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Die vorliegende Erfindung betrifft ein Vorspannsystem für einen Sitz, ein Verfahren zum Steuern des Vorspannsystems, eine Steuerung, die ausgestaltet ist, das Verfahren auszuführen, und einen Sitz mit dem Vorspannsystem.
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Die Fahrzeugsicherheit hat in der Forschung und Entwicklung von neuen Fahrzeugen einen erheblichen Stellenwert. Zum einen müssen für eine Teilnahme am Straßenverkehr verschiedene regional unterschiedliche gesetzliche Vorschriften eingehalten werden, welche als Mindestanforderungen für eine Zulassung im Straßenverkehr erfüllt sein müssen. Ferner trifft ein erheblicher Teil der Neufahrzeugkunden seine Kaufentscheidung auch basierend auf dem in Europa verbreiteten, herstellerunabhängigen Crashtestprogramm European New Car Assessment Program (Euro NCAP).
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Getestet werden dabei die aktive und passive Sicherheit von Fahrzeugen. In der Fahrzeugtechnik entspricht die aktive Sicherheit dem fahrtechnischen Ausrüstungsstand eines Fahrzeugs für das Vermeiden von Unfällen, d.h. der Prävention von Unfällen. Die passive Sicherheit entspricht dem bautechnischen Ausrüstungsstand eines Fahrzeugs für die Abmilderung von Unfallfolgen. Ähnliche Begriffe sind Crashsicherheit, Unfallsicherheit und Insassenschutz.
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Zu den Systemen für die passive Sicherheit zählen u.a. sitzintegrierte Rückhaltesystem. Aktuell sind sitzintegrierte Rückhaltesystem so ausgestaltet, dass sich der Insasse im Falle eines Frontcrashs aufgrund eines Lagerspiels im und am Sitz zu Beginn der negativen Beschleunigung des Fahrzeugs ohne nennenswerte Rückhaltung nach vorne verlagert. Im Anschluss entsteht ein harter Anschlag des Insassen am Rückhaltesystem, was sich als unbequem für den Insassen herausstellen kann.
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Aufgabe der Erfindung ist es daher unter anderem diesen Nachteil aus dem Stand der Technik zu überwinden.
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Diese Aufgabe wird erfindungsgemäß gelöst durch die Merkmale der unabhängigen Ansprüche. Vorteilhafte Ausgestaltungen sind in den Unteransprüchen angegeben.
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Danach wird die Aufgabe gelöst durch ein Vorspannsystem für einen Sitz eines Fahrzeugs. Der Sitz ist über eine Schiene an dem Fahrzeug mit Spiel (spielbehaftet) befestigt. Das Vorspannsystem ist ausgestaltet, um den Sitz bei einer Kollision des Fahrzeugs mit einem weiteren Fahrzeug vor einer Vorverlagerung eines sich auf dem Sitz befindlichen Insassen an einem Ende der Schiene so anzuheben, dass dadurch das Spiel eliminiert wird.
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Das Spiel ist vorliegend ein fertigungs- und/oder anwendungsbedingter Bewegungsfreiraum, in dem sich der Stuhl bzw. Sitz nach der Montage in der Schiene gegen und/oder mit der Schiene, und/oder bezüglich sich selbst frei bewegen lässt.
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Das Spiel bzw. Gesamtspiel kann sich also aus der Summe des Spiels durch die Lagerung des Sitzes in der Schiene und des Spiels, das im Sitz selbst vorhanden ist (z.B. Lagerspiel an Verbindungspunkten im Sitz und/oder den beweglichen Teilen des Sitzes), ergeben.
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Die mittels des Vorspannsystems durch Anheben des Sitzes eingebrachte Vorspannung ist eine mechanische Spannung, die durch äußere Belastung des Sitzes dieses Spiel im Lastfall, d.h. beispielsweise bei einem Frontalcrash, so beseitigt, dass das Gesamtspiel im Wesentlichen null beträgt, d.h. eliminiert ist.
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Die Schiene kann so ausgestaltet sein, dass der Sitz in einer Fahrzeuglängsrichtung verstellbar ist.
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Das Fahrzeug kann jedes Land-, Wasser- oder Luftfahrzeug sein, kann aber insbesondere ein Personenkraftwagen sein.
