-
Die vorliegende Offenbarung betrifft ein Verfahren zum selektiven Lernen von Fahrzeugdaten, ein Speichermedium mit einem Programm zum Ausführen des Verfahrens und ein System zum selektiven Lernen von Fahrzeugdaten. Die vorliegende Offenbarung betrifft insbesondere eine Objektivierung von Fahrassistenzsystemen, zum Beispiel zum autonomen oder teilautonomen Fahren.
-
Stand der Technik
-
Für die Objektivierung von Fahrassistenzsystemen werden im Allgemeinen Probandenstudien im Realverkehr verwendet, da solche Probandenstudien den Kundenbetrieb wesentlich besser darstellen als Simulatoren oder Studien auf einem Messgelände. In einer Probandenstudie zur Objektivierung bewältigen die Probanden ein Szenario, wie zum Beispiel einen Spurwechsel. Nach Abschluss des Szenarios kann ein Komfortempfinden des Probanden abgefragt werden. Die Fahrzeugdaten werden dann mit den Daten zum Komfortempfinden bzw. den Subjektivbewertungen zusammengeführt, so dass sich ein indizierter Datensatz ergibt. Dieser Datensatz kann zum Beispiel multivariate Zeitserien an Messgrößen in Kombination mit einer Subjektivbewertung wie z.B. Komfort umfassen.
-
In derartigen Studien im Realverkehr können jedoch keine gezielten Varianten erzeugt werden, wie zum Beispiel sehr unkomfortable Spurwechsel. Zudem basiert die Ausprägung des Szenarios auf einer Zufallsverteilung. Dementsprechend gibt es in der Regel sehr viele gute Komfortbewertungen und sehr wenig schlechte Komfortbewertungen. Komfortable Situationen haben im Realverkehr eine deutlich größere Häufigkeit als unkomfortable Situationen. Insbesondere kommen bei einer herkömmlichen Studie pro Probanden in etwa 50 „gute“ Spurwechsel auf lediglich 1-2 „schlechte“ Spurwechsel. Der Nutzer des Fahrzeugs nimmt jedoch bei langen Fahrdauern die „schlechten“ Ereignisse eher wahr. Bei unkomfortablen Szenarien handelt sich daher um ein Phänomen, das in Probandenstudien nicht oder nur sehr schlecht nachgestellt werden kann.
-
Offenbarung der Erfindung
-
Es ist eine Aufgabe der vorliegenden Offenbarung, ein Verfahren zum selektiven Lernen von Fahrzeugdaten, ein Speichermedium mit einem Programm zum Ausführen des Verfahrens und ein System zum selektiven Lernen von Fahrzeugdaten anzugeben, die eine Objektivierung von Fahrassistenzsystemen verbessern können. Insbesondere ist es eine Aufgabe der vorliegenden Offenbarung, Fahrassistenzsysteme zum automatisierten Fahren zu verbessern und/oder eine verbesserte Datenbank zum Betrieb von Fahrassistenzsystemen zum automatisierten Fahren bereitzustellen.
-
Diese Aufgabe wird durch den Gegenstand der unabhängigen Ansprüche gelöst. Vorteilhafte Ausgestaltungen sind in den Unteransprüchen angegeben.
-
Gemäß einem unabhängigen Aspekt der vorliegenden Offenbarung ist ein Verfahren zum selektiven Lernen von Fahrzeugdaten angegeben. Das Verfahren umfasst zumindest die folgenden Schritte:
- a) Erkennen eines Fahrmanövers eines Fahrzeugs;
- b) Bestimmen eines charakteristischen Parameters für das Fahrmanöver mit Bezug auf eine Vielzahl von gleichartigen Fahrmanövern in einer Datenbank; und
- c) wenn der charakteristische Parameter gleich oder größer als eine Schwelle ist:
- c1) Ausgeben einer Bewertungsanfrage bezüglich des Fahrmanövers an einen Nutzer des Fahrzeugs; und
- c2) Hinzufügen des erkannten Fahrmanövers zur Datenbank.
