-
Die Erfindung betrifft einen Stuhl, insbesondere einen Bürostuhl.
-
Aus dem Stand der Technik ist der Einsatz bestimmter Sensoren in Bürostühlen bekannt. So werden beispielsweise kapazitive Sensoren, Dehnmeßstreifen usw. verwendet, um die Belastung der Sitzfläche zu erfassen. Andere Sensoren dienen zur Erfassung von Schwenkwinkeln einzelner Stuhlkomponenten zueinander. Diese Sensoren sind stets an bestimmte Stuhlkomponenten gekoppelt, also der jeweiligen Komponente zugeordnet und benötigen für eine ordnungsgemäße Funktion eine ganz bestimmte Plazierung an der Komponente. Die so erhaltenen Daten werden beispielsweise verwendet, um den Benutzer auf ein bestimmtes Sitzfehlverhalten hinzuweisen oder aber um es dem Benutzer zu ermöglichen, bestimmte gewünschte Stuhleinstellungen besonders einfach vorzunehmen.
-
Eine Aufgabe der vorliegenden Erfindung ist es, eine Technik bereitzustellen, die es ermöglicht, Ereignisse während der Lebensdauer des Stuhls zu erfassen und/oder auszuwerten.
-
Diese Aufgabe wird durch die Gegenstände der unabhängigen Ansprüche gelöst.
-
Der erfindungsgemäße Stuhl, insbesondere Bürostuhl, umfaßt eine Anzahl bezüglich des Stuhls positionsunabhängiger Sensoren, die zum Erfassen von Bewegungsdaten des Stuhls ausgebildet sind, welche Bewegungsdaten sich zum Erkennen charakteristischer Bewegungsmuster des gesamten Stuhls eignen.
-
Das erfindungsgemäße System zum Auswerten von Bewegungsdaten eines Stuhls, insbesondere Bürostuhls, umfaßt Empfangs- oder Auslesemittel zum Erhalten von mit einer Anzahl bezüglich des Stuhls positionsunabhängiger Sensoren erfaßten Bewegungsdaten des Stuhls, die sich zum Erkennen charakteristischer Bewegungsmuster des gesamten Stuhls eignen, sowie darüber hinaus Datenverarbeitungsmittel zum Auswerten der erhaltenen Daten, insbesondere zum Zweck der Vandalismuserkennung und/oder Reklamationsbearbeitung bezüglich des Stuhls, und Ausgabemittel zum Ausgeben eines Ergebnisses der Datenauswertung.
-
Vorteilhafte Ausführungen der Erfindung sind in den Unteransprüchen angegeben. Die im Folgenden im Zusammenhang mit dem Stuhl oder dem System erläuterten Vorteile und Ausgestaltungen gelten sinngemäß auch für die erfindungsgemäßen Verfahren zum Erfassen und Auswerten und umgekehrt.
-
Eine Kernidee der Erfindung ist es, Ereignisse während der Lebensdauer des Stuhls, die sich in einem charakteristischen Bewegungsmuster des gesamten Stuhls widerspiegeln, erfaßbar zu machen und zu erfassen. Dabei wird unter einem charakteristischen Bewegungsmuster eine Zusammenstellung von Daten verstanden, die einem vordefinierten Muster entsprechen, wobei es sich bei den Daten um die erfaßten Bewegungsdaten handelt oder um Daten, die aus den erfaßten Bewegungsdaten ermittelt werden, oder um Daten, die unter Verwendung der erfaßten Bewegungsdaten ermittelt werden. Unter einem charakteristischen Bewegungsmuster des gesamten Stuhls wird ein Muster der Bewegung des Stuhls in seiner Gesamtheit verstanden. Ein solches Bewegungsmuster bezieht sich daher immer auf die Bewegung mehr als einer Stuhlkomponente. Das Bewegungsmuster bezieht sich vorzugsweise auf das Zusammenspiel aller Stuhlkomponenten.
-
Zu diesem Zweck löst sich die Erfindung von dem traditionellen Ansatz einer zwingenden konkreten Zuordnung eines Sensors zu einer bestimmten Stuhlkomponente. Statt dessen wird eine Anzahl bezüglich des Stuhls positionsunabhängiger Sensoren verwendet. Darunter werden Sensoren verstanden, die positionsunabhängige Messungen durchführen können, also Messungen, deren Ergebnisse nicht von der Position der Sensoren in Bezug auf den Stuhl abhängig sind. In diesem Zusammenhang löst sich die Erfindung auch von der Verwendung herkömmlicher Sensoren. Vorzugsweise kommt statt dessen wenigstens eine Inertiale Meßeinheit (IME) zum Einsatz, worunter kurzgefaßt eine räumliche Kombination mehrerer Inertialsensoren verstanden wird, vorzugsweise eines Beschleunigungsmessers und eines Gyroskops, wodurch Rotation (Drehwinkel) und Translation (Beschleunigungen) erfaßbar sind (6-Achsen-IME). Bei einer solchen Inertialen Meßeinheit handelt es sich um ein im vorliegenden Fall besonders vorteilhaft einsetzbares Beispiel eines Sensors für positionsunabhängige Messungen. Die Verwendung von anderen geeigneten Typen von Sensoren ist ebenso möglich.
