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Die Erfindung betrifft ein Fahrzeug, z.B. ein zumindest teilweise oder voll automatisiert fahrendes Fahrzeug. Insbesondere betrifft die Erfindung den Betrieb eines Fahrzeugs bei Annäherung an ein Halte-Ereignis und/oder an eine Haltelinie.
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Insbesondere beim Fahren in einer Stadt kommt es häufig vor, dass ein Fahrzeug vor einer roten Ampel, insbesondere vor der Haltelinie einer roten Ampel, anhalten muss. Eine rote Ampel kann als Beispiel für ein Halte-Ereignis betrachtet werden, an oder vor dem ein Fahrzeug anhalten muss. Dabei können ggf. mehrere Fahrspuren mit der gleichen Fahrtrichtung zu einem Halte-Ereignis führen.
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Das vorliegende Dokument befasst sich mit der technischen Aufgabe, ein Fahrzeug und insbesondere den Fahrer eines Fahrzeugs bei der Annäherung an ein Halte-Ereignis auf einer mehrspurigen Fahrbahn zu unterstützen, insbesondere um den Fahrkomfort zu erhöhen und/oder um die Dauer einer Fahrt zu reduzieren.
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Die Aufgabe wird jeweils durch die unabhängigen Ansprüche gelöst. Vorteilhafte Ausführungsformen werden u.a. in den abhängigen Ansprüchen beschrieben. Es wird darauf hingewiesen, dass zusätzliche Merkmale eines von einem unabhängigen Patentanspruch abhängigen Patentanspruchs ohne die Merkmale des unabhängigen Patentanspruchs oder nur in Kombination mit einer Teilmenge der Merkmale des unabhängigen Patentanspruchs eine eigene und von der Kombination sämtlicher Merkmale des unabhängigen Patentanspruchs unabhängige Erfindung bilden können, die zum Gegenstand eines unabhängigen Anspruchs, einer Teilungsanmeldung oder einer Nachanmeldung gemacht werden kann. Dies gilt in gleicher Weise für in der Beschreibung beschriebene technische Lehren, die eine von den Merkmalen der unabhängigen Patentansprüche unabhängige Erfindung bilden können.
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Gemäß einem Aspekt wird eine Steuereinheit für ein Fahrzeug, insbesondere für ein (einspuriges oder zweispuriges) Kraftfahrzeug, beschrieben. Das Fahrzeug kann eingerichtet sein, manuell durch einen Fahrer geführt bzw. gesteuert zu werden. Alternativ oder ergänzend kann das Fahrzeug eingerichtet sein, zumindest teilweise automatisiert oder vollautomatisiert geführt zu werden.
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Die Steuereinheit ist eingerichtet, zu detektieren, dass sich das Fahrzeug auf einer Fahrbahn einem Halte-Ereignis nähert, an oder vor dem das Fahrzeug anhalten muss. Beispielhafte Halte-Ereignisse sind: eine Haltelinie, ein Stopp-Schild, eine (rote) Ampel, eine Mautstelle, eine Ausfahrt und/oder ein Vorfahrt-Schild.
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Die Steuereinheit kann eingerichtet sein, Positionsdaten (z.B. GPS Koordinaten) in Bezug auf eine aktuelle Position des Fahrzeugs zu ermitteln. Das Halte-Ereignis kann dann in präziser Weise auf Basis der Positionsdaten und auf Basis von einer digitalen Karte in Bezug auf ein von dem Fahrzeug befahrenes Straßennetz detektiert werden.
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Alternativ oder ergänzend kann die Steuereinheit eingerichtet sein, Umfelddaten in Bezug auf ein Umfeld des Fahrzeugs zu ermitteln (z.B. anhand von ein oder mehreren Umfeldsensoren des Fahrzeugs, z.B. eine Bildkamera, einen Radarsensor, einen Lidar-Sensor und/oder einen Ultraschallsensor). Alternativ oder ergänzend kann die Steuereinheit eingerichtet sein, Verkehrsdaten von ein oder mehreren anderen Verkehrsteilnehmern und/oder von einer für das Halte-Ereignis zuständigen Einheit (z.B. von einer Ampel) zu empfangen. Die Verkehrsdaten können z.B. eine Vehicle-to-X Nachricht umfassen. Die Steuereinheit kann eingerichtet sein, das Halte-Ereignis (ggf. auch) auf Basis der Umfelddaten und/oder auf Basis der Verkehrsdaten zu ermitteln.
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Des Weiteren ist die Steuereinheit eingerichtet, zu bestimmen, dass die Fahrbahn vor dem Halte-Ereignis (ggf. bis zu dem Halte-Ereignis) eine erste Fahrspur und eine zweite Fahrspur aufweist. Mit anderen Worten, es kann bestimmt werden, dass die Fahrbahn vor und/oder bis zu dem Halte-Ereignis (mindestens) zwei Fahrspuren aufweist. Diese Information kann z.B. auf Basis der Positionsdaten, der digitalen Karte, der Umfelddaten und/oder der Verkehrsdaten ermittelt werden.
