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Die Erfindung betrifft ein Warnsystem und Warnverfahren für ein Fahrzeug.
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Aus dem Stand der Technik sind verschiedenste Fahrassistenzsysteme bekannt, die jeweils Warnungen an den Fahrer ausgeben. Beispielsweise gibt ein Kollisionswarnsystem Warntöne aus, wenn eine Kollision des Fahrzeugs droht.
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Für die Warnungen solcher Fahrassistenzsysteme werden unterschiedliche Fahrzeugdaten, wie beispielsweise der Abstand des Fahrzeugs zu einem Hindernis, ausgewertet. Bei solchen Systemen wird jedoch nicht unterschieden, wie der Fahrer in die jeweilige Situation einwirkt bzw. diese verändert. So ist beispielsweise eine Kollisionswarnung für einen körperlich gesunden und jungen Fahrer nicht zwangsläufig nötig und führt eventuell dazu, dass der Fahrer gegenüber jeglichen Warnungen abstumpft.
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Der Erfindung liegt die Aufgabe zugrunde, ein Warnsystem und Warnverfahren für ein Fahrzeug bereitzustellen, welches die Ausgabe unnötiger Warnungen vermeidet oder zumindest reduziert.
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Die Aufgabe wird durch die Merkmale der unabhängigen Patentansprüche gelöst. Vorteilhafte Ausführungsformen sind in den abhängigen Ansprüchen beschrieben. Es wird darauf hingewiesen, dass zusätzliche Merkmale eines von einem unabhängigen Patentanspruch abhängigen Patentanspruchs ohne die Merkmale des unabhängigen Patentanspruchs oder nur in Kombination mit einer Teilmenge der Merkmale des unabhängigen Patentanspruchs eine eigene und von der Kombination sämtlicher Merkmale des unabhängigen Patentanspruchs unabhängige Erfindung bilden können, die zum Gegenstand eines unabhängigen Anspruchs, einer Teilungsanmeldung oder einer Nachanmeldung gemacht werden kann. Dies gilt in gleicher Weise für in der Beschreibung beschriebene technische Lehren, die eine von den Merkmalen der unabhängigen Patentansprüche unabhängige Erfindung bilden können.
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Ein erster Aspekt der Erfindung betrifft ein Warnsystem für ein Fahrzeug mit einer Warnvorrichtung. Das Warnsystem weist eine Gefahren-Ermittlungs-Vorrichtung auf, die dazu eingerichtet ist, eine Gefahrensituation des Fahrzeugs zu ermitteln; ferner weist das Warnsystem eine Fahrer-Zustandsermittlungs-Vorrichtung auf, die dazu eingerichtet ist, einen Zustand eines Fahrers des Fahrzeugs zu ermitteln; ferner weist das Warnsystem eine Fahrer-Leistungsermittlungs-Vorrichtung auf, die dazu eingerichtet ist, eine Fahrleistung des Fahrers des Fahrzeugs zu ermitteln; ferner weist das Warnsystem eine mit der Fahrer-Zustandsermittlungs-Vorrichtung und der Fahrer-Leistungsermittlungs-Vorrichtung gekoppelte Übernahmeaufforderungszeit-Berechnungseinheit auf, die dazu eingerichtet ist, eine Übernahmeaufforderungszeit des Fahrers auf Grundlage des Zustands des Fahrers und der Fahrleistung des Fahrers zu berechnen; ferner weist das Warnsystem eine mit der Gefahren-Ermittlungs-Vorrichtung und der Übernahmeaufforderungszeit-Berechnungseinheit gekoppelte Warnungs-Steuereinheit auf, die dazu eingerichtet ist, die Warnvorrichtung zu veranlassen, in Abhängigkeit von der ermittelten Gefahrensituation und der berechneten Übernahmeaufforderungszeit eine Gefahrenwarnung auszugeben.
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Ein zweiter Aspekt der Erfindung betrifft ein Warnverfahren für ein Fahrzeug. Das Warnverfahren umfasst: das Ermitteln einer Gefahrensituation des Fahrzeugs; das Ermitteln eines Zustands eines Fahrers des Fahrzeugs; das Ermitteln einer Fahrleistung des Fahrers des Fahrzeugs; das Berechnen einer Übernahmeaufforderungszeit des Fahrers auf Grundlage des Zustands des Fahrers und der Fahrleistung des Fahrers; und das Ausgeben einer Gefahrenwarnung in Abhängigkeit von der ermittelten Gefahrensituation und der berechneten Übernahmeaufforderungszeit.