-
Nachfolgend werden die Begriffe „positionsunabhängiger Sensor“ und „Inertiale Meßeinheit (IME)“ teilweise synonym verwendet, wobei es sich bei der IME um eine lediglich bevorzugte Ausführungsform eines positionsunabhängigen Sensors handelt.
-
Durch die besondere Art der hier zum Einsatz kommenden Sensorik, insbesondere das bisher bei Bürostühlen noch nicht praktizierte Erfassen von Beschleunigungsdaten, lassen sich nicht nur bisher nicht erfaßbare Bewegungsdaten erfassen, sondern die Plazierung des Sensors im bzw. am Stuhl ist auf besonders einfache Art und Weise auch nicht mehr an eine bestimmte Stuhlkomponente geknüpft. Statt dessen ist irgendeine mechanische Verbindung der IME zu einer Stuhlkomponente ausreichend, wobei es sich bei dieser Stuhlkomponente nicht zwingend um eine bewegliche Komponente des Stuhls im Sinn eines Teils der Stuhlmechanik handeln muß. Die konkrete Anordnung des Sensors im oder am Stuhl beeinflußt das Meßergebnis nicht oder, jedenfalls hinsichtlich der sich voneinander hinreichend unterscheidenden, aus den Bewegungsdaten erhältlichen Bewegungsmuster des Stuhls in seiner Gesamtheit, nur unwesentlich.
-
Wesentlich für die Erfindung ist, daß der Sensor fest mit dem Stuhl verbaut ist. Mit anderen Worten ist eine mobile Sensorik, die zur lediglich zeitweisen, insbesondere wieder lösbaren Anbringung an dem Stuhl vorgesehen ist, nicht geeignet. Statt dessen ist eine feste, vorzugsweise unlösbare Verbindung von Sensor und Stuhl notwendig. Hinsichtlich der Plazierung des Sensors gibt es bevorzugte bzw. weniger bevorzugte Positionen im oder am Stuhl. Zum Erlangen besonders gut auswertbarer bzw. besonders klarer und eindeutiger Meßergebnisse ist vorzugsweise eine Plazierung des Sensors schräg im Raum, genauer gesagt schräg in Bezug auf eine oder mehrere Achsen des Stuhlkoordinatensystems von Vorteil. Insbesondere dann, wenn es um die Erfassung von Translationen (Beschleunigungswerten) geht, kann aus den gleichen Gründen eine Plazierung des Sensors genau auf einer dieser Raumachsen nachteilig sein; entsprechendes gilt bei der Erfassung von Drehwinkeln bei einer Plazierung des Sensors auf einer der Drehachsen des Stuhls.
-
Bei den charakteristischen Bewegungsmustern, die durch Auswertung der Bewegungsdaten des Stuhls erkennbar sind, handelt es sich insbesondere und vorzugsweise um Muster für folgende Bewegungen: Aufstehen des Benutzers von dem Stuhl, Hinsetzen des Benutzers auf den Stuhl, Drehen des Stuhls nach rechts oder links, Rollen des Stuhls auf dem Boden, Rollen auf dem Boden mit starker initialer Beschleunigung (z.B. nach einem seitlichen Stoß oder Tritt), Auslösen der Gasfeder (Höhenverstellung), Pendelbewegung des Sitzes und/oder der Rückenlehne (quer zu der Sitzlängsrichtung), Änderung der Sitzneigung, Änderung der Rückenlehnenneigung (Anlehnen an die Rückenlehne), Umkippen des Stuhls nach einer Seite, Fallen des Stuhls von einem erhöhten Punkt auf den Boden. Die Erkennung weiterer Bewegungsmuster ist möglich und liegt im Rahmen der Erfindung.
-
Erfindungsgemäß liefert der stuhleigene Sensor (IME) Bewegungsdaten an einen Empfänger, der entweder als stuhleigener oder als externer Empfänger ausgebildet sein kann. Vorzugsweise werden die empfangenen Daten anschließend aufgezeichnet, wobei vor dem Speichern erforderlichenfalls eine Verarbeitung der Daten und/oder eine Datenauswahl erfolgt. Besonders vorteilhaft ist es, wenn die Daten in einem stuhleigenen Datenspeicher aufgezeichnet werden. Dabei ist der Datenspeicher vorzugsweise derart ausgeführt, daß die gespeicherten Daten bei Bedarf einfach und jederzeit mit Hilfe eines geeigneten Lesegerätes und/oder mit Hilfe einer geeigneten kontaktlosen oder kontaktgebundenen Datenverbindung auslesbar sind.