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Das Vorspannsystem kann ausgestaltet sein, um den Sitz an dem Ende der Schiene anzuheben, das dem weiteren Fahrzeug zugewandt ist. Bei einem Frontalcrash ist das die Seite, die in der Fahrtrichtung des Fahrzeugs vorne liegt.
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Das Vorspannsystem kann ausgestaltet sein, um den Sitz an dem vorderen Ende und/oder dem hinteren Ende der Schiene anzuheben.
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Das Vorspannsystem kann ausgestaltet sein, um das Spiel durch Einschieben eines Keils zwischen die Schiene und den Sitz zu eliminieren. Als Aktuator zum Einschieben des Keils kann ein Gasgenerator dienen, insbesondere ein pyrotechnischer Gasgenerator (wie er auch bei einem Airbag verwendet wird). Der Keil kann im Querschnitt dreiecksförmig sein. Der Keil kann ein in Fahrzeuglängsrichtung nach vorne breiter werdendes Stück aus Metall sein, das in Fahrzeuglängsrichtung hinten eine zugespitzten Kante aufweist. Es ist zusätzlich oder alternativ möglich eine Karosseriestruktur, an der die Schiene befestigt ist, pyrotechnisch aufzublasen.
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Ferner wird ein Verfahren zum Steuern des oben beschriebenen Vorspannsystems für einen Sitz eines Fahrzeugs bereitgestellt. Demnach ist der Sitz über eine Schiene an dem Fahrzeug mit Spiel befestigt. Das Verfahren weist ein Detektieren einer Kollision des Fahrzeugs mit einem weiteren Fahrzeug auf. Ferner weist das Verfahren, wenn die Kollision detektiert wird, ein Ausgeben eines Steuersignals zu dem Vorspannsystem auf, sodass das Vorspannsystem den Sitz vor einer Vorverlagerung eines sich auf dem Sitz befindlichen Insassen an einem Ende der Schiene so anhebt, dass dadurch das Spiel eliminiert wird.
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Das Detektieren kann ein Detektieren von negativen Beschleunigungswerten des Fahrzeugs umfassen. Das Ausgeben des Steuersignals kann dann erfolgen, wenn der detektierte negative Beschleunigungswert einen vorbestimmten Grenzwert übersteigt. Der Grenzwert kann so gewählt werden, dass er größer als ein Wert ist, der durch eine Vollbremsung des Fahrzeugs erreicht werden kann. Für das Detektieren kann ein Beschleunigungssensor und/oder ein Drucksensor bereitgestellt werden. Der Beschleunigungssensor und/oder Drucksensor kann/können an, insbesondere hinter, einer Stoßstange des Fahrzeugs vorgesehen sein.
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Ferner wird eine Steuerung bereitgestellt, die ausgestaltet ist, das oben beschriebene Verfahren auszuführen. Die Steuerung kann dieselbe Steuerung sein, die für weitere im Fahrzeug verbaute Rückhaltesystem verwendet wird, oder eine weitere Steuerung sein. Insbesondere kann die Steuerung dieselbe Steuerung sein, die auch für im Fahrzeug verbaute Airbags verwendet wird. Die Steuerung kann über eine Eingangsschnittstelle zu dem für das Detektieren vorgesehenen Beschleunigungssensor und/oder Drucksensor verbunden sein.
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Ferner wird ein Sitz für ein Fahrzeug bereitgestellt, wobei der Sitz über eine Schiene an dem Fahrzeug mit Spiel befestigt ist, und das oben beschriebene Vorspannsystem aufweist.
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Der Sitz kann die oben beschriebene Steuerung aufweisen. Der Sitz kann ein Rückhaltesystem aufweisen. Der Sitz kann ein sitzintegriertes Rückhaltesystem aufweisen. Das Rückhaltesystem kann als Insassenrückhaltesystem dienen, d.h. eine Einrichtung zur Sicherung der sitzenden Passagiere in dem Fahrzeug sein. Mit anderen Worten, das Rückhaltesystem kann ausgestaltet sein, um Fahrzeuginsassen auf dem Sitz zu fixieren. Insbesondere kann das Rückhaltesystem ein Sicherheitsgurt sein. Sitzintegriert kann bedeuten, dass das Rückhaltesystem ausschließlich über den Sitz mit einer Fahrzeugkarosserie des Fahrzeugs verbunden ist.