-
Die Schritte c1 und c2 können in dieser Reihenfolge aufgeführt werden, können in der Reihenfolge c2 und c1 ausgeführt werden, oder können gleichzeitig ausgeführt werden.
-
Erfindungsgemäß wird eine Schwelle festgelegt, ab der das Fahrmanöver der Datenbank hinzugefügt wird. Anders gesagt können gezielt Daten von Fahrmanövern gelernt werden, die selten vorkommen. Damit kann eine Anzahl an seltenen Ereignissen im Realverkehr, wie zum Beispiel unkomfortable Spurwechsel, erhöht werden, und die Ereignisse können zusammen mit einer Bewertung des Fahrers in der Datenbank abgelegt werden. Hierdurch werden in der Datenbank nur nützliche Daten gespeichert und verarbeitet, so dass Speicher- und/oder Rechenressourcen gespart werden können. Die gespeicherten Daten können dann bei der Auslegung und/oder Steuerung des Fahrassistenzsystems verwendet werden, so dass eine Funktionsweise des Fahrassistenzsystems verbessert werden kann.
-
Vorzugsweise umfasst das Verfahren ein Verwerfen des erkannten Fahrmanövers, wenn der charakteristische Parameter gleich oder kleiner als die Schwelle ist.
-
Die Fahrmanöverdaten können durch das Fahrzeug bereitgestellt werden. In einigen Ausführungsformen können die Fahrmanöverdaten Fahrzeugdaten und/oder Bewegungsdaten des Fahrzeugs umfassen. Die Fahrmanöverdaten können zum Beispiel eine Längsbeschleunigung des Fahrzeugs (positiv und negativ) und/oder eine Querbeschleunigung des Fahrzeugs (positiv und negativ) und/oder eine Radstellung bzw. Lenkdaten umfassen. Die Fahrmanöverdaten sind jedoch nicht hierauf beschränkt und können beliebige Daten umfassen, die geeignet sind, um das Fahrmanöver zu beschreiben.
-
Das Fahrmanöver kann eine Fahrzeugbewegung sein, die durch das Fahrzeug ausgeführt wird. Insbesondere bezieht sich der Begriff „Fahrmanöver“ im Rahmen der vorliegenden Offenbarung auf eine Fahrzeugsteuerung durch ein Fahrassistenzsystem zum automatisierten Fahren. Das Fahrmanöver kann zum Beispiel ein Spurwechsel, ein Einparkvorgang, ein Ausparkvorgang, ein Abbiegevorgang, ein Beschleunigungsvorgang (z.B. ein Beschleunigen bei einer Auffahrt auf eine Autobahn oder ein Abbremsen beim Abfahren von der Autobahn) usw. sein.
-
Das Fahrmanöver, das beispielsweise durch das Fahrassistenzsystem zum automatisierten Fahren ausgeführt wird, kann mittels der festgelegten Schwelle als von der Norm abweichend erkannt und durch den Nutzer bzw. Fahrer des Fahrzeugs bewertet werden. Insbesondere kann die Vielzahl von gleichartigen Fahrmanövern in der Datenbank eine Norm bzw. ein „normales“ Fahrmanöver innerhalb eines bestimmten Rahmens definieren, wobei die Schwelle eine Abweichung von dieser Norm angibt, ab der es sinnvoll ist, das erkannte Fahrmanöver der Datenbank hinzuzufügen, um die Steuerung des Fahrassistenzsystem zum automatisierten Fahren unter Berücksichtigung der Bewertung des Nutzers bzw. Fahrers zu verbessern.
-
Vorzugsweise umfasst das Verfahren ein Empfangen einer Nutzereingabe als Antwort auf die Bewertungsanfrage bezüglich des Fahrmanövers. Die Bewertungsanfrage kann wenigstens ein Kriterium bezüglich der Durchführung des Fahrmanövers abfragen. Das wenigstens eine Kriterium kann zum Beispiel ein Komfortempfinden, eine allgemeine Bewertung des Fahrmanövers, ein Sicherheitsempfinden während des Fahrmanövers usw. sein. Der Nutzer des Fahrzeugs kann damit beispielsweise ein durch das Fahrassistenzsystem zum automatisierten Fahren durchgeführtes Fahrmanöver, wie z.B. einen Spurwechsel, bewerten.
