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Stand der Technik
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Eine häufige Ursache von Kurvenunfällen von motorisierten Zweirädern ohne Fremdbeteiligung stellt ein übermäßiges Über- oder Untersteuern des Fahrzeugs mit seitlichem Ausbrechen eines oder beider Räder dar. Diese Situationen werden hauptsächlich durch überhöhte Kurvengeschwindigkeiten, zu starkes Beschleunigen in Schräglage oder Änderungen des Reibwerts zwischen Reifen und Straße provoziert. Insbesondere im letztgenannten Fall kann ein abfallender und bereits nach einer kurzen Strecke wieder abrupt ansteigender Reibwert zu sogenannten „Highsidern“ mit einem Überschlag des Motorrads führen.
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Bei zweispurigen Fahrzeugen sind äußerst effektive Fahrdynamikregelungssysteme zur Verhinderung von übermäßigem Über- oder Untersteuern weit verbreitet. Das einseitige Bremsen als typische Eingriffsmöglichkeit in zweispurigen Fahrzeugen kommt bei Zweirädern bzw. Einspurfahrzeugen bauartbedingt nicht in Frage. Lediglich für den oben genannten Fall des zu starken Beschleunigens in Schräglage, was durch das durchrutschende Hinterrad ein Ausbrechen des Hecks zur Folge hat, sind Systeme zur Traktionskontrolle zunehmend verbreitet.
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Aus der
DE 10 2013 212 606 A1 ist ein Verfahren zur querdynamischen Stabilisierung eines einspurigen Kraftfahrzeugs während einer Kurvenfahrt bekannt, bei dem das Vorliegen eines in Fahrzeugquerrichtung instabilen Fahrzustandes detektiert wird und abhängig davon zur Stabilisierung des Kraftfahrzeugs wenigstens eine Düse angesteuert wird, durch welche ein Medium senkrecht zur Radebene eines Fahrzeugs austritt. Die Merkmale der Oberbegriffe der unabhängigen Ansprüche sind der der
DE 10 2013 212 606 A1 entnommen.
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Offenbarung der Erfindung
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Die Erfindung betrifft ein Verfahren zur querdynamischen Stabilisierung eines einspurigen Kraftfahrzeugs während einer Kurvenfahrt, wobei das Kraftfahrzeug auf der linken Fahrzeugseite wenigstens eine erste Düse enthält, durch welche ein in einer Druckspeicheranordnung befindliches Medium mit einer in die Außenrichtung der linken Fahrzeugseite gerichteten Geschwindigkeitskomponente in die Kraftfahrzeugumgebung entweichen kann und auf der rechten Fahrzeugseite wenigstens eine zweite Düse enthält, durch welche das in der Druckspeicheranordnung befindliche Medium mit einer in die Außenrichtung der rechten Fahrzeugseite gerichteten Geschwindigkeitskomponente in die Kraftfahrzeugumgebung entweichen kann
- - bei dem ein Vorliegen eines in Fahrzeugquerrichtung instabilen Fahrzustandes detektiert wird und
- - abhängig davon zur Stabilisierung des Kraftfahrzeugs das Medium an nur einer Fahrzeugseite mittels einer Aktuatorik durch die wenigstens eine an dieser Fahrzeugseite angebrachte Düse zum Entweichen gebracht wird,
dadurch gekennzeichnet, dass die Druckspeicheranordnung wenigstens zwei Druckspeicher umfasst, deren Ausgänge in eine gemeinsame Verteileinheit münden, welche wiederum über die erste Düse und die zweite Düse jeweils in die Fahrzeugumgebung mündet, wobei zwischen der Verteileinheit und der ersten Düse und sowie zwischen der Verteileinheit und der zweiten Düse jeweils ein für das Medium undurchlässiges Abdichtungselement angebracht ist, welches ein Entweichen des Mediums in die Fahrzeugumgebung verhindert und wobei bei Vorliegen eines in Fahrzeugquerrichtung instabilen Fahrzustandes eines der Abdichtungselemente geöffnet wird und das andere Abdichtungselement im undurchlässigen Zustand verbleibt. Die Verwendung wenigstens zweier Druckspeicher gegenüber einem größeren Druckspeicher ermöglicht eine einfachere und flexiblere Unterbringung in dem zur Verbauung vorgesehenen Raum am Fahrzeug.
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Eine vorteilhafte Ausgestaltung der Erfindung ist dadurch gekennzeichnet, dass es sich bei den Abdichtungselementen um Berstscheiben handelt. Die Berstscheiben bieten den Vorteil der Dauerdichtheit sowie niedriger Kosten.
