeidung können zum Beispiel andere Verkehrsteilnehmer betreffen und angeben, dass eine Kollision mit einem anderen Fahrzeug, Fahrradfahrer, Fußgänger, etc. zu vermeiden ist. Ergänzend oder alternativ können die Verkehrsregeln zur Kollisionsvermeidung angeben, dass eine Kollision mit stationären Objekten, die zum Beispiel vor dem Fahrzeug auf der Straße liegen, zu vermeiden ist.
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Die Formulierung der Verkehrsregeln basiert dabei zum Beispiel auf Abstandsbemäßungen,aktuellen Geschwindigkeiten, Beschleunigungen, kinematischen Modellen und Ähnlichem. Insbesondere soll der Satz an Verkehrsregeln unter Berücksichtigung vertretbaren Verhaltens anderer Verkehrsteilnehmer ein kollisionsfreies, sicheres Verhalten des Ego-Fahrzeugs garantieren.
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Die gesetzlichen Verkehrsregeln, sozialen Verkehrsregeln und Verkehrsregeln zur Kollisionsvermeidung sind jedoch nicht auf die oben gennannten Beispiele beschränkt und können zum Beispiel je nach Land spezifisch und geeignet festgelegt sein.
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In einigen Ausführungsformen kann die Hierarchie basierend auf der Art der Verkehrsregeln festgelegt sein. Zum Beispiel kann eine erste Art von Verkehrsregeln (z.B. zur Kollisionsvermeidung) in der Hierarchie über einer zweiten Art von Verkehrsregeln (z.B. sozialen Verkehrsregeln) stehen. Ergänzend oder alternativ können die Verkehrsregeln innerhalb einer Art von Verkehrsregeln hierarchisch sortiert sein. Zum Beispiel ist in Deutschland eine verkehrsregelnde Ampel wichtiger als beispielsweise ein Vorfahrtsschild.
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Vorzugsweise ist zumindest eine Verkehrsregel der zumindest zwei Arten von Verkehrsregeln (oder zumindest eine Art von Verkehrsregeln der zumindest zwei Arten von Verkehrsregeln) als nicht übertretbar gekennzeichnet. Ergänzend oder alternativ ist zumindest eine Verkehrsregel der zumindest zwei Arten von Verkehrsregeln (oder zumindest eine Art von Verkehrsregeln der zumindest zwei Arten von Verkehrsregeln) als übertretbar gekennzeichnet.
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Die Hierarchie kann einen Stärkegrad der Verkehrsregeln angeben. Die Hierarchie bzw. der Stärkegrad kann entsprechend der Kennzeichnung als übertretbar und nicht übertretbar festgelegt sein. Zum Beispiel kann eine Verkehrsregel zur Bildung einer Rettungsgasse hierarchisch höher sein als eine Verkehrsregel bezüglich eines Überfahrens einer durchgezogenen Linie. Dementsprechend kann das automatisiert fahrende Fahrzeug entsprechend der Hierarchie eine durchgezogene Linie überfahren, um eine Rettungsgasse zu bilden.
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Vorzugsweise ist der Satz von Verkehrsregeln ein länderspezifischer Satz von Verkehrsregeln. Insbesondere können in verschiedenen Ländern unterschiedliche Verkehrsregeln gelten. Durch die Auswahl der Verkehrsregeln basierend auf der Geoposition kann sichergestellt werden, dass jederzeit die korrekten und gültigen Verkehrsregeln beim Betrieb des automatisiert fahrenden Fahrzeugs verwendet werden.
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Vorzugsweise umfasst das Verfahren weiter ein Austauschen des Satzes von Verkehrsregeln gegen einen anderen Satz von Verkehrsregeln, wenn das Fahrzeug eine Ländergrenze überschreitet. Damit kann sichergestellt werden, dass jederzeit die korrekten und gültigen Verkehrsregeln beim Betrieb des automatisiert fahrenden Fahrzeugs verwendet werden.