-
Vorzugsweise werden Nutzereingabedaten entsprechend der Nutzereingabe dem erkannten Fahrmanöver zugeordnet und zusammen mit den Fahrmanöverdaten in der Datenbank gespeichert. Insbesondere können die Fahrmanöverdaten zusammen mit einer Bewertung des Fahrers in der Datenbank abgelegt werden. Hierdurch werden in der Datenbank nur nützliche Daten gespeichert und verarbeitet, so dass Speicher- und/oder Rechenressourcen gespart werden können.
-
Vorzugsweise ist die Datenbank in einer externen zentralen Einheit, wie zum Beispiel einem Server, enthalten. Die externe zentrale Einheit kann zum Beispiel ein Server eines Fahrzeugherstellers sein. Die Datenbank mit den Bewertungen kann für eine Auslegung des Fahrassistenzsystems zum automatisierten Fahren verwendet werden. Insbesondere kann eine Steuerung des Fahrassistenzsystems zum automatisierten Fahren basierend auf den in der Datenbank gelernten Daten erfolgen, um die Fahrmanöver effizienter und/oder für die Nutzer des Fahrzeugs angenehmer zu gestalten.
-
Vorzugsweise wird die Bewertungsanfrage an den Nutzer bzw. Fahrer graphisch und/oder sprachlich ausgegeben. In einigen Ausführungsformen kann eine Benutzerschnittstelle vorgesehen sein, die eingerichtet ist, um die Bewertungsanfrage auszugeben. Die Benutzerschnittstelle kann weiter eingerichtet sein, um die Nutzereingabe bezüglich der Bewertungsanfrage zu empfangen. Typsicherweise umfasst die Benutzerschnittstelle eine Anzeigevorrichtung oder Display. Die Benutzerschnittstelle kann zum Beispiel einen Touchscreen umfassen.
-
In einigen Ausführungsformen erfolgt das Erkennen des Fahrmanövers des Fahrzeugs und/oder das Ausgeben der Bewertungsanfrage durch ein mobiles Endgerät. Beispielsweise kann die Benutzerschnittstelle durch das mobile Endgerät bereitgestellt sein. Der Begriff mobiles Endgerät beinhaltet insbesondere Smartphones, aber auch andere mobile Telefone bzw. Handys, Personal Digital Assistants (PDAs), Tablet PCs sowie alle gängigen sowie künftigen elektronischen Geräte, welche mit einer Technologie zum Laden und Ausführen von Apps ausgestattet sind.
-
In anderen Ausführungsformen erfolgt das Erkennen des Fahrmanövers des Fahrzeugs und/oder das Ausgeben der Bewertungsanfrage durch das Fahrzeug. Beispielsweise kann die Benutzerschnittstelle durch das Fahrzeug bereitgestellt sein, wie zum Beispiel ein Display des Fahrzeugs.
-
Die vorliegende Offenbarung ist jedoch nicht auf diese Beispiele begrenzt und die Aspekte des Verfahrens können auf geeignete Weise auf das Fahrzeug und/oder das mobile Endgerät und/oder die (externe) zentrale Einheit aufgeteilt sein.
-
In einigen Ausführungsformen können Kommunikationsverbindungen für einen Datenaustausch zwischen dem Fahrzeug und/oder dem mobilen Endgerät und/oder der zentralen Einheit vorgesehen sein. Beispielweise kann das mobile Endgerät mit dem Fahrzeug drahtlos oder drahtgebunden direkt kommunizieren oder drahtlos über eine Server-Anbindung (z.B. Cloud) indirekt kommunizieren. Die Kommunikationsverbindung zwischen dem mobilen Endgerät und dem Fahrzeug kann für einen Übertragung der Fahrmanöverdaten vom Fahrzeug an das mobile Endgerät verwendet werden. Die Schritte des erfindungsgemäßen Verfahrens können vom mobilen Endgerät in Zusammenarbeit mit der zentralen Einheit implementiert werden.
