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Die vorliegende Erfindung betrifft ein Verfahren zum Herstellen eines Formkörpers mit Hilfe einer 3D-Druck-Technik, bei dem durch Einwirkung von Licht ein flüssiges oder viskoses Material, das cycloolefinische Gruppen und Thiolgruppen enthält, einer organischen Vernetzung und damit Verfestigung unterworfen wird. Die Erfindung betrifft weiterhin einen Formkörper mit speziellen thermomechanischen Eigenschaften, der mit diesem Verfahren erhältlich ist und insbesondere als Otoplastik eingesetzt werden kann.
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Zurzeit sind in der Bundesrepublik ungefähr 5,3 Millionen Hörsysteme im Einsatz, wobei die Tendenz des Absatzes steigend ist. Das waren 2014 schon über 1 Million allein in Deutschland. Die individuellen in der Ohrmuschel und im Gehörgang sitzenden Ohrpassstücke für Hinter-dem-Ohr-Hörgeräte (HdO-Hörgeräte) oder Im-Ohr-Hörgeräte (IdO-Hörgeräte), welche das Hörgerät mit dem Ohr verbinden, werden als Otoplastiken bezeichnet. Für die Herstellung von Hörsystemen sind verschiedene Materialien im Einsatz, wobei sich diese je nach Material in harte und weiche Otoplastiken einteilen lassen. Standardmäßig werden Otoplastiken auf Basis von Acrylaten, vor allem Methylmethacrylat, hergestellt. Dabei handelt es sich meist um ZweiKomponenten-härtende Materialien für harte Otoplastiken. Nachteilig hierbei ist der Restmonomeranteil im ausgehärteten Material, welcher zu heftigen allergischen Reaktionen führen kann. Außerdem neigen harte Otoplastiken vor allem bei großen Hörverlusten zu störenden Pfeifgeräuschen, welche durch die Rückkopplung des Schalls entstehen, wenn das Ohrstück nicht stabil im Ohr sitzt und nicht ringsherum auf der Haut anliegt. Weiche Otoplastiken hingegen dichten besser ab, wodurch die Gefahr der Rückkopplung verringert wird. Als dauerelastischer Werkstoff wird hierfür Silicon eingesetzt. Das Einsetzen von weichen Otoplastiken ist jedoch aufgrund der stumpfen Oberfläche erschwert.
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Weiterhin gibt es erste thermoformbare Materialien, welche bei Raumtemperatur hart und bei Körpertemperatur weich/flexibel sind und sich deshalb gut an die individuelle Ohrform anpassen. Die bei Raumtemperatur feste, formstabile Otoplastik lässt sich somit leicht einsetzen und passt sich bei Körpertemperatur an die individuelle Ohrform an, was für einen hohen Tragekomfort sorgt. Nachteilig hierbei sind allerdings die giftigen Dämpfe bei der Verarbeitung des Materials und die rein organische, Monomer-basierte Vernetzung.
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Ein großer Nachteil aller bisher genannten Materialsysteme ist zudem die aufwendige, herkömmliche Herstellungsweise der Otoplastiken. Diese kann über ein sogenanntes Positiv-Negativ-Positiv-Verfahren erfolgen. Dabei wird das Ohr zunächst mit Siliconkautschuk abgeformt, anschließend eine Negativform mit Silicon, Agar-Agar oder Gips gefertigt, welche schließlich mit dem entsprechenden Material ausgegossen wird. In einem aufwendigen Nachbearbeitungsschritt müssen die Rohlinge manuell mit handgeführten Fräs- und Schleifwerkzeugen in Form gebracht sowie lackiert werden. Ungünstig dabei ist der hohe Materialverlust durch die subtraktive Fertigung und die notwendige Negativform. Nachteilig ist auch, dass spezielle Werkzeuge verwendet werden müssen, was mit weiteren Kosten durch Werkzeugverschleiß einhergeht, sowie die aufwendige/zeitintensive Handarbeit. Ein weiteres Verfahren arbeitet mit einem automatisierten CAD/CAM-Fräsprozess. Dabei wird die Abformung des Ohres eingescannt und dessen 3D-Daten mit einer Software bearbeitet und modelliert, bevor das Fräsen der Otoplastik aus einer vorgefertigten Frässcheibe (einem sogenannten Blank) heraus stattfindet. Im Anschluss erfolgt wiederum ein Polier- sowie Lackierschritt. Auch hier treten ein hoher Materialverlust sowie Werkzeugverschleiß auf.
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Diese Nachteile des derzeit eingesetzten Fertigungsprozesses von Otoplastiken können durch die Herstellung mittels 3D-Druckprozessen vermieden werden. Dabei wird der Positiv-Abdruck der Ohrform mittels 3D-Scanner digital aufgenommen. Anschließend können die mit speziellen CAD-Programmen bearbeiteten virtuellen Daten des Ohrabdrucks mittels 3D-Drucker direkt in das reale Endprodukt umgesetzt werden. Durch den automatisierten Herstellungsprozess entfallen viele manuelle Schritte, wodurch der Arbeitsaufwand geringer wird. Es können so auch komplizierte Geometrien geformt werden. Bei 3D-Druckprozessen ist auch der Materialverlust gering.
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Die bereits beschriebenen, kommerziellen Materialien sind allerdings nicht für die Verwendung im Druckprozess geeignet. Für den 3D-Druck von Otoplastiken werden einkomponentige Harzsysteme auf (Meth)acrylatbasis oder Silicone verwendet. Allerdings weisen die rein organischen Polymere den Nachteil auf, dass sie nicht monomerfrei und somit nicht antiallergen sind. Außerdem können aus diesen Materialien bisher nur harte Otoplastiken hergestellt werden, die nur wenig flexibel sind und sich dem Ohr schlecht anpassen. Bisher behilft man sich damit, bei Allergikern die Otoplastik zu beschichten (z.B. mit einer Verglasung oder Vergoldung), um den direkten Kontakt des Kunststoffs mit dem Gehörgang zu vermeiden.
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Otoplastiken aus Silikonen lassen sich, wie bereits erwähnt, wegen der weichen Oberfläche nur erschwert ins Ohr einsetzen.
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Der Erfindung liegt die Aufgabe zugrunde, Formkörper, darunter insbesondere auch Otoplastiken, bereitzustellen, die bei steigenden Temperaturen eine leichte Erweichung und dadurch Formbarkeit zeigen, so dass sie z.B. für patientenindividuelle Endbauteile mit angepasstem, hochwertigem Eigenschaftsprofil für Hörakustik-/Audio- und Gehörschutz- sowie weitere Zwecke genutzt werden können. Diese Formkörper sollen aus einem Material bestehen, das sich mittels 3D-Druck wie oben erwähnt in die gewünschten Formen bringen lassen kann.
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Insbesondere wäre es wünschenswert, eine Otoplastik herstellen zu können, deren Materialien - anders als die bisher bekannten - sowohl biokompatibel (und insbesondere antiallergen) sind, als auch einen Thermoeffekt für eine optimale Anpassung ans Ohr bei Körpertemperatur und somit einen hohen Tragekomfort besitzen.
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Zudem sollen für eine ansprechende Ästhetik nach Möglichkeit farblose/transparente Versionen sowie verschiedene Farbvarianten für diese zur Verfügung stehen. So soll es möglich sein, transparent-farblose, transparent-farbige, opak-farblos und opak-farbige Formkörper zu erzeugen, wobei die Farben unterschiedlich sein können. Eine wichtige Farbvariante ist hautfarben.
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Gelöst wird die Aufgabe durch die Bereitstellung eines Verfahrens zum Herstellen eines Formkörpers mit Hilfe eines strahlungsinduzierten Druckverfahrens, dadurch gekennzeichnet, dass
- - der Formkörper durch Verfestigung eines flüssigen oder viskosen Materials erzeugt wird, welches eine Ausgangskomponente mit cycloolefinischen Gruppen, vorzugsweise ein mit solchen Gruppen modifiziertes Kieselsäure(hetero)polykondensat, ein Thiol mit mindestens zwei Thiolgruppen pro Molekül und einen Initiator und/oder Katalysator für die lichtinduzierte Thiol-En-Additionsreaktion zwischen den Thiol-Gruppen und einer Doppelbindung der cycloolefinischen Gruppen enthält, und
- - die Verfestigung dadurch erfolgt, dass Licht einer Strahlungsquelle auf einen Bereich einer Oberfläche eines Substrats gerichtet wird, wobei eine dort befindliche Schicht des flüssigen oder viskosen Materials durch die Einwirkung von Strahlung einer organischen Polymerisation unterworfen und dadurch verfestigt wird, worauf nacheinander weitere Schichten des flüssigen oder viskosen Materials, die sich jeweils auf der Schicht des zuletzt verfestigten Materials befinden, mit Hilfe dieser Strahlungsquelle verfestigt werden.
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Gelöst wird die Aufgabe außerdem durch die Bereitstellung eines Formkörpers aus einem Material, das unter photoinduzierter Thiol-En-Addition einer Thiolverbindung mit mindestens zwei Thiolgruppen pro Molekül an eine Ausgangskomponente mit cycloolefinischen Gruppen gebildet wurde, wobei der Formkörper innerhalb eines Temperaturfensters von -25 °C bis 110 °C, vorzugsweise von -15 °C bis 70 °C, stärker bevorzugt von -15 °C bis 60 °C bei einem Temperaturanstieg von höchstens 20 K einen Abfall seines Speichermoduls E' von mindestens 800 MPa, vorzugsweise von 1200 MPa erleidet. Vorzugsweise besitzt er einen Speichermodul E'RT (bei 22 °C) zwischen 20 und 4000 MPa, stärker bevorzugt zwischen 500 und 2600 MPa, einen minimalen Speichermodul E'min zwischen 5 und 300 MPa, vorzugsweise zwischen 15 und 60 MPa sowie eine Temperatur Tw (bei 2 ·E'min) zwischen 0°C und 110°C, stärker bevorzugt zwischen 10 °C und 60 °C. Alle diese Werte sind jeweils ermittelt durch eine DMA-Untersuchung an dem Formkörper mittels NETZSCH DMA242C mit folgenden Einstellungen: Auflagerabstand = 20 mm; Frequenz = 1 Hz; T-Bereich = - 10°C bis 70 °C; Aufheizrate = 2,0 °C/min; max. dyn. Kraft = 4,00 N; Atmosphäre = Luft.
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Soweit der Formkörper nach dem erfindungsgemäßen Verfahren hergestellt wurde, ist er in der Regel aus Schichten einer Dicke von 10 bis 150 µm aufgebaut.
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In den beigefügten Figuren stellen dar:
- 1 ein Diagramm mit den DMA-Kurven einiger ausgewählter Formkörper unterschiedlicher Zusammensetzung und Herstellungs- / Nachhärtungsverfahren,
- 2 mit dem erfindungsgemäßen Verfahren hergestellte Probenkörper, die sich zur Bestimmung der Fehlerhaften Durchpolymerisation eignen,
- 3 den Druck eines solchen Probenkörpers und damit ein mögliches Prinzip des erfindungsgemäßen Verfahrens veranschaulicht
- 4 das Modell für eine Otoplastik (Außenansicht / Innenansicht) zeigt und
- 5 das Modell einer Infusionsnadel (mit durchgehender Innenöffnung) zeigt.
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Die vorliegende Erfindung nutzt ein Verfahren, bei dem der Körper durch Verfestigung eines flüssigen oder viskosen Materials erzeugt wird, wobei die Verfestigung dadurch erfolgt, dass Licht einer Strahlungsquelle auf einen Bereich einer Oberfläche eines Substrats gerichtet wird, auf der sich eine Schicht des flüssigen oder viskosen Materials befindet, die durch die Einwirkung von Strahlung dieser Strahlungsquelle einer organischen Polymerisation unterworfen und dadurch verfestigt wird, worauf nacheinander weitere Schichten des flüssigen oder viskosen Materials, die sich jeweils auf der Schicht des zuletzt verfestigten Materials befinden, mit Hilfe dieser Strahlungsquelle verfestigt werden.
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Das „Licht einer Strahlungsquelle“, wie vorliegend definiert, muss nicht notwendiger Weise im sichtbaren Bereich liegen. So soll beispielsweise UV-Licht von diesem Begriff mitumfasst sein.
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Schichten, die sich „auf der Schicht des zuletzt verfestigten Materials befinden“ befinden sich auf dieser in Richtung der Strahlungsquelle gesehen. Wird z.B. das Substrat in einem Bad angeordnet, und die Substratoberfläche wird durch einen für das Licht der Strahlungsquelle durchlässigen Boden des Badbehälters bestrahlt, befinden sich die jeweils zu verfestigenden Schichten des flüssigen oder viskosen Materials unterhalb des Substrates samt den darauf bereits verfestigten Schichten.
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Erfindungsgemäß können alle Techniken genutzt werden, die von einem flüssigen oder viskosen („pastösen“), also fließfähigen Material ausgehen, das sich durch Lichteinwirkung ortsselektiv verfestigen lässt. Jede Schicht wird dabei flächig, d.h. in der Regel mit einem festen Betrag in z-Richtung und mit beliebigem Umriss der jeweiligen Schicht in x-y-Richtung belichtet. Dabei kann die jeweilige Fläche / können die jeweiligen Flächen jeder Schicht simultan belichtet werden (dann handelt es sich um eine flächige Belichtung), oder sie wird/werden mit einem Strahl abgerastert (der gesamte Flächenbereich wird dann nicht gleichzeitig, sondern in schmalen Streifen der Belichtung ausgesetzt). Diese Techniken werden als „Drucktechniken“ bezeichnet; sie gehören zur Gruppe der 3D-Druck-Verfahren.
