-
Die Erfindung betrifft ein Verfahren zur Prädiktion einer Verkehrssituation für ein Fahrzeug gemäß dem Oberbegriff des Anspruchs 1.
-
Die Erfindung betrifft weiterhin ein Verfahren zum Betrieb eines automatisiert, insbesondere hochautomatisiert oder autonom fahrenden Fahrzeugs.
-
Aus der
DE 10 2012 005 272 A1 ist ein Verfahren zur Ermittlung einer Gefahrenwahrscheinlichkeit einer Situation zwischen zwei Fahrzeugen bekannt, bei dem zukünftige Bewegungstrajektorien der Fahrzeuge prognostiziert werden, indem Bewegungshypothese-Trajektorien der Fahrzeuge erzeugt werden, wobei in einer ersten Verfahrensstufe in Abhängigkeit von Fahrerabsichten beider Fahrer der Fahrzeuge Positionsdaten der Fahrzeuge, Bewegungsdaten der Fahrzeuge und Umgebungsinformationen der Fahrzeuge mögliche gegenseitige Schnittpunkte von Bewegungshypothese-Trajektorien der sich in relativer Bewegung zueinander befindlichen Fahrzeuge und anhand der Schnittpunkte potenzielle Kollisionen ermittelt werden. In einer zweiten Verfahrensstufe werden anhand der ermittelten potenziellen Kollisionen potenziell mögliche kollisionsfreie Bewegungshypothese-Trajektorie-Paare der Fahrzeuge ermittelt und bewertet, wobei bei der Bewertung jeweilige Bewegungsspielräume zwischen den Fahrzeugen ermittelt werden und in Abhängigkeit einer Größe des jeweiligen Bewegungsspielraums die Gefahrenwahrscheinlichkeit ermittelt wird.
-
Aus der
DE 100 62 856 A1 ist ein Verfahren zur Verkehrsprognose für ein Fahrzeug bekannt, bei dem laufend ein Verkehrszustand ermittelt wird und bei dem anhand von Daten, die das Fahrzeug von anderen Fahrzeugen oder von einer Verkehrszentrale erhält, mittels eines Verkehrszustandsprognosealgorithmus ein zukünftiger Verkehrszustand prädiziert wird. Der Verkehrszustandsprognosealgorithmus wird dabei während des Betriebs des Fahrzeugs aktualisiert, wobei die Aktualisierung auf einem Vergleich des zu einem aktuellen Zeitpunkt ermittelte Verkehrszustands mit dem für diesen Zeitpunkt prädizierten Verkehrszustand basiert.
-
Der Erfindung liegt die Aufgabe zu Grunde, ein neuartiges Verfahren zur Prädiktion einer Verkehrssituation für ein Fahrzeug anzugeben. Weiterhin liegt der Erfindung die Aufgabe zugrunde, ein neuartiges Verfahren zum Betrieb eines automatisiert, insbesondere hochautomatisiert oder autonom fahrenden Fahrzeugs anzugeben.
-
Die Aufgabe wird erfindungsgemäß mit einem Verfahren zur Prädiktion einer Verkehrssituation gelöst, welches die im Anspruch 1 angegebenen Merkmale aufweist. Die Aufgabe wird erfindungsgemäß weiterhin mit einem Verfahren zum Betrieb eines Fahrzeugs gelöst, welches die im Anspruch 6 angegebenen Merkmale aufweist.
-
Vorteilhafte Ausgestaltungen der Erfindung sind Gegenstand der Unteransprüche.
-
In einem Verfahren zur Prädiktion einer Verkehrssituation für ein Fahrzeug, insbesondere für ein automatisiert, insbesondere hochautomatisiert oder autonom betriebenes Fahrzeug, wird fortlaufend eine Umgebung des Fahrzeugs erfasst und anhand erfasster Umgebungsdaten und Prädiktionsparameter wird eine Verkehrssituation des Fahrzeugs für einen zukünftigen Zeitpunkt prädiziert.
-
Erfindungsgemäß wird bei Erreichen des zukünftigen Zeitpunkts eine aktuelle reale Verkehrssituation erfasst, die aktuelle reale Verkehrssituation mit der prädizierten Verkehrssituation verglichen und in dem Vergleich ermittelt, ob ein Prädiktionsfehler bei der Prädiktion vorlag. Bei Vorliegen eines Prädiktionsfehlers werden die Prädiktionsparameter korrigiert.