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In einigen Ausführungsformen sind mehrere Sätze von Verkehrsregeln in einer zentralen Einheit, wie zum Beispiel einem Backend gespeichert. Das Backend kann zum Beispiel ein Backend eines Fahrzeugherstellers sein. Das (Ego)Fahrzeug kann entsprechend der Geoposition den korrekten Satz von Verkehrsregeln beim Backend anfragen und herunterladen. Alternativ kann das Fahrzeug eine Datenbank mit einer Vielzahl von Sätzen von Verkehrsregeln umfassen. Die Datenbank des Fahrzeugs kann bei einer Herstellung des Fahrzeugs erstellt und implementiert werden. Optional kann die Datenbank im Laufe des Fahrzeuglebens aktualisiert und/oder ergänzt werden, zum Beispiel bei einem Service und/oder online.
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Gemäß einem weiteren unabhängigen Aspekt der vorliegenden Offenbarung ist ein Speichermedium mit einem Software-Programm angegeben, das eingerichtet ist, um auf einem oder mehreren Prozessoren ausgeführt zu werden, und um dadurch das in diesem Dokument beschriebene Verfahren zur Auswahl von Verkehrsregeln für ein automatisiert fahrendes Fahrzeug auszuführen.
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Gemäß einem weiteren unabhängigen Aspekt ist ein Software (SW) Programm angegeben. Das SW Programm kann eingerichtet werden, um auf einem oder mehreren Prozessoren Prozessor ausgeführt zu werden, und um dadurch das in diesem Dokument beschriebene Verfahren zur Auswahl von Verkehrsregeln für ein automatisiert fahrendes Fahrzeug auszuführen.
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Gemäß einem weiteren unabhängigen Aspekt der vorliegenden Offenbarung ist ein System zur Auswahl von Verkehrsregeln für ein automatisiert fahrendes Fahrzeug, insbesondere ein Kraftfahrzeug, angegeben. Das System umfasst eine Bestimmungseinheit, die eingerichtet ist, um eine Geoposition des Fahrzeugs zu bestimmen; und eine Auswahleinheit, die eingerichtet ist, um einen Satz einer Vielzahl von Verkehrsregeln basierend auf der Geoposition auszuwählen, wobei die Vielzahl von Verkehrsregeln zumindest zwei verschiedene Arten von Verkehrsregeln umfasst, wobei die zumindest zwei verschiedenen Arten von Verkehrsregeln gesetzliche Verkehrsregeln und sozialen Verkehrsregeln umfassen.
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Das System kann Aspekte enthalten, die in Zusammenhang mit dem Verfahren zur Auswahl von Verkehrsregeln für ein automatisiert fahrendes Fahrzeug der vorliegenden Offenbarung beschrieben sind. Ähnlich kann das Verfahren zur Auswahl von Verkehrsregeln für ein automatisiert fahrendes Fahrzeug die in Zusammenhang mit dem System zur Auswahl von Verkehrsregeln für ein automatisiert fahrendes Fahrzeug beschriebenen Aspekte implementieren.
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Gemäß einem weiteren unabhängigen Aspekt der vorliegenden Offenbarung ist ein Fahrzeug, insbesondere Kraftfahrzeug, angegeben. Das Fahrzeug umfasst das System zur Auswahl von Verkehrsregeln für ein automatisiert fahrendes Fahrzeug gemäß den Ausführungsformen der vorliegenden Offenbarung.
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Der Begriff Fahrzeug umfasst PKW, LKW, Busse, Wohnmobile, Krafträder, etc., die der Beförderung von Personen, Gütern, etc. dienen. Insbesondere umfasst der Begriff Kraftfahrzeuge zur Personenbeförderung.