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Außerdem ist die Steuereinheit eingerichtet, Abstandsinformation bzw. Abstandsdaten in Bezug auf den, durch vorausfahrenden Verkehr (z.B. durch null, ein oder mehrere Vorder-Fahrzeuge) bewirkten, Abstand des Fahrzeugs zu dem Halte-Ereignis in der ersten Fahrspur und in der zweiten Fahrspur zu ermitteln. Alternativ oder ergänzend kann die Steuereinheit eingerichtet sein, Abstandsinformation bzw. Abstandsdaten in Bezug darauf zu ermitteln bzw. zu prädizieren, ob das Fahrzeug, insbesondere aufgrund von null, ein oder mehreren Vorder-Fahrzeugen (d.h. aufgrund von null, ein oder mehreren anderen Fahrzeugen, die vor dem (Ego-) Fahrzeug auf der Fahrbahn angeordnet sind), in der ersten Fahrspur oder in der zweiten Fahrspur einen größeren bzw. einen kleineren Abstand zu dem Halte-Ereignis aufweisen wird (wenn das Fahrzeug vor dem Halte-Ereignis zum Halten kommt). Die Abstandsdaten können bzw. die Abstandsinformation kann z.B. auf Basis der Umfelddaten und/oder auf Basis der Verkehrsdaten ermittelt werden.
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Die Abstandsinformation kann erste Abstandsinformation in Bezug auf einen ersten Abstand umfassen, den das Fahrzeug, insbesondere aufgrund von null, ein oder mehreren Vorder-Fahrzeugen, in der ersten Fahrspur zu dem Halte-Ereignis aufweisen wird. Des Weiteren können die Abstandsinformation zweite Abstandsinformation in Bezug auf einen zweiten Abstand umfassen, den das Fahrzeug, insbesondere aufgrund von null, ein oder mehreren Vorder-Fahrzeugen, in der zweiten Fahrspur zu dem Halte-Ereignis aufweisen wird. Es kann dann überprüft werden, ob der erste Abstand oder der zweite Abstand größer bzw. kleiner ist.
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Die Steuereinheit ist ferner eingerichtet, auf Basis der Abstandsdaten bzw. der Abstandsinformation zu ermitteln, ob sich das Fahrzeug dem Halte-Ereignis auf der ersten Fahrspur oder auf der zweiten Fahrspur nähern sollte. Insbesondere kann auf Basis der Abstandsdaten bzw. der Abstandsinformation bestimmt werden, dass das Fahrzeug in der zweiten Fahrspur einen niedrigeren Abstand zu dem Halte-Ereignis aufweisen wird als in der ersten Fahrspur. Es kann dann basierend darauf bestimmt werden, dass sich das Fahrzeug dem Halte-Ereignis in bzw. auf der zweiten Fahrspur nähern sollte. So können der Komfort für einen Nutzer des Fahrzeugs und/oder die Schnelligkeit, mit der sich das Fahrzeug dem Halte-Ereignis nähert, erhöht werden. Des Weiteren kann so das typische Fahrverhalten eines Fahrers eines Fahrzeugs zuverlässig nachgebildet werden.
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Die Steuereinheit kann eingerichtet sein, zumindest eine Maßnahme zu veranlassen, um zu bewirken, dass sich das Fahrzeug dem Halte-Ereignis auf der ermittelten Fahrspur nähert. Die zumindest eine Maßnahme kann die Ausgabe eines (optischen, bildlichen, akustischen und/oder haptischen) Hinweises an den Fahrer des Fahrzeugs umfassen, um den Fahrer des Fahrzeugs zu veranlassen, das Fahrzeug auf der ermittelten Fahrspur an das Halte-Ereignis heranzuführen.
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Alternativ oder ergänzend kann die zumindest eine Maßnahme das Ansteuern von ein oder mehreren Längs- und/oder Querführungsaktoren (z.B. einem Antriebsmotor, einer Bremsvorrichtung und/oder einer Lenkvorrichtung) des Fahrzeugs umfassen, um zu bewirken, dass das Fahrzeug zumindest teilweise oder hoch bzw. voll automatisiert auf die ermittelte Fahrspur geführt wird und/oder auf der ermittelten Fahrspur an das Halte-Ereignis herangeführt wird. Es wird somit ein komfortabler und zügiger Fahrbetrieb eines Fahrzeugs ermöglicht.
