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Die vorliegende Erfindung betrifft ein Rückhaltesystem und ein Verfahren zur Ansteuerung eines Rückhaltesystems in einem Fahrzeug mit den Merkmalen einer der Oberbegriffe der Ansprüche 1 oder 7.
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Rückhaltesysteme dienen dazu, den Insassen im Unfall zurückzuhalten und dadurch zu verhindern, dass er auf die innere Fahrzeugstruktur aufprallt, wodurch die Schwere von möglichen Verletzungen möglichst verringert werden soll oder Verletzungen nach Möglichkeit überhaupt vermieden werden sollen. Zu den Rückhaltesystemen gehören z.B. fahrzeugfest befestigte Sicherheitsgurte, Airbags in verschiedenen Bereichen der inneren Fahrzeugstruktur oder der Fahrzeugsitze und bewegbare Teile des Fahrzeugsitzes. Dabei können die Sicherheitsgurte und die bewegbaren Teile des Sitzes zusätzlich mit Kraftbegrenzungseinrichtungen versehen sein, welche eine kraftbegrenzte Bewegung zur Begrenzung der Insassenbelastung während der Rückhaltung ermöglichen. Die Kraftbegrenzungseinrichtungen können dabei wiederum für ein konstantes Kraftbegrenzungsniveau oder auch für eine progressive oder degressive Kraftbegrenzungscharakteristik ausgelegt sein. Ferner können die Sicherheitsgurteinrichtungen zusätzlich mit reversiblen und/oder irreversiblen Gurtstraffern ausgestattet sein. Die Airbags werden in der Form und in der Entfaltungscharakteristik wiederum auf den zu erwartenden Bewegungsablauf des Insassen bzw. auf die abzudeckende Struktur angepasst. Außerdem ist es bekannt, die Rückenlehne in einer detektierten Vor-Unfallphase durch eine Antriebseinrichtung aus einer zurückgeneigten Stellung in eine aufrechte Stellung zu verfahren. Insgesamt wird das Rückhaltesystem so ausgelegt, dass schwerere Verletzungen nach Möglichkeit vermieden werden, indem die für den Insassen zur Verfügung stehenden Vorverlagerungswege möglichst optimal ausgenutzt werden. Dazu werden die Sichergurteinrichtungen, die Airbags und die Kraftbegrenzungseinrichtungen im Sitz in dem Zeitpunkt der Aktivierung und in der Charakteristik während der Aktivierung bzw. der Entfaltung so aufeinander abgestimmt, dass der Insasse möglichst optimal, also ohne Verletzungen und einer möglichst geringen Insassenbelastung, aufgefangen wird.
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So ist aus der
US 2013 / 0 038 098 A1 z.B. ein Sitzgestell mit einer Kraftbegrenzungseinrichtung bekannt.
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Aus der
WO 97 / 28 982 A1 ist ferner ein Fahrzeugsitz mit einer Kraftbegrenzungseinrichtung bekannt, welche im Unfall ein Eintauchen des Fahrzeugsitzes zur Vergrößerung der Kopffreiheit ermöglicht.
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Aus der
US 2006 / 0 220 426 A1 ist ein weiterer Fahrzeugsitz mit einer Einrichtung zum Neigen der Rückenlehne in eine abgesenkte Stellung bekannt, durch welche ebenfalls die Kopffreiheit in einem Roll-over Crash vergrößert werden soll.
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Ferner ist aus der
DE 23 07 366 A ein Fahrzeugsitz mit einem Drehenergiewandler zwischen einem Lehnenteil und einem Sitzteil und einem Linearenergiewandler zwischen dem Sitzteil und der Fahrzeugstruktur bekannt, welche verschiedene kraftbegrenzte Bewegungen des Lehnenteils zu dem Sitzteil und des gesamten Sitzes zu der Fahrzeugstruktur ermöglichen sollen.
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Die
DE 44 15 467 C1 offenbart eine Sicherheitseinrichtung für ein Kraftfahrzeug mit einem Fahrzeugsitz, welcher bei einem Aufprall des Fahrzeuges gegen die Aufprallrichtung zwangsbewegt wird. Um bei einem Aufprall eine zuverlässige Bewegungskopplung von Fahrzeugsitz und darauf angegurtetem Insassen sicherstellen zu können, ist eine Gurtstrafferanordnung zur Straffung des Dreipunktgurtes vorgesehen.