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Unter einem Fahrzeug im Sinne des vorliegenden Dokuments ist jegliche Fahrzeugart zu verstehen, mit der Personen und/oder Güter fortbewegt werden können. Mögliche Beispiele dafür sind: Kraftfahrzeug, Lastkraftwagen, Landfahrzeuge, Busse, Fahrkabinen, Seilbahnkabinen, Aufzugkabinen, Schienenfahrzeuge, Wasserfahrzeuge (z.B. Schiffe, Boote, U-Boote, Tauchglocken, Hovercraft, Tragflächenboote), Luftfahrzeuge (Flugzeuge, Hubschrauber, Bodeneffektfahrzeuge, Luftschiffe, Ballone). Vorzugsweise ist das Fahrzeug ein Kraftfahrzeug. Ein Kraftfahrzeug in diesem Sinne ist ein Landfahrzeug, das durch Maschinenkraft bewegt wird, ohne an Bahngleise gebunden zu sein. Ein Kraftfahrzeug in diesem Sinne umfasst einen Kraftwagen, ein Kraftrad und eine Zugmaschine.
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Das Fahrzeug weist eine Warnvorrichtung auf. Eine Warnvorrichtung ist jegliche Vorrichtung, die dazu eingerichtet ist, einen Fahrzeuginsassen, insbesondere den Fahrer des Fahrzeugs, zu warnen. Die Warnvorrichtung kann visuelle und/oder auditive und/oder taktile und/oder olfaktorische und/oder gustatorische Warnungen aussenden. Eine Warnvorrichtung könnte beispielsweise eine Anzeige aufweisen, welche visuelle Warnungen anzeigt; eine Warnvorrichtung könnte alternativ oder zusätzlich einen Lautsprecher aufweisen, der auditive Warnungen abspielt; eine Warnvorrichtung könnte alternativ oder zusätzlich einen Sicherheitsgurt aufweisen, der, beispielsweise durch Gurtstraffung, taktile Warnungen ausübt; eine Warnvorrichtung könnte alternativ oder zusätzlich eine Beduftungsanlage aufweisen, welche olfaktorische Warnungen ausgibt; eine Warnvorrichtung könnte alternativ oder zusätzlich eine Sprühanlage aufweisen, die gustatorische Warnungen, beispielsweise bitter schmeckendes Wasser, aussendet.
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Die Warnvorrichtung ist mit der Warnungs-Steuereinheit gekoppelt. Das heißt also, dass die Warnvorrichtung mit der Warnungs-Steuereinheit kommunikativ verbunden ist. Die kommunikative Verbindung kann kabellos (z.B. Bluetooth, WLAN, Mobilfunk) oder kabelgebunden (z.B. mittels einer USB-Schnittstelle, Datenkabel, etc.) sein. Dementsprechend erfolgt also die Veranlassung der Warnvorrichtung ebenso kabellos oder kabelgebunden.
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Das hierin beschriebene Warnsystem ist für ein Fahrzeug beschrieben, ist jedoch nicht zwangsläufig Teil des Fahrzeugs. Das Warnsystem kann demnach zumindest teilweise außerhalb eines Fahrzeugs angeordnet sein. Das heißt also, dass es auch Ausführungsformen des Warnsystems für ein Fahrzeug geben kann, bei welchen Teilen des Warnsystems innerhalb eines Fahrzeugs und/oder Teile des Warnsystems außerhalb eines Fahrzeugs angeordnet sind. Beispielsweise können die Fahrer-Zustandsermittlungs-Vorrichtung und die Warnungs-Steuereinheit innerhalb eines Fahrzeugs angeordnet sein, während die Übernahmeaufforderungszeit-Berechnungseinheit außerhalb des Fahrzeugs angeordnet sein kann.