-
Mit Hilfe der aufgezeichneten Daten läßt sich nicht nur das Sitzverhalten der Benutzer des Stuhls nachträglich auswerten. Die aufgezeichneten Daten können auch die gesamte Stuhlhistorie umfassen, wobei darunter die Bewegungshistorie des Stuhls zu verstehen ist. Es erfolgt erfindungsgemäß eine Erfassung der Belastung des Stuhls, wobei die erhaltenen bzw. verarbeiteten Daten Auskunft über den Stuhl geben, genauer gesagt darüber, wie der Stuhl behandelt wurde.
-
So kann beispielsweise ermittelt werden, wie oft die Gasfeder ausgelöst wurde oder wie oft ein Benutzer auf dem Stuhl Platz genommen hat. Anhand entsprechender Bewegungsmuster kann aber auch erkannt werden, ob und wie oft der Stuhl umgefallen oder umgestürzt ist, oder ob der Stuhl aus größerer Höhe auf den Boden gefallen ist, beispielsweise während eines Transports, während des Abladens von einem Lieferfahrzeug usw.
-
Die Auswertung der so erhaltenen Bewegungsdaten, vorzugsweise anhand charakteristischer Bewegungsmuster, dient vorzugsweise dem Zweck der Vandalismuserkennung und/oder der Reklamationsbearbeitung beim Stuhlhersteller oder Händler. Insbesondere kann aufgrund der ausgewerteten Daten ermittelt werden, ob eine bestimmte Beschädigung des Stuhls auf eine ordnungsgemäße Handhabung und Bedienung des Stuhls im Rahmen eines üblichen Gebrauches oder aber auf eine unsachgemäße Handhabung oder dergleichen zurückzuführen ist.
-
Optional können die erhaltenen Bewegungsdaten auch verwendet werden, um Auskunft über den Benutzer, genauer gesagt sein Sitzverhalten zu geben, insbesondere unter gesundheitlichen Gesichtspunkten und hinsichtlich einer verbesserten Sitzergonomie. Die Datenauswertung kann dann dafür verwendet werden, den Stuhlbenutzer zu informieren, z. B. über eine optimale, manuell vorzunehmende Stuhleinstellung. Anhand der Ergebnisse der Datenauswertung kann jedoch auch mit Hilfe geeigneter stuhleigener Verstellmittel (Aktoren) ein selbständiges Verstellen des Stuhls erfolgen, in Verbindung mit einer entsprechenden Ansteuerung der Verstellmittel durch Steuermittel, denen die ausgewerteten Daten zur Verfügung gestellt werden.
-
Die verwendete Inertiale Meßeinheit kann auch als 9-Achsen-IME ausgeführt sein und neben Beschleunigungssensoren und Drehratensensoren zusätzlich Magnetfeldsensoren aufweisen.
-
Weiterhin kann auch ein GNSS-Sensor zur Positionsbestimmung in der IME integriert sein. Während eine 6-Achsen- oder 9-Achsen-IME als zentraler Sensor des Stuhls dient, können weitere Sensoren, z. B. Temperatur- oder Drucksensoren, vorgesehen sein, um zusätzliche Informationen über die Stuhlhistorie zu sammeln. Diese weiteren Daten werden dann vorzugsweise gemeinsam mit den erfaßten Bewegungsdaten verwendet, um die Belastung des Stuhls während seiner Lebenszeit genauer zu beschreiben. Zusätzliche Bewegungsdaten des Stuhls können durch die Verwendung weiterer Inertialer Meßeinheiten gewonnen und für die gewünschten Zwecke verarbeitet werden. Insbesondere ist es möglich, zusätzlich zu der wenigstens einen IME, die zur Durchführung von bezüglich des Stuhls positionsunabhängigen Messungen vorgesehen ist, eine Anzahl weiterer IMEs für positionsabhängige, insbesondere stuhlkomponentenbezogene Messungen zu verwenden. Solche weiteren IMEs können beispielsweise an sich während des Betriebs des Stuhls bewegenden Stuhlkomponenten der Stuhlmechanik angebracht sein, wie insbesondere an Federelementen, dort vorteilhafterweise zur Erkennung der Neigung eines zur Federkrafteinstellung verwendeten Federelements, beispielsweise bei der Einstellung des Schwenkwiderstandes der Rückenlehne des Stuhls.