-
Das Verfahren ermöglicht in besonders vorteilhafter Weise durch Vergleich der prädizierten Verkehrssituation und der zum zukünftigen Zeitpunkt real erfassten Verkehrssituation eine zuverlässige Erkennung von Prädiktionsfehlern. Somit ermöglicht das Verfahren exakte Prädiktionen von Trajektorien von Fahrzeugen in der Umgebung des Fahrzeugs auch bei stark variierenden Rahmenbedingungen, so dass Fahrerassistenzsysteme und automatisierte Fahrfunktionen realisiert werden können, die zumindest in nahezu jeder Situation adäquat arbeiten und reagieren können. Dabei werden bei der Prädiktion der Verkehrssituation eine Verallgemeinerung über alle Randbedingungen hinweg und große Fehler vermieden, so dass die Trajektorieplanung sehr sicher und zuverlässig ist. Hierbei wird in vorteilhafter Weise berücksichtigt, dass zur eigentlichen Prädiktion erforderliche Regeln unter gegebenen Rahmenbedingungen unter Umständen nicht gelten müssen, da diese Rahmenbedingungen eventuell besondere Auswirkungen auf ein Fahrverhalten anderer Verkehrsteilnehmer haben. Somit ermöglicht das Verfahren beispielsweise auch eine Freigabe automatisierter Fahrfunktionen im Hinblick auf rechtliche und ethische Gesichtspunkte.
-
In einer möglichen Ausgestaltung des Verfahrens basiert die prädizierte Verkehrssituation auf einem voraussichtlichen Bewegungsverhalten anderer Verkehrsteilnehmer in der Umgebung des Fahrzeugs. Beispielsweise erfolgt die Prädiktion mit einem Prädiktionshorizont, welcher 2 Sekunden bis 5 Sekunden beträgt, so dass die Prädiktion für Zeiten von kleiner 2 Sekunden bis Zeiten von kleiner 5 Sekunden erfolgen kann.
-
In einer weiteren möglichen Ausgestaltung des Verfahrens wird ein Prädiktionsfehler dann ermittelt, wenn eine in dem Vergleich ermittelte Abweichung zwischen der aktuellen realen Verkehrssituation und der prädizierten Verkehrssituation einen vorgegebenen Toleranzwert überschreitet. Hierdurch wird ein stabiler, sicherer und zuverlässiger Betrieb des Verfahrens ermöglicht und unnötige Änderungen der Prädiktionsparameter bei kleinen Abweichungen werden vermieden.
-
Erfindungsgemäß werden die Prädiktionsparameter von einer fahrzeugexternen zentralen Recheneinheit bereitgestellt. Dies ermöglicht, dass die Prädiktionsparameter vom Fahrzeug dann abgerufen werden können, wenn diese benötigt werden. Eine aufwändige und langfristige Speicherung der Prädiktionsdaten im Fahrzeug ist dagegen nicht erforderlich. Weiterhin ist sichergestellt, dass dem Fahrzeug stets aktuelle Prädiktionsparameter zur Verfügung stehen.
-
In einer weiteren möglichen Ausgestaltung des Verfahrens wird bei Vorliegen eines Prädiktionsfehlers ein Datensatz, welcher der Prädiktion zugrunde liegende Daten, die Prädiktionsparameter, die prädizierte Verkehrssituation und die reale Verkehrssituation umfasst, an die zentrale Recheneinheit übermittelt und mittels der Recheneinheit werden die Prädiktionsparameter in Abhängigkeit des Datensatzes korrigiert. Diese externe Korrektur der Prädiktionsparameter mittels der Recheneinheit ermöglicht eine effektive und zentrale Korrektur, so dass ein Hardwareaufwand für das Fahrzeug minimiert werden kann. Gleichzeitig wird sichergestellt, dass dem Fahrzeug und gegebenenfalls weiteren Fahrzeugen stets aktuelle Prädiktionsparameter zur Verfügung stehen.