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Das Fahrzeug umfasst ein Fahrassistenzsystem zum automatisierten Fahren. Unter dem Begriff „automatisiertes Fahren“ kann im Rahmen des Dokuments ein Fahren mit automatisierter Längs- oder Querführung oder ein autonomes Fahren mit automatisierter Längs- und Querführung verstanden werden. Bei dem automatisierten Fahren kann es sich beispielsweise um ein zeitlich längeres Fahren auf der Autobahn oder um ein zeitlich begrenztes Fahren im Rahmen des Einparkens oder Rangierens handeln. Der Begriff „automatisiertes Fahren“ umfasst ein automatisiertes Fahren mit einem beliebigen Automatisierungsgrad. Beispielhafte Automatisierungsgrade sind ein assistiertes, teilautomatisiertes, hochautomatisiertes oder vollautomatisiertes Fahren. Diese Automatisierungsgrade wurden von der Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt) definiert (siehe BASt-Publikation „Forschung kompakt“, Ausgabe 11/2012).
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Beim assistierten Fahren führt der Fahrer dauerhaft die Längs- oder Querführung aus, während das System die jeweils andere Funktion in gewissen Grenzen übernimmt. Beim teilautomatisierten Fahren (TAF) übernimmt das System die Längs- und Querführung für einen gewissen Zeitraum und/oder in spezifischen Situationen, wobei der Fahrer das System wie beim assistierten Fahren dauerhaft überwachen muss. Beim hochautomatisierten Fahren (HAF) übernimmt das System die Längs- und Querführung für einen gewissen Zeitraum, ohne dass der Fahrer das System dauerhaft überwachen muss; der Fahrer muss aber in einer gewissen Zeit in der Lage sein, die Fahrzeugführung zu übernehmen. Beim vollautomatisierten Fahren (VAF) kann das System für einen spezifischen Anwendungsfall das Fahren in allen Situationen automatisch bewältigen; für diesen Anwendungsfall ist kein Fahrer mehr erforderlich.
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Die vorstehend genannten vier Automatisierungsgrade entsprechen den SAE-Level 1 bis 4 der Norm SAE J3016 (SAE - Society of Automotive Engineering). Beispielsweise entspricht das hochautomatisierte Fahren (HAF) Level 3 der Norm SAE J3016. Ferner ist in der SAE J3016 noch der SAE-Level 5 als höchster Automatisierungsgrad vorgesehen, der in der Definition der BASt nicht enthalten ist. Der SAE-Level 5 entspricht einem fahrerlosen Fahren, bei dem das System während der ganzen Fahrt alle Situationen wie ein menschlicher Fahrer automatisch bewältigen kann; ein Fahrer ist generell nicht mehr erforderlich.
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Figurenliste
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Ausführungsbeispiele der Offenbarung sind in den Figuren dargestellt und werden im Folgenden näher beschrieben. Es zeigen:
- 1 schematisch ein Flussdiagramm eines Verfahrens zur Auswahl von Verkehrsregeln für ein automatisiert fahrendes Fahrzeug gemäß Ausführungsformen der vorliegenden Offenbarung, und
- 2 schematisch ein Fahrzeug mit einem System zur Auswahl von Verkehrsregeln für ein automatisiert fahrendes Fahrzeug gemäß den Ausführungsformen der vorliegenden Offenbarung.
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Ausführungsformen der Offenbarung
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Im Folgenden werden, sofern nicht anders vermerkt, für gleiche und gleichwirkende Elemente gleiche Bezugszeichen verwendet.
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1 zeigt schematisch ein Flussdiagramm eines Verfahrens 100 zur Auswahl von Verkehrsregeln für ein automatisiert fahrendes Fahrzeug, insbesondere ein Kraftfahrzeug, gemäß Ausführungsformen der vorliegenden Offenbarung. Das Verfahren 100 für ein automatisiert fahrendes Fahrzeug kann durch eine entsprechende Software implementiert werden, der durch einen oder mehrere Prozessoren (z.B. eine CPU) ausführbar ist.
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Das Verfahren 100 umfasst im Block 110 ein Bestimmen einer Geoposition des Fahrzeugs; und im Block 120 ein Auswählen eines Satzes einer Vielzahl von Verkehrsregeln basierend auf der Geoposition des Fahrzeugs, wobei die Vielzahl von Verkehrsregeln zumindest zwei verschiedene Arten von Verkehrsregeln umfasst, wobei die zumindest zwei verschiedenen Arten von Verkehrsregeln gesetzliche Verkehrsregeln und sozialen Verkehrsregeln umfassen.