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Vorzugsweise ist das hierin beschriebene Fahrzeug ein Fahrzeug, welches mit einem System und/oder Fahrzeugfunktionen ausgestattet ist, sodass es in einem automatisierten Fahrmodus, vorzugsweise in einem zumindest hochautomatisierten Fahrmodus, betreibbar ist. Mit dem Begriff „automatisierter Fahrmodus“ ist ein teilautomatisierter Fahrmodus, hochautomatisierter Fahrmodus oder vollautomatisierter bzw. autonomer Fahrmodus gemeint. Dabei entsprechen die automatisierten Fahrmodi den von der Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt) definierten (siehe BASt-Publikation „Forschung kompakt“, Ausgabe 11/2012) Automatisierungsgraden. Beim teilautomatisierten Fahren (TAF) übernimmt das System die Längs- und Querführung für einen gewissen Zeitraum und/oder in spezifischen Situationen, wobei der Fahrer das System dauerhaft überwachen muss. Beim hochautomatisierten Fahren (HAF) übernimmt das System die Längs- und Querführung für einen gewissen Zeitraum, ohne dass der Fahrer das System dauerhaft überwachen muss; der Fahrer muss aber in einer gewissen Zeit in der Lage sein, die Fahrzeugführung zu übernehmen. Beim vollautomatisierten (autonomen) Fahren (VAF) kann das System für einen spezifischen Anwendungsfall das Fahren in allen Situationen automatisch bewältigen; für diesen Anwendungsfall ist kein Fahrer mehr erforderlich. Die vorstehend genannten Automatisierungsgrade gemäß der Definition der BASt entsprechen den SAE-Level 2 bis 4 der Norm SAE J3016 (SAE - Society of Automotive Engineering). Beispielsweise entspricht das hochautomatisierte Fahren (HAF) gemäß der BASt dem Level 3 der Norm SAE J3016. Ferner ist in der SAE J3016 noch der SAE-Level 5 als höchster Automatisierungsgrad vorgesehen, der in der Definition der BASt nicht enthalten ist. Der SAE-Level 5 entspricht einem fahrerlosen Fahren, bei dem das System während der ganzen Fahrt alle Situationen wie ein menschlicher Fahrer automatisch bewältigen kann; ein Fahrer ist generell nicht mehr erforderlich. Im vorliegenden Dokument soll der Automatisierungsgrad „vollautomatisiert“ den Fall des fahrerlosen Fahrens mit einschließen.
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Ein Fahrzeuginsasse im Sinne des vorliegenden Dokuments ist ein Lebewesen, vorzugsweise eine Person, die sich in einem Fahrzeug befindet. Dabei spielt es keine Rolle, wo sich der Fahrzeuginsasse aufhält oder was für eine Tätigkeit der Fahrzeuginsasse ausübt. Beispielsweise ist eine Person, die sich auf dem Fahrersitz befindet und lenkt, ein Fahrzeuginsasse. Eine Person, die sich auf dem Beifahrersitz befindet und liest, ist ebenfalls ein Fahrzeuginsasse. Ebenso ist eine Person, die im Fahrzeugfond auf einem Liegesitz liegt, ein Fahrzeuginsasse.
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Mit der Kopplung, z.B. die Kopplung der Gefahren-Ermittlungs-Vorrichtung bzw. der Übernahmeaufforderungszeit-Berechnungseinheit mit der Warnungs-Steuereinheit, ist im Rahmen des vorliegenden Dokuments eine kommunikative Verbindung gemeint. Die kommunikative Verbindung kann kabellos (z.B. Bluetooth, WLAN, Mobilfunk) oder kabelgebunden (z.B. mittels einer USB-Schnittstelle, Datenkabel, etc.) sein.
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Mit dem Warnsystem bzw. dem Warnverfahren kann eine individuell auf den jeweiligen Fahrer und die jeweilige Situation zugeschnittene Gefahrenwarnung ausgegeben werden. In die Entscheidung, wann und in welcher Form die Gefahrenwarnung ausgegeben werden soll, fließen mehrere Faktoren ein. Zunächst einmal spielt die Art der drohenden Gefahr eine Rolle. Außerdem werden der Zustand des Fahrers, also beispielsweise seine aktuelle Tätigkeit, und die Fahrleistung des Fahrers, also seine Fähigkeit auf eine potenzielle Gefahrenwarnung zu reagieren, berücksichtigt. Außerdem wird die Übernahmeaufforderungszeit des Fahrers, also die Zeit, bis der Fahrer die Fahraufgabe übernimmt, berücksichtigt.
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Dadurch empfindet der jeweilige Fahrer die Warnung nicht als lästig und kann der jeweiligen Situation innerhalb der vorgegebenen Übernahmeaufforderungszeit auf die jeweilige Gefahrensituation reagieren.
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Im Falle eines sich im automatisierten bzw. hochautomatisierten bzw. autonomen Fahrmodus befindlichen Fahrzeugs kann mithilfe der je nach Fall unterschiedlich ausfallenden Gefahrenwarnung gewährleistet werden, dass der Fahrer rechtzeitig die Fahraufgabe übernimmt und gleichzeitig auf die aktuelle Fahrsituation vorbereitet wird.
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Die Gefahren-Ermittlungs-Vorrichtung ist dazu eingerichtet, eine Gefahrensituation des Fahrzeugs zu ermitteln. Dafür kann die Gefahren-Ermittlungs-Vorrichtung ein Sensorsystem aufweisen.