-
Vorzugsweise umfasst das Bestimmen des charakteristischen Parameters für das Fahrmanöver ein Überprüfen einer Ähnlichkeit des erkannten Fahrmanövers mit der Vielzahl von gleichartigen Fahrmanövern in der Datenbank unter Verwendung von Dynamic Time Warping, DTW, und insbesondere Multivariate Dynamic Time Warping, MDTW. Dynamic Time Warping bezeichnet im Allgemeinen einen Algorithmus, der Wertefolgen unterschiedlicher Längen aufeinander abbildet.
-
In einigen Ausführungsformen ist der charakteristische Parameter eine Distanz, und insbesondere eine MDTW Distanz.
-
Beispielsweise prüft der MDTW Algorithmus das erkannte Fahrmanöver, wie zum Beispiel einen Spurwechsel, auf Ähnlichkeit mit den Spurwechseln in der Datenbank. Hier kann zum Beispiel eine durchschnittliche MDTW Distanz aller Beobachtungen bzw. Spurwechsel berechnet werden. Weist der neue Spurwechsel eine höhere MDTW Distanz auf als die Durchschnittsdistanz (=Schwelle), dann ist es vorteilhaft, diesen Spurwechsel zu lernen, da dieser die durchschnittliche MDTW Distanz dadurch reduziert.
-
Gemäß einem weiteren unabhängigen Aspekt der vorliegenden Offenbarung ist ein Speichermedium mit einem Software-Programm bereitgestellt. Das Software-Programm ist eingerichtet, um auf einem oder mehreren Prozessoren ausgeführt zu werden, und um dadurch das in diesem Dokument beschriebene Verfahren zum selektiven Lernen von Fahrzeugdaten auszuführen.
-
Gemäß einem weiteren unabhängigen Aspekt der vorliegenden Offenbarung ist ein System zum selektiven Lernen von Fahrzeugdaten angegeben. Das System umfasst ein Erkennungsmodul, das zum Erkennen eines Fahrmanövers eines Fahrzeugs eingerichtet ist; ein Bestimmungs-Modul, das zum Bestimmen eines charakteristischen Parameters für das Fahrmanöver mit Bezug auf eine Vielzahl von gleichartigen Fahrmanövern in einer Datenbank eingerichtet ist; und ein Ausgabemodul, das zum Ausgeben einer Bewertungsanfrage bezüglich des Fahrmanövers an einen Nutzer des Fahrzeugs eingerichtet ist, wobei das System weiter zum Hinzufügen des erkannten Fahrmanövers zur Datenbank, wenn der charakteristische Parameter gleich oder größer als eine Schwelle ist, eingerichtet ist.
-
Das System kann Aspekte enthalten, die in Zusammenhang mit dem Verfahren zum selektiven Lernen von Fahrzeugdaten der vorliegenden Offenbarung beschrieben sind. Ähnlich kann das Verfahren die in Zusammenhang mit dem System zum selektiven Lernen von Fahrzeugdaten beschriebenen Aspekte implementieren.
-
Das Fahrzeug umfasst ein Fahrassistenzsystem zum automatisierten Fahren, das basierend auf den Ausführungsformen der vorliegenden angesteuert wird. Der Begriff Fahrzeug umfasst PKW, LKW, Busse, Wohnmobile, Krafträder, etc., die der Beförderung von Personen, Gütern, etc. dienen. Insbesondere umfasst der Begriff Kraftfahrzeuge zur Personenbeförderung.
-
Unter dem Begriff „automatisiertes Fahren“ kann im Rahmen des Dokuments ein Fahren mit automatisierter Längs- oder Querführung oder ein autonomes Fahren mit automatisierter Längs- und Querführung verstanden werden. Bei dem automatisierten Fahren kann es sich beispielsweise um ein zeitlich längeres Fahren auf der Autobahn oder um ein zeitlich begrenztes Fahren im Rahmen des Einparkens oder Rangierens handeln. Der Begriff „automatisiertes Fahren“ umfasst ein automatisiertes Fahren mit einem beliebigen Automatisierungsgrad. Beispielhafte Automatisierungsgrade sind ein assistiertes, teilautomatisiertes, hochautomatisiertes oder vollautomatisiertes Fahren. Diese Automatisierungsgrade wurden von der Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt) definiert (siehe BASt-Publikation „Forschung kompakt“, Ausgabe 11/2012).