-
In einer weiteren möglichen Ausgestaltung des Verfahrens wird die Korrektur der Prädiktionsparameter anhand von mittels einer Vielzahl an Fahrzeugen erzeugten und an die Recheneinheit übermittelten Datensätzen durchgeführt. Aufgrund eines Vergleichs und einer Auswertung der Datensätze von mehreren Fahrzeugen kann beispielsweise dann, wenn für einen Ort Datensätze mehrerer Fahrzeuge vorliegen, eine besonders hohe Genauigkeit der Prädiktionsparameter sichergestellt werden, da Erfassungsfehler einzelner Fahrzeuge sicher erkannt werden.
-
In einer weiteren möglichen Ausgestaltung des Verfahrens wird die Korrektur der Prädiktionsparameter mittels eines lernenden Algorithmus, insbesondere eines künstlichen neuronalen Netzwerks, durchgeführt. Dies ermöglicht eine stetige Verbesserung der Korrektur der Prädiktionsparameter und somit eine stetige Verbesserung einer Genauigkeit der Prädiktionsparameter selbst.
-
Erfindungsgemäß werden Fahrzeuge von der fahrzeugexternen zentralen Recheneinheit aufgefordert, an als kritisch gekennzeichneten Positionen bei Nicht-Vorliegen eines Prädiktionsfehlers jeweils einen Datensatz an die Recheneinheit zu übermitteln, wobei der Datensatz der Prädiktion zugrunde liegende Daten, die Prädiktionsparameter, die prädizierte Verkehrssituation und die reale Verkehrssituation umfasst. Somit steht bei einer Korrektur der Prädiktionsparameter eine Datenbasis für fehlerfreie Prädiktionen zur Verfügung.
-
In dem erfindungsgemäßen Verfahren zum Betrieb eines automatisiert, insbesondere hochautomatisiert oder autonom fahrenden Fahrzeugs wird bei einer automatisierten Fahrt das zuvor beschriebene Verfahren zur Prädiktion einer Verkehrssituation durchgeführt und das Fahrzeug ruft vor einer Befahrung eines Streckenabschnitts für diesen Streckenabschnitt geltende Prädiktionsparameter von zumindest einer fahrzeugexternen zentralen Recheneinheit ab.
-
Das Verfahren ermöglicht aufgrund der Verwendung des Verfahrens zur Prädiktion der Verkehrssituation in besonders vorteilhafter Weise durch Vergleich der prädizierten Verkehrssituation und der zum zukünftigen Zeitpunkt real erfassten Verkehrssituation die zuverlässige Erkennung von Prädiktionsfehlern und daraus folgend exakte Prädiktionen von Trajektorien von Fahrzeugen in der Umgebung des Fahrzeugs auch bei stark variierenden Rahmenbedingungen. Somit können Fahrerassistenzsysteme und automatisierte Fahrfunktionen realisiert werden, die zumindest in nahezu jeder Situation adäquat arbeiten und reagieren können. Dies ermöglicht einen besonders sicheren automatisierten Betrieb des Fahrzeugs, wobei es weiterhin möglich ist, automatisierte Fahrfunktionen für Fahrzeuge im Hinblick auf rechtliche und ethische Gesichtspunkte freizugeben.
-
In einer möglichen Ausgestaltung des Verfahrens wird in Abhängigkeit eines Ergebnisses der Prädiktion unter Berücksichtigung eines voraussichtlichen Bewegungsverhaltens anderer Verkehrsteilnehmer eine Trajektorie des Fahrzeugs für den automatisierten Fahrbetrieb geplant. Aufgrund der genauen Prädiktion ist ein besonders sicherer automatisierter Betrieb des Fahrzeugs realisierbar.
-
In einer weiteren möglichen Ausgestaltung des Verfahrens wird im automatisierten Fahrbetrieb die geplante Trajektorie mittels einer automatischen Steuerung und/oder Regelung einer Längs-und/oder Querbewegung des Fahrzeugs umgesetzt, um einen hohen Automatisierungsgrad und somit einen hohen Komfort für Fahrzeugnutzer zu erreichen.
-
Ausführungsbeispiele der Erfindung werden im Folgenden anhand von Zeichnungen näher erläutert.
-
Dabei zeigen:
- 1 schematisch ein Blockschaltbild einer Vorrichtung zum Betrieb eines Fahrzeugs,
- 2 schematisch ein Blockschaltbild einer fahrzeugexternen Recheneinheit,
- 3 schematisch ein Blockschaltbild eines Fahrzeugs und einer fahrzeugexternen Recheneinheit und
- 4 schematisch einen Ablauf eines Verfahrens zum Betrieb eines Fahrzeugs.