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Aus der
DE 197 31 689 A1 ist eine Vorrichtung zum Aufrollen eines Sicherheitsgurtes bekannt, wobei eine Wickelwelle für das Gurtband über ein Getriebe derart mit einem Elektromotor gekoppelt ist, dass bei unterschiedlichen Getriebeschaltstellungen eine Gurtbandbegrenzung, eine Gurtstraffung oder eine Erhöhung des Tragekomforts für den Gurt erreicht werden.
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Die
DE 199 38 940 A1 offenbart ein Fahrzeuginsassenschutzsystem mit einem Sitz, der an einer Fahrzeugkarosserie derart angebracht ist, dass er in Richtung einer durch einen Aufprall des Fahrzeugs einwirkenden Aufprallkraft verschiebbar ist. Dabei ist ein Element vorgesehen, welches sich im Falle eines Aufpralls plastisch verformt, während es die Trägheitskraft des Sitzes aufnimmt.
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Ferner offenbart die
US 2007 / 0 107 969 A1 ein Rückhaltesystem für einen Passagier in einem Kraftfahrzeug. Dabei wird der Sitz im Falle eines Überschlags nach hinten verschoben, um den Abstand zwischen dem Insassen und der Decke beziehungsweise der Windschutzscheibe zu vergrößern und somit ein Anschlagen des Kopfes bei einem Fahrzeugüberschlag zu vermeiden.
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Die genannten Rückhaltesysteme können für unterschiedliche Fahrzeugtypen und Sitztypen, wie z.B. Vordersitze oder Rücksitze individuell ausgelegt werden. Dabei können sowohl fahrzeugspezifische, crash-spezifische und auch insassenspezifische Merkmale zur Auslegung des Rückhaltesystems Berücksichtigung finden.
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In modernen Fahrzeugen insbesondere in autonom fahrenden Fahrzeugen steigen die Anforderungen der Fahrzeughersteller, dem Insassen aufgrund der durch die Entlastung der Insassen durch die Fahrerassistenzsysteme bzw. durch die autonome Fahrfunktion gewonnenen Freiheiten einen größeren Bewegungsfreiraum zu bieten. Dabei soll sich insbesondere auch der Fahrer während des Fahrens in eine Ruhelage mit einer erheblich vergrößerten Beinfreiheit und einer extrem zurückgeneigten Rückenlehne begeben können. Dazu werden die Fahrzeugsitze selbst und in ihrer Befestigung am Fahrzeug für einen wesentlich größeren Verstellbereich und sehr viel unterschiedlichere Sitzstellungen ausgelegt. Dieser vergrößerte Verstellbereich und die dadurch ermöglichten sehr unterschiedlichen Sitzstellungen stellen jedoch erhebliche Probleme zur Auslegung des Rückhaltesystems für den auf dem Fahrzeugsitz sitzenden oder liegenden Insassen dar.
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Aufgabe der Erfindung ist es, ein Rückhaltesystem und ein Verfahren bereitzustellen, welches eine verbesserte Rückhaltung für auf einem Fahrzeugsitz mit einem vergrößerten Verstellbereich sitzenden oder liegenden Insassen ermöglicht.
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Erfindungsgemäß werden zur Lösung der Aufgabe ein Rückhaltesystem mit den Merkmalen von Anspruch 1 und ein Verfahren mit den Merkmalen von Anspruch 7 vorgeschlagen. Weitere bevorzugte Weiterentwicklungen der Erfindung sind den zurückbezogenen Unteransprüchen, den Figuren und der zugehörigen Beschreibung zu entnehmen.