-
Beim assistierten Fahren führt der Fahrer dauerhaft die Längs- oder Querführung aus, während das System die jeweils andere Funktion in gewissen Grenzen übernimmt. Beim teilautomatisierten Fahren (TAF) übernimmt das System die Längs- und Querführung für einen gewissen Zeitraum und/oder in spezifischen Situationen, wobei der Fahrer das System wie beim assistierten Fahren dauerhaft überwachen muss. Beim hochautomatisierten Fahren (HAF) übernimmt das System die Längs- und Querführung für einen gewissen Zeitraum, ohne dass der Fahrer das System dauerhaft überwachen muss; der Fahrer muss aber in einer gewissen Zeit in der Lage sein, die Fahrzeugführung zu übernehmen. Beim vollautomatisierten Fahren (VAF) kann das System für einen spezifischen Anwendungsfall das Fahren in allen Situationen automatisch bewältigen; für diesen Anwendungsfall ist kein Fahrer mehr erforderlich. Die vorstehend genannten vier Automatisierungsgrade entsprechen den SAE-Level 1 bis 4 der Norm SAE J3016 (SAE - Society of Automotive Engineering). Beispielsweise entspricht das hochautomatisierte Fahren (HAF) Level 3 der Norm SAE J3016. Ferner ist in der SAE J3016 noch der SAE-Level 5 als höchster Automatisierungsgrad vorgesehen, der in der Definition der BASt nicht enthalten ist. Der SAE-Level 5 entspricht einem fahrerlosen Fahren, bei dem das System während der ganzen Fahrt alle Situationen wie ein menschlicher Fahrer automatisch bewältigen kann; ein Fahrer ist generell nicht mehr erforderlich.
-
Figurenliste
-
Ausführungsbeispiele der Offenbarung sind in den Figuren dargestellt und werden im Folgenden näher beschrieben. Es zeigen:
- 1 ein Flussdiagramm eines Verfahrens zum selektiven Lernen von Fahrzeugdaten gemäß Ausführungsformen der vorliegenden Offenbarung,
- 2 schematisch eine automatisierte Fahrfunktion eines Fahrzeugs gemäß Ausführungsformen der vorliegenden Offenbarung, und
- 3 schematisch ein System zum selektiven Lernen von Fahrzeugdaten gemäß Ausführungsformen der vorliegenden Offenbarung.
-
Ausführungsformen der Offenbarung
-
Im Folgenden werden, sofern nicht anders vermerkt, für gleiche und gleichwirkende Elemente gleiche Bezugszeichen verwendet.
-
1 zeigt ein Flussdiagramm eines Verfahrens 100 zum selektiven Lernen von Fahrzeugdaten gemäß Ausführungsformen der vorliegenden Offenbarung.
-
Für die Objektivierung von Fahrassistenzsystemen werden im Allgemeinen Probandenstudien im Realverkehr verwendet. Die Anzahl an seltenen Ereignissen in Probandenstudien im Realverkehr ist jedoch sehr gering. Um eine massive Steigerung der seltenen Ereignisse zu erhalten, können die Probandenstudien auf einen Flottenversuch erweitert werden. Hierbei ist es jedoch nicht möglich, einen Versuchsleiter zur Überwachung des Versuchs einzusetzen, da der Aufwand unverhältnismäßig hoch wäre. Um dieses Problem zu lösen, werden gemäß der vorliegenden Erfindung Fahrzeugdaten aufgezeichnet und seltene Szenarien automatisiert erkannt. Wenn ein seltenes Szenario erkannt wird, kann eine Eingabeaufforderung an den Fahrer des Flottenversuchs geschickt werden, wobei dieser eine Komfortbewertung des Ereignisses eingeben kann. So wird die Datenbank intelligent um seltene Ereignisse erweitert und die Fahrassistenzsysteme können damit optimal am Kundenbetrieb ausgerichtet werden.