-
Insbesondere unter dem Gesichtspunkt der Verwendung der erhaltenen Daten zum Zweck der Vandalismuserkennung und/oder der Reklamationsbearbeitung erfolgt die Anbringung des Sensors und/oder der weiteren datenverarbeitenden bzw. datenspeichernden Komponenten des erfindungsgemäßen Systems in oder am Stuhl vorzugsweise derart, daß der Sensor bzw. die genannten Komponenten manipulationssicher und/oder vandalismussicher befestigt ist. Darüber hinaus können auch der Sensor bzw. die Komponenten selbst mit Hilfe geeigneter Maßnahmen zum Manipulationsschutz und/oder Vandalismusschutz ertüchtigt sein.
-
Ein Ausführungsbeispiel der Erfindung wird nachfolgend anhand der Zeichnungen näher erläutert. Hierbei zeigen:
- 1 einen Bürostuhl,
- 2 Komponenten des Stuhls,
- 3 Komponenten des Systems,
- 4 bis 13 verschiedene Bewegungsprofile.
-
Sämtliche Figuren zeigen die Erfindung nicht maßstabsgerecht, dabei lediglich schematisch und nur mit ihren wesentlichen Bestandteilen. Gleiche Bezugszeichen entsprechen dabei Elementen gleicher oder vergleichbarer Funktion.
-
Der beispielhaft beschriebene Bürostuhl 1 verfügt über einen Basisträger 2, der mittels einer Konusaufnahme 3 auf einer Stuhlsäule 4 des Stuhls 1 plazierbar ist. Die Stuhlsäule 4 ist mit einer Gasfeder zur Sitzhöhenverstellung ausgestattet und mit einem Fußkreuz 5 verbunden, welches mit Hilfe von Rollen 6 ein Verschieben des Stuhls 1 auf dem Boden 7 ermöglicht. Der Basisträger 2 ist mit einem Sitzträger 8 sowie einem Rückenlehnenträger 9 verbunden. Basisträger 2, Sitzträger 8 und Rückenlehnenträger 9 bilden gemeinsam eine Synchronmechanik, die für eine miteinander gekoppelte, eine bestimmte Relativbewegung von Sitz und Rückenlehne zueinander mit sich bringende Kinematik sorgen. Auf dem Sitzträger 8 ist der in aller Regel mit einer gepolsterten Sitzfläche versehene Sitz des Bürostuhls montiert. Der Rückenlehnenträger 9 trägt die Rückenlehne des Bürostuhls 1.
-
Anstelle einer solchen Synchronmechanik kann aber auch eine andere Mechanik verbaut sein, beispielsweise eine Wippmechanik, bei der der Rückenlehnenträger 9 starr mit dem Sitzträger 8, dem Sitz oder dem Rahmen des Stuhls 1 verbunden ist, so daß die so entstehende Kombination aus Sitzträger 8 und Rückenlehnenträger 9 um eine quer zu der Stuhllängsrichtung 11 verlaufende Schwenkachse nach hinten verschwenkbar ist, wenn sich der Benutzer des Stuhls an die Rückenlehne anlehnt. Zur weiteren Betrachtung sei ein Koordinatensystem des Stuhls 1 festgelegt, wobei die drei jeweils senkrecht aufeinander stehenden Koordinatenachsen wie folgt angeordnet sind: Die Z-Achse steht senkrecht zum Boden 7 und liegt auf der Vertikalachse 15 der Stuhlsäule 4. Die X-Achse liegt in Stuhllängsrichtung 11 in einer Ebene parallel zum Boden 7 und zeigt in Richtung Sitzvorderkante. Die Y-Achse liegt quer zu der Stuhllängsrichtung 11 in derselben Ebene wie die X-Achse. Der Ursprung des Koordinatensystems liegt auf der Höhe des unter Belastung zusammengedrückten Sitzpolsters. Aus Gründen der Klarheit ist in 1 dieses Stuhlkoordinatensystem X, Y, Z nach rechts verschoben abgebildet.