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Gemäß den Ausführungsformen der vorliegenden Offenbarung wird ein Satz von Verkehrsregeln basierend auf einer Geoposition des Fahrzeugs ausgewählt, so dass jederzeit die aktuell gültigen Verkehrsregeln zur Steuerung des automatisiert fahrenden Fahrzeugs vorliegen.
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Die Verkehrsregeln können in einigen Ausführungsformen hierarchisch sortiert sein, so dass bestimmte Verkehrsregeln vor anderen Verkehrsregeln Vorrang haben. Beispielsweise kann die gesetzliche Verkehrsregel an einem Fußgängerübergang eine Vorfahrt für das Egofahrzeug angeben, eine länderspezifische soziale Verkehrsregel jedoch dem Fußgänger Vorrang einräumen. Wenn diese soziale Verkehrsregel in der Hierarchie über der gesetzlichen Verkehrsregel steht, kann das Fahrzeug dem Fußgänger trotz der gesetzlich gegebenen Vorfahrt den Vortritt einräumen.
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In einigen Ausführungsformen kann ein Logiklöser, wie zum Beispiel ein Logikprogrammlöser verwendet werden, so dass beispielsweise eine Ländervariation über austauschbare Regelbasen in Form von logischen Regeln erfolgen kann. Diese können in menschenlesbarer und nachvollziehbarer Weise verfasst sein, so dass immer eine deterministische, erklärbare und überprüfbare Entscheidung gegeben werden kann. Der Logikprogrammlöser kann im Fahrzeug abhängig von der aktuellen Position für das entsprechende Land online konfiguriert werden. Dies beinhaltet insbesondere ein Laden einer länderspezifischen Regelbasis.
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Die Regelbasis enthält die generischen Verkehrsregeln. Diese Regelbasis wird mit Informationen über die konkrete Verkehrssituation in Form von logischen Fakten kombiniert und dem Logikprogrammlöser übergeben. Dieser gibt die Schlussfolgerungen zurück, die zum Beispiel beinhalten, welcher Verkehrsteilnehmer welchen anderen Verkehrsteilnehmern Vorfahrt gewähren muss. Die Fakten werden aus den aktuellen Karten und aus Sensorinformationen gewonnen. Welche Fakten in welchem Land und/oder in welcher Region relevant sind und extrahiert werden müssen, kann Teil der Länderkonfiguration sein.
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Die aus den aktuellen Karten extrahierten Fakten können zum Beispiel auf einer geometrischen Repräsentation der Straße basieren (z.B. Aufbau einer Kreuzung). Die aus den Sensorinformationen gewonnen Fakten können auf durch eine Umgebungssensorik erfassten Umfelddaten basieren, wie zum Beispiel eine Ampelerkennung.
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Beispielsweise begegnen sich an einer vierarmigen Kreuzung zwei Fahrzeuge A und B. Beide wollen geradeaus über die Kreuzung fahren, wobei B aus der von A aus rechts liegenden Straße kommt. Aus den Sensorbeobachtungen der Fahrzeuge und den Karteninformationen ergeben sich die Pfade beider Fahrzeuge. Die Interaktionsrichtung beider Pfade wird ausgewertet und die Information, dass der B Pfad von rechts mit dem A Pfad interagiert wird als Fakt erstellt. Die Schlussfolgerung der Regelbasis für Deutschland ergibt, dass Fahrzeug A Fahrzeug B Vorfahrt gewähren muss.
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In einem weiteren Beispiel, das auf dem ersten Beispiel basiert, befindet sich das Fahrzeug A auf einer Vorfahrtsstraße. Die relevanten Schilder werden als Fakten extrahiert und die Schlussfolgerung ergibt das Vorfahrtsrecht von A.
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In einem noch weiteren Beispiel ist die Kreuzung in Deutschland und zusätzlich mit Ampeln versehen und A hat ein rotes Signal. Die relevanten Ampelzustände werden als Fakten extrahiert und die Schlussfolgerung ergibt das Vorfahrtsrecht von B.