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Unter einem Sensorsystem im Rahmen des vorliegenden Dokuments ist ein System zu verstehen, welches zumindest einen Aufnehmer umfasst, der eine physikalisch messbare Messgröße erfasst. Beispiele für einen Aufnehmer sind: Ultraschallsensor, Radarsensor (z.B. Radarsensor Nahbereich, Radarsensor Fernbereich), Lidarsensor, Videosystem, Bildsensor (z.B. Kamera). Das Sensorsystem kann weitere Elemente der Messkette umfassen, wie zum Beispiel Verstärker, Analog/Digital-Wandler, Codierer und dergleichen. Auch eine Empfangseinrichtung zum Empfang von drahtlos übertragenen Signalen von Sendeeinrichtungen in der Umgebung des Fahrzeugs, insbesondere von anderen Fahrzeugen und/oder der Infrastruktur und/oder von Satelliten stellen Sensorsysteme im Rahmen des vorliegenden Dokuments dar.
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Das Sensorsystem kann mithilfe der ermittelten Messdaten eine Gefahrensituation für das Fahrzeug ermitteln. Beispielsweise kann eine Auffahrsituation mittels Ultraschallsensoren am Fahrzeug erkannt werden.
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Eine Gefahrensituation im Rahmen des vorliegenden Dokuments ist eine Situation, in der aufgrund der gegebenen Randbedingungen des Fahrzeugs selbst oder seiner Umgebung, die Gefahr besteht, dass die Fahrzeuginsasssen und/oder das Fahrzeug Schaden nehmen. In solchen Situationen ist eine Gegenhandlung von besonderer Bedeutung, um zum Beispiel einen Unfall abzuwenden oder zumindest abzuschwächen. Eine mögliche Gegenhandlung ist die Übernahme der Fahraufgabe durch den Fahrer selbst.
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Vorzugsweise ist die Gefahrenwarnung so ausgebildet, dass sie den Fahrer des Fahrzeugs auf die Übernahme der Fahraufgabe vorbereitet. Die Gefahrenwarnung kann also eine Warnung vor einer drohender Gefahr sein und/oder eine Aufforderung zur Übernahme der Fahraufgabe.
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Die Warnungs-Steuereinheit ist beispielsweise so eingerichtet, dass sie den Zeitpunkt und/oder die Intensität und/oder das Muster der Gefahrenwarnung in Abhängigkeit von der ermittelten Gefahrensituation und der berechneten Übernahmeaufforderungszeit festlegt.
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Gemäß einer Ausführungsform, die mit einer oder mehreren der hierin beschriebenen Ausführungsformen kombiniert werden kann, ist die Gefahrenwarnung eine Straffung eines Sicherheitsgurtes des Fahrers. Die Straffung des Sicherheitsgurtes des Fahrers wird also in Abhängigkeit von der ermittelten Gefahrensituation und der berechneten Übernahmeaufforderungszeit veranlasst. Insbesondere wird mindestens eine der folgenden Eigenschaften der Straffung in Abhängigkeit von der ermittelten Gefahrensituation und der berechneten Übernahmeaufforderungszeit eingestellt: Stärke der Straffung, Häufigkeit der Straffungsvorgänge, Wegstrecke der Straffung, Dauer des Straffungsvorgangs.
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Durch die Straffung des Gurtes wird der Fahrer auf intuitive Weise sehr wirkungsvoll schnell in eine Situation erhöhter Aufmerksamkeit versetzt. Dadurch wird die Zeit, bis der Fahrer zur Übernahme der Fahraufgabe bereit ist, verkürzt. Beispielsweise kann so der Fahrer wach und konzentriert die Fahraufgabe übernehmen, selbst wenn er aus dem Schlaf geholt wurde.
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Die folgenden Gegebenheiten können Ursachen für Gefahrensituationen darstellen: Verkehrsteilnehmer (wie beispielsweise Radfahrer, Fußgänger, und/oder Fahrzeug), Unfall, Defekt am Fahrzeug, Wildwechsel, Witterung (wie beispielsweise Nebel, Nässe, Schnee, Regen und/oder Eisglätte) oder dergleichen.
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Alternativ oder zusätzlich ermittelt die Gefahren-Ermittlungs-Vorrichtung die Gefahrensituation des Fahrzeugs mittels Kartendaten, z. B. mittels ortsbezogener Daten aus einer hochauflösenden Karte. In solch einem Fall kann die Gefahren-Ermittlungs-Vorrichtung in das Navigationssystem des Fahrzeugs eingebunden sein. Alternativ oder zusätzlich ermittelt die Gefahren-Ermittlungs-Vorrichtung die Gefahrensituation des Fahrzeugs mittels ortsbezogener Daten, wie beispielweise Wetterdaten.