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Zur Lösung der Aufgabe wird ein Rückhaltesystems für einen auf einem Fahrzeugsitz eines Kraftfahrzeuges sitzenden oder liegenden Insassen vorgeschlagen, wobei zwischen einer Fahrzeugstruktur des Kraftfahrzeuges und dem Fahrzeugsitz eine erste Kraftbegrenzungseinrichtung vorgesehen ist, welche eine kraftbegrenzte Längsbewegung des Fahrzeugsitzes gegenüber der Fahrzeugstruktur ermöglicht, wobei eine Sicherheitsgurteinrichtung mit einer einen kraftbegrenzten Gurtbandauszug ermöglichenden zweiten Kraftbegrenzungseinrichtung vorgesehen ist, und das Kraftbegrenzungsniveau der ersten Kraftbegrenzungseinrichtung niedriger als das Kraftbegrenzungsniveau der zweiten Kraftbegrenzungseinrichtung ist, und die zweite Kraftbegrenzungseinrichtung eine stufenweise degressive Kraftbegrenzungscharakteristik aufweist, und eine den Insassen frontal auffangende Airbageinrichtung vorgesehen ist, und das Kraftbegrenzungsniveau der zweiten Kraftbegrenzungseinrichtung von einem hohen auf ein niedriges Kraftbegrenzungsniveau gesenkt wird, wenn die Airbageinrichtung aktiviert wird.
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Der Vorteil des vorgeschlagenen Rückhaltesystems ist darin zu sehen, dass die verschobene Sitzstellung zusätzlich zur Reduzierung der Insassenbelastung genutzt wird, indem der Fahrzeugsitz zuerst unter Aktvierung der ersten Kraftbegrenzungseinrichtung auf dem niedrigeren Kraftbegrenzungsniveau verschoben wird. Dadurch wird der Fahrzeugsitz unter Aktivierung der ersten Kraftbegrenzungseinrichtung zurück in Richtung der Normalstellung verschoben, während die zweite Kraftbegrenzungseinrichtung aufgrund des höheren Kraftbegrenzungsniveaus bewusst noch nicht aktiviert wird. Dies wird hier allein durch die unterschiedlichen Kraftbegrenzungsniveaus realisiert, da in der Belastungskette immer zuerst das schwächere Glied, in diesem Fall die erste Kraftbegrenzungseinrichtung, aktiviert wird. Dabei können bevorzugt rein mechanische Kraftbegrenzungseinrichtungen verwendet werden, welche bei einem Überschreiten ihrer durch ihre Auslegung selbst definierten Kraftbegrenzungsniveaus selbsttätig aktiviert werden.
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Dabei wird die Insassenbelastung weiter gesenkt, indem die zweite Kraftbegrenzungseinrichtung eine stufenweise degressive Kraftbegrenzungscharakteristik aufweist. Die zweite Kraftbegrenzungseinrichtung wird dann nach der ersten Kraftbegrenzungseinrichtung erst dann aktiviert, wenn das höhere Kraftbegrenzungsniveau der zweiten Kraftbegrenzungseinrichtung am Anfang überstiegen wird, während das Kraftbegrenzungsniveau und die damit verbundene Insassenbelastung aufgrund der degressiven Kraftbegrenzungscharakteristik anschließend abnimmt.
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Dabei wird weiter vorgeschlagen, dass zusätzlich eine den Insassen frontal auffangende Airbageinrichtung vorgesehen ist, und das Kraftbegrenzungsniveau der zweiten Kraftbegrenzungseinrichtung von einem hohen auf ein niedriges Kraftbegrenzungsniveau gesenkt wird, wenn die Airbageinrichtung aktiviert wird. Die Airbageinrichtung übernimmt bei ihrer Aktivierung eine zusätzliche Schutzfunktion für den Insassen, durch welche die Reduzierung des Kraftbegrenzungsniveaus, also der Rückhaltekraft der Sicherheitsgurteinrichtung, gerechtfertigt ist.
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Dabei kann das niedrige Kraftbegrenzungsniveau der zweiten Kraftbegrenzungseinrichtung bevorzugt kleiner als das Kraftbegrenzungsniveau der ersten Kraftbegrenzungseinrichtung sein, so dass der Insasse besonders weich aufgefangen wird.