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Die Steuereinheit kann eingerichtet sein, (z.B. auf Basis der Umfelddaten) zu ermitteln, dass sich das Fahrzeug aktuell auf der ersten Fahrspur befindet. Des Weiteren kann (auf Basis der Abstandsdaten bzw. der Abstandsinformation) ermittelt werden, dass sich das Fahrzeug auf der zweiten Fahrspur dem Halte-Ereignis nähern sollte. Die zumindest eine Maßnahme kann dann darauf gerichtet sein, zu veranlassen, dass vor Erreichen des Halte-Ereignisses ein Fahrspurwechsel auf die zweite Fahrspur erfolgt.
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Die Steuereinheit kann eingerichtet sein, (ggf. auch) auf Basis einer Optimierungsfunktion (insbesondere einer Kostenfunktion) zu ermitteln, ob sich das Fahrzeug dem Halte-Ereignis auf der ersten Fahrspur oder auf der zweiten Fahrspur nähern sollte. Die Optimierungsfunktion kann zu diesem Zweck optimiert, insbesondere maximiert oder minimiert, werden.
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Die Optimierungsfunktion kann ggf. die Abstandsdaten bzw. die Abstandsinformation als eine Komponente der Optimierungsfunktion umfassen. Insbesondere können der voraussichtliche erste Abstand in der ersten Fahrspur und/oder der voraussichtliche zweite Abstand in der zweiten Fahrspur als Komponente in die Optimierungsfunktion eingehen.
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Des Weiteren kann die Optimierungsfunktion von ein oder mehreren Fahrparametern des Fahrzeugs beim Annähern an das Halte-Ereignis auf der ersten Fahrspur oder auf der zweiten Fahrspur abhängen. Beispielhafte Fahrparameter sind dabei: eine Beschleunigung und/oder eine Verzögerung des Fahrzeugs; ein Ruck des Fahrzeugs; und/oder ein Energieverbrauch des Fahrzeugs. Durch die Berücksichtigung von ein oder mehreren Fahrparametern bei der Auswahl einer geeigneten Fahrspur kann der Komfort des Fahrzeugs weiter erhöht werden.
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Alternativ oder ergänzend kann die Optimierungsfunktion von ein oder mehreren Umfeldparametern abhängen. Die ein oder mehreren Umfeldparameter können auf Basis der Umfelddaten der ein oder mehreren Umfeldsensoren des Fahrzeugs und/oder auf Basis einer digitalen Karte ermittelt werden. Die Umfeldparameter können z.B. umfassen: die Tatsache, ob der Blinker (rechts oder links) eines Vorder-Fahrzeugs gesetzt ist oder nicht; die Tatsache, ob es sich bei der ersten bzw. der zweiten Fahrspur um eine Linkabbieger- und/oder um eine Rechtsabbiegerfahrspur handelt; und/oder die Tatsache, ob ein Vorder-Fahrzeug an dem Halte-Ereignis abbiegen möchte oder nicht. Durch die Berücksichtigung von ein oder mehreren Umfeldparametern kann die Güte der Auswahl einer geeigneten Fahrspur weiter erhöht werden.
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Die Steuereinheit kann eingerichtet sein, die Fahrspur, auf der sich das Fahrzeug dem Halte-Ereignis nähern sollte, in Abhängigkeit von ein oder mehreren Randbedingungen zu ermitteln. Beispielhafte Randbedingungen sind dabei: eine Randbedingung dahingehend, dass sich die ermittelte Fahrspur auf einer geplanten Fahrroute des Fahrzeugs befindet; und/oder eine Randbindung dahingehend, dass eine Fahrt und/oder ein Wechsel auf die ermittelte Fahrspur kollisionsfrei möglich ist. Durch die Berücksichtigung von ein oder mehreren Randbedingungen bei der Auswahl einer geeigneten Fahrspur kann der Komfort des Fahrzeugs weiter erhöht werden.
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Gemäß einem weiteren Aspekt wird ein (Straßen-) Kraftfahrzeug (insbesondere ein Personenkraftwagen oder ein Lastkraftwagen oder ein Bus oder ein Motorrad) beschrieben, das die in diesem Dokument beschriebene Steuereinheit umfasst.