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Gemäß einer Ausführungsform, die mit einer oder mehreren der hierin beschriebenen Ausführungsformen kombiniert werden kann, umfasst die Ermittlung der Gefahrensituation des Fahrzeugs das Ermitteln einer Wahrscheinlichkeit sowie einer Kritikalität der Gefahrensituation. Die Gefahren-Ermittlungs-Vorrichtung ist also dazu eingerichtet, eine Wahrscheinlichkeit einer Gefahrensituation zu ermitteln und die Kritikalität dieser Gefahrensituation einzuschätzen. Mit anderen Worten detektiert die Gefahren-Ermittlungs-Vorrichtung mögliche Gefahrensituationen. Die detektierten Gefahrensituationen werden dann durch die Gefahren-Ermittlungs-Vorrichtung nach Ihrer Wahrscheinlichkeit bewertet. Außerdem schätzt die Gefahren-Ermittlungs-Vorrichtung ab, wie kritisch, also wie ernsthaft, eine solche Gefahrensituation wäre, wenn sie eintreten würde.
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Wird beispielsweise aufgrund der Vorhersage von Starkregen auf der Route des Fahrzeugs mit lokal auftretendem Aquaplaning gerechnet, wird die Wahrscheinlichkeit der Gefahrensituation „Aquaplaning“ als hoch eingeschätzt. Die Kritikalität der Gefahrensituation wird als gering eingeschätzt.
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Wird beispielsweise ein Geisterfahrer auf der Route des Fahrzeugs detektiert, wird die Wahrscheinlichkeit für eine Kollision mit dem Geisterfahrer als gering eingeschätzt, während die Kritikalität einer Kollision als hoch eingeschätzt wird.
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Fährt das Fahrzeug beispielsweise im urbanen Umfeld, wird der urbane Querverkehr als hoch wahrscheinlich und hoch kritisch eingeschätzt.
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Wird also eine Wahrscheinlichkeit und Kritikalität der Gefahrensituation ermittelt, erfolgt gemäß einer Ausführungsform, die mit einer oder mehreren der hierin beschriebenen Ausführungsformen kombiniert werden kann, die Ausgabe einer Gefahrenwarnung in Abhängigkeit von der ermittelten Wahrscheinlichkeit sowie Kritikalität der Gefahrensituation und der berechneten Übernahmeaufforderungszeit.
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Die Fahrer-Zustandsermittlungs-Vorrichtung ist dazu eingerichtet, einen Zustand eines Fahrers des Fahrzeugs zu ermitteln. Mit Zustand kann ein Gesundheitszustand des Fahrers gemeint sein. Mit Zustand kann alternativ oder zusätzlich ein Aufmerksamkeitszustand des Fahrers gemeint sein. Mit anderen Worten wird ermittelt, wie aufmerksam, müde, geistig abgelenkt und/oder körperlich fit der Fahrer ist. Mit Zustand kann alternativ oder zusätzlich ein Sinneszustand des Fahrers, wie beispielsweise traurig, wütend, gelassen, aufmerksam, verträumt, schlafend, wach, etc., gemeint sein. Der Begriff Zustand kann auch das Alter, die Größe und/oder das Gewicht des Fahrers umfassen.
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Gemäß einer Ausführungsform, die mit einer oder mehreren der hierin beschriebenen Ausführungsformen kombiniert werden kann, umfasst die Ermittlung eines Zustands des Fahrers das Ermitteln eines Tätigkeitstyps einer von dem Fahrer ausgeführten Tätigkeit. Beispielsweise kann die Ermittlung eines Tätigkeitstyps mittels einer Innenraumkamera und einer entsprechenden Bildauswertung erfolgen. Von dem Tätigkeitstyp kann dann auf den Zustand des Fahrers geschlossen werden. Wird beispielsweise festgestellt, dass der Fahrer schläft, ist sein Zustand unaufmerksam in Bezug auf den Straßenverkehr.
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Die Fahrer-Leistungsermittlungs-Vorrichtung ist dazu eingerichtet, eine Fahrleistung des Fahrers des Fahrzeugs zu ermitteln. Der Begriff Fahrleistung umfasst die Aufnahmefähigkeit und Reaktionsfähigkeit des Fahrers im Straßenverkehr.
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Die Ermittlung der Fahrleistung des Fahrers kann mittels eines Fahrleistungsmodells erfolgen, in welches verschiedene Faktoren, die beispielsweise aus vergangenen aufgezeichneten Fahrten bekannt sind, einfließen.
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Gemäß einer Ausführungsform, die mit einer oder mehreren der hierin beschriebenen Ausführungsformen kombiniert werden kann, umfasst die Ermittlung der Fahrleistung des Fahrers das Ermitteln der Fahrleistung des Fahrers im Hinblick auf eine Wahrnehmung einer Gefahrenwarnung und eine Reaktionsfähigkeit auf eine Gefahrenwarnung. Beispielsweise aus vergangenen Fahrten des Fahrers, die im Hinblick auf eine Wahrnehmung einer Gefahrenwarnung und eine Reaktionsfähigkeit auf die Gefahrenwarnung aufgezeichnet und ausgewertet wurden, kann auf die Fahrleistung geschlossen werden.