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Dabei kann die Aktivierung der ersten Kraftbegrenzungseinrichtung bevorzugt durch einen die Bewegung des Fahrzeugsitzes zu der Fahrzeugstruktur begrenzenden Anschlag begrenzt sein, so dass die durch die erste Kraftbegrenzungseinrichtung ermöglichte Relativbewegung des Fahrzeugsitzes mit dem darauf sitzenden Insassen ebenfalls begrenzt ist und verhindert wird, dass der Insasse bei sehr schweren Unfällen unter Wirkung des niedrigen Kraftbegrenzungsniveaus der ersten Kraftbegrenzungseinrichtung auf die innere Fahrzeugstruktur aufprallt. Ferner wird die erste Kraftbegrenzungseinrichtung durch den Anschlag praktisch deaktiviert, und die Rückhaltekraft steigt sprungartig an, so dass das höhere Kraftbegrenzungsniveau der zweiten Kraftbegrenzungseinrichtung zur Aktivierung derselben überstiegen wird.
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Dabei kann der Anschlag weiter derart positioniert sein, dass die durch die erste Kraftbegrenzungseinrichtung ermöglichte Bewegung des Fahrzeugsitzes gegenüber der Fahrzeugstruktur bis zu einem Erreichen einer Normalstellung des Fahrzeugsitzes begrenzt ist. Die Normalstellung entspricht dabei der normalen Sitzstellung, in welcher der Insasse sitzen würde, wenn er das Fahrzeug im herkömmlichen Sinne aktiv fahren würde ohne eine Aktivierung der autonomen Fahrfunktion. Damit wird die erste Kraftbegrenzungseinrichtung während der Bewegung des Fahrzeugsitzes aus der verschobenen Stellung bis zum Erreichen der Normalstellung aktiviert, während der Insasse ab dem Erreichen der Normalstellung allein durch die Sicherheitsgurteinrichtung unter Wirkung der zweiten Kraftbegrenzungseinrichtung und durch die Airbageinrichtung(en) zurückgehalten wird.
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Weiter wird vorgeschlagen, dass eine Einrichtung zum Verschwenken einer Rückenlehne aus einer zurück geneigten Stellung in eine aufrechte Normalstellung vorgesehen ist, welche vor der Aktivierung der ersten Kraftbegrenzungseinrichtung aktiviert wird. Durch die vorgeschlagene Weiterentwicklung kann der Fall, dass der Insasse die Rückenlehne in eine sehr weit zurückgeneigte, liegeähnliche Stellung zurückgeneigt hat, kompensiert werden, indem die Rückenlehne und damit der Oberkörper in einer Frühphase unmittelbar vor dem Beginn eines möglichen Unfalls oder in einer Anfangsphase eines Unfalls vor der Aktivierung der Kraftbegrenzungseinrichtungen in die Normalstellung aufgerichtet wird. Der Insasse wird damit zusammen mit der Rückenlehne zuerst in eine für die Rückhaltung optimierte Ausrichtung bewegt, bevor die eigentliche kraftbegrenzte Rückhaltung des Insassen beginnt. Damit können unkontrollierte Bewegungen des Insassen wie z.B. das Submarining, also das Durchtauchen unter dem Sicherheitsgurt, verhindert und die Rückhaltung unter kontrollierten Bedingungen mit einer zumindest in der Grundhaltung definierten Haltung des Insassen verwirklicht werden.
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Weiter wird vorgeschlagen, dass die Sicherheitsgurteinrichtung sitzintegriert ist. Damit wird die Sitzgurteinrichtung bevorzugt zusammen mit dem Sitz verschoben und die Sicherheitsgurteinrichtung bzw. der Sicherheitsgurt weist eine von der Sitzstellung unabhängige Geometrie zu dem auf dem Sitz sitzenden Insassen auf. Ferner wird dadurch ein Rückhaltesystem geschaffen, bei dem die erste, zwischen dem Fahrzeugsitz und der Fahrzeugstruktur wirkende und die zweite, zwischen dem Insassen und dem Fahrzeugsitz wirkende Kraftbegrenzungseinrichtung eindeutig in Reihe wirken. Damit kann die Aktivierung der mechanischen Kraftbegrenzungseinrichtungen eindeutig durch die Auslegung ihrer Kraftbegrenzungsniveaus definiert werden. Da bei einer Reihenanordnung von mechanischen Kraftbegrenzungseinrichtungen grundsätzlich immer die Kraftbegrenzungseinrichtung aktiviert wird, welche das niedrigere Kraftbegrenzungsniveau aufweist, wird in diesem Fall zuerst die erste Kraftbegrenzungseinrichtung aktiviert, und der Fahrzeugsitz wird mit dem Insassen verschoben, bevor die zweite Kraftbegrenzungseinrichtung der Sicherheitsgurteinrichtung aktiviert wird.