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Insbesondere eignet sich erfindungsgemäß das sogenannte DLP (Digital Light Processing) für die Herstellung der Formkörper. Dabei handelt es sich um ein materialsparendes, automatisiertes und somit schnelles und kostengünstiges Verfahren, bei welchem sich das Material im Inneren eines Bades, d.h. in einem Badbehälter, befindet. Hierbei ist ein in z-Richtung bewegbares Substrat in Form einer Plattform im Bad angebracht, derart, dass sich zwischen dem Boden des Badbehälters und der nach unten gerichteten Oberfläche der Plattform bzw. der bereits verfestigten Schichten jeweils eine dünne Schicht des Badmaterials befindet, die belichtet und verfestigt werden kann, worauf die Plattform bewegt und dabei letztendlich um eine Schichtstärke in z-Richtung nach oben gezogen wird, so dass Badmaterial in den entstehenden Spalt nachströmt. Jede verfestigte Schicht hat in z-Richtung eine in der Regel gleichbleibende Mächtigkeit, die allerdings unter Umständen infinitesimal klein sein kann, wie nachstehend näher erläutert. In x-y-Richtung kann sie jedoch eine beliebige Form (auch mehrteilig) bzw. einen beliebigen Umriss besitzen, wodurch der erzeugte Formkörper auch z.B. Hinterschneidungen oder einzelne Säulen aufweisen kann. Auch können mehrere einzelne Formkörper gleichzeitig ausgebildet werden. Die Verfestigung am Badboden gelingt dadurch, dass das Badmaterial durch den lichtdurchlässigen Boden (oder einen lichtdurchlässigen Teil davon) oder eine lichtdurchlässige Wandung des Badbehälters hindurch bestrahlt wird. Dabei kann entweder ein Schreibstrahl (z. B. bei der Stereolithographie) verwendet werden, so dass einzelne Partien der Fläche „abgerastert“, d.h. in schmalen Streifen nacheinander belichtet werden, oder die Belichtung kann auf einmal (simultan) über die ganze Fläche erfolgen, die damit gleichzeitig belichtet wird. Letzteres ist bevorzugt, weil die Flächenbelichtung wesentlich schneller ist. Als Belichtungswellenlängen dienen vorzugsweise solche, mit denen sich eine Ein-Photonen-Polymerisationsreaktion bewirken lässt. Beispielhafte Skizzen zur Erläuterung des Belichtungsweges sind in 3 zu finden.
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Eine Weiterentwicklung des DLP-Verfahrens ist das sogenannte CLIP-Verfahren (Continuous Liquid Interface Production). Hierbei ist der Badboden, durch den die Strahlung der Belichtungsquelle fällt, bevorzugt sauerstoffdurchlässig. Dadurch wird die Polymerisation in unmittelbarer Nähe des Badbodens (in der Regel hat die sauerstoffinhibierende, bodenangrenzenden Schicht eine Stärke von ca. 20-30 µm) unterbunden, und es entfällt der bei der DLP sonst notwendige, separate und relativ zeitaufwändige Schritt des kontrollierten Nachfließens von flüssigem/viskosem Material in den schmalen Spalt, der jeweils für die Polymerisation der nächsten Schicht vorgesehen ist. Die Belichtung kann daher kontinuierlich erfolgen, während die Plattform kontinuierlich nach oben (in z-Richtung) gezogen wird. Das hat natürlich zur Folge, dass keine einzelnen Schichten mit in z-Richtung messbarer Stärke gebildet werden. Dennoch ist das Verfahren eine Variante des Druckens in Schichten, da die Verfestigung in jeder x-y-Ebene gleichzeitig erfolgt. Der Ausdruck „Schicht“ soll in diesem Sinne erfindungsgemäß daher auch Schichten mit infinitesimal geringer Stärke umfassen.
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Ganz allgemein werden erfindungsgemäß Druckverfahren bevorzugt eingesetzt, bei denen der Druck innerhalb eines Bades des zu verfestigenden Materials erfolgt. Unter diesen werden das vorgenannte DLP-Verfahren einschließlich der CLIP-Variante besonders bevorzugt genutzt. Dabei sind beide, das DLP-Verfahren wie auch die CLIP-Variante, jeweils mit allen nachstehend aufgeführten, andere Aspekte betreffenden Ausführungsformen der Erfindung kombinierbar.
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Ein weiteres Beispiel für den 3D-Druck ist die Stereolithographie (SLA) im engeren Sinn, bei der die Bildung des Formkörpers dadurch erfolgt, dass ein Träger kurz unter der Oberfläche eines Bades oder, alternativ, in der Nähe eines lichtdurchlässigen Badbodens angeordnet wird, derart, dass nur eine dünne Schicht Material darüber/darunter liegt. Diese wird mit Hilfe eines Lasers gemäß einer zuvor erarbeiteten digitalen Form verfestigt (abgerastert), worauf der Träger soweit abgesenkt/angehoben wird, dass die verfestigte Schicht von einer weiteren flüssigen Schicht überzogen wird bzw. dass eine weitere flüssige Schicht zwischen die verfestigte Schicht und den Badboden gelangt. Diese Schicht wird daraufhin ebenfalls mit dem Laserstrahl verfestigt. Jede Schicht hat in z-Richtung eine feste Dicke (Mächtigkeit), kann in x-y-Richtung jedoch eine beliebige Form besitzen, wodurch ein Formkörper auch z.B. mit Hinterschneidungen erzeugt werden kann. Weitere erfindungsgemäß einsetzbare Verfahren sind die sog. µ-Stereolithographie (µ-SLA), Multi Jet Modelling (MJM) und Poly Jet Printing (PJP) sowie Variationen einiger dieser Verfahren, bei denen z.B. mit Rakelsystemen gearbeitet wird, z.B. das Lithography-based Ceramic Manufacturing (LCM), oder bei denen z.B. mit Foliensystemen gearbeitet wird, z.B. das Film Transfer Imaging (FTI) (z. B. Admaflex Technology), oder weitere Verfahrensvariationen, wie z.B. das TwoCure-Verfahren oder die Mask Stereolithography (MSLA). Für das MJM und PJP wird ein flüssiges, lichtempfindliches Material über einen Druckkopf schichtweise auf eine Plattform aufgetragen, und jeder abgelegte Strang (der im Sinne der Erfindung als Bestandteil einer Schicht anzusehen ist) wird durch eine z.B. im Druckkopf integrierte Lichtquelle sofort ausgehärtet (das ist ein Beispiel für eine Technik, bei der die jeweilige Schicht nicht gleichzeitig, sondern in schmalen Streifen der Belichtung ausgesetzt wird, was dem oben erwähnten „Abrastern“ entspricht). Zur Herstellung überhängender Strukturen werden mittels mehrerer Druckköpfe Supportstrukturen erzeugt, die nach dem Druck mechanisch entfernt oder ausgewaschen werden müssen. Beim Film Transfer Imaging Verfahren wird das lichtempfindliche Material über eine Transportfolie auf eine Plattform aufgetragen und z.B. schichtweise mittels Projektor ausgehärtet. Dieses Verfahren ist speziell für hochviskose Materialien geeignet. Gleiches gilt für das Film Transfer Imaging nach der Admaflex Technologie, bei dem das zu verfestigende Material ebenfalls über eine Folie zugeführt wird. Das LCM dagegen arbeitet mit einer Rakel. Dabei dreht sich die Materialwanne nach jeder Schichtverfestigung im Kreis, so dass mit der Rakel neues Material auf dem Boden der Wanne aufgetragen wird. Ansonsten besteht große Ähnlichkeit mit dem DLP-Prinzip. Auch für dieses Verfahren sind höherviskose Materialien günstig. Das TwoCure-Verfahren nutzt neben der photochemischen Vernetzung eine Verfestigung mit Kälte. Kaltes, wachsartiges, aber nicht chemisch verfestigtes Material, welches als Support dient, kann anschließend nach dem Druck bei Raumtemperatur verflüssigt werden. Schließlich sei auch noch die Masken-Stereolithographie genannt, bei der wie beim DLP eine Bauplattform in ein Materialbad hineinragt und die Bestrahlung von unten durch den strahlungsdurchlässigen Badboden hindurch erfolgt. Im Unterschied zum DLP wird das Belichtungsfeld jedoch nicht mit einem DLP-Chip generiert, sondern mit einer Flüssigkristall-Belichtungsmaske.
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Verfahren unter Verwendung der Ein-Photonen-Polymerisation sind bevorzugt, da nur mit diesem Verfahren ganze Schichten in x-y-Richtung gleichzeitig belichtet und damit wesentlich schneller der Polymerisation ausgesetzt werden können.
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Wird für das findungsgemäße Verfahren die DLP-Technik eingesetzt, so wird das Material im Inneren des Bades verfestigt, so dass Oberflächeneffekte, die möglicherweise auftreten könnten, vermieden werden können. Auch wird ein geringerer Materialvorrat benötigt im Vergleich zu Systemen, bei denen die Bauplattform ins Materialbad hineinfährt und von oben belichtet wird. Bei der letztgenannten Technik wird außerdem häufig ein Wischer oder Rakel benötigt, um eine glatte Oberfläche zu erzeugen.
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Unter dem Ausdruck „Vielzahl von Schichten“ ist zu verstehen, dass der Formkörper erfindungsgemäß aus sehr vielen Schichten (theoretisch sogar unendlich vielen, sofern das CLIP-Verfahren angewendet wird) aufgebaut ist. Die tatsächliche Zahl hängt von der Struktur und Größe des Formkörpers und der gewählten Schichtstärke ab; Die Schichtstärke variiert in der Regel zwischen 10 und 150 µm, kann ggf. aber auch noch geringer gewählt werden. Die Größe der Formkörper wird in der Regel im mm-Bereich oder cm-Bereich liegen, wobei Abweichungen nach unten oder oben möglich sind.
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Die Ausdrücke „Formkörper“ und „Bauteil“ werden vorliegend synonym verwendet.
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Die Ausdrücke „Schichtstärke“ und „Schichtdicke“ werden vorliegend synonym verwendet.
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Unter „flüssigem oder viskosem Material“ versteht die Erfindung ein Material, das in jedem Fall noch fließfähig ist. Die Fließfähigkeit kann allerdings ggf. auch relativ gering sein.
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Der Ausdruck „Kieselsäure(hetero)polykondensat“ soll in der vorliegenden Erfindung immer sowohl Kieselsäurepolykondensate (mit oder ohne fremde Heteroelemente, als auch Kieselsäureheteropolykondensate, die fremde Heteroelemente wie erwähnt enthalten, umfassen.
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Bei der erfindungsgemäß zu nutzenden Ausgangskomponente mit cycloolefinischen Gruppen kann es sich vorzugsweise um eine solche mit monocycloolefinischen und/oder bicycloolefinische Gruppen handeln.
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Als bicycloolefinische Gruppen können bevorzugt die folgenden eingesetzt werden:
worin R* = H, oder einen organischen Rest, z.B. einen Alkylrest mit 1 bis 12 Kohlenstoffatomen darstellt, der unsubstituiert oder mit einer funktionellen Gruppe substituiert sein kann, R** = H oder einen organischen Rest, z.B. einen Alkylrest mit 1 bis 12 Kohlenstoffatomen darstellt, der unsubstituiert oder mit einer funktionellen Gruppe substituiert sein kann, oder worin R** ein organischer Rest ist, der C=C-Gruppen enthält, und Z -O- (d.h. eine Sauerstoffbrücke), oder -(CHR***)
n- mit n = 1, 2, oder 3 oder größer 3 (z.B. bis 20) ist, R*** = H, Alkyl. Geeignete Beispiele sind
Generell ist die Nobornenylgruppe die bevorzugte Variante bzgl. der bicycloolefinischen Gruppe.
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Als monocycloolefinische Gruppen können solche der obigen Formel mit den dafür angegebenen Definitionen der Reste R* und R** eingesetzt werden, worin Z nicht vorhanden ist (die in der Formel angegebenen Bindungen zu Z stellen dann Bindungen zu Wasserstoffatomen dar).
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Bicycloolefinische Gruppen sind gegenüber monocycloolefinschen Gruppen bevorzugt.
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Als Ausgangskomponente mit cycloolefinischen Gruppen können rein organische Substanzen (Verbindungen mit mindestens zwei solchen Gruppen) genutzt werden. Bevorzugt ist es jedoch, ein mit cycloolefinischen Gruppen modifiziertes Kieselsäurepolykondensat einzusetzen, das aus oder mit Silanen erzeugt wurde, die mindestens einen über Kohlenstoff am Silicium gebundenen Rest aufweisen, welcher mit mindestens einer cycloolefinischen Gruppe substituiert ist. Für die Bevorzugung spezifischer cycloolefinischer Reste gilt in beiden Fällen das oben Ausgeführte. Auch sind die oben als bevorzugt genannten cycloolefinischen Gruppen in allen einzelnen nachstehenden Fällen als bevorzugt anzusehen.