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Aus dem ermittelten Zustand des Fahrers und der Fahrleistung des Fahrers wird mittels der Übernahmeaufforderungszeit-Berechnungseinheit eine Übernahmeaufforderungszeit des Fahrers berechnet. Je nachdem, in welchem Zustand der Fahrer sich befindet und wie leistungsfähig im Hinblick auf die Fahrleistung der Fahrer ist, braucht er länger oder kürzer, um die Fahraufgabe zu übernehmen. Befindet sich der Fahrer beispielsweise in einer Schlafphase, ist aber sehr leistungsfähig, wird die Übernahmeaufforderungszeit kürzer gewählt als bei einem Fahrer, der sich in einer Schlafphase befindet und weniger leistungsfähig ist.
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Die Warnungs-Steuereinheit ist dazu eingerichtet, die Warnvorrichtung zu veranlassen, in Abhängigkeit von der ermittelten Gefahrensituation und der berechneten Übernahmeaufforderungszeit eine Gefahrenwarnung auszugeben. Je nachdem, welche Gefahrensituation ermittelt wurde und welche Übernahmeaufforderungszeit berechnet wurde, wird eine entsprechende Gefahrenwarnung ausgegeben. Wird beispielsweise eine verhältnismäßig lange Übernahmeaufforderungszeit berechnet und ist die Gefahrensituation nicht kritisch, wird eine Gefahrenwarnung ausgegeben, die den Fahrer sanft auf seine Fahraufgabe vorbereitet. Denkbar ist hier zum Beispiel das Aufblinken von blauem Licht. Wird andererseits eine verhältnismäßig kurze Übernahmeaufforderungszeit berechnet und ist die Gefahrensituation nicht kritisch, wird eine Gefahrenwarnung ausgegeben, die den Fahrer schnell auf seine Fahraufgabe vorbereitet. Denkbar wären hier eine Vibration des Lenkrads und die zusätzliche Aussendung blauen Lichts.
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Bei der Warnungs-Steuereinheit kann es sich um eine Vorrichtung in einem Fahrzeug, z.B. Bordcomputer, Navigationsgerät, Infotainmentsystem, etc., handeln. Alternativ dazu kann es sich bei der Steuereinheit oder einzelner Teile der Steuereinheit um ein externes Gerät, z.B. ein stationäres Gerät (PC, Cloudserver) und/oder ein mobiles Endgerät handeln.
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Bei einem mobilen Endgerät handelt es sich um ein Gerät, welches in der Lage ist, in einem mobilen Netzwerk über lokale Netzwerke bzw. Local Area Networks (LANs), wie z.B. Wireless Fidelity (WiFi), oder über Weitverkehrsnetze bzw. Wide Area Networks (WANs) wie z.B. Global System for Mobile Communication (GSM), General Package Radio Service (GPRS), Enhanced Data Rates for Global Evolution (EDGE), Universal Mobile Telecommunications System (UMTS), High Speed Downlink/Uplink Packet Access (HSDPA, HSUPA), Long-Term Evolution (LTE), oder World Wide Interoperability for Microwave Access (WIMAX) drahtlos zu kommunizieren. Eine Kommunikation über weitere gängige oder künftige Kommunikationstechnologien ist möglich. Der Begriff mobiles Endgerät beinhaltet insbesondere Smartphones, aber auch andere mobile Telefone bzw. Handys, Personal Digital Assistants (PDAs), Tablet PCs sowie alle gängigen sowie künftigen elektronischen Geräte, welche mit einer Technologie zum Laden und Ausführen von Apps ausgestattet sind. Das mobile Endgerät kann über eine passende Kommunikationsschnittstelle, z.B. eine Bluetooth-Schnittstelle, mit dem Fahrzeug gekoppelt sein. Alternativ dazu kann die App auf dem mobilen Endgerät mittels eines geeigneten Authentifikationsverfahrens über einen Server mit dem Fahrzeug verknüpft sein. Als Authentifikation kommen dabei alle gängigen und künftigen Authentifizierungsmethoden wie Wissen (z.B. Benutzername und Passwort, PIN, Sicherheitsfrage, etc.), Besitz (z.B. SIM-Karte, Zertifikat, Smartcard), Biometrie (z.B. Fingerabdruck, Gesichtserkennung) sowie jeder Kombination der einzelnen Authentifizierungsmethoden in Betracht.