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Gemäß einem weiteren Aspekt wird ein Verfahren zum Betrieb eines Kraftfahrzeugs bei Annäherung an ein Halte-Ereignis beschrieben. Das Verfahren umfasst das Detektieren, dass sich das Fahrzeug auf einer Fahrbahn einem Halte-Ereignis nähert, an oder vor dem das Fahrzeug anhalten muss. Außerdem umfasst das Verfahren das Bestimmen, dass die Fahrbahn vor dem Halte-Ereignis eine erste Fahrspur und eine zweite Fahrspur aufweist. Ferner umfasst das Verfahren das Ermitteln von Abstandsdaten bzw. Abstandsinformation in Bezug auf einen, durch vorausfahrenden Verkehr bewirkten, Abstand des Fahrzeugs zu dem Halte-Ereignis in der ersten Fahrspur und in der zweiten Fahrspur zu ermitteln. Insbesondere kann Abstandsinformation in Bezug darauf prädiziert werden, ob das Fahrzeug, insbesondere aufgrund von null, ein oder mehreren Vorder-Fahrzeugen, in der ersten Fahrspur oder in der zweiten Fahrspur einen größeren bzw. einen niedrigeren Abstand zu dem Halte-Ereignis aufweisen wird. Es kann dann auf Basis der Abstandsdaten bzw. der Abstandsinformation ermittelt werden, ob sich das Fahrzeug dem Halte-Ereignis auf der ersten Fahrspur oder auf der zweiten Fahrspur nähern sollte.
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Gemäß einem weiteren Aspekt wird ein Software (SW) Programm beschrieben. Das SW Programm kann eingerichtet werden, um auf einem Prozessor (z.B. auf einem Steuergerät eines Fahrzeugs) ausgeführt zu werden, und um dadurch das in diesem Dokument beschriebene Verfahren auszuführen.
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Gemäß einem weiteren Aspekt wird ein Speichermedium beschrieben. Das Speichermedium kann ein SW Programm umfassen, welches eingerichtet ist, um auf einem Prozessor ausgeführt zu werden, und um dadurch das in diesem Dokument beschriebene Verfahren auszuführen.
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Unter dem Begriff „automatisiertes Fahren“ kann im Rahmen des Dokuments ein Fahren mit automatisierter Längs- oder Querführung oder ein autonomes Fahren mit automatisierter Längs- und Querführung verstanden werden. Bei dem automatisierten Fahren kann es sich beispielsweise um ein zeitlich längeres Fahren auf der Autobahn oder um ein zeitlich begrenztes Fahren im Rahmen des Einparkens oder Rangierens handeln. Der Begriff „automatisiertes Fahren“ umfasst ein automatisiertes Fahren mit einem beliebigen Automatisierungsgrad. Beispielhafte Automatisierungsgrade sind ein assistiertes, teilautomatisiertes, hochautomatisiertes oder vollautomatisiertes Fahren. Diese Automatisierungsgrade wurden von der Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt) definiert (siehe BASt-Publikation „Forschung kompakt“, Ausgabe 11/2012). Beim assistierten Fahren führt der Fahrer dauerhaft die Längs- oder Querführung aus, während das System die jeweils andere Funktion in gewissen Grenzen übernimmt. Beim teilautomatisierten Fahren (TAF) übernimmt das System die Längs- und Querführung für einen gewissen Zeitraum und/oder in spezifischen Situationen, wobei der Fahrer das System wie beim assistierten Fahren dauerhaft überwachen muss. Beim hochautomatisierten Fahren (HAF) übernimmt das System die Längs- und Querführung für einen gewissen Zeitraum, ohne dass der Fahrer das System dauerhaft überwachen muss; der Fahrer muss aber in einer gewissen Zeit in der Lage sein, die Fahrzeugführung zu übernehmen. Beim vollautomatisierten Fahren (VAF) kann das System für einen spezifischen Anwendungsfall das Fahren in allen Situationen automatisch bewältigen; für diesen Anwendungsfall ist kein Fahrer mehr erforderlich. Die vorstehend genannten vier Automatisierungsgrade entsprechen den SAE-Level 1 bis 4 der Norm SAE J3016 (SAE - Society of Automotive Engineering). Beispielsweise entspricht das hochautomatisierte Fahren (HAF) Level 3 der Norm SAE J3016. Ferner ist in der SAE J3016 noch der SAE-Level 5 als höchster Automatisierungsgrad vorgesehen, der in der Definition der BASt nicht enthalten ist. Der SAE-Level 5 entspricht einem fahrerlosen Fahren, bei dem das System während der ganzen Fahrt alle Situationen wie ein menschlicher Fahrer automatisch bewältigen kann; ein Fahrer ist generell nicht mehr erforderlich.
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Es ist zu beachten, dass die in diesem Dokument beschriebenen Verfahren, Vorrichtungen und Systeme sowohl alleine, als auch in Kombination mit anderen in diesem Dokument beschriebenen Verfahren, Vorrichtungen und Systemen verwendet werden können. Des Weiteren können jegliche Aspekte der in diesem Dokument beschriebenen Verfahren, Vorrichtungen und Systemen in vielfältiger Weise miteinander kombiniert werden. Insbesondere können die Merkmale der Ansprüche in vielfältiger Weise miteinander kombiniert werden.