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In einem noch weiteren Beispiel ist die Kreuzung in den USA und ist zudem mit „All-way Stop“ Schildern versehen. A hat deutlich vor B an der Kreuzung gestoppt. Die relevanten Schilder und Stoppzeitpunkte aller Verkehrsteilnehmer werden als Fakten extrahiert und die Schlussfolgerung ergibt das Vorfahrtsrecht von A.
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Die Stoppzeitpunkte können zum Beispiel wie folgt extrahiert werden. Neben normativen Regeln und Fakten können Regeln vorhanden sein, die zusätzliches Wissen beschreiben, das durch Schlussfolgerung erzeugt werden kann. Beispielsweise kann aus einer Grünpfeilampel nach links (Deutschland) geschlossen werden, dass alle weiteren Verkehrsteilnehmer rot haben und die Kreuzung gefahrlos passiert werden kann.
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Die Verkehrsregeln sind also hierarchisch sortiert, so dass bestimmte Verkehrsregeln vor anderen Verkehrsregeln Vorrang haben. Beispielsweise kann die gesetzliche Verkehrsregel an einem Fußgängerübergang eine Vorfahrt für das Egofahrzeug angeben, eine regionsspezifische und/oder länderspezifische soziale Verkehrsregel jedoch dem Fußgänger Vorrang einräumen. Das Fahrzeug kann dem Fußgänger trotz der gesetzlich gegebenen Vorfahrt den Vortritt einräumen.
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Die Verkehrsregeln des Satzes von Verkehrsregeln können dabei auf Hierarchieebenen sortiert sein, wobei jede Hierarchieebene eine oder mehrere Verkehrsregeln umfassen kann. Mehrere Verkehrsregeln auf einer Hierarchieebene stehen dabei gleichberechtigt nebeneinander, und keine der mehreren Verkehrsregeln dieser Hierarchieebene hat Vorrang zu einer anderen Verkehrsregel dieser Hierarchieebene.
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In einigen Ausführungsformen sind die zumindest zwei Arten von Verkehrsregeln aus der Gruppe ausgewählt, die gesetzliche Verkehrsregeln, soziale Verkehrsregeln und Verkehrsregeln zur Kollisionsvermeidung umfasst, oder die daraus besteht.
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Die gesetzlichen Verkehrsregeln sind zum Beispiel in einem länderspezifischen Regelwerk festgelegt, wie der deutschen Straßenverkehrsordnung. Die sozialen Verkehrsregeln betreffen im Umgang mit anderen Verkehrsteilnehmern übliche Verhaltensregeln. Die sozialen Verkehrsregeln können ebenfalls länderspezifisch sein. Beispielsweise kann entsprechend den sozialen Verkehrsregeln älteren Leuten Vorrang gewährt werden, zum Beispiel an einer Kreuzung. Die Verkehrsregeln zur Kollisionsvermeidung können zum Beispiel andere Verkehrsteilnehmer betreffen und angeben, dass eine Kollision mit einem anderen Fahrzeug, Fahrradfahrer, Fußgänger, etc. zu vermeiden ist. Ergänzend oder alternativ können die Verkehrsregeln zur Kollisionsvermeidung angeben, dass eine Kollision mit stationären Objekten, die zum Beispiel vor dem Fahrzeug auf der Straße liegen, zu vermeiden ist.
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Die gesetzlichen Verkehrsregeln, sozialen Verkehrsregeln und Verkehrsregeln zur Kollisionsvermeidung sind jedoch nicht auf die oben gennannten Beispiele beschränkt und können zum Beispiel je nach Land spezifisch und geeignet festgelegt sein.
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In einigen Ausführungsformen kann die Hierarchie basierend auf der Art der Verkehrsregeln festgelegt sein. Zum Beispiel kann eine erste Art von Verkehrsregeln (z.B. zur Kollisionsvermeidung) in der Hierarchie über einer zweiten Art von Verkehrsregeln (z.B. sozialen Verkehrsregeln) stehen. Ergänzend oder alternativ können die Verkehrsregeln innerhalb einer Art hierarchisch sortiert sein.