-
Einander entsprechende Teile sind in allen Figuren mit den gleichen Bezugszeichen versehen.
-
In 1 ist ein Blockschaltbild einer Vorrichtung 1 zum Betrieb eines in 3 näher gezeigten Fahrzeugs 2 dargestellt, wobei das Fahrzeug 2 zu einem automatisierten, insbesondere hochautomatisierten oder autonomen Fahrbetrieb ausgebildet ist.
-
Für einen solchen automatisierten Betrieb des Fahrzeugs 2 ist eine Planung einer Trajektorie T des Fahrzeugs 2 in Abhängigkeit einer aktuellen und einer prädizierten Verkehrssituation PU erforderlich.
-
Zu dieser Planung umfasst die Vorrichtung 1 eine fahrzeugeigene Sensorik 1.1, ein Prädiktionsmodul 1.2 zur Prädiktion der Verkehrssituation PU, ein Planungsmodul 1.3 zur Planung der Trajektorie T, ein Umsetzungsmodul 1.4 zur Umsetzung der Trajektorie T, einen Sensorik-Puffer 1.5, ein Kommunikationsmodul 1.6 zur Kommunikation über einen Kommunikationskanal 3, einen Prädiktions-Puffer 1.7 und ein Vergleichsmodul 1.8.
-
Zur Realisierung einer automatisierten Fahrfunktion des Fahrzeugs 2 werden mittels der fahrzeugeigenen Sensorik 1.1 fortlaufend aktuelle Umgebungsdaten des Fahrzeugs 2, auch als Sensorinformationen I bezeichnet, erfasst.
-
Mittels des Prädiktionsmoduls 1.2 wird anhand der Sensorinformationen I fortlaufend eine Prädiktion der Verkehrssituation PU durchgeführt, um für einen zukünftigen Zeitpunkt, beispielsweise für die nächsten 2 Sekunden bis 5 Sekunden, prädizierte Umgebungsdaten, d. h. die prädizierte Verkehrssituation PU, zu ermitteln.
-
Die Prädiktion wird in Abhängigkeit des erwarteten Verhaltens anderer Verkehrsteilnehmer durchgeführt. Diese Erwartungen stellen in 2 näher dargestellte Prädiktionsparameter P, d. h. Randbedingungen, die der Prädiktion zugrunde gelegt werden, dar. So wird beispielsweise angenommen, dass andere Verkehrsteilnehmer sich an Verkehrsregeln halten und beispielsweise keinen Spurwechsel über eine durchgezogene Spurmarkierung vornehmen, einen Standstreifen nicht zum Überholen benutzen, einen beabsichtigten Spurwechsel durch Betätigung der Blinker ankündigen und anzeigen, usw. Weiterhin wird angenommen, dass Verkehrsteilnehmer ihr Verhalten an einen Verkehrsfluss anpassen, andere nicht rücksichtslos zum Bremsen oder Ausweichen nötigen, usw.
-
In Abhängigkeit eines Ergebnisses der Prädiktion, insbesondere unter Berücksichtigung eines voraussichtlichen Bewegungsverhaltens anderer Verkehrsteilnehmer, wird mittels des Planungsmoduls 1.3 eine Planung von Trajektorien T durchgeführt, wobei eine geplante Trajektorie T mittels Eingriffen in eine Längs- und Querbewegung des Fahrzeugs 2 mittels des Umsetzungsmoduls 1.4 umgesetzt wird.
-
Sowohl die erfassten Umgebungsdaten, d. h. die Sensorinformationen I, als auch die prädizierten Umgebungsdaten, d. h. die prädizierte Verkehrssituation PU, werden für eine spätere Auswertung zwischengespeichert. Diese Zwischenspeicherung erfolgt für die Sensorinformationen I im Sensorik-Puffer 1.5 und für die prädizierte Verkehrssituation PU mit den zugehörigen Prädiktionsparametern P im Prädiktionspuffer 1.7. Am Ausgang des Sensorik-Puffers 1.5 können dann gepufferte Sensorinformationen ITO und am Ausgang des Prädiktionspuffers 1.7 gepufferte prädizierte Verkehrssituationen PUTO abgerufen werden.