-
Der Stuhl 1 verfügt in dem hier illustrierten einfachen Beispiel über eine einzige stuhleigene Inertiale Meßeinheit (IME) 12. Mit Blick auf die gewünschten Meßergebnisse und deren Verwendung ist die IME vorzugsweise nicht bodennah, etwa im Bereich des Stuhlkreuzes 5, angebracht. Insbesondere dann, wenn auch Kipp- oder Sturzbewegungen des Stuhls 1 erfaßt und ausgewertet werden sollen, ist die IME 12 vorteilhafterweise ausreichend von dem Boden 7 beabstandet montiert. Die IME 12 ist im vorliegenden Fall in dem Sitz des Stuhls 1 integriert, genauer gesagt in einer beliebigen Schräglage in dem Sitzträger 8, d.h. nicht exakt auf einer der X-, Y- und Z-Achsen des Stuhlkoordinatensystems liegend. Das bedeutet, daß die IME 12 auf keiner der drei Dreh- bzw. Schwenkachsen des Stuhls 1 liegt. Insbesondere liegt die IME 12 nicht auf der senkrecht zum Boden 7 verlaufenden Vertikalachse 15 der Stuhlsäule 4, welche zugleich die Drehachse des Stuhls 1 für eine Rechts- oder Linksdrehung darstellt. Die IME 12 liegt auch auf keiner der beiden parallel zum Boden 7 verlaufenden horizontalen Schwenkachsen des Stuhls, nämlich weder auf der Schwenkachse 16 zur Neigung des Sitzes noch auf der Schwenkachse 17 zur Neigung der Rückenlehne, wobei diesen beiden Schwenkachsen 16, 17 wie im skizzierten Beispiel voneinander beabstandet oder aufeinanderliegend ausgeführt sein können. Gleichzeitig liegt die IME 12 nicht parallel zum Erdmagnetfeld. Statt dessen definiert die IME 12 durch ihre Lage im Raum ihr eigenes Sensorkoordinatensystem mit drei jeweils senkrecht aufeinander stehenden Koordinatenachsen X', Y' und Z '. Die Anordnung der IME 12 in dem Sitz des Stuhls 1, insbesondere in oder an dem Sitzträger 8 des Stuhls 1 stellt, insbesondere unter dem Gesichtspunkt einer ausreichend von dem Boden entfernten Positionierung des Sensors, eine besonders bevorzugte Ausführungsvariante der Erfindung dar. Mit Blick auf die für die Vandalismuserkennung bzw. Reklamationsbearbeitung wichtigen Bewegungsdaten des Stuhls 1 ist die Anordnung des Sensors in oder am Sitz des Stuhls 1 besonders vorteilhaft. Weder eine Anordnung des Sensors im Bereich des Stuhlkreuzes 5 noch eine Anordnung in oder an der Rückenlehne oder an dem Rückenlehnenträger 9 ermöglicht die klare und eindeutige Erfassung solcher Stuhl-Bewegungsmuster, die für die Vandalismuserkennung bzw. Reklamationsbearbeitung eine besonders wichtige Rolle spielen.
-
Bei der Inertialen Meßeinheit 12 handelt es sich um eine 6-Achsen-IME 12 mit drei aufeinander orthogonal stehenden Beschleunigungssensoren 13 (Translationssensoren) für die Erfassung der translatorischen Bewegung in der X '- bzw. Y ‚- bzw. Z‘-Achse sowie mit drei orthogonal zueinander angebrachten Drehratensensoren 14 (gyroskopische Sensoren) für die Erfassung rotierender Bewegungen in der X'- bzw. Y'- bzw. Z'-Achse. Anstelle einer solchen 6-Achsen-IME 12 kann auch eine 9-Achsen-IME verwendet werden, die zusätzlich ein Magnetometer enthält, mit Magnetfeldsensoren für die Erfassung des Magnetfeldes in der X'-, Y'- und Z'-Achse.
-
Die IME 12 stellt somit folgende Meßwerte zur Verfügung: Beschleunigungen 27 in der X'-, Y'- und Z'-Achse, erfaßt durch die Beschleunigungssensoren 13 der IME 12, angegeben in g (Erdbeschleunigung) ; Winkelgeschwindigkeiten 28 in der X'-, Y'- und Z'-Achse, erfaßt durch die Drehratensensoren 14 der IME 12, angegeben in °/s (Grad pro Sekunde); Drehwinkel 29 in der X'-, Y'- und Z'-Achse, berechnet aus den Daten der Drehratensensoren 14 der IME 12, angegeben in °(Grad).
-
Die Sensoren 13, 14 der IME 12 sind auf einer geeigneten Platine angebracht, auf der zugleich die für etwaige Berechnungen benötigten Schaltkreise vorgesehen sein können (nicht abgebildet). Zur Aufzeichnung der Bewegungsdaten verfügt der Stuhl über stuhleigene Speichermittel. Hierfür werden geeignete Speicherchips 18 verwendet, die mit den Sensoren 13, 14 verbunden und vorteilhafterweise ebenfalls auf der Platine der IME 12 angebracht sind. Statt einer solche integrierten Lösung einer IME-Datenspeicher-Kombination kann aber auch ein von der IME 12 getrennt im bzw. am Stuhl 1 angebrachter Datenspeicher vorgesehen sein.