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Weiter wird zur Lösung der Aufgabe ein Verfahren zur Rückhaltung eines auf einem Fahrzeugsitz eines Kraftfahrzeuges sitzenden oder liegenden Insassen mit einem Rückhaltesystem vorgeschlagen, umfassend eine zwischen einer Fahrzeugstruktur des Kraftfahrzeuges und dem Fahrzeugsitz vorgesehene ersten Kraftbegrenzungseinrichtung, welche eine kraftbegrenzte Längsbewegung des Fahrzeugsitzes ermöglicht, wobei eine Sicherheitsgurteinrichtung mit einer einen kraftbegrenzten Gurtbandauszug ermöglichenden zweiten Kraftbegrenzungseinrichtung vorgesehen ist, und die zweite Kraftbegrenzungseinrichtung zeitlich nach der ersten Kraftbegrenzungseinrichtung aktiviert wird, wobei die zweite Kraftbegrenzungseinrichtung aktiviert wird, nachdem der Fahrzeugsitz durch die Aktivierung der ersten Kraftbegrenzungseinrichtung aus einer verschobenen Stellung in eine Normalstellung bewegt wurde, wobei das Kraftbegrenzungsniveau der zweiten Kraftbegrenzungseinrichtung in einer Anfangsphase der Aktivierung höher als das Kraftbegrenzungsniveau der ersten Kraftbegrenzungseinrichtung ist.
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Gemäß dem Grundgedanken der Erfindung wird demnach vorgeschlagen, dass die erste und die zweite Kraftbegrenzungseinrichtung in einer sequentiellen Abfolge aktiviert werden, und zwar wird die erste Kraftbegrenzungseinrichtung zuerst aktiviert und damit der Fahrzeugsitz aus der verschobenen Stellung in Richtung der Normalstellung verschoben, bevor die zweite Kraftbegrenzungseinrichtung aktiviert wird, und der Insassen sich durch einen kraftbegrenzten Gurtbandauszug gegenüber dem Fahrzeugsitz nach vorne verlagert.
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Dabei wird die zweite Kraftbegrenzungseinrichtung erst aktiviert, nachdem der Fahrzeugsitz durch die Aktivierung der ersten Kraftbegrenzungseinrichtung aus einer verschobenen Stellung in eine Normalstellung bewegt wurde. Der Fahrzeugsitz befindet sich dann in der Normalstellung, wenn die zweite Kraftbegrenzungseinrichtung wird, so dass der kraftbegrenzte Gurtbandauszug unter definierten Rahmenbedingungen, wie z.B. Position des Insassen zu einer frontseitigen Instrumententafel, erfolgt. Dabei sind insbesondere die Stellung des Oberkörpers und der maximal zur Verfügung stehende Vorverlagerungsweg für den Insassen bekannt. Diese Ausrichtung bzw. Positionierung des Insassen ist insbesondere deshalb von Vorteil, da die Wahrscheinlichkeit einer Out of Position des Insassen aufgrund der vergrößerten zur Verfügung gestellten Bewegungsfreiheit für den Insassen erheblich höher ist als bei konventionellen Fahrzeugen mit einer geringeren Bewegungsfreiheit.