-
Zu einem späteren Zeitpunkt werden die zu diesem Zeitpunkt erfassten tatsächlichen Umgebungsdaten, d. h. die zu diesem Zeitpunkt erfassten entsprechenden Sensorinformationen I und somit eine zu diesem Zeitpunkt erfasste aktuelle reale Verkehrssituation, mit der für diesen Zeitpunkt prädizierten Verkehrssituation PU mittels des Vergleichsmoduls 1.8 verglichen. Dabei wird dem Vergleichsmodul 1.8 eine gepufferte prädizierte Verkehrssituation PUTO, welche gepufferte zugehörige Prädiktionsparameter P umfasst, aus dem Prädiktionspuffer 1.7 zugeführt. Ergibt dieser Vergleich, dass eine Abweichung zwischen der tatsächlich erfassten Verkehrssituation und der prädizierten Verkehrssituation PU außerhalb eines vorgegebenen Toleranzbereichs liegt, erzeugt das Vergleichsmodul 1.8 einen Trigger TR, so dass ein Datensatz D mit der realen Verkehrssituation, der für den gleichen Zeitpunkt prädizierten Verkehrssituation PU, den Sensorinformationen I, aus denen die prädizierte Verkehrssituation PU ermittelt wurde, und Prädiktionsparameter P, die der Prädiktion zugrunde gelegt wurden, mittels des Kommunikationsmoduls 1.6 zu über den Kommunikationskanal 3 an eine in 2 näher dargestellte fahrzeugexterne zentrale Recheneinheit 4, beispielsweise einen so genannten Backend-Server, übertragen wird.
-
Es kann vorkommen, dass sich Verkehrsteilnehmer an bestimmten Stellen, zu bestimmten Zeiten oder in bestimmten Situationen gehäuft nicht wie erwartet verhalten.
-
Beispielsweise kann es sein, dass Verkehrsteilnehmer auf Autobahnen in Stausituationen oder im Berufsverkehr einen Standstreifen regelwidrig häufiger als sonst als Ausfädelspur verwenden oder bei Regen oder tiefstehender Sonne geblendet werden und häufiger als sonst unerwartet bremsen oder eine Fahrspur verlassen. Ein Prädiktionsmodul 1.2, welches keinerlei Wissen über eine solche spezielle Situation oder einen solchen Ort einbeziehen kann, müsste nun davon ausgehen, dass die anderen Verkehrsteilnehmer die Markierung höchstwahrscheinlich nicht überfahren würden, wohingegen ein Mensch, dem dieser Ort oder eine solche Situation bekannt ist, diese Erfahrung bereits in seine Prädiktion mit einbezieht.
-
Ebenso wird angenommen, dass abgesicherte Sensorsignale und somit die Sensorinformationen I fehlerfrei sind. Die Sensorsignale können aber an bestimmten Stellen und in bestimmten Situationen häufiger als sonst fehlerhaft sein, beispielsweise aufgrund von Reflexionen durch nasse Fahrbahnoberflächen.
-
Dieses unerwartete Verhalten der anderen Verkehrsteilnehmer oder die unerwarteten fehlerhaften Sensorsignale können zu Prädiktionsfehlern, einer falschen prädizierten Verkehrssituation PU, daraus folgend zu einer falsch geplanten Trajektorie T und somit im Extremfall zu Kollisionen führen. Durch den Vergleich der für einen späteren Zeitpunkt prädizierten Verkehrssituation PU mit der zu diesem späteren Zeitpunkt tatsächlich ermittelten Verkehrssituation ist es möglich, einen Prädiktionsfehler zu erkennen. Wenn der Vergleich eine Abweichung ergibt, die einen bestimmten Toleranzwert überschreitet, liegt ein Prädiktionsfehler vor. Wenn dann noch die Bedingungen bekannt sind, unter denen die Prädiktion durchgeführt worden ist und die Prädiktionsparameter P bekannt sind, die der Prädiktion zugrunde gelegt worden sind, ist es möglich die Prädiktionsparameter P derart zu korrigieren, dass der Prädiktionsfehler minimiert wird. Wenn der Prädiktionsfehler beispielsweise zu bestimmten Tageszeiten, wie z. B. morgens im Berufsverkehr, an bestimmten Orten, wie z. B. Autobahnausfahrten, in bestimmten Situationen, wie z. B. bei Stau oder Regen, auftritt, werden die Prädiktionsparameter P für diese Tageszeiten, Orte oder Situationen korrigiert.