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Beispielsweise ist zumindest eine Verkehrsregel der zumindest zwei Arten von Verkehrsregeln (oder zumindest eine Art von Verkehrsregeln der zumindest zwei Arten von Verkehrsregeln) als nicht übertretbar gekennzeichnet. Ergänzend oder alternativ ist zumindest eine Verkehrsregel der zumindest zwei Arten von Verkehrsregeln (oder zumindest eine Art von Verkehrsregeln der zumindest zwei Arten von Verkehrsregeln) als übertretbar gekennzeichnet.
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Die Hierarchie kann einen Stärkegrad der Verkehrsregeln angeben. Die Hierarchie bzw. der Stärkegrad kann entsprechend der Kennzeichnung als übertretbar und nicht übertretbar festgelegt sein. Zum Beispiel kann eine Verkehrsregel zur Bildung einer Rettungsgasse hierarchisch höher sein als eine Verkehrsregel bezüglich eines Überfahrens einer durchgezogenen Linie. Dementsprechend kann das automatisiert fahrende Fahrzeug entsprechend der Hierarchie eine durchgezogene Linie überfahren, um eine Rettungsgasse zu bilden.
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In einigen Ausführungsformen ist der Satz von Verkehrsregeln ein länderspezifischer Satz von Verkehrsregeln. Insbesondere können in verschiedenen Ländern unterschiedliche Verkehrsregeln gelten. Durch die Auswahl der Verkehrsregeln basierend auf der Geoposition kann sichergestellt werden, dass jederzeit die korrekten und gültigen Verkehrsregeln beim Betrieb des automatisiert fahrenden Fahrzeugs verwendet werden.
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Typischerweise umfasst das Verfahren 100 weiter ein Austauschen des Satzes von Verkehrsregeln gegen einen anderen Satz von Verkehrsregeln, wenn das Fahrzeug eine Ländergrenze überschreitet. Damit kann sichergestellt werden, dass jederzeit die korrekten und gültigen Verkehrsregeln beim Betrieb des automatisiert fahrenden Fahrzeugs verwendet werden.
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In einigen Ausführungsformen sind mehrere Sätze von Verkehrsregeln in einer zentralen Einheit, wie zum Beispiel einem Backend gespeichert. Das (Ego)Fahrzeug kann entsprechend der Geoposition den korrekten Satz von Verkehrsregeln beim Backend anfragen und herunterladen. Alternativ kann das Fahrzeug eine Datenbank mit einer Vielzahl von Sätzen von Verkehrsregeln umfassen. Die Datenbank des Fahrzeugs kann bei einer Herstellung des Fahrzeugs erstellt und implementiert werden. Optional kann die Datenbank im Laufe des Fahrzeuglebens aktualisiert und/oder ergänzt werden, zum Beispiel bei einem Service und/oder online.
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2 zeigt schematisch ein Fahrzeug 200, insbesondere ein Kraftfahrzeug, gemäß den Ausführungsformen der vorliegenden Offenbarung.
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Das Fahrzeug 200 umfasst ein Fahrassistenzsystem 300 zum automatisierten Fahren. Beim automatisierten Fahren erfolgt die Längs- und Querführung des Fahrzeugs 200 automatisch. Das Fahrassistenzsystem 300 übernimmt also die Fahrzeugführung. Hierzu steuert das Fahrassistenzsystem 300 den Antrieb 20, das Getriebe 22, die hydraulische Betriebsbremse 24 und die Lenkung 26 über nicht dargestellte Zwischeneinheiten.