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Dabei ist das Kraftbegrenzungsniveau der zweiten Kraftbegrenzungseinrichtung in einer Anfangsphase der Aktivierung bewusst höher als das Kraftbegrenzungsniveau der ersten Kraftbegrenzungseinrichtung, so dass die erste und die zweite Kraftbegrenzungseinrichtung bewusst nicht zeitgleich aktiviert werden sondern sequentiell. Dabei wird durch die Bemessung der Kraftbegrenzungsniveaus der Zeitpunkt der Aktivierung der Kraftbegrenzungseinrichtungen so definiert, dass zuerst die erste Kraftbegrenzungseinrichtung aktiviert wird und dann die zweite Kraftbegrenzungseinrichtung aktiviert wird. Der Umstand, dass dadurch beide Kraftbegrenzungseinrichtung nicht zeitgleich aktiviert werden, ist darauf zurückzuführen, dass immer die Kraftbegrenzungseinrichtung mit dem niedrigeren Kraftbegrenzungsniveau wirkt, während die Kraftbegrenzungseinrichtung mit dem höheren Kraftbegrenzungsniveau praktisch überbrückt wird. Die Kraftbegrenzungseinrichtung mit dem höheren Kraftbegrenzungsniveau beginnt dann erst zu wirken, wenn die Kraftbegrenzungseinrichtung mit dem niedrigeren Kraftbegrenzungsniveau deaktiviert ist, was z.B. durch einen Anschlag verwirklicht sein kann, welcher eine weitere Bewegung des Fahrzeugsitzes unter Aktivierung der ersten Kraftbegrenzungseinrichtung blockiert.
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Die Erfindung wird im Folgenden anhand einer bevorzugten Ausführungsform unter Bezugnahme auf die beigefügten Figuren erläutert. Dabei zeigt
- 1 ein Rückhaltesystem und ein Verfahren zur Rückhaltung eines Insassen in verschiedenen Stellungen eines Fahrzeugsitzes mit den dabei auftretenden Kraftbegrenzungskurven; und
- 2 einen Fahrzeugsitz mit einer ersten Kraftbegrenzungseinrichtung; und
- 3 die erste Kraftbegrenzungseinrichtung in Seitenansicht; und
- 4 die erste Kraftbegrenzungseinrichtung in Querschnittsdarstellung.
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In der 1 ist ein Fahrzeugsitz 1 mit einer schematisch angedeuteten Fahrzeugstruktur 3 und einer Instrumententafel 2 in verschiedenen Stellungen mit den zugehörigen Kraftbegrenzungskurven zu erkennen, wenn in der jeweiligen Stellung ein Unfall mit einem Frontalaufprall in Fahrtrichtung F auftritt, und der Insasse aus dieser Stellung während der trägheitsbedingten Bewegung in Richtung der Instrumententafel 2 zurückgehalten wird.
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In der 2 ist derselbe Fahrzeugsitz 1 mit einem Sitzrahmen 7, an der Fahrzeugstruktur 3 befestigten Schienen 8 und einer zwischen dem Sitzrahmen 7 und den Schienen 8 angeordneten, in den 3 und 4 vergrößert dargestellten ersten Kraftbegrenzungseinrichtung 13 zu erkennen.
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Der Fahrzeugsitz 1 weist in bekannter Weise eine Sitzfläche 5, eine gegenüber der Sitzfläche 5 neigungsverstellbare Rückenlehne 4 und eine höhenverstellbare Kopfstütze 6 auf und ist derart ausgerichtet, dass der darauf sitzende Insasse in Fahrtrichtung F nach vorne sieht. Ein solcher Fahrzeugsitz 1 kann z.B. der Fahrer- oder Beifahrersitz sein. Ferner weist der Fahrzeugsitz 1 eine sitzintegrierte Sicherheitsgurteinrichtung 11 mit einem Sicherheitsgurt 9, einen den Sicherheitsgurt 9 aufwickelnden und an der Rückenlehne 4 befestigten Gurtaufroller 10, ein Gurtschloss 12 zur Verrieglung einer auf dem Sicherheitsgurt 9 verschieblich geführten Gurtzunge und einen nicht zu erkennenden Endbeschlag zur Befestigung des Endes des Sicherheitsgurtes 9 auf. Der Gurtaufroller 10 ist mit einer zweiten Kraftbegrenzungseinrichtung 14 mit einer degressiven, stufenförmigen Kraftbegrenzungscharakteristik ausgestattet, welche bei einer Aktivierung einen kraftbegrenzten Gurtbandauszug des Sicherheitsgurtes 9 ermöglicht. Ferner ist der Fahrzeugsitz 1 mit einer Einrichtung 15 versehen, mittels derer die Rückenlehne 4 aktiv aus einer zurückgeneigten Stellung in eine aufrechte Stellung verschwenkt werden kann. In der Instrumententafel 2 ist weiter eine Airbageinrichtung 19 vorgesehen, welche bei einer Aktivierung in bekannter Weise die Instrumententafel 2 abdeckt und bei einem Frontalaufprall den trägheitsbedingt sich in Fahrtrichtung F bewegenden Insassen auffängt.