-
Somit wird die Möglichkeit geschaffen, eine Verkehrssituation so zu begreifen, in die Zukunft zu prädizieren und auch so darauf zu reagieren, wie ein Mensch der auf seinen Erfahrungsschatz zurückgreifen kann. Um diesen „Erfahrungsschatz“ auch neuen Fahrzeugen 2 zur Verfügung stellen zu können, bedürfen die Fahrzeuge zudem eines kollektiven Gedächtnisses bzw. Erfahrungsschatzes. Rahmenbedingungen die dabei eine Rolle spielen können sind unter anderem regionenspezifische Besonderheiten, Sichtverhältnisse, eine Tageszeit, das Wetter, eine Verkehrslage usw.
-
Diese Korrektur erfolgt mittels der fahrzeugexternen zentralen Recheneinheit 4, welche gleichzeitig das kollektive Gedächtnis bzw. den kollektiven Erfahrungsschatz für die Fahrzeuge 2 bildet.
-
2 zeigt ein Blockschaltbild eines möglichen Ausführungsbeispiels einer fahrzeugexternen zentralen Recheneinheit 4.
-
Die Recheneinheit 4 umfasst ein Kommunikationsmodul 4.1 zur Kommunikation mit der Vorrichtung 1 über den Kommunikationskanal 3, ein Modul 4.2 zur Parameterverbesserung und einen kontextadaptierten Parameterspeicher 4.3.
-
Die Recheneinheit 4 empfängt von einer Mehrzahl von Fahrzeugen 2 die Datensätze D mit jeweils einer realen Verkehrssituation, der für den gleichen Zeitpunkt prädizierten Verkehrssituation PU, den Sensorinformationen I, aus denen die prädizierte Verkehrssituation PU ermittelt wurde, und Prädiktionsparametern P, die der Prädiktion zugrunde gelegt wurden.
-
Der Recheneinheit 4 steht somit eine große Datenbasis zur Verfügung. Die empfangenen Datensätze D werden in der Recheneinheit 4 geclustert, um Bereiche zu identifizieren, an denen gemeldete Prädiktionsfehler gehäuft auftreten. Weiterhin wird der Datensatz D dem Modul 4.2 zugeführt. Wenn an bestimmten Stellen eine Häufung von Prädiktionsfehlern festgestellt wird, werden die Prädiktionsparameter P, die an diesen Stellen zur Prädiktion herangezogen werden, im Sinne einer Minimierung der Prädiktionsfehler mittels des Moduls 4.2 korrigiert. Die Korrektur ist möglich, da aufgrund der empfangenen Datensätze D bekannt ist, welches die Eingangsdaten der Prädiktion sind, welches die Ausgangsdaten der Prädiktion sind, d. h. die jeweilige prädizierte Verkehrssituation PU, und wie die Ausgangsdaten tatsächlich hätten sein sollen, d. h. die zum Prädiktionszeitpunkt ermittelte tatsächliche Verkehrssituation. Eine Korrektur kann mittels eines lernenden Verfahrens, beispielsweise mittels eines künstlichen neuronalen Netzwerks, erfolgen. Zur Korrektur der Prädiktionsparameter P wird beispielsweise mittels Aggregation ermittelt, auf welchen konkreten Grund bestimmte Prädiktionsfehler zurückzuführen sind, wie z. B. viele Fehler zur selben Tageszeit und/oder am selben Ort.
-
Dem lernenden System wird beispielsweise eine Reihe von Eingangsgrößen, beispielsweise eine Quergeschwindigkeit, ein Abstand zum Vordermann, usw., und Ausgangsgrößen, beispielsweise eine relative Querposition in 1 Sekunde, eine relative Längsposition in 1 Sekunde, eine relative Querposition in 2 Sekunden, präsentiert. Mit diesen präsentierten Datensätzen D wird das System dann eingelernt. Wird dabei festgestellt, dass das Verhalten beispielsweise zwischen Tag und Nacht stark voneinander abweicht, werden die Datenmengen entlang dieses Parameters aufgeteilt und die Daten beispielsweise in zwei getrennten Lernvorgängen zwei parallelen Systemen zum Lernen präsentiert. Diese zwei gelernten Systeme sind dann jeweils Prädiktionskomponenten, die unter den bestimmten Bedingungen gelten und architektonisch gleich ausgebildet sind, aber abweichende Parameterkombinationen enthalten.