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Eine vorteilhafte Ausgestaltung der Erfindung ist dadurch gekennzeichnet, dass die Öffnung der Berstscheiben jeweils mittels der Aktivierung eines pyrotechnischen Elements erfolgt.
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Eine vorteilhafte Ausgestaltung der Erfindung ist dadurch gekennzeichnet, dass es sich bei den Abdichtungselementen um elektrisch angesteuerte Ventile handelt.
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Eine vorteilhafte Ausgestaltung der Erfindung ist dadurch gekennzeichnet, dass zwischen den beiden Druckspeichern und der Verteileinheit jeweils eine Berstscheibe angeordnet ist.
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Eine vorteilhafte Ausgestaltung der Erfindung ist dadurch gekennzeichnet, dass es sich bei dem instabilen Fahrzustand um ein Über- oder Untersteuern oder ein seitliches Wegrutschen beider Räder des Kraftfahrzeugs handelt.
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Eine vorteilhafte Ausgestaltung der Erfindung ist dadurch gekennzeichnet, dass es sich bei dem im Druckspeicher enthaltenen Medium um ein Gas oder eine Flüssigkeit handelt.
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Weiter umfasst die Erfindung eine Vorrichtung, enthaltend Mittel, die zur Durchführung der erfindungsgemäßen Verfahren ausgestaltet sind. Dabei handelt es sich insbesondere um ein Steuergerät, welches mit dem Programmcode zur Durchführung der erfindungsgemäßen Verfahren ausgestattet ist.
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Die Zeichnung umfasst die 1 bis 5.
- 1 zeigt ein erstes Ausführungsbeispiel mit zwei Tanks bzw. Druckbehältern.
- 2 zeigt ein zweites Ausführungsbeispiel mit zwei Tanks bzw. Druckbehältern.
- 3 zeigt die Vorderansicht eines Motorrads mit zwei Druckbehältern.
- 4 zeigt die Vorderansicht eines Motorrads mit vier Druckbehältern.
- 5 zeigt die schematische Seitenansicht eines Motorrads, in welcher wesentliche Komponenten eingezeichnet sind, mit der Anbringung der Stabilisierungseinheit am Kühler.
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Die vorliegende Erfindung eignet sich für die sichere Bewältigung von Fahrsituationen eines einspurigen Kraftfahrzeugs, z.B. eines Motorrads, bei denen die Räder auszubrechen drohen. Diese Fahrsituationen können mittels Sensoren erkannt werden, worauf am Motorrad angebrachte Düsen angesteuert werden. Aus diesen Düsen werden Gase ausgestoßen, welche durch den Rückstoß Querkräfte auf das Fahrzeug, z.B. auf Rahmen, Karosserie oder Motorblock, einleiten, so dass das seitliche Ausbrechen von Rädern verhindert wird.
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Zur Erkennung von Situationen mit übermäßigem Über- oder Untersteuern bzw. instabilem Fahrzustand werden beispielsweise ein Cluster aus Inertialsensoren sowie ein Lenkwinkelsensor benutzt. Die benötigten Inertialsensoren, welche insbesondere die Drehraten des Motorrads um die drei Raumrichtungen sowie gegebenenfalls zusätzlich die auftretenden Beschleunigungen in die drei Raumrichtungen ermitteln, sind in modernen Motorrädern teilweise bereits verfügbar. Durch am Fahrzeug eingebaute Düsen, deren Öffnungen quer zur Fahrtrichtung weisen, wird eine Möglichkeit geschaffen, mittels einer ausströmenden Stützmasse über das Rückstoßprinzip zusätzliche Querkräfte in das Fahrwerk einzuleiten und damit ein seitliches Ausbrechen der Räder zu verhindern. Es hat sich herausgestellt, dass der Medienbehälter bzw. Druckspeicher insbesondere am Rahmen bzw. an der gefederten Masse des Motorrads angebracht werden sollte. Dadurch erhöht sich das Gewicht der ungefederten Massen nicht und die Fahrdynamik wird entsprechend weniger beeinflusst. Die Unterbringung des Systems, z.B. eine Integration im Bereich des Motors, ist auch technisch einfach zu realisieren und optisch wenig störend. Der Austritt des Mediums erfolgt bei Anbringung der Düsen unterhalb der Schwerpunktshöhe in kurvenäußere Richtung, so dass ausbrechende Räder durch den Rückstoß in die kurveninnere Richtung gedrückt werden. Sind die Düsen oberhalb des Schwerpunkts angebracht, erfolgt der Austritt des Mediums in Richtung der Kurveninnenseite, so dass bei seitlich wegrutschendenden Rädern ein Kippen zur Kurveninnenseite vermieden wird.