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Im Weiteren wird die Erfindung anhand von Ausführungsbeispielen näher beschrieben. Dabei zeigen
- 1a eine beispielhafte Fahrsituation vor einer Haltelinie;
- 1b beispielhafte Komponenten eines Fahrzeugs; und
- 2 ein Ablaufdiagramm eines beispielhaften Verfahrens zum Betrieb eines Fahrzeugs bei Annäherung an ein Halte-Ereignis.
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Wie eingangs dargelegt, befasst sich das vorliegende Dokument mit dem Betrieb eines Fahrzeugs bei der Annäherung an ein Halte-Ereignis. In diesem Zusammenhang zeigt 1a ein beispielhaftes Fahrzeug 100, in diesem Dokument auch als Ego-Fahrzeug bezeichnet, das auf einer mehrspurigen Fahrbahn 110, mit mehreren Fahrspuren 111, 112 in gleicher Fahrtrichtung auf eine Haltelinie 113 (als Beispiel für ein Halte-Ereignis) zufährt. Die im Folgenden für Haltelinien 113 beschriebenen Aspekte sind allgemein auf Halte-Ereignisse anwendbar.
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Bei der Haltelinie 113 handelt es sich in dem dargestellten Beispiel um eine Haltelinie 113 an einer Signalisierungsanlage 114 (insbesondere an einer Ampel). Alternativ oder ergänzend kann es sich bei der Haltelinie 113 z.B. um eine Haltelinie 113 an einem Stopp-Schild oder an einem Vorfahrt-Schild oder an einer Mautstelle handeln. Die Haltelinie 113 kann anzeigen, dass Fahrzeuge 100, 120 (ggf. nur bei Vorliegen einer bestimmten Haltebedingung, etwa einer roten Ampel) vor bzw. an der Haltelinie 113 halten müssen.
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Bei einem relativ hohen Verkehrsaufkommen kann es dazu kommen, dass sich vor einer Haltelinie 113 mehrere (Vorder-) Fahrzeuge 120 stauen. Dabei können die Schlangen von (Vorder-) Fahrzeugen 120 vor der Haltelinie 113 auf den unterschiedlichen Fahrspuren 111, 112 der Fahrbahn 110 unterschiedlich lang sein. Insbesondere kann der Abstand 115, den das Ego-Fahrzeug 100 beim Halten zu der Haltelinie 113 aufweist, für unterschiedliche Fahrspuren 111, 112 unterschiedlich sein. In dem in 1a dargestellten Beispiel wäre der Abstand 115 in der ersten Fahrspur 111 größer als der Abstand 115 in der zweiten Fahrspur 112.
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Ein unterschiedlich hoher Abstand 115 zur Haltelinie 113 führt typischerweise auch dazu, dass das Ego-Fahrzeug 100 in den unterschiedlichen Fahrspuren 111, 112 eine unterschiedlich lange Zeit benötigt, um die Haltelinie 113 zu überfahren. Typischerweise führt ein höherer Abstand 115 zur Haltelinie 113 dazu, dass die Zeit, die das Ego-Fahrzeug 100 benötigt, um die Haltelinie 113 zu überfahren, höher ist als bei einem geringeren Abstand 115. Um schnell im Verkehr vorwärts zu kommen, kann es somit vorteilhaft sein, die Fahrspur 111, 112 zu wechseln, um mit einem reduzierten Abstand 115 vor einer Haltelinie 113 zum Stehen zu kommen. Insbesondere kann es in dem in 1a dargestellten Beispiel für das Ego-Fahrzeug 100 vorteilhaft sein, auf die zweite Fahrspur 112 zu wechseln, um näher zu der Haltelinie 113 zu gelangen.
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1b zeigt beispielhafte Komponente eines (Ego-) Fahrzeugs 100. Das Fahrzeug 100 umfasst ein oder mehrere Umfeldsensoren 102 (z.B. eine Bildkamera, einen Radarsensor, einen Lidar-Sensor, einen Ultraschallsensor, etc.). Ein Umfeldsensor 102 ist eingerichtet, Umfelddaten in Bezug auf ein Umfeld des Fahrzeugs 100, insbesondere in Bezug auf andere Verkehrsteilnehmer bzw. Fahrzeuge 120 im Umfeld des Fahrzeugs 100, zu erfassen.
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Des Weiteren kann das Fahrzeug 100 einen Positionssensor 104 umfassen, der eingerichtet ist, Positionsdaten (z.B. GPS Koordinaten) in Bezug auf eine Position des Fahrzeugs 100 zu ermitteln. Ferner kann das Fahrzeug 100 eine Speichereinheit 105 umfassen, auf der z.B. eine digitale Karte gespeichert ist, die das von dem Fahrzeug 100 befahrene Straßennetz anzeigt. Insbesondere kann die digitale Karte den Verlauf von Fahrbahnen 110 und/oder die Position von Haltelinien 113 (allg. von Halte-Ereignissen) in dem Straßennetz anzeigen.