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Die cycloolefinische Gruppe kann dabei direkt oder über eine Kupplungsgruppe an das Kohlenstoffskelett eines kohlenwasserstoffhaltigen Restes eines Siliciumatoms gebunden sein. Beispiele, über welche Gruppen und Reste dieser Rest an das Silicium gebunden sein kann, finden sich u.a. in
DE 196 27 198 A1 ; dort sind genannt: -(CHR
6-CHR
6)
n- mit n = 0 oder 1, -CHR
6-CHR
6-S-R
5-, -C(O)-S-R
5-, -CHR
6-CHR
6-NR
6 -R
5, -Y-C(S)-NH-R
5, -S-R
5-, -Y-C(O)-NH-R
5-, -C(O)-O-R
5-, -Y-CO-C
2H
3(COOH)-R
5-, -Y-CO-C
2H
3(OH)-R
5- und -C(O)-NR
6-R
5-, wobei R
5 in diesem Zusammenhang ein Alkylen, Arylen, Arylenalkylen oder Arylenalkylen und R
6 Wasserstoff, Alkyl oder Aryl mit vorzugsweise 1 bis 10 Kohlenstoffatomen sein kann.
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Es ist bevorzugt, dass das Kieselsäurepolykondensat mindestens eine bicycloolefinische Gruppe pro -Si-O-Grundeinheit aufweist. Möglich ist jedoch auch der Aufbau aus oder die Integration von Silanen mit oder ohne cycloolefinische Gruppen, die weitere funktionelle, z.B. polymerisierbare C=C-haltige Gruppen tragen. Dies können z. B. (Meth-)Acrylatgruppen sein, die zu einer späteren additiven Polymerstruktur (im Sinne einer Homopolymerisation bzw. Thiol-En-Polyaddtion) und somit zu einer entsprechenden Versteifung der Struktur des späteren Formkörpers führen. Alternativ können Silane mit über Kohlenstoff an das Silicium gebundenen Gruppen, die neben einer oder zwei (bi)cycloolefinischen Gruppen mindestens eine Hydroxygruppe oder eine Carbonsäuregruppe tragen, als Ausgangsmaterialien für das Kieselsäurepolykondensat eingesetzt werden.
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Die Ausdrücke „(Meth-)Acryl“ bzw. „(Meth-)Acrylat“ sollen jeweils Acryl bzw. Acrylat bzw. Methacryl bzw. Methacrylat umfassen.
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Insbesondere können als Kieselsäure(hetero)polykondensate Strukturen der nachfolgenden Formel (1)
dienen, worin die Reste und Indices die folgende Bedeutung besitzen:
- R1 bezeichnet eine mono- oder bicycloolefinische Gruppe. Diese ist bei Zusatz eines Thiols einer Thiol-En-Polyaddition zugänglich und kann, wenn es sich um eine bicycloolefinische Gruppe handelt, außerdem durch eine ROMP (ring opening metathese polymerization) polymerisiert werden.
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R2 ist ausgewählt unter
- (a) organisch polymerisierbaren Gruppen, die bei Zusatz eines Thiols einer Thiol-En-Polyaddition zugänglich sind, aber keiner ROMP zugänglich sind, und
- (b) -OH, -COOH, Carbonsäure- und anderen Estern und deren Salzen.
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Spezielle Varianten der Verbindungen mit der Formel (1) sind z.B. aus
DE 102011054440A1 bekannt.
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Der Rest R3 ist ein kohlenwasserstoffhaltiger Rest, der über Kohlenstoff an das Silicium gebunden ist.
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Wenn zwei einer ROMP zugängliche Gruppen (R1) oder eine solche Gruppe (R1) sowie eine organisch polymerisierbare Gruppe (R2) vorhanden sind, stehen Gruppen zur Verfügung, die sich abgestuft, ggf. durch unterschiedliche Härtungsmechanismen und damit auch mit unterschiedlicher Geschwindigkeit, härten lassen. Dies lässt sich für die Herstellung von Formkörpern mit abgestuften (graduellen) mechanischen und thermomechanischen Eigenschaften nutzen. Wird einem solchen Kieselsäure(hetero)polykondensat Thiol im Unterschuss zugegeben, besteht die Möglichkeit, dem Badmaterial einen ROMP-Katalysator (mit Empfindlichkeit bei einer anderen Wellenlänge als der des für die Thiol-En-Addition genutzten Initiators) zuzusetzen. Dann lässt sich der nach der Erfindung hergestellte Formkörper nachträglich entweder vollständig oder räumlich selektiv durch ROMP nachvernetzen. Bei dieser selektiven Vernetzung entsteht wiederum ein Körper mit unterschiedlichen mechanischen Eigenschaften.
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In den Kieselsäure(hetero)polykondensaten der Formel (1) können unterschiedliche Reste R
3 vorhanden sein. Ein solches System lässt sich gezielt und einfach durch das Verhältnis der Ausgangsmaterialien zueinander einstellen. Dadurch lassen sich basierend auf einem einzigen Ausgangsmaterial eine Vielzahl von einander ähnlichen Kondensaten herstellen, die sich bezüglich ihrer physikalischen Eigenschaften unterscheiden. Kondensate mit mindestens zwei Gruppen an einem Rest R
3, die jeweils einer Thiol-En-Addition zugänglich sind, lassen sich zu einem organischen Polymer mit sehr dichter organischer Vernetzung aushärten. Auch andere Härtungsreaktionen wie ROMP oder die Polymerisation durch Polyaddition von Resten R
2 mit der Bedeutung (a) (und hier insbesondere von Doppelbindungen vorhandener (Meth-)Acrylgruppen), lassen sich fein abstufen, wie in der genannten
DE 10 2011054440 A1 ausführlich erläutert.
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Das mit cycloolefinischen Gruppen modifizierte Kieselsäure(hetero)polykondensat lässt sich beispielsweise aus Silanen herstellen, die über Kohlenstoffatomen an das Silicium gebundene Reste aufweisen, die jeweils eine oder mehrere der genannten cycloolefinischen Gruppen aufweisen. Durch Hydrolyse solcher Silane entsteht eine =Si-O-Si=-basierte Polymerstruktur. Neben Silicium kann das Kieselsäurepolykondensat in geringerem Umfang weiterhin Heteroelemente wie B, AI, Zr, Sn, Zn, Ti und dergleichen enthalten, wie aus dem Stand der Technik, darunter der genannten
DE 102011054440 A , bekannt. Diese lassen sich durch Zusatz z.B. der entsprechenden Alkoxide in das Polykondensat einarbeiten.
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Im Fall von rein organischen Systemen sind mindestens zwei cycloolefinische Gruppen pro Grundeinheit (d.h. im Molekül) erforderlich. Zwar ist diese Ausführungsform der Erfindung weniger bevorzugt; sie hat jedoch in Fällen, in denen ein rein organisches Matrixsystem (mit Matrix wird das Material ohne ggf. dann noch zuzusetzende anorganische Füllstoffe bezeichnet) gewünscht wird, den Vorteil gegenüber bekannten rein organischen Systemen, dass der damit hergestellte Formkörper ein antiallergenes Verhalten zeigt, da er keine (meth)acrylatbasierten Monomere enthält.
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Des Weiteren enthält das für das erfindungsgemäße Verfahren zu nutzende flüssige oder viskose Material ein Thiol mit mindestens zwei Thiolgruppen pro Molekül. Der Ausdruck „Molekül“ soll sich in diesem Zusammenhang nicht nur auf monomere Verbindungen beziehen, sondern auch auf oligo- oder polymere Verbindungen wie (aus Silanen hydrolytisch erzeugte) Kieselsäure(hetero)polykondensate. In jedem Fall muss das Molekül mindestens zwei Thiolgruppen enthalten, wobei im Falle von Kondensaten oder dergleichen die Zahl natürlich in der Regel wesentlich höher ist, z.B. ca. eine Thiolgruppe pro Siliciumatom. Thiolhaltige Systeme auf Kieselsäurepolykondensat-Basis sind beispielhaft in der
WO 97/02272 A1 sowie der
DE 19627220 A1 auf den Seiten 30 - 33 der Offenlegungsschrift beschrieben. Diese können ohne Einschränkung verwendet werden, sofern sie mindestens eine Thiolgruppe pro Silaneinheit enthalten. Stattdessen können rein organische Systeme (monomere Verbindungen, Oligomere) eingesetzt werden, die mindestens zwei Thiolgruppen pro Molekül enthalten müssen. Beispielhaft seien die nachfolgenden Thiole genannt: Trimethylolpropantri(3-mercaptopropionat) (TMPMP), Trimethylolpropantri(mercaptoacetat) (TMPMA), Pentaerytritol-tetra(3-mercaptopropionat) (PETMP), Pentaerytritoltetra(mercaptoacetat) (PETMA), Glykoldimercaptoacetat; Glykoldi(3-mercaptopropionat), Ethoxyliertes Trimethylolpropantri(3-mercaptopropionat), Biphenyl-4-4'-dithiol,P-Terphenyl-4,4"-dithiol; 4,4'-Thiobisbezenthiol; 4,4'-Dimercaptostilben, Benzen-1,3-dithiol; Benzen-1,2-dithiol; Benzen-1,4-dithiol, 1,2-Benzendimethanthiol; 1,3-Benzendimethanthiol; 1,4-Benzendimethanthiol, 2,2'-(Ethylendioxy)diethan-thiol; Mercaptoethylether und1,6-Hexandithiol; 1,8-Octandithiol; 1,9-Nonandithiol, die einzeln oder in Mischung verwendet werden können. Anhand dieser Beispiele lässt sich bereits ablesen, dass die Vielzahl unterschiedlichster Thiole (z.B. mit unterschiedlichen Längen, unterschiedlicher Hydrophilie/-phobie und unterschiedlicher Anzahl an Thiolgruppen) eine große Breite an Materialeigenschaften ermöglicht.
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In der Regel wird das Thiol in einem kleinen Unterschuss (z.B. 70-90 Mol-%) zu den cycloolefinischen Gruppen eingesetzt; in manchen Fällen ist es jedoch günstig, den Anteil auf 100 % oder sogar darüber zu erhöhen. Dann lassen sich eventuell frei bleibende SH-Gruppen für weitere Reaktionen nutzen.
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Damit die in dem flüssigen oder viskosen Material enthaltenen cycloolefinischen Gruppen der Ausgangskomponente und die Thiolgruppen des Thiols eine lichtinduzierte (radikalische) Additionsreaktion eingehen können, ist des Weiteren ein Photoinitiator erforderlich. Hierfür können z.B. Phosphinoxide wie 2,4,6-Trimethylbenzoyldiphenylphosphinoxid (LTPO) eingesetzt werden. Ist außerdem eine thermische Nachhärtung vorgesehen, sollte weiterhin dem flüssigen oder viskosen Material, das dem Druckprozess unterworfen wird, ein Additiv zur Initiierung der thermischen Polymerisation zugesetzt werden. Dabei lassen sich vorteilhaft auch Mischungen der verschiedenen Initiatoren einsetzen. Beispiele für Initiatoren, welche zum Einsatz kommen können, sind auch in
EP 3 090 722 A1 (s. S 9) beschrieben.
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Beim Belichten (Bestrahlen) des für das erfindungsgemäße Verfahren einzusetzenden flüssigen oder viskosen Materials reagieren die cycloolefinischen Gruppen mit den Thiolen als Vernetzer im Rahmen einer Thiol-En-Polyaddition. Um das flüssige oder viskose Material zu stabilisieren, kann in bestimmten Fällen der Zusatz eines Stabilisators (bezeichnet auch als „Thiol-En-Stabilisator“) erforderlich sein. Denn eine vorzeitige Thiol-En-(Additions-)Reaktion der Komponenten soll natürlich vermieden werden. Eine solche Stabilisierung ist insbesondere dann erforderlich oder zumindest günstig, wenn das System gespannte Ringe enthält, also beispielsweise bicycloolefinische Gruppen wie Norbornenylgruppen. Stabilisatoren für Thiol-En-Systeme sind aus der Literatur bekannt. Beispiele sind Pyrogallol, Gallussäure, Propyl-, Octyl-, Laurylgallat, 4-Methoxyphenol, Butylhydroxytoluol, (Iso)eugenol, Tocopherol, 4-tert-Butylbrenzcatechin, Phenothiazin, Hydroquinon, 4-tert-Butylphenol und weitere wie z.B. bei Edler M. et al.: Enhancing the stability of UV-curable thiol/vinyl carbonate resins; Journal of Applied Polymer Science, 2017, Esfandiari P. et al.: Efficient Stabilization of Thiol-ene Formulations in Radical Photopolymerization; Journal of Polymer Science: Part A, 2013, 51 und Hoyle, C. E. et al.: Thiol-Enes: Chemistry of the Past with Promise for the future; Journal of Polymer Science: Part A, 2004, 42 beschrieben.