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Am Rahmen des Motorrads sind jeweils rechts und links Düsen angebracht, deren Austrittsöffnungen im Wesentlichen in die Querrichtung des Motorrads weisen. Diese Düsen werden entsprechend der berechneten erforderlichen Kraft angesteuert. Je größer die erforderliche Kraft ist, desto größer muss auch der Massenfluss des aus den Düsenöffnungen austretenden Mediums sein. Man erhält bei angenommener konstanter Austrittsgeschwindigkeit des austretenden Mediums v_medium für den vom Steuergerät berechneten Kraftverlauf F(t) den Kraftstoß Δp = jF(t)dt = v_medium· Δm in Querrichtung zu den Radachsen, wobei Δm die durch die Düsenöffnungen ausgetretene Masse kennzeichnet. Durch diese Maßnahme wird dem seitlichen Wegrutschen des Motorrads entgegengewirkt. Nehmen die Schräglaufwinkel wieder unkritische Werte an, dann wird die Aktivität der Düsen wieder eingestellt.
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Bei unterhalb des Schwerpunkts angebrachten Düsen gilt folgendes: Durch das Ausströmen des Mediums in die Querrichtung des Fahrzeugsystems in Richtung der Kurvenaußenseite bei schneller Kurvenfahrt, d.h. mit deutlicher Schräglage, erhält man im Straßensystem eine Querkraftkomponente und zusätzlich eine Erhöhung der Radaufstandskraft, welche die Reibung zwischen Reifen und Straße erhöht. Es ist auch denkbar, die Austrittsrichtung durch Drehen der Düsen aktiv schräglagenabhängig zu gestalten, so dass im Straßensystem entweder nur eine Querkraftkomponente vorhanden ist oder nur eine Erhöhung der Radaufstandskraft. Dabei wird stets nur die in kurvenäußere Richtung weisende Düse durchströmt, so dass ausbrechende Räder in die kurveninnere Richtung gedrückt werden.
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Es ist auch denkbar, die Düsen oberhalb des Schwerpunkts anzubringen, dann erfolgt der Austritt des Mediums in Richtung der Kurveninnenseite, d.h. nur die kurveninnenseitige Düse wird angesteuert bzw. geöffnet. Dadurch wird bei seitlich wegrutschenden Rädern ein Kippen des Motorrads zur Kurveninnenseite vermieden.
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Das Medium entströmt nach dem Austritt durch die Düsen in die freie Umgebung.
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Eine Vereinfachung des Systems ist gegeben, wenn ein ungeregeltes Ausströmen der gesamten zur Verfügung stehenden Stützmasse erfolgt. Dies hat sich bei Simulationen in vielen Fahrsituationen als geeignet erwiesen. Dabei wird neben den Massebehältern und der Verteileinheit lediglich ein Ventil zur Ansteuerung entweder der linken oder der rechten Düse benötigt. Hierzu reicht ein einmaliges Öffnen des Ventils. Die Stützmasse darf bei einem ungeregelten Ausströmen allerdings nicht zu groß sein, um ein Überschwingen des Motorrads zu vermeiden. Anstelle des Ventils bzw. der Ventile können auch eine Berstscheibe bzw. Berstscheiben verwendet werden, welche mittels Pyrotechnik zum Bersten gebracht werden.
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Für die Versorgung der Düsen mit Stützmasse bieten sich austretende Gase aus im Motorrad verbauten Behältnissen an, welche z.B. mit Kohlendioxid, Stickstoff, Helium, Argon oder Druckluft befüllt sind, die sich in am Motorrad verbauten Druckbehältern befinden. Anstelle von Gasen können auch komprimierte Flüssigkeiten wie z.B. komprimiertes Wasser verwendet werden.
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Der Kern des Rückstoßaktuators ist eine Druckspeichereinheit bzw. Hochdruckspeichereinheit, bestehend aus zwei oder mehr Tanks bzw. Druckspeichern, welche den für einen singulären Stabilisierungseingriff benötigten Kraftimpuls speichern. Das Speichermedium ist ein Gas oder auch eine Flüssigkeit. Es ist auch ein Hybridspeicher, welcher anteilig Gas und Flüssigkeit unter hohem Druck speichert, denkbar. Die Dauerdichtheit der Druckspeichereinheit kann durch die Verwendung von Berstscheiben sichergestellt werden. Zur Verringerung des Gewichts können die Druckspeicher aus einem Faserverbundmaterial hergestellt sein.