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Eine Steuereinheit 101 des Fahrzeugs 100 kann eingerichtet sein, auf Basis der Positionsdaten in Bezug auf die aktuelle Position des Fahrzeugs 100 und auf Basis der digitalen Karte zu ermitteln, ob sich auf der aktuell befahrenen Fahrbahn 110 vor dem Fahrzeug 100 eine Haltelinie 113 (d.h. ein Halte-Ereignis) befindet. Des Weiteren kann der aktuelle Abstand 116 des Fahrzeugs 100 zu der Haltelinie 113 ermittelt werden. Die Steuereinheit 101 kann ferner eingerichtet sein, z.B. auf Basis der Umfelddaten, zu ermitteln, ob sich vor der Haltelinie 113 andere Fahrzeuge 120 stauen. Insbesondere kann die Länge von gestauten Fahrzeugen 120 vor der vorausliegenden Haltelinie 113 ermittelt werden. Dabei kann eine erste Länge von gestauten Fahrzeugen 120 auf der ersten Fahrspur 111 (und damit der zu erwartende erste Abstand 115 zu der Haltelinie 113 auf der ersten Fahrspur 111) und eine zweite Länge von gestauten Fahrzeugen 120 auf der zweiten Fahrspur 112 (und damit der zu erwartende zweite Abstand 115 zu der Haltelinie 113 auf der zweiten Fahrspur 112) ermittelt werden.
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Die Steuereinheit 101 des (Ego-) Fahrzeugs 100 kann somit eingerichtet sein, z.B. auf Basis der Umfelddaten, für mehrere (insbesondere für alle) verfügbare Fahrspuren 111, 112 einen Abstand 115 zu der Haltelinie 113 zu prädizieren, in dem das Fahrzeug 100 zum Halten kommen wird. Mit anderen Worten, es können Abstandsdaten in Bezug auf den zu erwartenden Abstand 115 zu der Haltelinie 113 für eine Mehrzahl von unterschiedlichen Fahrspuren 111, 112 ermittelt werden. Die Abstandsdaten können auf Basis der Umfelddaten, auf Basis der Positionsdaten und/oder auf Basis der digitalen Karte ermittelt werden.
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Das Fahrzeug 100 kann eine Kommunikationseinheit 106 umfassen, die eingerichtet ist, Daten über eine (ggf. drahtlose) Kommunikationsverbindung zu senden und/oder zu empfangen. Beispielhafte Kommunikationsverbindungen sind WLAN, 3G, 4G oder 5G. Die Steuereinheit 101 kann eingerichtet sein, über die Kommunikationseinheit 106 Verkehrsdaten von einer Fahrzeug-externen Einheit (z.B. von einem anderen Fahrzeug 120 und/oder von einer Infrastruktureinheit des Straßennetzes) zu empfangen. Die Verkehrsdaten können z.B. eine Vehicle-to-Vehicle Nachricht und/oder eine Vehicle-to-Infrastructure Nachricht umfassen. Die Steuereinheit 101 kann eingerichtet sein, die Abstandsdaten in Bezug auf den Fahrspur-abhängigen Abstand 115 zu der vorausliegenden Haltelinie 113 (ggf. auch) auf Basis der Verkehrsdaten zu ermitteln.
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Die Steuereinheit 101 kann eingerichtet sein, in Abhängigkeit von den Abstandsdaten zu bestimmen, ob das (Ego-) Fahrzeug 100 die Fahrspur 111, 112 wechseln sollte. Zu diesem Zweck kann die Steuereinheit 101 den Wert einer Kostenfunktion bzw. eines Kostenfunktionals (allgemein einer Optimierungsfunktion) ermitteln. Die Kostenfunktion kann von dem Abstand 115 abhängigen, in dem das (Ego-) Fahrzeug 100 vor der Haltelinie 113 zum Stehen kommt.
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Die Steuereinheit 101 kann eingerichtet sein, einen ersten Wert der Kostenfunktion für den ersten Fall zu ermitteln, dass das (Ego-) Fahrzeug 100 auf der ersten Fahrspur 111 verbleibt. Des Weiteren kann die Steuereinheit 101 eingerichtet sein, einen zweiten Wert der Kostenfunktion für den ersten Fall zu ermitteln, dass das (Ego-) Fahrzeug 100 auf die zweite Fahrspur 112 wechselt. Es kann dann in Abhängigkeit von dem ersten Wert und dem zweiten Wert bestimmt werden, ob das Fahrzeug 100 die Fahrspur 111, 112 wechseln sollte oder nicht. Insbesondere kann bestimmt werden, dass das (Ego-) Fahrzeug 100 in der ersten Fahrspur 111 verbleiben sollte, wenn der erste Wert kleiner als oder gleich wie der zweite Wert ist. Andernfalls kann ggf. bestimmt werden, dass das (Ego-) Fahrzeug 100 auf die zweite Fahrzeug 112 wechseln sollte.