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Obwohl die Ausgangsmaterialien und die zugrundeliegende Vernetzungsreaktion nicht neu sind, hat sich völlig überraschend gezeigt, dass die dabei entstehenden Produkte bisher nicht bekannte thermomechanische Eigenschaften aufweisen, weshalb sie - vor allem in Kombination mit einer guten Biokompatibilität (z. B. hautverträglich, antiallergen) - für die Anwendung im medizinischen Bereich, d.h. am menschlichen Körper, und hier insbesondere für den Einsatz als dem Ohr anpassbare Einsätze wie Otoplastiken, besonders geeignet erscheinen. Weitere Anwendungsmöglichkeiten ergeben sich daraus, dass viele der erzeugten Formkörper in einer engen Temperaturbereichsdifferenz, z.B. von 15 K, einen Abfall ihres Speichermoduls E' von über 2000 MPa auf nur wenige Hundert MPa oder sogar noch darunter zeigen. Wenn, wie es häufig der Fall ist, dieser E-Modul-Abfall in einem Temperaturfenster zwischen unter Raumtemperatur (bis ca. - 15°C) bis etwa zur Temperatur des menschlichen Körpers (37°C) auftritt, eignen sich die erfindungsgemäßen Formkörper zu medizinischen Zwecken. So werden Einstech- oder Infusionsnadeln im Körper weich, und die bereits oben angesprochenen Otoplastiken passen ihre Form an den Gehörgang an, in den sie eingesetzt wurden, was den Tragekomfort stark erhöht.
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Die Polyaddition, d. h. die Härtung, erfolgt durch das Bestrahlen im Zuge des verwendeten 3D-Druckverfahrens, vorzugsweise durch die Umsetzung eines DLP-Verfahrens. Es ist also möglich, mit einem materialsparenden, automatisierten und somit schnellen/kostengünstigen Verfahren z. B. hochwertige, patientenindividuelle Bauteile für den Hörakustik-/Audio- und Gehörschutzbereich speziell auch für den Langzeiteinsatz zur Verfügung zu stellen, aber nicht nur für diesen Bereich.
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Bei der Herstellung von Körpern/Bauteilen mit Überhängen oder Hinterschneidungen kann in manchen Fällen ein - literaturbekannter - Fehler auftreten. Bei Materialien mit einer hohen Transluzenz im unausgehärteten und ausgehärteten Zustand wird das Licht nämlich unter Umständen von der zu belichtenden Schicht nicht vollständig absorbiert, sondern in die bereits gedruckten Schichten, insbesondere in z-Richtung, weiter- und durchgeleitet (sog. overcuring). Für quaderförmige und ähnliche Formkörper ist dies kein Problem, da das Licht nur in bereits ausgehärtete Schichten weitergeleitet wird. Für komplizierte Formen wie Otoplastiken wird dies problematisch. Hier wird das Licht beim Drucken von Schichten, die einen größeren Umriss haben als vorherige, teilweise wieder ins Materialbad geleitet, wodurch dort eine Polymerisation des Materials ausgelöst wird. An diesen Stellen erfolgt somit eine unerwünschte Aushärtung von Material und damit eine Materialanhäufung. Dieser Effekt wird „Fehlerhafte Durchpolymerisation“ (FD) oder „overcuring“ genannt (siehe 3).
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Die fehlerhafte Durchpolymerisation (FD) bei der DLP-Technik einschließlich von deren Weiterentwicklungen wie CLIP wird erfindungsgemäß vorzugsweise anhand spezieller Probenkörper ermittelt, die einen möglichst großen und gut messbaren Überhang aufweisen und schnell druckbar sind. Als Probenkörper dienen solche mit mindestens zwei parallel zur z-Richtung zueinander abgegrenzten, unterschiedlichen Abschnitten, wobei ein Abschnitt A mindestens eine, vorzugsweise mehrere verfestigte Schichten aufweist, die ausgehend von der Oberfläche der Plattform gebildet werden, und ein Abschnitt B verfestigte Schichten aufweist, die in z-Richtung nicht bis zur Bauplattform reichen. Die Schichten des Abschnitts B können, müssen aber nicht, die bei dem Verfahren zuletzt verfestigte Schicht oder mehrere solche Schichten sein oder diese umfassen. Sie können die Form einer einzelnen, dicken Schicht haben oder mehrere, dünnere Schichten oder Lamellen (z.B. Stege) aufweisen. Mindestens ein Abschnitt der Probenkörper muss die zuletzt geformten Schichten aufweisen. Das kann einer der Abschnitte A oder B sein oder eine Kombination aus beiden; es kann aber genauso gut ein dritter Abschnitt C vorhanden sein, der zusätzlich oder ausschließlich die zuletzt gedruckten Schichten aufweist.
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Die Bauteile sind also so gestaltet, dass nach fertigem Druck ein Abschnitt B des Bauteils, in z-Richtung gesehen, nicht bis zur Bauplattform reicht, so dass zwischen der während des Verfahrens „oben“ befindlichen ausgehärteten Seite des Abschnitts B und der Bauplattform ein Zwischenraum mit unausgehärtetem Material (bzw. mit Luft, wenn sich der Formkörper nicht mehr im Bad befindet) verbleibt, oder dass in diesem Abschnitt B des Bauteils in z-Richtung gesehen Zwischenräume mit unausgehärtetem Material bzw. Luft zwischen ausgehärteten Teilen verbleiben.
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In einer bevorzugten Ausführungsform besitzen die Prüfkörper die Form von Brücken oder haben die Form eines „H“. In beiden Fällen handelt es sich um Prüfkörper mit zwei Balken, die an der Bauplattform anliegen (Abschnitte A), wobei sich zwischen den beiden Balken ein Querbalken befindet, der nicht an der Bauplattform anliegt (Abschnitt B), sondern einen freien Raum zwischen seiner während des Verfahrens „oben“ befindlichen Seite und der bewegbaren Plattform lässt. Wenn dieser Querbalken am Ende des Verfahrens am Badboden anliegt, hat der Prüfkörper die Form einer Brücke, wie z.B. in 1 gezeigt. Wenn der Querbalken nicht bis zum Badboden reicht, die Balken der Abschnitte A jedoch sehr wohl, hat der Prüfkörper die Form eines „H.“.
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Die Abmessungen eines virtuellen Modells für jeden Probenkörper in z-Richtung, die dem Verfahren zugrunde gelegt werden, einschließlich der Gesamt-Bauteilhöhe, müssen bekannt sein, und die tatsächlichen Abmessungen des mit dem Verfahren erzeugten Probenkörpers in z-Richtung werden nach Beendigung des Verfahrens bestimmt.
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Nach Einbeziehung der Schwindung der Bauteile durch Nachhärten lässt sich die FD durch folgende Formel berechnen:
worin h
mod die Höhe des virtuellen Modells des Probenkörpers in z-Richtung, h
tat die bestimmte Bauhöhe des erzeugten Probenkörpers in z-Richtung, d
mod die Abmessungen der oder einer Schicht im Abschnitt B des virtuellen Modells des Probenkörpers und d
tat die bestimmte Höhe dieser Schicht im Abschnitt B des erzeugten Probekörpers bezeichnet.
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Anhand von Brücken wie in 2 gezeigt wurde konkret ermittelt, wie stark sich die FD in Abhängigkeit vom Material bzw. variablen Prozessparametern auswirkt, indem die tatsächliche Dicke des Querbalkens (dtat) mit der des digitalen Modells (dmod) ins Verhältnis gesetzt wird.
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Um komplexe Bauteilgeometrien, z.B. mit überhängenden Strukturen, dennoch realisieren zu können, werden geeignete Stabilisatoren als Additive verwendet, die im Bereich der für die Polymerisationsreaktion verwendeten Strahlung diese absorbieren. Solche Stabilisatoren dürfen nicht mit den Stabilisatoren verwechselt werden, die der Vermeidung einer vorzeitigen Thiol-En-Addition dienen sollen. Die Strahlung absorbierenden Additive werden vorliegend als Photoabsorber/Photostabilisatoren bzw. Lichtabsorber/ Lichtstabilisator, optischer Aufheller, aber auch als UV-Absorber/UV-Stabilisatoren bezeichnet, da ein bevorzugtes Verfahren der Erfindung ein 3D-Druckprozess ist, der Strahlung mit Wellenlängen im Bereich des Übergangs von UV zu sichtbar (vorzugsweise im Bereich bei ca. 360 bis 490 nm) verwendet. Selbstverständlich ist der Photostabilisator bezüglich seines Absorptionsspektrums ggf. an verwendete Strahlungswellenlänge des jeweils verwendeten Verfahrens anzupassen.
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Mit Hilfe von Licht-Stabilisatoren kann den Problemen, welche im Zusammenhang mit dem sogenannten „overcuring“ entstehen, entgegengewirkt werden und überhängende Strukturen können dimensionsgenau gedruckt werden. Dabei können ungefüllte bis hochgefüllte Materialien mit und ohne Lichtabsorber verwendet und die jeweiligen Effekte der Lichtabsorber und/oder Füllstoffe bestimmt werden. Je nach Bedarf können den erfindungsgemäß eingesetzten Zusammensetzungen demnach bevorzugt Licht-Absorber, besonders bevorzugt anorganische und organische Licht-Absorber sowie optische Aufheller zugesetzt werden, wobei letztere vergleichbare Eigenschaften wie die Licht-Absorber besitzen, also ebenfalls die FD verringern können. Organische Licht-Absorber wirken z.B. über den Mechanismus der Energiedissipation. Diesbezüglich kann auf G. Wypych, Handbook of UV Degradation and Stabilization, ChemTec Publishing, Toronto 2015, S.34, 43-46 verwiesen werden.
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Beispiele für anorganische Lichtabsorber sind Titanoxid, Zirkoniumoxid oder Zinkoxid. Beispiele für organische Licht-Absorber sind Benzophenone wie DHDMBP = 2,2'-Dihydroxy-4,4'-dimethoxy-benzophenon, Cyasorb UV-416 = 2-(4-Benzoyl-3-hydroxyphenoxy)ethylacrylat, Cyasorb UV-531 = 2-hydroxy-4-n-octoxy-benzophenon, Cyasorb UV-9 = 2-Hydroxy-4-methoxybenzophenon, Chiguard BP-1 = 2,4-Dihydroxy-benzophenon, Chiguard BP-4 = 2-hydrox-4-methoxy-benzophenon-5-sulfonic acid, Chiguard BP-2 = 2,2',4,4'-tetrahydroxy-benzophenon und Benzotriazole wie Tinuvin 327 = 2-(3,5-Di-tert-butyl-2-hydroxyphenyl)-5-chloro-2H-benzotriazol, Chiguard 323 = 2-[3-(2H-Benzotriazol-2-yl)-4-hydroxyphenyl]ethyl methacrylate, Chiguard R-445 (Benzotriazol), Chiguard 5431 = 2,2'-Methylene bis(6-(2H-benzotriazol-2-yl) 4-1,1,3,3,tetramethyl butyl)phenol, Tinuvin P = 2-(2'-hydroxy-5'-methylphenyl)-benzotriazol, Tinuvin 326 = 2-(5-chloro-2H-benzotriazol-2-yl)-6-(1,1-dimethylethyl)-4-methyl-phenol, Tinuvin 328 = 2-(2H-benzotriazol-2-yl)-4,6-ditertpentyl-phenol, Chiguard 5411 = 2-(2'-hydroxy-5'-tert-octylphenyl)-benzotriazol, Chiguard 234 = 2-[2-hydroxy-3,5-di-(1,1-dimethylbenzyl)]-2H-benzotriazol. Beispiele für optische Aufheller sind TBT = 2,5-Thiophenediylbis(5-tert-butyl-1,3-benzoxazol), Uvitex OB-ONE = 2,2'-(1,2-ethylenediyldi-4,1-phenylene)bisbenzoxazol, Eutex 127 = 1,1'-Biphenyl-4,4'-bis[2-(methoxyphenyl)ethenyl], Eutex KCB = 2,2'-(1,4-Naphthalenediyl)bis-benzoxazole, Eutex CBS = 1,1'-Biphenyl-4,4'-bis[2-(sulphophenyl)ethenyl]disodium salt, Eutex KSN = 4,4-bis (5-methyl-2-benzoxazol)-ethylene oder Tris(dibenzoylmethane) mono(1,10-phenanthroline)europium(III).
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Organische Lichtabsorber, welche reaktive Gruppen besitzen, die mit reaktiven Gruppen der eingesetzten Ausganbsverbindungen co-polymerisieren können, z. B. (Meth)Acrylatgruppen, sind besonders bevorzugt. Beispiele hierfür sind Chiguard 323 und Cyabsorb UV-416.
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Weiter enthalten sein können anorganische, organische wie auch Hybridpolymer-basierte Füllstoffe. Mischungen, die zumindest anorganisch-organische Hybridpolymere und Füllstoffe enthalten, werden auch als Komposite bezeichnet. Die Ausgangskomponente mit cycloolefinischen Gruppen und das Thiol mit mindestens zwei Thiolgruppen pro Molekül sowie ggf. hierin gelöste Additive fungieren hierbei als Matrix, in der die Füllstoffe dispergiert vorliegen.