-
Der Stuhl 1 verfügt darüber hinaus über stuhleigene Datenverarbeitungsmittel 19 zum Verarbeiten der Bewegungsdaten vor dem Speichern. Das Verarbeiten der Daten umfaßt beispielsweise eine mit Blick auf die spätere Verwendung der Bewegungsdaten vorteilhafte Vorverarbeitung und/oder eine Reduzierung der Datenmenge. Das Verarbeiten kann auch einen Auswahlschritt umfassen, so daß nur ausgewählte aber ansonsten unverarbeitete Daten gespeichert werden. Es können aber auch ausgewählte verarbeitete Daten oder aber sämtliche Daten (verarbeitet oder unverarbeitet) gespeichert werden. Bei den Datenverarbeitungsmitteln 19 handelt es sich beispielsweise um geeignete digitale Schaltkreise, die vorteilhafterweise mit den Speichermitteln 18 kombiniert sind und somit vorteilhafterweise ebenfalls auf der Platine der IME 12 angebracht sind, so daß sich eine integrierte IME-Datenverarbeitungs-/Datenspeicher-Kombination ergibt. Es kann jedoch auch eine von der IME 12 getrennte im bzw. am Stuhl 1 angebrachte Datenverarbeitungs-/ Datenspeicher-Kombination vorgesehen sein.
-
Darüber hinaus ist es besonders vorteilhaft, daß Sensoren 13, 14 und Datenspeicher 18 sowie Datenverarbeitungsmittel 19 mit besonders niedrigem Energieverbrauch einsetzbar sind. Eine verwendete IME-Datenspeicher-Kombination kann beispielsweise mit Hilfe einer im Stuhl 1 integrierten Batterie (nicht abgebildet) über einen Zeitraum von mehreren Jahren mit Strom versorgt werden und dabei Bewegungsdaten erfassen und aufzeichnen. Vorzugsweise dient die Erfindung zur Erfassung von Daten während der gesamten Lebensdauer des Stuhls 1.
-
Die derart erfaßten und gespeicherten Daten können anschließend unter Verwendung eines Auswertesystems 21 ausgewertet werden. Dabei können verschiedene Auswertesysteme zum Einsatz kommen, insbesondere auch Auswertesysteme, die zur Auswertung der Bewegungsdaten hinsichtlich des Benutzers, insbesondere hinsichtlich dessen Sitzhaltung usw. dienen bzw. zur Information des Benutzers bezüglich ergonomischer oder gesundheitlicher Aspekte.
-
Das hier beschriebene Auswertesystem 21 dient zur Auswertung der erfaßten Daten hinsichtlich des Stuhls 1, genauer gesagt hinsichtlich der Belastung des Stuhl 1 bzw. der Stuhlhistorie.
-
Entsprechend verfügt das System 21 über Empfangs- oder Auslesemittel 22, die zum Erhalten von Bewegungsdaten des Stuhls 1 ausgebildet sind, genauer gesagt zum Erhalten von mit Speichermitteln 18 des Stuhls 1 gespeicherten Daten, wobei es sich bei diesen Daten um die originalen Meßdaten (Bewegungsdaten) oder aber um bereits selektierte und/oder (vor)verarbeitete Daten handeln kann, also beispielsweise um Daten, die auf den ursprünglichen Bewegungsdaten beruhen. Als Empfangs- oder Auslesemittel 22 eignen sich beispielsweise kontaktlos oder kontaktgebunden an den Datenspeicher 18 anschließbare Datenempfänger, wie beispielsweise ein über eine Kommunikationsschnittstelle mit dem Stuhl 1 verbindbarer Computer 23.
-
Das System 21 umfaßt darüber hinaus Datenverarbeitungsmittel 24, die zum Auswerten der erhaltenen Daten zum Zweck der Vandalismuserkennung und/oder Reklamationsbearbeitung bezüglich des Stuhls 1 ausgebildet sind. Die Datenverarbeitungsmittel 24 können dabei als Hard- oder Software verwirklicht sind, beispielweise in Gestalt eines mit einem geeigneten Computerprogramm ausgestatteten Computers 23 mit einer Recheneinheit 24 zur Ausführung des Computerprogramms. Ein Auswerten der erhaltenen Daten bedeutet das Erkennen charakteristischer Bewegungsmuster des Stuhls 1 in seiner Gesamtheit, einschließlich der Erkennung von Schockereignissen, insbesondere betreffend die mechanische Belastung des Stuhls 1, wobei darunter insbesondere solche Bewegungen des Stuhls 1 verstanden werden, die auf kurzzeitige hohe Krafteinwirkungen zurückzuführen sind.
-
Das System 21 weist außerdem Ausgabemittel 25, 26 auf, die zum Ausgeben eines Ergebnisses der Datenauswertung ausgebildet sind. Dabei handelt es sich beispielsweise die dem Computer 23 eigenen Datenspeicher 25, um eine Ausgabe in Form von zu speichernden Daten zu realisieren, und/oder um den Bildschirm 26 des Computers 23, um eine bildhafte Ausgabe zur verwirklichen.