-
Korrigierte Prädiktionsparameter P+ werden dann in dem Parameterspeicher 4.3 gemeinsam mit den zugehörigen Sensorinformationen I und dem Datensatz D kontextsensitiv hinterlegt und über den Kommunikationskanal 3 den Fahrzeugen 2 zum Abruf bereitgestellt.
-
In einer möglichen Ausgestaltung werden Fahrzeuge 2 von der fahrzeugexternen zentralen Recheneinheit 4 aufgefordert, an als kritisch gekennzeichneten Positionen bei Nicht-Vorliegen eines Prädiktionsfehlers jeweils einen Datensatz D an die Recheneinheit 4 zu übermitteln, wobei auch dieser Datensatz D der Prädiktion zugrunde liegende Daten, die Prädiktionsparameter P, die prädizierte Verkehrssituation PU und die reale Verkehrssituation umfasst. Somit steht bei einer Korrektur der Prädiktionsparameter P eine Datenbasis für fehlerfreie Prädiktionen zur Verfügung.
-
Ein automatisiert fahrendes Fahrzeug 2 ruft dann, bevor es einen bestimmten Streckenabschnitt durchfährt, die für diesen Streckenabschnitt geltenden Prädiktionsparameter P für den Prädiktionsalgorithmus von der Recheneinheit 4 ab und führt anschließend - wie unter 1 beschrieben - die Prädiktion der Verkehrssituation PU und die Planung der Trajektorie T durch. Anhand dieser Trajektorie T wird dann der automatisierte Fahrbetrieb des Fahrzeugs 2 durchgeführt. Das heißt, Fahrzeuge 2 fragen dann an der Recheneinheit 4 etwaige zu beachtende Besonderheiten für ihre aktuelle Situation, d. h. ihre aktuelle Position, Tageszeit, usw., ab.
-
Hierbei rufen die Fahrzeuge 2 jeweils Parameteranpassungen für die jeweilige Prädiktionskomponente in der aktuellen Situation ab, wie beispielsweise für das Beispiel der Überfahrung von Fahrspurmarkierungen an Autobahnauffahrten eine Vergrößerung einer Spurwechselwahrscheinlichkeit trotz durchgezogener Markierung. Der Prädiktionskomponente wird durch die korrigierten Prädiktionsparameter P+ bekannt gemacht, dass mit bestimmten Besonderheiten zu rechnen ist, so dass diese die Prädiktion dahingehend anpassen kann.
-
Für das Beispiel der Überfahrung der Markierung an einer Autobahnauffahrt kann dabei die Korrektur der Prädiktionsparameter P wie folgt durchgeführt werden.
-
Es wird anhand vieler gesammelter Datensätze D festgestellt, dass an einer Autobahnauffahrt Verkehrsteilnehmer dazu neigen, trotz einer durchgezogenen Fahrbahnmarkierung, einen Spurwechsel vorzunehmen, obwohl dies regelwidrig ist und einem normalen Fahrverhalten in derartigen Situationen widerspricht. Erkannt werden kann dieses unzulässige Überschreiten beispielsweise dadurch, dass Fahrzeuge 2 einer Flotte über ihre Sensorik 1.1, beispielsweise Kameras, Radare, usw., sowohl die Markierungen als auch die Bewegungen der anderen Verkehrsteilnehmer beobachten. Informationen über die Unregelmäßigkeit an der betreffenden Stelle werden nun allen nachfolgenden Fahrzeugen 2, die diese Stelle passieren werden, mittels der Recheneinheit 4 zur Verfügung gestellt. Diese können durch die Information durch Anpassung ihrer Prädiktionsparameter P auf die Prädiktion der Bewegung der umgebenden Verkehrsteilnehmer reagieren und somit in diesem Beispiel eine Einscherwahrscheinlichkeit für Fahrzeuge „hinter“ der durchgezogenen Markierung gegenüber den normalerweise sehr niedrigen Wahrscheinlichkeiten deutlich vergrößern. Dadurch kann eine tatsächliche Prädiktionsgenauigkeit an dieser Geolokation drastisch gesteigert werden.