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Bei der erfindungsgemäßen Lösung kann der Sitz demnach vor der Vorverlagerung des Insassen am vorderen Ende der (Sitz-) Schiene (ruckartig) so weit angehoben werden, dass dadurch das gesamte Spiel des Sitzes aufgrund seiner Massenträgheit entfernt wird. Damit kann das Rückhaltesystem vom ersten Moment der Insassenvorverlagerung an wirken. Die Kraftanbindung ans Fahrzeug ist sofort hergestellt.
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Das Spiel, das kein absichtlich eingebautes Spiel ist, befindet sich unter anderem in den beweglichen Teilen des Sitzes. Wenn nun, z.B. pyrotechnisch, am vorderen Ende der Schiene des Sitzes der Sitz angehoben wird, bleibt der davon entfernteste Teil des Sitzes, d.h. die Oberkante der Lehne, aufgrund der Massenträgheit an derselben Stelle. Das ist möglich, weil die am anderen Ende eingeleitete Positionsänderung durch das Spiel in den beweglichen Teilen des Sitzes „aufgebraucht“ wird. Wenn nun im Anschluss über den integrierten Sicherheitsgurt, der am oberen Lehnenkopf angreift, Kraft eingeleitet wird, kann der Insasse sofort und unmittelbar zurückgehalten werden, ohne dass er sich erst wegen des Spiels in den beweglichen Teilen des Sitzes ohne nennenswerte Rückhaltung vorverlagert.
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Nachfolgend wird eine Ausführungsform mit Bezug zu 1 und 2 beschrieben.
- 1 ist eine schematische Seitenansicht eines Sitzes eines Fahrzeugs mit einem Vorspannsystem gemäß der Ausführungsform.
- 2 ist ein Ablaufdiagramm eines Verfahrens zum Steuern des in 1 dargestellten Vorspannsystems.
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In 1 ist ein Vorspannsystem 1, ein Sitz 2, ein Boden eines Fahrzeugs 3, eine Schiene 4 und eine Steuerung 7 dargestellt.
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In 1 ist mit durchgezogener Linie ein Zustand vor einem Anheben des Sitzes 2 und mit gestrichelter Linie ein Zustand nach dem Anheben des Sitzes 2 dargestellt.
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Das Vorspannsystem 1 weist einen Keil 11 und einen nicht dargestellten Aktuator auf, der ausgestaltet ist, um den Keil 11 in X-Richtung zu verschieben.
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Der Sitz 2 ist über die Sitzbeine 21, 22 in der Schiene 4 an dem Boden des Fahrzeugs 3 befestigt. Zwischen der Schiene 4 und den Sitzbeinen 21, 22 ist jeweils ein Spiel 5 in Z-Richtung, also in Fahrzeughöhenrichtung, gegeben.
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Der Sitz 2 weist ferner ein Rückhaltesystem 8 auf, das vorliegend als ein sitzintegriertes Rückhaltesystem ausgeführt ist. Auf dem Sitz 2 sitzt ein Insasse 6, welcher über das Rückhaltesystem 8 an einer Bewegung relativ zum Sitz 2 in X-Richtung, also in Fahrzeuglängsrichtung, gehindert wird.
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Das in 1 dargestellte Vorspannsystem ist ausgestaltet, um den Sitz 2 bei einer Kollision des Fahrzeugs 3 mit einem weiteren, nicht dargestellten Fahrzeug vor einer Vorverlagerung des sich auf dem Sitz 2 befindlichen Insassen 6 an dem in X-Richtung vorderen Ende der Schiene 4 in Z-Richtung so anzuheben, dass dadurch das Spiel 5 eliminiert wird. Ferner wird auch das nicht dargestellte Spiel im Sitz 2 eliminiert.