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Das (Ego-) Fahrzeug 100 kann eine Benutzerschnittstelle 107 umfassen, die eingerichtet ist, Information an einen Nutzer, insbesondere an einen Fahrer, des (Ego-) Fahrzeugs 100 auszugeben. Die Benutzerschnittstelle 107 kann z.B. einen Bildschirm umfassen, auf dem bildliche Information angezeigt werden kann. Alternativ oder ergänzend kann die Benutzerschnittstelle 107 einen Lautsprecher umfassen, über den akustische Information ausgegeben werden kann.
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Die Steuereinheit 101 kann eingerichtet sein, über die Benutzerschnittstelle 107 des Fahrzeugs 100 einen Hinweis an einen Nutzer des Fahrzeugs 100 auszugeben, dahingehend, dass bei der Annäherung an die Haltelinie 113 ein Fahrspurwechsel durchgeführt werden sollte (wenn zuvor bestimmt wurde, dass ein derartiger Fahrspurwechsel durchgeführt werden sollte). Ggf. kann auch ein Hinweis dahingehend ausgegeben werden, dass kein Fahrspurwechsel durchgeführt werden sollte (wenn zuvor bestimmt wurde, dass kein derartiger Fahrspurwechsel durchgeführt werden sollte). Der Fahrer des Fahrzeugs 100 kann somit veranlasst werden, bei Bedarf einen Fahrspurwechsel durchzuführen.
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Das (Ego-) Fahrzeug 100 kann ein oder mehrere Aktoren 103 zur Längs- und/oder Querführung des Fahrzeugs 100 aufweisen. Beispielhafte Aktoren 103 sind ein Antriebsmotor, eine Bremsvorrichtung und/oder eine Lenkvorrichtung. Die Steuereinheit 101 kann eingerichtet sein, die ein oder mehrere Aktoren 103 automatisch anzusteuern, um bei Bedarf (teilautomatisiert oder vollautomatisiert) eine Fahrspurwechsel durchzuführen. Dabei können auch die Umfelddaten berücksichtigt werden, um bei dem Fahrspurwechsel eine Kollision mit einem anderen Verkehrsteilnehmer 120 zu vermeiden.
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Die Kostenfunktion kann (ggf. zusätzlich) von ein oder mehreren weiteren Variablen bzw. Fahrparametern abhängen, die den Komfort eines Insassen des Fahrzeugs 100 und/oder die Schnelligkeit beschreiben bzw. beeinflussen, mit denen das Fahrzeug 100 eine Haltelinie 113 überfährt. Beispielhafte Variablen bzw. Fahrparameter sind
- • eine Beschleunigung und/oder eine Verzögerung des Fahrzeugs 100, die für einen Fahrspurwechsel umgesetzt werden müsste;
- • ein Ruck des Fahrzeugs 100, der durch ein Fahrspurwechsel bewirkt würde; und/oder
- • ein zusätzlicher oder ggf. ein reduzierter Energieverbrauch, der sich bei einem Fahrspurwechsel ergeben würde.
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Es kann somit ein Kostenfunktion bereitgestellt werden, die neben den Abstandsdaten ggf. noch von ein oder mehreren weiteren Variablen abhängt. Die Kostenfunktion (bzw. allg. die Optimierungsfunktion) kann dabei darauf ausgelegt sein, den Komfort und/oder die Schnelligkeit des Fahrzeugs 100 zu erhöhen. Es kann dann für jede mögliche Fahrspur 111, 112 ein Wert der Kosten- bzw. Optimierungsfunktion ermittelt werden, und basierend darauf kann entschieden werden, ob ein Fahrspurwechsel auf eine bestimmte Fahrspur 111, 112 durchgeführt werden sollte oder nicht.
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Es kann somit ein assistiertes und/oder autonomes Wechseln der Fahrspur 111, 112 vor einem Halte-Ereignis (z.B. vor einer Ampel, vor einem Stopp-Schild, etc.) erfolgen, um zu bewirken, dass ein Fahrzeug 100 auf die Fahrspur 112 mit dem geringsten Abstand 115 zu dem Halte-Ereignis (z.B. zu einer Haltelinie 113) wechselt.