-
Die Datensätze D werden in der Recheneinheit 4 gesammelt, wenn im Fahrzeug 2 festgestellt wird, dass die Prädiktion für einen der anderen Verkehrsteilnehmer an einem bestimmten Punkt schlecht mit der tatsächlich gefahrenen Trajektorie des Verkehrsteilnehmers übereinstimmt. Hierfür ist eine Komponente vorgesehen, die die Prädiktionen mindestens für die maximale zeitliche Dauer der Prädiktionen vorhält, so dass in der Vergangenheit für den aktuellen Zeitpunkt gemachte Voraussagen mit den inzwischen gewonnenen Erkenntnissen, d. h. Sensorinformationen I, über die Verkehrssituation abgeglichen werden können. Diese Komponente wird durch den Sensorik-Puffer 1.5 und den Prädiktionspuffer 1.7 gebildet.
-
In 3 ist ein Blockschaltbild eines Fahrzeugs 2 und einer fahrzeugexternen Recheneinheit 4 dargestellt. Das Fahrzeug 2 und die Recheneinheit 4 kommunizieren über den Kommunikationskanal 3 mittels ihrer jeweiligen Kommunikationsmodule 1.6, 4.1.
-
Die Kommunikation erfolgt dabei derart, dass in Abhängigkeit einer aktuell erfassten Situation die zugehörigen aktuellen Sensorinformationen I vom jeweiligen Fahrzeug 2 an die Recheneinheit 4 übermittelt werden.
-
Sollte das Vergleichsmodul 1.8 einen Datensatz D getriggert haben, umfasst dieser zusätzlich Informationen aus der Sensorik 1.1 sowie die Inhalte des Sensorik-Puffers 1.5 und des Prädiktions-Puffers 1.7.
-
Zusätzlich erhalten bei einer Antwort der Recheneinheit 4 an das Fahrzeug 2 die Prädiktionsparameter P unter anderem auch Besonderheiten in Form von Parametrierungen für das Prädiktionsmodul 1.2.
-
4 zeigt einen Ablauf eines möglichen Ausführungsbeispiels eines Verfahrens zum Betrieb eines Fahrzeugs 2.
-
In einem ersten Verfahrensschritt S1 wird die Verkehrssituation anhand der Sensorik 1.1 erfasst, wobei anhand von in einem zweiten Verfahrensschritt S2 durch die Recheneinheit 4 bereitgestellte Kontextinformationen in einem dritten Verfahrensschritt S3 die Prädiktion der Verkehrssituation PU, insbesondere mittels Fahrzeugsteuergeräten und auf diesen implementierter Software, durchgeführt wird.
-
Anschließend erfolgt in einem vierten Verfahrensschritt S4 die Planung der Trajektorie T, insbesondere mittels Fahrzeugsteuergeräten und auf diesen implementierter Software, sowie in einem fünften Verfahrensschritt S5 die Umsetzung der Trajektorie T mittels entsprechender Aktorik des Umsetzungsmoduls 1.4.
-
Bezugszeichenliste
-
- 1
- Vorrichtung
- 1.1
- Sensorik
- 1.2
- Prädiktionsmodul
- 1.3
- Planungsmodul
- 1.4
- Umsetzungsmodul
- 1.5
- Sensorik-Puffer
- 1.6
- Kommunikationsmodul
- 1.7
- Prädiktionspuffer
- 1.8
- Vergleichsmodul
- 2
- Fahrzeug
- 3
- Kommunikationskanal
- 4
- Recheneinheit
- 4.1
- Kommunikationsmodul
- 4.2
- Modul
- 4.3
- Parameterspeicher
- D
- Datensatz
- I
- Sensorinformation
- ITO
- gepufferte Sensorinformation
- P
- Prädiktionsparameter
- P+
- korrigierter Prädiktionsparameter
- PU
- prädizierte Verkehrssituation
- PUTO
- gepufferte prädizierte Verkehrssituation
- S1 bis S5
- Verfahrensschritt
- T
- Trajektorie
- TR
- Trigger