-
Im Detail umfasst das Verfahren 100 zum selektiven Lernen von Fahrzeugdaten gemäß Ausführungsformen der vorliegenden Offenbarung im Block 110 ein Erkennen eines Fahrmanövers eines Fahrzeugs und im Block 120 ein Bestimmen eines charakteristischen Parameters für das Fahrmanöver mit Bezug auf eine Vielzahl von gleichartigen Fahrmanövern in einer Datenbank. Wenn der charakteristische Parameter gleich oder größer als eine Schwelle ist, umfasst das Verfahren 100 im Block 130 ein Ausgeben einer Bewertungsanfrage bezüglich des Fahrmanövers an einen Nutzer des Fahrzeugs und ein Hinzufügen des erkannten Fahrmanövers zur Datenbank.
-
Beispielsweise kann ein Eingabegerät (z.B. eine Box, Tablet oder ähnliches) verwendet werden, um permanent Fahrzeugdaten aufzuzeichnen. Über hinterlegte Trigger können Szenarien erkannt werden, wie zum Beispiel ein Spurwechsel. Ein Algorithmus prüft diesen Spurwechsel auf Ähnlichkeit mit Spurwechseln in der Datenbank, beispielsweise unter Verwendung von Multivariate Dynamic Time Warping (MDTW). Zum Beispiel kann eine durchschnittliche MDTW Distanz aller Beobachtungen berechnet werden. Weist der neue Spurwechsel eine höhere MDTW Distanz auf als die Durchschnittsdistanz, dann macht es Sinn, diesen Spurwechsel zu lernen, da dieser neue Spurwechsel die durchschnittliche MDTW Distanz reduziert. Wird ein solches Lernereignis erkannt, dann erfolgt auf dem Eingabegerät eine Eingabeaufforderung (z.B. „Bitte bewerten Sie den Komfort des gerade aufgetretenen Ereignisses anhand der Skala XY“). Der Fahrer kann eine Zahl auswählen und der Spurwechsel wird in die Datenbank eingefügt bzw. hinzugelernt. Somit wird sichergestellt, dass nur seltene Beobachtungen mit hohem Informationsgehalt (im Vergleich zu den bestehenden Beobachtungen) hinzugelernt werden, um die Datenbank nicht unnötig zu vergrößern und dadurch Speicher- und/oder Rechenressourcen zu sparen.
-
In einigen Ausführungsformen kann die Bewertungsanfrage an den Fahrer wenigstens ein Kriterium bezüglich der Durchführung des Fahrmanövers abfragen. Das wenigstens eine Kriterium kann zum Beispiel ein Komfortempfinden, eine allgemeine Bewertung des Fahrmanövers, ein Sicherheitsempfinden während des Fahrmanövers usw. sein. Der Nutzer des Fahrzeugs kann damit beispielsweise ein durch das Fahrassistenzsystem zum automatisierten Fahren durchgeführtes Fahrmanöver, wie z.B. einen Spurwechsel, bewerten. Die Bewertung erfolgt typischerweise mittels einer Zahlenskala.
-
Wie zuvor beschrieben prüft der MDTW Algorithmus das erkannte Fahrmanöver, wie zum Beispiel einen Spurwechsel, auf Ähnlichkeit mit den Spurwechseln in der Datenbank. Hier kann zum Beispiel eine durchschnittliche MDTW Distanz aller Beobachtungen bzw. Spurwechsel berechnet werden. Weist der neue Spurwechsel eine höhere MDTW Distanz auf als die Durchschnittsdistanz (=Schwelle), dann ist es vorteilhaft, diesen Spurwechsel zu lernen, da dieser die durchschnittliche MDTW Distanz reduziert.