-
Die IME 12, mitsamt Speichermittel 18 und Datenverarbeitungsmittel 19 und gegebenenfalls Teilen der Kommunikationsschnittstelle zu dem Auswertesystem 21, ist im Inneren des Sitzträgers 8 derart befestigt und/oder so mit geeigneten Mitteln versehen, daß sie nicht manipuliert, insbesondere nicht entfernt oder ausgetauscht werden kann. In einem einfachen Fall kann die IME 12 derart in dem Sitzträger verbaut sein, beispielsweise nach Art einer Verkapselung, daß ein zerstörungsfreies Entfernen der IME 12 nicht mehr möglich ist. Die gewählten Manipulationsschutzmittel gewährleisten dabei jedoch die Austauschbarkeit der Batterie, falls dies notwendig sein sollte. Die Sicherungsmaßnahmen umfassen vorzugsweise einen Zugangsschutz für die IME 12 selbst und die auf der Platine der IME 12 angebrachten Bauteile, vorzugsweise in Gestalt einer kombinierten Aufnahme- und Befestigungskapsel (nicht abgebildet) , in der die IME 12 zugangssicher eingebracht ist und die unlösbar mit dem Sitzträger 8 verbunden ist.
-
Nachfolgend werden unter Bezugnahme auf die 4 bis 13 beispielhafte Bewegungsprofile beschrieben, die sich aus den mit der IME 12 erfaßten Bewegungsdaten ergeben. Die jeweiligen Bewegungsprofile werden anhand der erfaßten bzw. berechneten Daten zusammengestellt. Zur Vereinfachung wird dabei angenommen, daß die IME 12, anders als in 1 dargestellt, nicht schräg im Stuhl 1 angeordnet ist, sondern daß statt dessen das Sensorkoordinatensystem X', Y', Z' mit dem Stuhlkoordinatensystem X, Y, Z übereinstimmt.
-
Jedes Bewegungsprofil setzt sich aus drei Meßwertekategorien zusammen, nämlich den im oberen Feld angegebenen Beschleunigungswerten 27 („Acc“) für die X-, Y- und Z-Achse, den im mittleren Feld angegeben Werte der Winkelgeschwindigkeit 28 („Gyro“) für die X-, Y- und Z-Achse und den im unteren Feld angegebenen Winkelwerte 29 („Angle“) für die X-, Y- und Z-Achse. Die Meßwerte sind über die Zeit aufgetragen, wobei jeweils ein Zeitraum von 5 s dargestellt ist. Dabei sind die Werte für die X-Achse jeweils mit punktierter Linie, die Werte für die Y-Achse jeweils mit durchbrochener Linie und die Werte für die Z-Achse jeweils mit durchgezogener Linie dargestellt.
-
Ein erstes Bewegungsprofil 31 in 4 zeigt einen Vorgang, bei dem der Benutzer am Schreibtisch sitzt und der Stuhl 1 ruht (Ausgangsposition des Stuhls, beispielsweise parallel zu der Tischkante des Schreibtischs).
-
Ein zweites Bewegungsprofil 32 in 5 zeigt einen Vorgang, bei dem der Benutzer am Schreibtisch sitzt und den Stuhl 1 um 100° nach rechts dreht, beispielsweise um anschließend aufzustehen.
-
Ein drittes Bewegungsprofil 33 in 6 zeigt einen Vorgang, bei dem der Benutzer am Schreibtisch sitzt und den Stuhl 1 um 95° nach links dreht, beispielsweise um anschließend aufzustehen.
-
Ein viertes Bewegungsprofil 34 in 7 zeigt einen Vorgang, bei dem der Benutzer den Stuhl ca. 1 m in Stuhllängsrichtung 11 nach hinten rollt, beispielsweise von einem Schreibtisch wegrollt, um anschließend aufzustehen.
-
Ein fünftes Bewegungsprofil 35 in 8 zeigt einen Vorgang, bei dem der Benutzer mehrfach die Höhenauslösung auslöst und, unterstützt durch die Gasfeder, den Sitz entlang der Vertikalachse 15 hoch und runter fährt.
-
Ein sechstes Bewegungsprofil 36 in 9 zeigt einen Vorgang, bei dem der Benutzer, auf dem Stuhl 1 sitzend, mehrfach von links nach rechts, also quer zu der Stuhllängsrichtung 11, um jeweils ca. 50° pendelt.
-
Ein siebentes Bewegungsprofil 37 in 10 zeigt einen Vorgang, bei dem der Benutzer mehrfach die Sitzneigungsverstellung betätigt, bei gleichzeitig blockierter Rückenlehnenneigung.