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Die vorstehenden Ausführungen zum erfindungsgemäßen Warnsystem für ein Fahrzeug nach dem ersten Aspekt der Erfindung gelten in entsprechender Weise auch für das Warnverfahren für ein Fahrzeug nach dem zweiten Aspekt der Erfindung und andersherum; vorteilhafte Ausführungsbeispiele des erfindungsgemäßen Verfahrens entsprechen den beschriebenen vorteilhaften Ausführungsbeispielen des erfindungsgemäßen Systems. An dieser Stelle nicht explizit beschriebene vorteilhafte Ausführungsbeispiele des erfindungsgemäßen Verfahrens entsprechen den beschriebenen vorteilhaften Ausführungsbeispielen des erfindungsgemäßen Systems.
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Weitere Vorteile, Merkmale und Einzelheiten der Erfindung ergeben sich aus der nachfolgenden Beschreibung eines bevorzugten Ausführungsbeispiels sowie anhand der Zeichnung. Die vorstehend in der Beschreibung genannten Merkmale und Merkmalskombinationen sowie die nachfolgend in der Figurenbeschreibung genannten und/oder in den Figuren alleine gezeigten Merkmale und Merkmalskombinationen sind nicht nur in der jeweils angegebenen Kombination, sondern auch in anderen Kombinationen oder in Alleinstellung verwendbar, ohne den Rahmen der Erfindung zu verlassen.
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Die Erfindung wird nachfolgend anhand von Ausführungsbeispielen unter Zuhilfenahme der beigefügten Zeichnungen beschrieben.
- 1 zeigt schematisch ein Warnsystem für ein Fahrzeug gemäß einer Ausführungsform.
- 2 zeigt schematisch ein Fahrzeug mit einem Warnsystem für ein Fahrzeug gemäß einer Ausführungsform.
- 3 zeigt schematisch ein Warnverfahren für ein Fahrzeug gemäß einer Ausführungsform.
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1 zeigt eine schematische Darstellung eines Warnsystems 1 für ein Fahrzeug. Das Warnsystem 1 weist ein Navigationssystem 2, ein Innenraumkamerasystem 3 und ein Steuergerät 6 auf.
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Das Steuergerät 6 weist ein Leistungsermittlungsmodul 4 und ein Übernahmeaufforderungszeit-Berechnungsmodul 5 auf und ist mit dem Navigationssystem 2 gekoppelt.
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Durch das Navigationssystem 2 werden potenzielle Gefahrensituationen, die auf der zu fahrenden Strecke des Fahrzeugs liegen, erfasst.
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Dabei können die Gefahrensituationen nicht nur detektiert werden, sondern es kann auch abgeschätzt werden, mit welcher Wahrscheinlichkeit die Gefahrensituationen auftreten und wie kritisch diese sind. Die so getätigte Abschätzung kann in einer Wertung der Anforderung an den Fahrer resultieren. Im Folgenden sind einige dieser Abschätzungen aufgeführt:
- • Lokales Aquaplaning: hohe Wahrscheinlichkeit, falls es regnet; geringe Kritikalität → mittlere Anforderung
- • Geisterfahrer: geringe Wahrscheinlichkeit; hohe Kritikalität →mittlere Anforderung
- • Urbaner Querverkehr: hohe Wahrscheinlichkeit; hohe Kritikalität -> hohe Anforderung
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Mittels des Innenraumkamerasystems 3 wird der Fahrer überwacht. Aus den Bewegungen und Reaktionen des Fahrers wird auf eine Tätigkeit, zum Beispiel Schlafen, geschlossen. Wird die Tätigkeit „Schlafen“ bei dem Fahrer festgestellt, wird davon ausgegangen, dass der Fahrer dem Fahrgeschehen nicht folgt. Dadurch wird angenommen, dass der Fahrer einen längere Zeit für die Ausführung der Übernahmeaufforderung benötigt als ein Fahrer, der das Fahrgeschehen ständig überwacht.
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Mittels des Leistungsermittlungsmoduls 4 wird die Leistung des Fahrers ermittelt. Dazu werden vergangene Fahrsituationen im Hinblick auf die Wahrnehmung bestimmter Gefahrensituationen und das jeweilige Reaktionsvermögen auf diese Gefahrensituationen ausgewertet. Aus der vergangenen Fahrer-Leistung wird auf die aktuelle Fahrer-Leistung geschlossen. Beispielsweise ist die Fahrer-Leistung in 10 verschiedene Klassen eingeteilt. Hat ein Fahrer in der Vergangenheit 90 % der auftretenden Gefahrensituationen erkannt und entsprechend darauf reagiert, wird seine Leistung mit der höchsten Klasse, also Klasse 10, bewertet. Hat ein Fahrer in der Vergangenheit nur 10% der auftretenden Gefahrensituationen erkannt und entsprechend darauf reagiert, wird seine Leistung mit der niedrigsten Klasse, also Klasse 1, bewertet.