-
Die Schwelle kann auch als „Lernschwelle“ bezeichnet werden, die definiert, welches Fahrmanöver („Beobachtung“) gelernt werden soll und welches nicht. Insbesondere sollte die durchschnittliche Distanz
MDTW einer jeden Beobachtung X, zu ihrer nächsten Beobachtung X
d,min klein sein:
-
Die durchschnittliche Distanz MDTW kann als Lernschwelle verwendet werden, um zu entscheiden, welche Beobachtung gelernt werden soll. Wenn die Distanz MDTW (X*, Xd,min) einer neuen Beobachtung zur nächsten Beobachtung Xd,min größer als MDTW ist, wird diese gelernt, damit MDTW minimiert wird.
-
2 zeigt schematisch eine automatisierte Fahrfunktion eines Fahrzeugs gemäß Ausführungsformen der vorliegenden Offenbarung.
-
Die automatisierte Fahrfunktion, die auch als „Fahrassistenzsystem zum automatisierten Fahren“ bezeichnet werden kann, ist eingerichtet, um das Fahrzeug teilautomatisiert oder vollautomatisiert (autonom) zu führen. Bei einem solchen automatisierten Fahren erfolgt die Längs- und Querführung des Fahrzeugs automatisch. Das Fahrassistenzsystem 200 übernimmt also die Fahrzeugführung. Hierzu steuert das Fahrassistenzsystem 200 den Antrieb 20, das Getriebe 22, die (z.B. hydraulische) Betriebsbremse 24 und die Lenkung 26 über nicht dargestellte Zwischeneinheiten.
-
Das Fahrzeug kann eine Umgebungssensorik 210 umfassen, die eingerichtet ist, um Umgebungsdaten des Fahrzeugs zu erfassen. Das Fahrassistenzsystem 200 kann die Fahrzeugführung basierend auf den erfassten Umgebungsdaten ausführen. Vorzugsweise umfasst die Umgebungssensorik 210 wenigstens ein LiDAR-System und/oder wenigstens ein Radar-System und/oder wenigstens eine Kamera und/oder wenigstens ein Ultraschall-System.
-
3 zeigt schematisch ein System zum selektiven Lernen von Fahrzeugdaten gemäß Ausführungsformen der vorliegenden Offenbarung.
-
In der 3 sind beispielhaft ein Fahrzeug 1, ein mobiles Endgerät 2 und eine zentrale Einheit 3 dargestellt. Das Fahrzeug 1 umfasst ein Fahrassistenzsystem 200 zum automatisierten Fahren, wie es unter Bezugnahme auf die 1 und 2 beschrieben ist. Das mobile Endgerät 2 kann ein Tablet, ein Smartphone, ein Personal Digital Assistants (PDAs), usw. sein. Die zentrale Einheit 3 kann ein Server eines Fahrzeugherstellers sein.
-
Das Fahrzeug 1 kann über eine erste Kommunikationsverbindung 30 mit dem mobilen Endgerät 2 verbunden sein. Beispielsweise kann das mobile Endgerät 2 mit dem Fahrzeug 1 drahtlos (z.B. Bluetooth) oder drahtgebunden direkt kommunizieren, oder kann drahtlos über eine Server-Anbindung (z.B. Cloud) indirekt mit dem Fahrzeug 1 kommunizieren.
-
Das mobile Endgerät 2 kann über eine zweite Kommunikationsverbindung 30 mit der zentralen Einheit 3 verbunden sein. Das mobile Endgerät 2 kann zum Beispiel ein Gerät sein, welches in der Lage ist, in einem mobilen Netzwerk über lokale Netzwerke bzw. Local Area Networks (LANs), wie z.B. Wireless LAN (WiFi/WLAN), oder über Weitverkehrsnetze bzw. Wide Area Networks (WANs) wie z.B. Global System for Mobile Communication (GSM), General Package Radio Service (GPRS), Enhanced Data Rates for Global Evolution (EDGE), Universal Mobile Telecommunications System (UMTS), High Speed Downlink/Uplink Packet Access (HSDPA, HSUPA), Long-Term Evolution (LTE), oder World Wide Interoperability for Microwave Access (WIMAX) drahtlos mit der zentralen Einheit 3 zu kommunizieren. Eine Kommunikation über weitere gängige oder künftige Kommunikationstechnologien, z.B. 5G-Mobildunksysteme, ist möglich.