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Zur Planung und Durchführung des automatisierten Fahrens werden Umfeldinformationen einer Umfeldsensorik, die das Fahrzeugumfeld beobachtet, vom Fahrerassistenzsystem 300 entgegengenommen. Insbesondere kann das Fahrzeug wenigstens einen Umgebungssensor 12 umfassen, der zur Aufnahme von Umgebungsdaten, die das Fahrzeugumfeld angeben, eingerichtet ist. Der wenigstens eine Umgebungssensor 12 kann beispielsweise ein oder mehrere LiDAR-Systeme, ein oder mehrere Radar-Systeme und/oder eine oder mehrere Kameras umfassen. Zusätzlich oder als Ersatz für einen der zuvor genannten Umgebungssensoren kann das Fahrzeug 200 das System 400 für ein automatisiert fahrendes Fahrzeug gemäß den Ausführungsformen der vorliegenden Offenbarung umfassen.
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Das System 400 zur Auswahl von Verkehrsregeln für ein automatisiert fahrendes Fahrzeug umfasst eine Bestimmungseinheit, die eingerichtet ist, um eine Geoposition des Fahrzeugs zu bestimmen; und eine Auswahleinheit, die eingerichtet ist, um einen Satz von Verkehrsregeln basierend auf der Geoposition auszuwählen, wobei der Satz von Verkehrsregeln zumindest zwei Arten von Verkehrsregeln umfasst, die hierarchisch sortiert sein können. Die zumindest zwei verschiedenen Arten von Verkehrsregeln umfassend dabei gesetzliche Verkehrsregeln und sozialen Verkehrsregeln.
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Das System 400 zur Auswahl von Verkehrsregeln für ein automatisiert fahrendes Fahrzeug kann Aspekte enthalten, die in Zusammenhang mit dem Verfahren der vorliegenden Offenbarung beschrieben sind. Ähnlich kann das Verfahren zur Auswahl von Verkehrsregeln für ein automatisiert fahrendes Fahrzeug die in Zusammenhang mit dem System beschriebenen Aspekte implementieren.
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Gemäß den Ausführungsformen der vorliegenden Offenbarung wird ein Satz von Verkehrsregeln basierend auf einer Geoposition des Fahrzeugs ausgewählt, so dass jederzeit die aktuell gültigen Verkehrsregeln zur Steuerung des automatisiert fahrenden Fahrzeugs vorliegen. Die Verkehrsregeln können hierarchisch sortiert sein, so dass bestimmte Verkehrsregeln vor anderen Verkehrsregeln Vorrang haben. Beispielsweise kann die gesetzliche Verkehrsregel an einem Fußgängerübergang eine Vorfahrt für das Egofahrzeug angeben, eine länderspezifische soziale Verkehrsregel jedoch dem Fußgänger Vorrang einräumen. Wenn diese soziale Verkehrsregel in der Hierarchie über der gesetzlichen Verkehrsregel steht, kann das Fahrzeug dem Fußgänger trotz der gesetzlich gegebenen Vorfahrt den Vortritt einräumen.
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Obwohl die Erfindung im Detail durch bevorzugte Ausführungsbeispiele näher illustriert und erläutert wurde, so ist die Erfindung nicht durch die offenbarten Beispiele eingeschränkt und andere Variationen können vom Fachmann hieraus abgeleitet werden, ohne den Schutzumfang der Erfindung zu verlassen. Es ist daher klar, dass eine Vielzahl von Variationsmöglichkeiten existiert. Es ist ebenfalls klar, dass beispielhaft genannte Ausführungsformen wirklich nur Beispiele darstellen, die nicht in irgendeiner Weise als Begrenzung etwa des Schutzbereichs, der Anwendungsmöglichkeiten oder der Konfiguration der Erfindung aufzufassen sind. Vielmehr versetzen die vorhergehende Beschreibung und die Figurenbeschreibung den Fachmann in die Lage, die beispielhaften Ausführungsformen konkret umzusetzen, wobei der Fachmann in Kenntnis des offenbarten Erfindungsgedankens vielfältige Änderungen beispielsweise hinsichtlich der Funktion oder der Anordnung einzelner, in einer beispielhaften Ausführungsform genannter Elemente vornehmen kann, ohne den Schutzbereich zu verlassen, der durch die Ansprüche und deren rechtliche Entsprechungen, wie etwa weitergehenden Erläuterungen in der Beschreibung, definiert wird.