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Die Leistungsermittlung kann auch mittels der Güte der Fahrleistung und der Reaktionszeit des Fahrers erfolgen. Beispiele hierfür sind im Folgenden aufgeführt:
- • Erfahrener älterer Fahrer: hohe Güte; langsame Reaktionszeit
- • Unerfahrener jüngerer Fahrer: geringe Güte; schnelle Reaktionszeit Das Übernahmeaufforderungszeit-Berechnungsmodul 5 berechnet mithilfe der Daten bezüglich der Tätigkeit und damit der Aufmerksamkeit des Fahrers aus der Innenraumkamerasystems 3 und der Daten bezüglich der Fahrer-Leistung aus dem Leistungsermittlungsmoduls 4 die Zeit, die der Fahrer aufgrund seiner aktuellen Tätigkeit und seiner Fahrleistung benötigt, um auf eine Übernahmeaufforderung zu reagieren.
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Im Steuergerät 6 werden die Daten des Navigationssystems 2 und des Übernahmeaufforderungszeit-Berechnungsmoduls 5 zusammengetragen. Mit anderen Worten werden eine ermittelte Gefahrensituation und die berechnete Übernahmeaufforderungszeit dazu verwendet, eine entsprechende Warnvorrichtung auszusuchen und diese zu veranlassen, eine entsprechende Gefahrenwarnung auszugeben.
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2 zeigt ein Fahrzeug 100 mit einem Warnsystem 1. Das Fahrzeug 100 weist einen Fahrer-Fahrzeugsitz 10 mit einem Sicherheitsgurtsystem 101 auf. Im Gegensatz zu 1 sind die einzelnen Einrichtungen des Warnsystems 1, nämlich das Navigationssystem 2, das Innenraumkamerasystem 3, das Leistungsermittlungsmodul 4, das Übernahmeaufforderungszeit-Berechnungsmodul 5 und das Steuergerät 6 als separate Einheiten ausgebildet. Die Warnvorrichtung ist in Form eines Sicherheitsgurtsystems 101 ausgebildet.
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In Abhängigkeit von der ermittelten Gefahrensituation und der berechneten Übernahmeaufforderungszeit wird das Sicherheitsgurtsystem dazu veranlasst, eine Gefahrenwarnung auszugeben. Die Gefahrenwarnung erfolgt beispielsweise in Form einer Straffung des Sicherheitsgurts, welche als taktiles Feedback von dem Fahrer wahrgenommen wird. Je nachdem, welche Gefahrensituation vorliegt, wie hoch die Anforderung an den Fahrer ist, wie hoch die Güte der Fahrleistung ist und wie schnell die Reaktionszeit des Fahrers ist, wird die Straffung des Sicherheitsgurts unterschiedlich vorgenommen. Folgende Beispiele sind denkbar:
- • Beispiel 1: Hohe Anforderung; geringe Güte; langsame Reaktionszeit → ausgeprägte (lange / intensive) Straffung des Sicherheitsgurtes
- • Beispiel 2: Mittlere Anforderung; hohe Güte; schnelle Reaktionszeit -> geringe (kurze/ schwache) Straffung des Sicherheitsgurtes
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3 zeigt eine schematische Darstellung eines Warnverfahrens für ein Fahrzeug 100, wobei das Warnverfahren folgende Aktionen umfasst: Mit dem Bezugszeichen 20 ist das Ermitteln einer Gefahrensituation des Fahrzeugs bezeichnet; dies kann beispielsweise durch die Ermittlung einer Wahrscheinlichkeit sowie einer Kritikalität der Gefahrensituation erfolgen.
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Mit dem Bezugszeichen 30 ist das Ermitteln eines Zustands eines Fahrers des Fahrzeugs bezeichnet. Dies kann beispielsweise durch die Ermittlung einer Tätigkeit des Fahrers erfolgen.
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Mit dem Bezugszeichen 40 ist das Ermitteln einer Fahrleistung des Fahrers des Fahrzeugs bezeichnet. Dies kann beispielsweise durch die Ermittlung und Auswertung von Reaktionszeiten des Fahrers auf vergangene Gefahrensituationen erfolgen.
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Mit dem Bezugszeichen 50 ist das Berechnen einer Übernahmeaufforderungszeit des Fahrers auf Grundlage des Zustands des Fahrers und der Fahrleistung des Fahrers bezeichnet. Beispielsweise kann über die ermittelte Tätigkeit des Fahrers und die Auswertung vergangener Fahrdaten des Fahrers die Zeit berechnet werden, die der Fahrer braucht, um auf eine mögliche Übernahmeaufforderung zu reagieren, also um die Fahraufgabe zu übernehmen.
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Mit dem Bezugszeichen 60 ist das Ausgeben einer Gefahrenwarnung in Abhängigkeit von der ermittelten Gefahrensituation und der berechneten Übernahmeaufforderungszeit bezeichnet.