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Zu diesem Zweck kann eine Analyse und Auswertung über einen möglichen Fahrspurwechsel erfolgen, die das Ego-Fahrzeug 100 ggf. veranlasst, einen Fahrspurwechsel einzuleiten, um schließlich mit dem kürzesten Abstand 115 am Halte-Ereignis zum Stehen zu kommen. In diesem Zusammenhang können ein oder mehrere Randbedingungen berücksichtigt werden (z.B. sollte sich die berücksichtigte Fahrspur 112 auf der Fahrroute des Fahrzeugs 100 befinden; und/oder es sollte ein kollisionsfreier Wechsel in eine Fahrspur 112 möglich sein).
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Alternativ oder ergänzend kann in einem Gesamtkostenfunktional (d.h. in einer Optimierungsfunktion) eine Abwägung darüber erfolgen, ob die Energie bzw. der Aufwand für einen Spurwechsel (z.B. Rucke, Beschleunigungen, Energieverbrauch, etc. des Fahrzeugs 100) in einem vertretbaren Verhältnis zu der durch den Spurwechsel bewirkten Reduzierung des Abstands 115 steht.
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2 zeigt ein Ablaufdiagramm eines beispielhaften Verfahrens 200 zum Betrieb eines Fahrzeugs 100 bei Annäherung an ein Halte-Ereignis 113 (z.B. an eine Haltelinie oder an eine Ampel oder an ein Stopp-Schild, etc.). Das Verfahren 200 kann durch eine Steuereinheit 101 des Fahrzeugs 100 ausgeführt werden.
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Das Verfahren 200 umfasst das Detektieren 201, dass sich das Fahrzeug 100 auf einer Fahrbahn 110 einem Halte-Ereignis 113 nähert, an oder vor dem das Fahrzeug 100 anhalten muss. Dies kann z.B. auf Basis von Umfelddaten, auf Basis von Positionsdaten und/oder auf Basis einer digitalen Karte ermittelt werden.
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Des Weiteren umfasst das Verfahren 200 das Bestimmen 202, dass die Fahrbahn 110 vor dem Halte-Ereignis 113 eine erste Fahrspur 111 und eine zweite Fahrspur 112 aufweist. Mit anderen Worten, es kann ermittelt 202 werden, dass sich das Fahrzeug 100 auf mehreren Fahrspuren 111, 112 dem Halte-Ereignis 113 nähern kann, und auf mehreren Fahrspuren 111, 112 an oder vor dem Halte-Ereignis 113 halten kann. Dies kann z.B. auf Basis von Umfelddaten, auf Basis von Positionsdaten und/oder auf Basis einer digitalen Karte ermittelt werden.
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Das Verfahren 200 umfasst ferner das Ermitteln bzw. Prädizieren 203 von Abstandsdaten bzw. Abstandsinformation in Bezug darauf, ob das Fahrzeug 100, insbesondere aufgrund von null, ein oder mehreren Vorder-Fahrzeugen 120, in der ersten Fahrspur 111 oder in der zweiten Fahrspur 112 einen größeren bzw. niedrigeren Abstand 115 zu dem Halte-Ereignis 113 aufweisen wird. Insbesondere können Abstandsdaten in Bezug darauf ermittelt bzw. prädiziert werden, in welcher Fahrspur 111, 112 das Fahrzeug 100 (beim Halten vor dem Halte-Ereignis 113) den niedrigeren bzw. den niedrigsten Abstand 115 aufweisen wird.
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Außerdem umfasst das Verfahren 200 das Ermitteln 204, auf Basis der Abstandsdaten bzw. der Abstandsinformation, ob sich das Fahrzeug 100 dem Halte-Ereignis 113 auf der ersten Fahrspur 111 oder auf der zweiten Fahrspur 112 nähern sollte. Insbesondere kann die Fahrspur 111, 112 ermittelt werden, in der das Fahrzeug 100 den vergleichsweise niedrigsten Abstand 115 aufweisen wird. Diese Fahrspur 111, 112 kann dann als die Fahrspur 111, 112 ermittelt werden, auf der sich das Fahrzeug 100 dem Halte-Ereignis 113 nähern sollte (ggf. unter Berücksichtigung von ein oder mehreren Randbedingungen und/oder von ein oder mehreren weiteren Optimierungs- bzw. Fahrparametern).
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Es kann dann zumindest eine Maßnahme veranlasst werden, um das Fahrzeug 100 manuell, teilautomatisiert oder voll- bzw. hochautomatisiert auf der ermittelten Fahrspur 111, 112 vor dem Halte-Ereignis 113 zum Halt zu bringen.
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Durch die in diesem Dokument beschriebenen Maßnahmen können der Komfort und/oder die Zügigkeit eines Fahrzeugs 100 erhöht werden.
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Die vorliegende Erfindung ist nicht auf die gezeigten Ausführungsbeispiele beschränkt. Insbesondere ist zu beachten, dass die Beschreibung und die Figuren nur das Prinzip der vorgeschlagenen Verfahren, Vorrichtungen und Systeme veranschaulichen sollen.