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Bei den Füllstoffen kann es sich um Primärpartikel im Nanometerbereich handeln, die, wie die Erfindung weiter unten erläutert, je nach Bedarf zu größeren Partikeln agglomeriert oder (vollständig) dispergiert vorliegen können und überraschende Effekte zeigen, wie z.B. die Modifizierung der Brechzahl des Matrixsystems. Stattdessen oder zusätzlich können größere Partikel zugesetzt werden, um z.B. die mechanischen oder tribologischen Eigenschaften zu modifizieren. Bevorzugt sind anorganische splitterförmige oder sphärische Füllstoffe, aber auch faserförmige Füller können genutzt werden. Als splitterförmige Füllstoffe sind dentale Glaspulver mit Partikelgrößen zwischen 0,18 µm und 5 µm besonders bevorzugt. Als sphärische Füllstoffe sind SiO
2-, TiO
2-, ZnO-, ZnS- und ZrO
2-Nanopartikel mit Partikelgrößen zwischen 5 nm und 100 nm besonders bevorzugt. Beispiele für Füllstoffe, welche zum Einsatz kommen können, sind auch in
EP 3 090 722 A1 (s. S. 9 und 10) sowie in
DE 1964378 ,
DE 10018405 ,
DE 102011053865 A1 und
DE 102005061965.7 beschrieben. Zur Verbesserung des Verbundes zwischen den Füllstoffpartikeln und der vernetzten Matrix können die Füllstoffe oberflächenmodifiziert sein. Vorzugsweise trägt die Oberflächenmodifizierung Gruppen, die in das organische Netzwerk des Kieselsäurepolykondensats einpolymerisiert werden können. Ein Beispiel ist die Oberflächenmodifizierung mit Norbornenylgruppen oder Methacrylgruppen, z.B. in Form von Methacryloxypropyltrimethoxysilan, siehe
EP 3 090 722 A1 (S. 10), wenn die Polysiloxan-Komponente des dem erfindungsgemäßen Verfahren zugrunde zu legenden flüssigen oder viskosen Materials Norbornenylgruppen, Methacrylgruppen oder sonstige, mit den genannten Gruppen copolymerisierbare Gruppen als organisch polymerisierbare Reste aufweist. Durch die Oberflächenmodifizierung wird eine verbesserte Dispersion der Teilchen bewirkt. Handelt es sich um Nanopartikel (unterhalb einer bestimmten Partikelgröße), dann wirken diese daher nicht mehr lichtstreuend, sondern modifizieren den Brechungsindex der Matrix, deren Bestandteil sie geworden sind. Die mechanischen Werte des Materials werden im Allgemeinen durch diese Maßnahme nur geringfügig beeinflusst, wie aus den untenstehenden Beispielen ersichtlich. Das Matrixsystem mit erhöhtem Brechungsindex kann dann mit geeigneten Füllstoffen mit ähnlichem Brechungsindex kombiniert werden, um unter Beibehaltung der Transluzenz verbesserte mechanische Eigenschaften zu erzielen. Bestimmte Partikel wie z.B. ZrO
2 und TiO
2 besitzen zusätzlich die Fähigkeit, Energie in Form von Licht zu absorbieren, z.B. indem ein Elektron vom Valenz- ins Leitungsband angehoben wird (Entstehung eines Elektron-Loch-Paares). Im Anschluss erfolgt z.B. wieder eine Rekombination. Dadurch fungieren sie auch als Lichtabsorber. Diesbezüglich kann auf G. Wypych, Handbook of UV Degradation and Stabilization, ChemTec Publishing, Toronto 2015, S.45 verwiesen werden. Dort wird der Effekt anhand von TiO
2- und ZnO-Nanopartikeln gezeigt.
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Der nach der Härtung zu beobachtende überraschende thermomechanische Effekt zeigt sich darin, dass bei einem Temperaturanstieg, dem der Formkörper oder das Werkstück ausgesetzt wird, dessen E-Modul stark abfällt. Dieser Effekt ist vom jeweils eingesetzten Material abhängig und tritt häufig in einem engen Temperaturbereich (ca. 10 bis 40 °C, manchmal bereits ca. 5 bis 15 oder 20°C, aber je nach verwendeten Ausgangsmaterialien auch deutlich höher) auf. Unter- und oberhalb dieses Bereichs werden jeweils relativ stabile, d.h. gleichbleibende Modulwerte beobachtet. Mit anderen Worten: das photochemisch polymerisierte Material verändert seine Konsistenz von steif zu weich/flexibel. Die Temperatur, bei welcher die Flexibilisierung stattfindet, lässt sich durch die Wahl der Ausgangssubstanzen in einem breiten Temperaturfeld einstellen und damit an verschiedene Anwendungen wie z. B. die beschriebenen Otoplastiken (im Bereich um die Körpertemperatur) anpassen. Als Variablen können der C=C- sowie der SH-Anteil je struktureller Grundeinheit, der Abstand der C=C- bzw. der SH-Gruppen zur Kernstruktur sowie der jeweilige Abstand zueinander, der mögliche Anteil der ≡Si-O-Si≡-basierten Polymerstruktur und damit die organische, anorganische bzw. Gesamtvernetzungsdichte genutzt werden. Ein wichtiger Einflussfaktor ist außerdem der Umsetzungsgrad bei der Thiol-En-Polyaddition. Dabei ist anzumerken, dass unumgesetzt bleibende Nobornenylgruppen aus anwendungsspezifischer Sicht unproblematisch sind, da sie unter „normalen“ Bedingungen nicht reaktiv und damit stabil sind. Konkret wurden an beispielhaften, erfindungsgemäß hergestellten Formkörpern die folgenden Daten zur Versteifungs-/ Flexibilisierungstemperatur („Tw“) ermittelt:
- System E -> In Abhängigkeit von Additiven/Nachbehandlung im Bereich von ≈ 36 - 49 °C
- System A -> In Abhängigkeit von Additiven/Nachbehandlung im Bereich von ≈ 15 - 18,5 °C
- System B -> In Abhängigkeit von Additiven/Nachbehandlung im Bereich von ≈ 35 - 50 °C
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Die Abhängigkeit von Additiven lässt sich u.a. so erklären: bei einer Erhöhung der Initiatormenge steigt der Vernetzungsgrad in der Regel, was zu einem höheren Speichermodul E' führt; wird dagegen Lichtabsorber zugesetzt, sinkt der Speichermodul E' geringfügig.
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Weitere, an den Materialien der Erfindung zu beobachtende thermische Effekte sind eine Brechzahlverringerung und eine Steigerung des thermischen Ausdehnungskoeffizienten bei steigender Temperatur.
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Bevorzugte Nachbehandlungen nach dem eigentlichen Druckprozess umfassen eine Nachhärtung, um die Umsetzung der polymerisierbaren Gruppen der Formkörper zu erhöhen. Das Nachhärten kann in vorteilhafter Weise photoinitiiert mit einem Blitzlichtgerät erfolgen. Dabei ist bei der erfindungsgemäß genutzten Thiol-En-Polyaddition eine Schutzgasatmosphäre zur Vermeidung einer Sauerstoffinhibierungsschicht nicht erforderlich. Alternativ oder zusätzlich kann die Lichtnachhärtung beispielsweise mit einem Spectramat-Gerät (einem dentalen Lichtofen, Ivolcar, Schaan, (Lichtenstein)) und/oder einem gängigen Dentalstrahler erfolgen. Zusätzlich oder alternativ kann die Nachhärtung thermisch initiiert in einem Ofen bei erhöhter Temperatur (z.B. 100°C) und/oder mittels IR-Strahler und/oder Mikrowelle erfolgen.
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Insbesondere bei geplanter thermischer Nachhärtung kann beispielsweise ein Photoinitiator mit einem thermischen Initiator kombiniert werden, wobei der Photoinitiator bei der Vorvernetzung während des 3D-Drucks zum Einsatz kommt und der thermische Initiator im Anschluss bei der Nachhärtung im Ofen. Auch kann bei Bedarf eine Kombination von verschiedenen Photoinitiatoren genutzt werden, welche bei unterschiedlichen Wellenlängen ihr Absorptionsmaximum haben, wobei der eine Photoinitiator während des 3D-Drucks spaltet und der zweite bei der Nachhärtung mit Licht einer bestimmter Wellenlänge, die von der Emissions-Wellenlänge der LED des Druckers abweicht. Ein Beispiel für eine solche Kombination ist die Verwendung von LTPO als Initiator für den 3D-Druck (wirksam ab ca. 420/410 nm und darunter) und Campherchinon, das in einem Wellenlängenbereich von ca. 400-500 nm wirksam ist, für die Nachhärtung. Alternativ kann als zweiter Initiator für die Nachhärtung ein UV-Initiator eingesetzt werden. Die Nachhärtung mit Licht kann photoinitiiert z.B. mit Blitzlichtgerät (optional unter Schutzgas)-und/oder Spectramat und/oder Dentalstrahler und/oder hochintensivem LED-Punktstrahler (Bluepoint LED eco von Hönle, Gräfelfing/München) erfolgen.
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Nach Zusatz verschiedener Additivtypen, soweit z.B. zur Thiol-En-Stabilisierung, Initiierung, etc. erforderlich, lassen sich die photosensitiven fließfähigen Harzsysteme bzw. Komposite erfindungsgemäß mit Hilfe eines 3D-Druckverfahrens und besonders bevorzugt mittels Digital Light Processing (DLP), zu Formkörpern, insbesondere zu patientenspezifischen Bauteilen umsetzen („verdrucken“), in welchen das oben erwähnte thermomechanische Eigenschaftsprofil mit hoher Formgenauigkeit/Maßgenauigkeit/Maßhaltigkeit/Dimensionsgenauigkeit vereint ist.
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Trotz hoher Elastizität/Dehnung sind die Systeme gut (d.h. ohne Druckfehler, wie z.B. Stufenbildung) druckbar (sogar ohne Stützstrukturen/Supports). Oft besteht nämlich folgendes Problem beim Druck elastischer Materialien mittels DLP-Verfahren: Die Abzugskräfte der gehärteten Schicht von dem Badboden sind bei flexiblen Materialien oft sehr hoch. Dadurch kann es sein, dass die Schicht am Badboden haften bleibt und sich das bereits gedruckte Bauteil während des Anhebens der Bauplattform verformt/dehnt, da es nicht vom Boden abreißt. Es können u.a. dadurch Druckfehler entstehen, wie z.B. unerwünschte Stufen im Bauteil. Um diese Probleme des Druckens zu vermeiden, müssen häufig Supportstrukturen zum Stützen des flexiblen Materials verwendet werden. Die Erfinder der vorliegenden Erfindung konnten feststellen, dass dieses Problem vorliegend nicht existiert.
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Zur Realisierung einer ansprechenden Optik können die Formkörper/Bauteile transparent ausgebildet werden. Alternativ können dem zu polymerisierenden Material Füllstoffe oder Pigmente zugesetzt werden, um Formkörper/Bauteile mit verschiedenen Farbvarianten (z. B. hautfarben) herzustellen.
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Soll das erfindungsgemäße Verfahren für die Herstellung von Otoplastiken genutzt werden, ist die dafür notwendige Hautverträglichkeit (antiallergenes Verhalten) ebenfalls gegeben, da das erfindungsgemäß einsetzbare Material ohne den Zusatz von ansonsten üblichen (Meth)acrylatbasierten Monomere auskommt.
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Zusammenfassend ist festzustellen:
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Ein wichtiger Vorteil des erfindungsgemäßen Verfahrens kann darin gesehen werden, dass eine breit untersuchte und bekannte Materialbasis für z.B. eine Otoplastik eingesetzt werden kann, die im Vergleich zu bisherigen Materialien sowohl biokompatibel (spez. antiallergen) ist, als auch - überraschend - den notwendigen Thermoeffekt für eine optimale Anpassung ans Ohr bei Körpertemperatur und somit einen hohen Tragekomfort besitzt und im Gegensatz zu bisherigen thermoformbaren Materialien druckbar ist. Es kann also auf eine große Variabilität bzgl. der zusätzlichen Funktionalisierung und damit der resultierenden Eigenschaften (z. B. zur Realisierung einer antibakteriellen Auslegung) zurückgegriffen werden.
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Ebenso ist eine ortsabhängige Versteifung (z. B. im „Deckelbereich“) wie oben beschrieben möglich. Damit ist ein materialsparendes, automatisierbares und somit schnelles und kostengünstiges Verfahren für die Herstellung medizinischer Bauteile wie Otoplastiken gewährleistet. Zudem sind im Hinblick auf eine ansprechende Ästhetik transparente sowie verschiedene Farbvarianten möglich. Diese lassen sich beispielsweise durch die Zugabe von farbigen anorganischen Partikeln wie solchen, die eisenoxidhaltig sind, oder von (meist organischen) Farbstoffen erhalten, die in dem flüssigen oder viskosen Material löslich sind. Des Weiteren handelt es sich bei der beschriebenen Härtung in der Regel um eine sehr schnelle Reaktion, was eine Reduktion der Druck- und Nachhärtezeit auch bei sehr komplexen Bauteilen ermöglicht. Es ist darüber hinaus möglich, die für den Druckprozess erforderliche Zeit und mehr die erforderliche (Lager)Stabilität der Ausgangsmaterialien zu gewährleisten. Der Zusatz eines Thiol-En-Stabilisators wie Pyrogallol hat weiterhin keine negativen Auswirkungen auf die Druckqualitäten.