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Die 1 und 2 zeigen zwei mögliche Anordnungen bestehend aus zwei Tanks 101. In 1 sind beide Tanks durch Berstscheiben 102 abgeschlossen bzw. abgedichtet, so dass in beiden Tanks ein unter Druck stehendes Medium eingesperrt bleibt. Im Falle einer vom Steuergerät angeforderten Rückstoßkraft werden die Berstscheiben zu Bruch gebracht, das kann z.B. durch die Aktivierung eines pyrotechnischen Elements erfolgen. Damit können die Medien der Tanks in die Verteileinheit 104 strömen, welche an beiden Seiten durch Ventile 103 gegen die Fahrzeugumgebung abgeschlossen ist. Die Vorrichtung ist dabei an dem Fahrzeug so angeordnet, dass sich auf jeder Fahrzeugseite ein Ventil befindet. Nun wird durch eine elektrische Ansteuerung dasjenige der beiden Ventile 103 geöffnet, auf dessen Fahrzeugseite ein Kraftstoß durch die Düsen 106 auf das Fahrzeug einwirken soll. Öffnet eines der Ventile 103 nur einmalig, dann entweicht das gesamte Medium ungehindert über einen kurzen Zeitraum. In diesem Fall ist der zeitliche Verlauf der Rückstoßkraft ungeregelt. Ist das Ventil 103 jedoch so ausgestaltet, dass es im Millisekundentakt öffnen und schließen kann oder kann die Größe des Ventilquerschnitts eingestellt werden, dann kann vom Steuergerät das Ventil derart angesteuert werden, dass sich eine geregelte Rückstoßkraft ergibt. Anstelle der Berstscheiben 102 können auch dauerdichte Ventile eingesetzt werden.
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2 zeigt eine Ausführungsform, bei der sowohl die Drucktanks 101 als auch die Verteileinheit 104 unter Druck stehen. Die Abdichtung erfolgt über Berstscheiben 105 an den Austrittsdüsen. Fordert das Steuergerät eine einseitige Rückstoßkraft zur Stabilisierung des Motorrads an, dann wird auf der entsprechenden Seite die Berstscheibe 105 zu Bruch gebracht. Anstelle der Berstscheiben 105 können auch dauerdichte Ventile eingesetzt werden. Öffnet eines dieser Ventile nur einmalig, dann entweicht das gesamte Medium durch die Düsen 106 ungehindert über einen kurzen Zeitraum. In diesem Fall ist der zeitliche Verlauf der Rückstoßkraft ungeregelt. Ist das Ventil jedoch so ausgestaltet, dass es im Millisekundentakt öffnen und schließen kann oder kann die Größe des Ventilquerschnitts eingestellt werden, dann kann vom Steuergerät das Ventil derart angesteuert werden, dass sich eine geregelte Rückstoßkraft ergibt.
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Die Integration des Aktuators am Motorrad ist abhängig von der Bauart des Motorrads. Damit auf das Motorrad eine der Rückstoßkraft entsprechende Querkraft wirkt, ist der Aktuator fest an der gefederten Masse wie z.B. dem Motorblock mit entsprechender Ausrichtung der Austrittsdüsen anzubringen.
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3 zeigt die Vorderansicht eines Motorrads mit dem Vorderrad 304. Die beiden Druckbehälter 301 befinden sich vorne rechts und links an den gefederten Massen, z.B. am Motorblock. Die Austrittsdüsen links und rechts sind mit 303 bezeichnet. In Versuchen hat sich eine Anordnung der Austrittsdüsen möglichst weit unter dem Schwerpunkt als vorteilhaft erwiesen.
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4 zeigt eine analoge Anordnung wie 3 mit denselben Bezugsziffern, jedoch sind vier Druckbehälter 301 vorhanden. Im Falle von vier Druckbehältern bietet sich eine Verbauung vor dem Kühler an.
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In 5 ist die Seitenansicht eines Motorrads dargestellt. Dabei kennzeichnet 501 eine im oder am Motorrad verbaute Inertialsensorik. 502 kennzeichnet ein Steuergerät, in welchem beispielsweise die Algorithmen zur Situationserkennung sowie zur Berechnung der Düseneingriffe ablaufen. 503 kennzeichnet einen Lenkwinkelsensor. 504 kennzeichnet einen Massenspeicher sowie die Aktuatorik für die Düsenansteuerung, 505 kennzeichnet die Düse an einer Seite des Motorrads.
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ZITATE ENTHALTEN IN DER BESCHREIBUNG
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Zitierte Patentliteratur
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- DE 102013212606 A1 [0003]