-
In einigen Ausführungsformen können Kommunikationsverbindungen für einen Datenaustausch zwischen dem Fahrzeug 1 und/oder dem mobilen Endgerät 2 und/oder der zentralen Einheit 3 vorgesehen sein. Beispielweise kann die erste Kommunikationsverbindung 30 zwischen dem mobilen Endgerät 2 und dem Fahrzeug 1 für eine Übertragung der Fahrmanöverdaten vom Fahrzeug 1 an das mobile Endgerät 2 verwendet werden. Alternativ können die Fahrmanöverdaten jedoch auch vom Fahrzeug 1 an die zentrale Einheit 3 gesendet werden.
-
Basierend auf den vom Fahrzeug 1 empfangenen Fahrmanöverdaten kann das mobile Endgerät 2 oder die zentrale Einheit 3 das Fahrmanöver erkennen. Zum Beispiel kann das mobile Endgerät 2 über die zweite Kommunikationsverbindung 40 mit der zentralen Einheit 3 kommunizieren, um das Fahrmanöver des Fahrzeugs 1 basierend auf den vom Fahrzeug 1 empfangenen Fahrmanöverdaten zu erkennen.
-
Anschließend kann durch das mobile Endgerät 2 und/oder die zentrale Einheit 3 der charakteristische Parameter für das Fahrmanöver mit Bezug auf eine Vielzahl von gleichartigen Fahrmanövern in der Datenbank bestimmt werden. Die Datenbank kann dabei in der zentralen Einheit 3 vorhanden sein.
-
Wenn durch das mobile Endgerät 2 oder die zentrale Einheit 3 bestimmt wird, dass der charakteristischen Parameter gleich oder größer als eine Schwelle ist, wird durch das mobile Endgerät eine Bewertungsanfrage bezüglich des Fahrmanövers an den Nutzer des Fahrzeugs ausgegeben und das erkannte Fahrmanöver zur Datenbank zusammen mit der Bewertung des Nutzers hinzugefügt. Wenn der charakteristische Parameter gleich oder kleiner als die Schwelle ist, kann das erkannte Fahrmanöver verworfen und nicht der Datenbank hinzugefügt werden.
-
Beispielsweise wird die Bewertungsanfrage an den Nutzer bzw. Fahrer graphisch und/oder sprachlich ausgegeben. In einigen Ausführungsformen kann eine Benutzerschnittstelle vorgesehen sein, die eingerichtet ist, um die Bewertungsanfrage auszugeben. Die Benutzerschnittstelle kann weiter eingerichtet sein, um die Nutzereingabe bezüglich der Bewertungsanfrage zu empfangen. Die Benutzerschnittstelle kann zum Beispiel durch das mobile Endgerät bereitgestellt sein. In anderen Ausführungsformen kann die Benutzerschnittstelle durch das Fahrzeug bereitgestellt sein, wie zum Beispiel ein Display des Fahrzeugs.
-
Erfindungsgemäß wird eine Schwelle festgelegt, ab der das Fahrmanöver der Datenbank hinzugefügt wird. Anders gesagt können gezielt Daten von Fahrmanövern gelernt werden, die selten vorkommen. Damit kann eine Anzahl an seltenen Ereignissen im Realverkehr, wie zum Beispiel unkomfortable Spurwechsel, erhöht werden, und die Ereignisse können zusammen mit einer Bewertung des Fahrers in der Datenbank abgelegt werden. Hierdurch werden in der Datenbank nur nützliche Daten gespeichert und verarbeitet, so dass Speicher- und/oder Rechenressourcen gespart werden können. Die gespeicherten Daten können dann bei der Auslegung und/oder Steuerung des Fahrassistenzsystems verwendet werden, so dass eine Funktionsweise des Fahrassistenzsystems verbessert werden kann.