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Der von den Erfindern erstmals aufgefundene thermomechanische Effekt und dessen in Abhängigkeit von den jeweils eingesetzten Ausgangsmaterialien einstellbarer Umfang / einstellbares Ausmaß (siehe auch die untenstehenden Beispiele) ermöglicht die kostengünstige Herstellung (mittels 3D-Druckprozess) von patientenindividuellen Bauteilen wie z. B. einer Otoplastik, die im Ohr, auch bei mehreren Stunden am Tag im Gehörgang, nicht als störender Fremdkörper empfunden wird. Je nach Beschaffenheit und Sensibilität des Gehörgangs können somit angepasste, d. h. patientenindividuelle härtere oder weichere Systeme eingesetzt werden. Weiterhin kann das Material so gewählt werden, dass es sich ans Ohr anpasst, d. h. hart bei Raumtemperatur und flexibel bei Körpertemperatur ist. Ein für eine gute Handhabbarkeit bei Raumtemperatur festes und griffiges Material kann somit leicht eingesetzt werden und bei Körpertemperatur angenehm weich werden, wodurch es abdichtet und Druckschmerzen verhindert. Gleichzeitig ist eine gute Grundstabilität für eine lange Haltbarkeit der Otoplastik gegeben. Ein hoher Trage- und Handhabungskomfort als einer der wichtigsten Eigenschaften von Otoplastiken ist damit realisierbar.
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Besonders bevorzugt ist der Einsatz im Bereich der Hörakustik-/Audio- und Gehörschutzbranche wie z. B. für
- • Ohrpassstücke für Hinter-dem-Ohr-Hörgeräte (Otoplastiken)
- • Ohrpassstücke/Schalen/Gehäuse für Im-Ohr-Hörgeräte
- • Empfänger-im-Ohr-Hörgeräte (RITE)
- • Empfänger-im-Gehörgang-Hörgeräte (RIC)
- • Monitoring (für z. B. Musiker, Rennfahrer, Reporter, Sicherheitskräfte)
- • Im-Ohr-Lautsprecher
- • Jäger, Militärs, Piloten, etc. (einerseits sehr empfindliches Hören und andererseits Zurückfahren der Empfindlichkeit bei Schussgeräuschen)
- • Gehörschutz (für z. B. Disco, Arbeit mit Lärm (ab 85 dB vorgeschrieben, z. B. Straßenbau, Flughafen))
- • Schnarchen
- • Als Schutz vor Wasser, Schmutz, etc. ↔ Trommelfellperforation (Riss, Loch), Träger von „Paukenröhrchen“ (Drenage)
- • Schmuck-Otoplastiken (bunt + Strasssteine, außergewöhnliche Form).
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Weiterhin ist der Einsatz allgemein im Medizinsektor möglich wie z. B. für folgende Anwendungen
- • Implantate -> So lassen sich dünne Folien bei Umgebungstemperatur, d. h. in der versteiften Form im Rahmen weiterer anwendungsbezogener Modifikationen (z. B. Aufbringen von Leiterbahnen, etc.) viel besser handhaben (auch schon bei der Folienherstellung und Nachhärtung), während sie während/nach der Implantation z. B. in Hirnbereichen, anderen Weichgewebebereichen, etc. sehr flexibel werden und damit Gewebeschädigungen vermieden werden können.
- • Künstliche Blutgefäße bzw. Stents → Es lassen sich sehr filigrane „Hohlfasern“ bzw. Stents herstellen, die sich bei Umgebungstemperatur, d. h. in der versteiften Form, viel besser handhaben und auch einsetzen lassen (auch schon bei deren Herstellung und Nachhärtung), während sie nach der Implantation sehr flexibel werden und sich den Umgebungsbedingungen (z. B. bei Körperbewegungen) anpassen.
- • Katheter, Nadeln und dergleichen für Infusionssysteme → Zum Einsatz kommen für derartige Anwendungsbereiche bevorzugt mit Nanopartikeln (hoch)gefüllte Systeme. Die Kombination mit Nanopartikeln bewirkt einerseits, dass die erzeugten Formkörper transparent bleiben, während sie andererseits eine gute Härte bzw. Schärfe aufweisen, so dass sie bei Umgebungstemperatur, d. h. in der versteiften Form, zum „Einstechen“ (ohne separate umhüllende Nadelsystem) in die Haut z.B. des menschlichen Körpers, z.B. in Form von Infusionsnadeln, geeignet sind, nach dem Kontakt mit dem Körper und der entsprechenden Temperaturanpassung aber sehr flexibel werden und sich als „Infusionskanüle“ den Umgebungsbedingungen (z. B. bei Körperbewegungen) anpassen.
- • (Harte) formstabile (Sonder)Kontaktlinsen z.B. bei individuellen Sehfehlern und Augenerkrankungen (i. w. individuelle Anfertigung bzgl. individueller Hornhautgeometrie), sind in versteifter Form vor dem Einsetzen leichter zu handhaben (z. B. bei der Pflege, beim Reinigen, beim Einsetzen) und passen sich nach Erwärmen auf die Temperatur der Hornhaut an die Bulbusform an. Dies bewirkt einen hohen Tragekomfort (kein/geringeres Fremdkörpergefühl)
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Auch für biologische Zwecke können die erfindungsgemäßen Formkörper eingesetzt werden, nämlich für Scaffolds und sonstige Träger oder Substrate für biologisches Material, insbesondere Zellen. Zellen benötigen sehr genau an den jeweiligen Zelltyp angepasste mechanische Eigenschaften (z.B. E-Modul), um sich auf einem Substrat wohlzufühlen und zu wachsen. Diese Eigenschaften lassen sich mit den Materialien der Erfindung gut einstellen.
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Darüber hinaus lassen sich mit Scaffolds und dergleichen Trägern aus den erfindungsgemäß nutzbaren Materialien neuartige Effekte nutzen: Wegen ihrer thermomechanischen Flexibilität ist es möglich, durch eine nur kleine Temperatur-Anhebung über die sonstige, übliche Umgebungstemperatur der Zellen und des (Wachstums-)Mediums, in dem sie sich befinden, hinaus, eine substantielle Erweichung / Flexibilisierung der Scaffolds/Träger zu bewirken. Indem der für das „Wohlbefinden“ der Zellen erforderliche E-Modul verringert wird, verlieren die Zellen das Gefühl, sich in „gewohnter“ Umgebung zu befinden, sie verringern ihre Haftung am Substrat und lassen sich leichter abstreifen. Auch umgekehrt, durch Temperaturabsenkung, lässt sich dieser Effekt erzielen, wobei das erfindungsgemäße Material dann einen für das Zellwachstum und für die Haftung der Zellen ungünstigen E-Modul bzw. Härte erreicht.
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Stattdessen kann es auch auf anderem Weg gelingen, auf einem Scaffold oder sonstigen Substrat wachsende und dort gut haftende Zellen abzulösen. In diesem Fall wird als erfindungsgemäß nutzbares Material ein solches eingesetzt, das neben den cycloolefinischen Gruppen auch Gruppen aufweist, die einer ROMP zugänglich sind, wie oben erläutert. Für das Scaffold, auf dem die Zellen wachsen sollen, wird das Material dabei so gewählt, dass es die erforderlichen mechanischen Eigenschaften aufweist, ohne dass eine zusätzliche Vernetzung durch ROMP stattgefunden hätte. Es enthält jedoch den oben erwähnten ROMP-Katalysator. Will man nun die Zellen ablösen, wird das Scaffold / das Substrat mit der geeigneten Wellenlänge belichtet, bei der eine ROMP ausgelöst wird. Durch die zusätzliche Vernetzung, die dabei eintritt, wird das Material versteift, und die Zellen lassen sich leichter ablösen.
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Weiterhin ist der Einsatz in folgenden Bereichen möglich
- • (Mikro)optik und (Mikro)elektronik -> Prinzip siehe oben bei Implantaten
- • Optische, elektronische und mechanische Schalter
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Die Aushärtung durch die Thiol-En-Reaktion kann über zwei verschiedene Mechanismen ablaufen: Dabei ist eine radikalische Thiol-En-Reaktion mit allen C=C-Doppelbindungen, z.B. mit C=C-Doppelbindungen der Norbornenylgruppe, möglich, während eine Thiol-Michael-Addition nur mit aktivierbaren C=C-Doppelbindungen abläuft, wie sie z.B. in Gestalt von Methacrylgruppen, insbesondere Methacrlyat, vorliegen können. Der radikalische Mechanismus wird durch einen Radikalstarter (thermisch und/oder photoinduziert und/oder redoxinduziert) initiiert. Insbesondere nicht aktivierte C=C-Doppelbindungen wie die Doppelbindung der Norbornenylgruppe eignen sich für diese Art der Initiierung. Um auch eine Thiol-Michael-Addition örtlich und/oder zeitlich gezielt initiieren zu können, können Photobasen verwendet werden, da die Thiol-Michael-Addition basenkatalysiert abläuft. Photobasen setzen bei Belichtung eine Base frei und können so die Thiol-Michael-Addition initiieren. Die Herstellung und Verwendung von Photobasen ist in der Literatur beschrieben.
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Wird photochemisch gearbeitet, kann die Bestrahlung mit sichtbarem und/oder UV-Licht durchgeführt werden. Kombinationen verschiedener Umsetzungen, beispielsweise photochemisch und thermisch oder eine Kombination von redoxinduzierter mit z.B. photo induzierter bzw. thermischer Härtung, sind ebenfalls möglich.
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Nachstehend soll die Erfindung anhand von konkreten Ausführungsbeispielen näher erläutert werden, wobei diese selbstverständlich nicht als einschränkend aufgefasst werden dürfen.
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Synthesen
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Synthese von Harzsystem-1 (Silan-basiertes System)
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Synthesestufe (aus DE 4416857) (Herstellung eines methacrylat-basierten Silanharzes mit freien OH-Gruppen
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Grundharz (a):
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Zur Vorlage von 125,0 g (0,503 mol) 3-Glycidyloxypropymethyldiethoxysilan werden unter trockener Atmosphäre Triphenylphosphin als Kat., BHT als Stabilisator und anschließend 47,35 g (0,550 mol) Methacrylsäure zugetropft und bei 80 °C gerührt (ca. 24 h). Nach Zugabe von Essigester (1000 ml/mol Silan) und H2O zur Hydrolyse mit HCl als Kat. wird bei 30 °C gerührt. Die Aufarbeitung erfolgt nach ca. mehrtägigem Rühren durch mehrmaliges Ausschütteln mit wäßriger NaOH und mit Wasser und Filtration über hydrophobierten Filter. Es wird zunächst abrotiert und anschließend mit Ölpumpenvakuum abgezogen. Es resultiert ein flüssiges Harz ohne Einsatz von Reaktivverdünnern (Monomeren) mit einer Viskosität von ca. 3 - 5 Pa·s bei 25 °C.
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Synthesestufe (aus DE 102011054440A1) (Umsetzung der Methacrylatgruppen mit Dicyclopentadien zu Norbornenylgruppen, Harzsystem-1)
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Zur Vorlage von 80,0 g (0,30 mol) von Grundharz (a) werden unter Rühren bei ca. 90 °C ca. 45,5 g (0,69 mol) Cyclopentadien (CP) (durch Spaltung von Dicyclopentadien frisch hergestellt) zudestilliert und danach noch ca. 1 - 2 h bei 90 °C weitergerührt. Die Umsetzung kann mittels NMR verfolgt werden. Die flüchtigen Bestandteile wie z. B. unumgesetztes Cyclopentadien werden im Ölpumpenvakuum bei Temperaturen bis zu 90 °C abgezogen. Es resultiert ein flüssiges Harz mit einer Viskosität von ca. 53 - 110 Pa·s bei 25 °C. Eine weitere Aufarbeitung ist in der Regel nicht erforderlich.
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Synthese von Harzsystem-2a/b/c (Silan-basiertes System)
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1. Synthesestufe (aus
DE 103.49766.8 ) (Erzeugen eines Silanharzes, das teils eine Methacrylgruppe pro Siliciumatom, teils eine Methacryl- und eine Acrylgruppe pro Siliciuimatom aufweist, wobei die Methacryl- und Acrylgruppe jeweils am selben, über Kohlenstoff an das Silicium gebundenen Rest vorhanden ist, durch Umsetzung der freien OH-Gruppe mit Acylsäurechlorid.
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Grundharz (b1) (Verhältnis von Methacryl- zu Acrylgruppen 1: 0,74)
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Zur Vorlage von 120,7 g (0,45 mol) Grundharz (a) (aus I.) und 45,1 g Triethylamin (0,446 mol) in 450 ml THF als Lösungsmittel werden unter trockener Atmosphäre und Kühlung mittels Eisbad unter Rühren 36,66 g (0,405 mol) Acrylsäurechlorid zugetropft und bei RT weitergerührt.
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Nach üblicher Aufarbeitung zur Abtrennung des bei der Addition entstehenden Aminhydrochlorids und säurehaltiger Nebenprodukte sowie Abziehen der flüchtigen Bestandteile mit Ölpumpenvakuum resultiert ein flüssiges Harz mit einer Viskosität von ca. 2,7 Pa s bei 25 °C.
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Grundharz (b2) (Verhältnis von Methacryl- zu Acrylgruppen 1 : 0,30):
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Die Vorlage von 78,15 g (0,30 mol) Grundharz (a) (aus I.) und 11,69 g Triethylamin (0,385 mol) in 300 ml THF wird entsprechend der Vorschrift von Grundharz (b1) mit Acrylsäurechlorid (9,50 g (0,105 mol)) umgesetzt, das resultierende Reaktionsgemisch weiterverarbeitet und aufgearbeitet. Es resultiert ein flüssiges Harz mit einer Viskosität von ca. 2,7 Pa s bei 25 °C.