-
Ein achtes Bewegungsprofil 38 in 11 zeigt einen Vorgang, bei dem der Benutzer mehrfach die Rückenlehnenneigungsverstellung betätigt, also die Rückenlehne in Stuhllängsrichtung 11 nach vorn und nach hinten verschwenkt.
-
Ein neuntes Bewegungsprofil 39 in 12 zeigt einen Vorgang, bei dem der Stuhl 1 aus einer Höhe von ca. 0,5 m auf den Boden 7 fällt.
-
Ein zehntes Bewegungsprofil 40 in 13 zeigt einen Vorgang, bei dem der Stuhl 1 um 90° um die X-Achse kippt und auf den Boden 7 fällt.
-
Die zur Auswertung der Daten vorgesehenen Datenverarbeitungsmittel 24 sind nun derart ausgebildet, daß sie diese Bewegungsprofile einer Mustererkennung unterwerfen, mit dem Ziel, in den Bewegungsprofilen charakteristische Bewegungsmuster des gesamten Stuhls 1 zu erkennen bzw. den Bewegungsprofilen solche erkannten Bewegungsmuster zuzuordnen.
-
Beispielsweise findet zu diesem Zweck ein Vergleich der Bewegungsprofile mit bestimmten, vorzugsweise vorab definierten und in einem Datenspeicher abgelegten Vergleichsprofilen statt. Hierfür umfassen die Datenverarbeitungsmittel 24 zur Mustererkennung geeignete Algorithmen. Werden charakteristische Bewegungsmuster des Stuhls erkannt, kann eine entsprechende Zählung, Auswertung etc. der jeweiligen Ereignisse erfolgen. Diese Ergebnisse können anschließend zum Zweck der Vandalismuserkennung und/oder Reklamationsbearbeitung einer Datenweiterverarbeitung außerhalb oder innerhalb des Auswertesystems 21 zugeführt werden.
-
Vorzugsweise ist während der Montage des Stuhls keine exakte Plazierung der IME 12, etwa ausgerichtet an den Achsen des Stuhlkoordinatensystems, erforderlich. Die IME 12 kann statt dessen „irgendwie“ schräg im Raum plaziert werden. Für die meisten zu erkennenden Bewegungsmuster spielt die Plazierung der IME 12 keine oder nur eine untergeordnete Rolle. Das bedeutet, daß unabhängig von der Sensorplazierung eine sichere Mustererkennung möglich ist. Bei anderen Bewegungsprofilen kann es zur Vereinfachung bzw. Optimierung des Vergleichsvorganges während des Erkennens der charakteristischen Bewegungsmuster von Vorteil sein, in einem vorausgehenden Normierungsschritt, beispielsweise unmittelbar nach der Messung oder auch erst unmittelbar vor der Auswertung, die realen Meßergebnisse der IME 12, die sich auf das Sensorkoordinatensystem X', Y', Z' beziehen, in Meßergebnisse umzurechnen, die sich auf das Stuhlkoordinatensystem X, Y, Z beziehen, um eine sichere Mustererkennung zu unterstützen.
-
Alle in der Beschreibung, den nachfolgenden Ansprüchen und der Zeichnung dargestellten Merkmale können sowohl einzeln als auch in beliebiger Kombination miteinander erfindungswesentlich sein.
-
Bezugszeichenliste
-
- 1
- Stuhl
- 2
- Basisträger
- 3
- Konusaufnahme
- 4
- Stuhlsäule
- 5
- Fußkreuz
- 6
- Rolle
- 7
- Boden
- 8
- Sitzträger
- 9
- Rückenlehnenträger
- 10
- (frei)
- 11
- Stuhllängsrichtung
- 12
- Inertiale Meßeinheit (IME)
- 13
- Beschleunigungssensoren
- 14
- Drehratensensoren
- 15
- Vertikalachse
- 16
- Schwenkachse des Sitzes
- 17
- Schwenkachse der Rückenlehne
- 18
- Datenspeicher
- 19
- Datenverarbeitungsmittel
- 20
- (frei)
- 21
- Auswertesystem
- 22
- Empfangs- oder Auslesemittel
- 23
- Computer
- 24
- Datenverarbeitungsmittel
- 25
- Ausgabemittel, Datenspeicher
- 26
- Ausgabemittel, Bildschirm
- 27
- Beschleunigung
- 28
- Winkelgeschwindigkeit
- 29
- Drehwinkel
- 30
- (frei)
- 31
- erstes Bewegungsprofil
- 32
- zweites Bewegungsprofil
- 33
- drittes Bewegungsprofil
- 34
- viertes Bewegungsprofil
- 35
- fünftes Bewegungsprofil
- 36
- sechstes Bewegungsprofil
- 37
- siebentes Bewegungsprofil
- 38
- achtes Bewegungsprofil
- 39
- neuntes Bewegungsprofil
- 40
- zehntes Bewegungsprofil