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Bei dem in 1 dargestellten Szenario befindet sich das weitere Fahrzeug bei der Kollision in X-Richtung vor dem Fahrzeug 3. Das Vorspannsystem 1 kann in einem nicht dargestellten Fall zudem ausgestaltet sein, um den Sitz 2 an dem in X-Richtung anderen, hinteren Ende der Schiene 4 anzuheben, z.B. wenn sich das weitere Fahrzeug bei der Kollision in X-Richtung hinter dem Fahrzeug 3 befindet (d.h. bei einem Auffahrunfall). Das Vorspannsystem 1 kann folglich ausgestaltet sein, um den Sitz 2 an dem vorderen Ende und/oder dem hinteren Ende der Schiene 4 anzuheben.
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Gemäß der in 1 dargestellten Ausführungsform wird das Spiel durch Einschieben des Keils 11 zwischen die Schiene 4 und den Sitz 2 eliminiert, d.h. der Sitz 2 wird so angehoben, dass das vordere Sitzbein 21 und die Schiene 4 miteinander in Kontakt sind. Das Einschieben des Keils 11 erfolgt durch Zünden des als pyrotechnischen Gasgenerator ausgeführten Aktuators. Es ist zusätzlich oder alternativ möglich, den Sitz durch pyrotechnisches Aufblasen einer Karosseriestruktur, an der die Schiene 4 befestigt ist, anzuheben.
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Die Steuerung 7 weist eine Eingangs- und eine Ausgangsschnittstelle sowie einen Prozessor auf, der ausgestaltet ist, das nachfolgend beschriebene Verfahren zum Auslösen bzw. Zünden des Aktuators auszuführen.
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Nachfolgend wird ein Ablaufdiagramm des Verfahrens zum Steuern des in 1 dargestellten Vorspannsystems 1 im Detail mit Bezug zu 2 beschrieben.
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Das Verfahren zum Steuern des in 1 dargestellten Vorspannsystems 1 weist einen ersten Schritt S1 eines Detektierens einer Kollision des Fahrzeugs 3 mit dem weiteren Fahrzeug auf. Sobald die Kollision detektiert wird, empfängt die Steuerung 7 ein entsprechendes Detektionssignal über ihre Eingangsschnittstelle.
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Der zur Eingangsschnittstelle verbundene Prozessor der Steuerung 7 veranlasst daraufhin die Ausgabe eines Steuersignals über die Ausgangsschnittstelle der Steuerung 7. Das Verfahren weist folglich einen zweiten Schritt S2 des Ausgebens des Steuersignals zu dem Aktuator (nicht dargestellt) des Vorspannsystems 1 auf, wenn die Kollision detektiert wird.
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Basierend auf dem Steuersignal wird der Aktuator den Keil 11 des Vorspannsystems 1 in X-Richtung unter das Sitzbein 21 schieben und/oder den Sitz 2 durch pyrotechnisches aufblasen einer Karosseriestruktur, an der die Schiene 4 befestigt ist, anheben. Dadurch erfolgt eine Verlagerung bzw. ein Anheben des Sitzes 2 von der mit durchgezogener Linie dargestellten Stellung in die mit gestrichelter Linie dargestellte Stellung. Das Anheben erfolgt vor einer Vorverlagerung in X-Richtung des sich auf dem Sitz 2 befindlichen Insassen 6. Das Anheben erfolgt bis das Spiel 5 in der oben beschriebenen Weise eliminiert ist. Wenn der Sitz 2 pyrotechnisch am vorderen Ende der Schiene 4 angehoben wird, bleibt der vom vorderen Sitzbein 21 entfernteste Teil des Sitzes 2, d.h. die Oberkante der Lehne des Sitzes 2, aufgrund der Massenträgheit an derselben Stelle, wie in 1 dargestellt. Über den integrierten Sicherheitsgurt bzw. das Rückhaltesystem 8, das oben an der Lehne des Sitzes 2 angreift, wird nun Kraft eingeleitet, sodass der Insasse 6 sofort und unmittelbar zurückgehalten werden kann, ohne dass er sich erst wegen des Spiels in den beweglichen Teilen des Sitzes 2 im Wesentlichen ohne Rückhaltung vorverlagert.
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Bezugszeichenliste
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- 1
- Vorspannsystem
- 11
- Keil
- 2
- Sitz
- 21, 22
- Sitzbeine
- 3
- Fahrzeug
- 4
- Schiene
- 5
- Spiel
- 6
- Insasse
- 7
- Steuerung
- 8
- Rückhaltesystem