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Grundharz (b3) (Verhältnis von Methacryl- zu Acrylgruppen 1 : 0,45):
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Die Vorlage von 78,15 g (0,30 mol) Grundharz (a) (aus I.) und 16,70 g Triethylamin (0,55 mol) in 300 ml THF wird entsprechend der Vorschrift von Grundharz (b1) mit Acrylsäurechlorid (13,52 g (0,15 mol)) umgesetzt, das resultierende Reaktionsgemisch weiterverarbeitet und aufgearbeitet. Es resultiert ein flüssiges Harz mit einer Viskosität von ca. 2,5 Pa·s bei 25 °C.
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Synthesestufe (aus DE 102011054440A1) (Umsetzung der Methacrylat- und Acrylatgruppen mit Dicyclopentadien zu Norbomenylgruppen)
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Harzsystem-2a (Verhältnis 1,74 Norbornenylgruppen pro Siliciumatom):
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Zur Vorlage von 92,4 g von Grundharz (b1) werden unter Rühren bei ca. 50 °C ca. 22,0 g CP zugetropft. Nach Erhitzen der Reaktionsmischung auf ca. 90 °C werden unter Rühren 39,2 g CP zudestilliert und danach noch ca. 1,5 h bei 90 °C weitergerührt. Die flüchtigen Bestandteile wie z. B. unumgesetztes Cyclopentadien werden im Ölpumpenvakuum bei Temperaturen bis zu 90 °C abgezogen. Es resultiert ein flüssiges Harz mit einer Viskosität von ca. 380 Pa·s bei 25 °C. Eine weitere Aufarbeitung ist in der Regel nicht erforderlich.
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Harzsystem-2b (Verhältnis 1,30 Norbornenylgruppen pro Siliciumatom):
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Zur Vorlage von 63,7 g von Grundharz (b2) wird entsprechend der Vorschrift von Harzsystem 2a CP zugesetzt (insgesamt ca. 38,1 g, damit umgesetzt und das resultierende Reaktionsgemisch aufgearbeitet. Es resultiert ein flüssiges Harz mit einer Viskosität von ca. 177 Pa·s bei 25 °C. Eine weitere Aufarbeitung ist in der Regel nicht erforderlich.
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Harzsystem-2c (Verhältnis 1,45 Norbornenylgruppen pro Siliciumatom):
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Zur Vorlage von 63,7 g von Grundharz (b3) wird entsprechend der Vorschrift von Harzsystem 2a CP zugesetzt (insgesamt ca. 77,7 g, damit umgesetzt und das resultierende Reaktionsgemisch aufgearbeitet. Es resultiert ein flüssiges Harz mit einer Viskosität von ca. 194 Pa·s bei 25 °C. Eine weitere Aufarbeitung ist in der Regel nicht erforderlich.
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Anmerkung: Die Viskositäten der Harze (b1) bis (b3) und der Harzsysteme-2a, 2b und 2c sind stark abhängig von den jeweils gewählten, genauen Synthese- und Aufarbeitungsbedingungen insbesondere auch der Vorstufen. Die Werte können daher bei einer Nacharbeitung abweichen.
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Synthese von Harzsystem-3 (rein organisches System, Umsetzung von Glycerindimethacrylat zum entsprechenden Norbornenyl-Derivat)
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Harzsystem-3
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Zur Vorlage von 30,00 g (0,131 mol) Glycerindimethacrylat (Isomerenmischung) mit gelösten 0,04 Gew.-% Butylhydroxytoluol (BHT) werden unter Rühren bei ca. 80 °C ca. 39,7 g CP zugetropft und weiter gerührt. Der Umsatz der Methacrylatgruppe wird mittels 1H-NMR überwacht. Die flüchtigen Bestandteile wie z. B. unumgesetztes Cyclopentadien werden unter Vakuum bei Temperaturen bis zu 90 °C abgezogen. Es resultiert ein flüssiges Harz mit einer Viskosität von ca. 6,3 Pa·s bei 25 °C. Eine weitere Aufarbeitung ist in der Regel nicht erforderlich.
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Herstellung der Harzmischungen zum 3D-Drucken und im Vergleich zur klassischen Verarbeitung
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Allgemeine Vorschrift: Im jeweiligen Harzsystem wird ggf. vorab ein Lichtstabilisator gelöst, wofür ggf. ein Lösungsmittel zugesetzt wird, das anschließend wieder abgezogen wird. Anschließend wird das Thiol, in welchem zuvor ein Photoinitiator und, sofern ein gespanntes Ringsystem als cycloolefinische Gruppe eingesetzt wird, ein Thiol-En-Stabilisator unter Rühren bei erhöhter Temperatur (meist ca. 40°C) gelöst worden war, zugesetzt. Die resultierenden Harzmischungen werden für den 3D-Druck und zur klassischen Prüfkörperherstellung im Rahmen einer bevorzugt photo-induzierten Thiol-en-Polyaddition eingesetzt.
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Als Harzsysteme wurden die vorgenannten Systeme 1, 2a, 2b, 2c und 3 eingesetzt.
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Als Beispiel für einen Lichtstabilisator diente der optische Aufheller 2,5-Bis(5-tert-butylbenzoxazol-2-yl)thiophene (TBT), der hier mit 0,0003 - 0,0005 mmol/g Harzmischung (bezogen auf Harzsystem + Thiol) eingesetzt wurde.
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Als Thiol diente, soweit nicht anders angegeben, das Trithiol Trimethylolpropantri(3-mercaptopropionat) (TMPMP) (in der Regel im molaren Verhältnis von SH : C=C = 0,9 : 1), in welchem der Stabilisator Pyrogallol (0,05 - 0,2 Gew.-% bezogen auf Harzsystem + Thiol) und der Photoinitiator LTPO (1,0 bzw. 2,0 Gew.-% bezogen auf Harzsystem + Thiol) unter Rühren bei 40 °C gelöst worden war. In einem weiteren Fall diente als Thiol eine Mischung bestehend aus TMPMP und 2,3-Di((2-mercaptoethyl)thiol-1-propanthiol (DMPT; es enthält keine Estergruppen, aber zusätzliche Thioethergruppen wodurch die Brechzahl angehoben wird) in einem molaren Verhältnis von 0,3 : 0,9. Das molare Verhältnis von SH : C=C ist 0,9 : 1. Ansonsten blieb alles gleich.
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Als Thiol-En-Stabilisator diente im konkreten Fall Pyrogallol.
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Herstellung der Komposite zum 3D-Drucken und im Vergleich zur klassischen Verarbeitung
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C1. Allgemeine Vorschrift zur Kompositherstellung mit TiO2 als Füllstoff:
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In der jeweiligen Harzmischung (aus B., mit molarem Verhältnis von SH : C=C = 0,9 : 1) werden 0,5 Gew.-% TiO2-Füller (in agglomerierter Form; Rutil; Primärpartikel-0 = 10-30 nm; 99,5 %ig; von io-li-tec nanomaterials) im Speedmixer (2 x 60 sec) eingearbeitet. Die Materialien werden anschließend bei 37 °C evakuiert, bis sie blasenfrei sind. Die resultierenden Komposite werden für den 3D-Druck und zur klassischen Prüfkörperherstellung im Rahmen einer bevorzugt photo-induzierten Thiol-En-Polyaddition eingesetzt.
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C2. Allgemeine Vorschrift zur Kompositherstellung mit ZrO2-NP als Füllstoff:
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Der jeweiligen Harzmischung (aus B.) wird eine Dispersion aus ZrO2-NP der Firma Pixelligent (PixClear PCPB-2-50-ETA, Ø = 7 - 10 nm, zu 50 Gew.-% in Ethylacetat dispergiert, Methacrylat-funktionalisiert) zugesetzt, und das Material wird bei RT gerührt. Am nächsten Tag wird das Lösungsmittel mittels Vakuum bei 40 °C abgezogen. Die resultierenden Komposite mit einem ZrO2-Gehalt von 30 Gew.-% werden für den 3D-Druck und zur klassischen Prüfkörperherstellung im Rahmen einer bevorzugt photo-induzierten Thiol-En-Polyaddition eingesetzt.
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Bestimmung der Brechzahländerung und der mechanischen Daten
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D1. Prüfkörperherstellung zur Bestimmung der Brechzahländerung im Bereich der Tw:
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Die Harzmischung bestehend aus Harzsystem-2b und 1 % LTPO (bezogen auf das Harzsystem-2b + Thiol) und Thiol TMPMP (im molaren Verhältnis von SH : C=C = 0,9 : 1) und Stabilisator Pyrogallol (0,2 Gew.-% bezogen auf Harzsystem 2b + Thiol) wird in eine Form (20 x 8 x 4 mm3) gegeben. Mittels Dentalstrahler (Polofil Lux der Fa. Voco GmbH, Cuxhaven); (je 100 sec VS / RS) und Blitzgerät G171Otoflash (NK Optik, Baierbrunn, D) (3000 Blitze) werden die C=C-Doppelbindungen der Norbornenylgruppen im Rahmen einer photoinduzierten Polyaddition umgesetzt und die Harzmischung ausgehärtet. Die Brechzahl vor bzw. nach Erwärmung wird mittels Abbe-Refraktometer (Immersionsflüssigkeit ist 1-Bromnaphthalin) und damit die Brechzahländerung im Bereich der Tw bestimmt. Da die Erwärmung mit einem Fön erfolgte, da eine Temperierung der Probe während der Messung nicht möglich war, sind die Werte nicht sehr genau.
- ■ Brechzahl vor Erwärmung (bei 20 °C) ≈ 1,548
- ■ Brechzahl nach Erwärmung (ca. 40 - 60 °C) ≈ 1,533 Ergebnis: Δn ≈ 0,015 ⇒ Die Brechzahl nimmt ab, da die Proben flexibler werden und damit wohl die Strukturdichte abnimmt.
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D2. Klassische Prüfkörperherstellung zur Bestimmung der mechanischen Daten (in der Tabelle abgekürzt mit „klassisch“):
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Die jeweilige Harzmischung (aus B.) bzw. das Komposit (C1. bzw. C2.) wird in eine Stäbchenform (40 x 2 x 5 mm3) gegeben. Mittels Dentalstrahler (Polofil Lux; je 100 sec VS / RS) werden die C=C-Doppelbindungen der Norbornengruppen bevorzugt im Rahmen einer photoinduzierten Polyaddition umgesetzt und die Harzmischungen bzw. die Komposite ausgehärtet.
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D3. Prüfkörperherstellung zur Bestimmung der mechanischen Daten mittels 3D-Druck (in der Tabelle abgekürzt mit „3D-Druck“):
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Die stäbchenförmigen Prüfkörper (40 x 2 x 5 mm3) werden mittels 3D-Drucker S 60 LED von Rapidshape (DLP-Prinzip) mit einer Schichtstärke von 100 µm und einer Belichtungszeit von 31 s pro Schicht bei einer Lichtintensität von ca. 6,15 W/m2 mit senkrechter Ausrichtung zur Bauplattform (entspricht 40 mm in z-Richtung) gedruckt, anschließend in Isopropanol für 90 s im Ultraschallbad gewaschen, mit Druckluft abgeblasen, für 5 Min bei RT getrocknet und anschließend mittels UV-Lampe Bluepoint LED eco (insg. 200 sec.), Blitzgerät G171Otoflash (3000 Blitze) oder Spektramat (3 min) nachgehärtet.
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Die DMA-Untersuchungen (dynamisch-mechanischen Analysen) an den obigen Prüfkörpern wurden mittels NETZSCH DMA242C mit folgenden Einstellungen durchgeführt: Auflagerabstand = 20 mm; Frequenz = 1 Hz; T-Bereich = -10 °C bis 70 °C; Aufheizrate = 2,0 °C/min; max. dyn. Kraft = 4,00 N; Atmosphäre = Luft. Ermittelt wurde der Speichermodul E'
RT (bei 22 °C), der minimale Speichermodul E'
min sowie die Temperatur Tw (bei 2·E'
min), d. h. die Temperatur, bei der das Material nahezu die flexibelste Konsistenz aufweist („nahezu“ deshalb, weil E' bei steigender Temperatur gegen E'
min konvergiert. Starke Temperaturerhöhungen, die für die Verwendung keine Rolle spielen, senken den E' daher oberhalb von 2·E'
min nur noch unwesentlich). Die Daten sind in der nachfolgenden Tabelle angegeben; die DMA Kurven sind in
1 dargestellt.
Harzmischung / Komposite | Additive | DMA-Daten |
System | Zusammensetzung | PrüfkörperHerstellung | E'RT [MPa] | E'min [MPa] | Tw [°C] |
Harzmischungen (ungefüllt) |
AK | Harzsystem 1 + Thiol | 0,02 % Pyrogallol / 1 % LTPO | Klassisch | n.b. | n.b. | 18,5 |
AD | Harzsystem 1 + Thiol | 0,2 % Pyrogallol / 1 % LTPO / 0,0005 mmol/g TBT | Gedruckt + Blitzgerät | 111 | 99 | 15,0 |
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BK1 | Harzsystem 2a + Thiol | 1 % LTPO | Klassisch | 2550 | 30 | 50 |
BK2 | Harzsystem 2a + Thiol | 0,02 % Pyrogallol / 1 % LTPO | Klassisch | 1550 | 34 | 35 |
Viskosität. bei 25 °C / 40 °C → BK1 ≈ 16 / 4,5 Pa·s BK2 ≈ 8,2 / 2,3 Pa·s |
CK | Harzsystem 2b + Thiol | 1 % LTPO | Klassisch | 1370 | 19 | 41 |
CD | Harzsystem 2b + Thiol | 0,2 % Pyrogallol / 1 % LTPO / 0,0005 mmol/g TBT | Gedruckt + Blitzgerät | 678 | 53 | 32 |
|
EK1 | Harzsystem 2c + Thiol | 1 % LTPO | Klassisch | 1880 | 27 | 45 |
EK2 | Harzsystem 2c + Thiol | 0,05 % Pyrogallol / 2 % LTPO | Klassisch | 1920 | 24 | 49 |
ED1 | Harzsystem 2c + Thiol | 0,05 % Pyrogallol / 1,5 % LTPO | Gedruckt + Spektramat | 1630 | 33 | 41 |
ED2 | Harzsystem 2c + Thiol | 0,2 % Pyrogallol / 1 % LTPO / 0,0005 mmol/g TBT | Gedruckt + Blitzgerät | 1000 | 51 | 36 |
ED3 | Harzsystem 2c + Thiole TMPMP / DMPT | 0,2 % Pyrogallol / 1 % LTPO | Gedruckt + Blitzgerät | 1437 | 15 | 47 |
DK | Harzsystem 3 + Thiol | 1 % LTPO | Klassisch | 1640 | 10 | 45 |
|
Komposite |
FD | Harzsystem 1 + Thiol + 30 % ZrO2-NP | 0,2 % Pyrogallol / 1 % LTPO | Gedruckt + Blitzgerät | 130 | 26 | 27 |
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Die Ergebnisse zeigen, dass sich in Abhängigkeit von der Harzstruktur (z. B. C=C-Anzahl pro Struktureinheit, d. h. der organischen Vernetzungsdichte), der eingesetzten Additive bzw. deren Konzentration (die unterschiedlich sein können, um die jeweiligen Anforderungen bzgl. des gewünschten Druckergebnisses, der Auflösung, der Komplexizität der Strukturen und dergleichen zu erfüllen) der Speichermodul E'RT, der Speichermodul E'min sowie die Temperatur Tw (bei 2·E'min) und insbesondere auch die Änderung / das Ausmaß der Steifigkeit / Flexibilität im Bereich um die Temperatur bei E'min (↔ Thermoeffekt) in weiten Grenzen für verschiedene Anwendungsfälle einstellen lässt.
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Beispielsweise kann man der obigen Tabelle Folgendes entnehmen:
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Der Vergleich AK und AD zeigt, dass TBT (und daher wahrscheinlich auch andere Lichtstabilisatoren) kaum eine Auswirkung auf die Temperatur Tw besitzt. In manchen Fällen sinkt diese geringfügig, wie bereits weiter oben angemerkt.
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Mit steigender Anzahl von Norbornenylgruppen pro Siliciumatom und damit mit steigender Vernetzung (denn das Verhältnis SH zu C=C-Doppelbindung bleibt ja gleich) steigt die Temperatur Tw: Für AD mit einer Norbornenylgruppe pro Silicium liegt sie bei 15,0 °C, für CD (1,30 Norbornenylgruppen pro Siliciumatom) liegt sie bei 32 °C, und für ED2 (1,45 Norbornenylgruppen pro Siliciumatom) liegt sie bei 36 °C. Das zeigt, dass die Temperatur Tw in weiten Grenzen einstellbar ist und auch höhere Werte als die in den Beispielen gezeigten erzielt werden können. Auch durch den Zusatz von geeigneten Mengen an geeigneten Füllstoffen kann der Wert weiter gesteigert werden. Erreichbar sollten auf diese Weise Werte für Tw von über 50 °C, z.B. bis 60 °C, bis 70 °C, bis 80 °C, bis 90 °C oder sogar bis 110 °C sein.
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Durch den Zusatz der Nanopartikel aus ZrO2 resultiert ein transparentes Komposit (s. FD in obiger Tabelle) und es steigt erwartungsgemäß der Speichermodul sowie überraschenderweise auch die Temperatur bei E'min im Vergleich zur ungefüllten Harzmischung AK. Damit lässt sich durch den Einsatz von Füllstoffen ebenfalls die Flexibilisierungstemperatur (↔ Thermoeffekt) anheben und damit der Einsatzbereich in höhere T-Bereiche verschieben.
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Die Erfinder konnten weiterhin zeigen, dass bei Zusatz dispergierter (isolierter!) anorganischer, vorzugsweise oxidischer Nanopartikel (insbesondere im Größenbereich der Primärpartikel von ca. 5-100 nm) (vorliegend in einer Menge von 30 Gew.-% eingesetzt, siehe FD) für die Herstellung von Formkörpern mit Überhängen oder Bohrungen auf die Zugabe eines Lichtabsorbers wie TBT verzichtet werden kann, da sie selbst als Photoabsorber fungieren können. Außerdem wird durch den Zusatz dieser Partikel der Brechungsindex der Matrix, deren Bestandteil sie geworden sind, wie bereits oben erläutert, erhöht.
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Mit steigender Anzahl von Norbomenylgruppen pro Siliciumatom und damit mit steigender Vernetzung (denn das Verhältnis SH zu C=C-Doppelbindung bleibt ja gleich) steigt E'RT: Für CK mit 1,30 Norbornenylgruppen pro Siliciumatom liegt er bei 1370 MPa, für EK1 (1,45 Norbornenylgruppen pro Siliciumatom) liegt er bei 1880 MPa, und für BK1 (1,74 Norbornenylgruppen pro Siliciumatom) liegt er bei 2550 MPa. Das zeigt, dass der Speichermodul E'RT bei Raumtemperatur in weiten Grenzen einstellbar ist.
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Gleiches gilt für E'RT bei folgenden Systemen: Für AD mit einer Norbornenylgruppe pro Silicium liegt E'RT bei 111 MPa, für CD (1,30 Norbornenylgruppen pro Siliciumatom) liegt er bei 678 MPa, und für ED2 (1,45 Norbomenylgruppen pro Siliciumatom) liegt er bei 1000 MPa. Das zeigt ebenfalls, dass der Speichermodul E'RT bei Raumtemperatur in weiten Grenzen einstellbar ist.
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Mit steigender Anzahl von Norbomenylgruppen pro Siliciumatom und damit mit steigender Vernetzung (denn das Verhältnis SH zu C=C-Doppelbindung bleibt ja gleich) steigt E'min: Für CK mit 1,30 Norbornenylgruppe pro Silicium liegt er bei 19 MPa, für EK1 (1,45 Norbornenylgruppen pro Siliciumatom) liegt er bei 27 MPa, und für BK1 (1,74 Norbornenylgruppen pro Siliciumatom) liegt er bei 30 MPa. Das zeigt, dass der Speichermodul E'min in weiten Grenzen einstellbar ist.
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Durch die gleichzeitige Zugabe von Pyrogallol und TBT sinkt E'RT ab und steigt E'min an. Dies lässt sich an den Systemen CK (kein Pyrogallol / TBT) mit einem E'RT von 1370 MPa und E'min von 19 MPa im Verlgeich zu CD (0,2 Gew.-% Pyrogallol und 0,0005 mmol/g TBT) mit einem E'RT von 678 MPa und E'min von 53 MPa erkennen. Gleiches gilt für die Systeme EK1 (kein Pyrogallol / TBT) mit einem E'RT von 1880 MPa und E'min von 27 MPa und ED2(0,2 Gew.-% Pyrogallol und 0,0005 mmol/g TBT) mit einem E'RT von 1000 MPa und E'min von 51 MPa.
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Durch den anteiligen Einsatz des Trithiols DMPT, welches keine Estergruppen aber Thioethergruppen aufweist und zudem eine kürzere Verbindungsstruktur zwischen den Thiolgruppen aufweist als das Trithiol TMPMP, wird im Vergleich mit System ED2 mit 1437 MPa ein höheres E'RT bei geringerem E'min (15 MPa) in Verbindung mit einer höheren Temperatur Tw (47 °C) erreicht. Somit können auch durch den Einsatz eines Thiol mit einer veränderten Verbindungsstruktur zwischen den Thiolgruppen die Materialkenndaten deutlich modifiziert werden.
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Der thermische Ausdehnungkoeffizient der erfindungsgemäß und konventionell hergestellten Formkörper sollte im Tw-Bereich sehr stark zunehmen, da er allgemein mit der Flexibiltät der Formkörper korrelliert. Zusätzlich sinkt die Brechzahl bei steigender Temperatur, wie oben ausgeführt. Daher sollten sich die Formkörper u.a. auch als optische oder mechanische Schalter eignen.
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E. 3D-Druck-Herstellung von Modellotoplastiken (Ohrpassstücken)
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Die Ohrpassstücke entsprechend des in 4 gezeigten Modells wurden mit den ungefüllten Materialsystemen CD und ED2 mittels 3D-Drucker S 60 LED von Rapidshape (DLP-Prinzip) mit einer Schichtstärke von 100 µm und einer Belichtungszeit von 31 s pro Schicht bei einer Lichtintensität von 6,15 W/m2 mit der Ausrichtung zur Bauplattform wie aus der Figur ersichtlich gedruckt, anschließend in Isopropanol für 3 min im Ultraschallbad gewaschen, mit Druckluft durch/abgeblasen, für 5 Min bei RT getrocknet und mittels UV-Lampe (insg. 200 sec.), Blitzgerät (3000 Blitze) oder Spektramat (3min) nachgehärtet.
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Die gedruckten Ohrpassstücke sind transparent, weisen eine gute Oberflächenqualität auf und beinhalten gut aufgelöste durchgängige Bohrungen. Bei Raumtemperatur sind sie fest/ wenig flexibel und bei Körpertemperatur zeigen sie ein weiches/flexibles Verhalten, wobei die Ohrpassstücke auf Basis von ED2 bei RT und bei Körpertemperatur eine höhere Steifigkeit als auf Basis von CD zeigen.
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Es lassen sich somit Ohrpassstücke mit hoher Qualität in Verbindung mit unterschiedlichem Thermo-/E-Modulverhalten und somit patientenindividuellem Bedarf mittels 3D-Druck herstellen.
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F. 3D-Druck-Herstellung von „schlauchartigen“ Formteilen
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Mit dem ungefüllten Materialsystem ED2 wurden schlauchartige Formteile als Modell für Infusionsnadeln wie in 5 gezeigt, künstliche Blutgefäße, Katheder mittels 3D-Drucker S 60 LED von Rapidshape (DLP-Prinzip) mit einer Schichtstärke von 100 µm und einer Belichtungszeit von 31 s pro Schicht bei einer Lichtintensität von 6,15 W/m2 mit senkrechter Ausrichtung zur Bauplattform gedruckt, anschließend in Isopropanol für 3-4 min im Ultraschallbad gewaschen, mit Druckluft durch/abgeblasen, für 5 Min bei RT getrocknet und mittels UV-Lampe (insg. 200 sec.) oder Blitzgerät (3000 Blitze) nachgehärtet.
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Sie sind transparent, weisen eine gute Oberflächenqualität (innen/außen) mit gut ausgebildeter „Spitze“ (Beispiel Infusionsnadel) bei einem Außendurchmesser von 2,0 bzw. 3,0 mm auf und besitzen eine Wandstärke von 0,5 bzw. 0,75 mm. Bei Raumtemperatur sind sie weniger flexibel und bei Körpertemperatur zeigen sie ein weiches/flexibles Verhalten.
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Es lassen sich somit schlauchartige medizinische Formteile mit hoher Qualität in Verbindung mit unterschiedlichem Durchmesser/ Wandstärken und somit individuellem Bedarf mittels 3D-Druck herstellen.
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ZITATE ENTHALTEN IN DER BESCHREIBUNG
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Diese Liste der vom Anmelder aufgeführten Dokumente wurde automatisiert erzeugt und ist ausschließlich zur besseren Information des Lesers aufgenommen. Die Liste ist nicht Bestandteil der deutschen Patent- bzw. Gebrauchsmusteranmeldung. Das DPMA übernimmt keinerlei Haftung für etwaige Fehler oder Auslassungen.
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Zitierte Patentliteratur
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- DE 19627198 A1 [0035]
- DE 102011054440 A1 [0040, 0043]
- DE 102011054440 A [0044]
- WO 9702272 A1 [0046]
- DE 19627220 A1 [0046]
- EP 3090722 A1 [0048, 0064]
- DE 1964378 [0064]
- DE 10018405 [0064]
- DE 102011053865 A1 [0064]
- DE 102005061965 [0064]
- DE 103497668 [0088]
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Zitierte Nicht-Patentliteratur
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- Edler M. et al.: Enhancing the stability of UV-curable thiol/vinyl carbonate resins; Journal of Applied Polymer Science, 2017 [0049]
- Esfandiari P. et al.: Efficient Stabilization of Thiol-ene Formulations in Radical Photopolymerization; Journal of Polymer Science: Part A, 2013, 51 [0049]
- Hoyle, C. E. et al.: Thiol-Enes: Chemistry of the Past with Promise for the future; Journal of Polymer Science: Part A, 2004, 42 [0049]