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Das erfindungsgemäße Rückhaltesystem weist als zentrale Baugruppen die erste und die zweite Kraftbegrenzungseinrichtung 13 und 14 auf, durch welche die erfindungsgemäße Verringerung der Insassenbelastung und eine Rückhaltung des Insassen auch bei einem weit zurück verschobenen Fahrzeugsitz 1 ermöglicht wird.
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In den 2 bis 4 ist der Fahrzeugsitz 1 mit der ersten Kraftbegrenzungseinrichtung 13 näher zu erkennen. Die erste Kraftbegrenzungseinrichtung 13 ist zwischen dem Sitzrahmen 7 und den Schienen 8 angeordnet und umfasst einen Deformationsstab 18 mit einem Vierkantprofil und eine den Deformationsstab 18 umfassende Deformationshülse 17. Der Fahrzeugsitz 1 ist mit dem Sitzrahmen 7 an der Deformationshülse 17 befestigt. Die Deformationshülse 17 ist durch eine formschlüssige Verbindung in Längsrichtung mit dem Deformationsstab 18 verbunden und bildet mit diesem eine Baugruppe. Der Deformationsstab 18 ist in entsprechenden Führungen der Schienen 8 verschieblich geführt und durch eine nicht dargestellte Blockiereinrichtung gegenüber den Schienen 8 blockierbar. Ferner weisen die Schienen 8 zwei Anschläge 16 und 20 auf, welche die Bewegung des Fahrzeugsitzes 1 durch eine Anlage der Deformationshülse 17 jeweils in eine Richtung also in Fahrtrichtung F und entgegen der Fahrtrichtung F begrenzen. Wird der Fahrzeugsitz 1 entgegen der Fahrtrichtung F in eine zurückversetzte Stellung verschoben, so wird der Deformationsstab 18 nach dem Verschieben gegenüber den Schienen 8 mittels der nicht gezeigten Blockiereinrichtung blockiert. Wirkt in dieser Stellung eine Kraft auf den Fahrzeugsitz 1, welche größer als der Verformungswiderstand der Verbindung zwischen der Deformationshülse 17 und dem Deformationsstab 18 ist, so verschiebt sich der Fahrzeugsitz 1 mit der Deformationshülse 17 unter plastischer Verformung des Deformationsstabes 18 und/oder der Deformationshülse 17 gegenüber den Schienen 8 bis die Deformationshülse 17 an dem Anschlag 16 zur Anlage gelangt und die weitere Bewegung blockiert ist. Der Verformungswiderstand der Deformationshülse 17 zu dem Deformationsstab 18 definiert hier das Kraftbegrenzungsniveau und die Kraftbegrenzungscharakteristik der ersten Kraftbegrenzungseinrichtung 13.
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In der 1 ist der Fahrzeugsitz 1 in drei verschiedenen Sitzstellungen zu erkennen. Rechts daneben sind die zugehörigen Kraftbegrenzungskurven dargestellt, wobei t0 jeweils der Zeitpunkt des Beginns des Aufpralles ist.
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In der oberen Darstellung I der 1 befindet sich der Fahrzeugsitz 1 in der Normalstellung, in der der Insasse das Fahrzeug aktiv fährt oder als Beifahrer entsprechend aufmerksam hinsichtlich der Umgebung und des Verkehrsgeschehens ist. Der nicht dargestellte Insasse sieht in Fahrtrichtung F durch die nicht dargestellte Frontscheibe. Tritt in dieser Situation ein Frontalaufprall auf, so wird die erste Kraftbegrenzungseinrichtung 13 nicht aktiviert, da sich der Fahrzeugsitz 1 bereits in der Normalstellung I und die Deformationshülse 17 an dem Anschlag 16 befindet. Stattdessen wird die in dem Gurtaufroller 10 angeordnete zweite Kraftbegrenzungseinrichtung 14 aktiviert, welche z.B. durch einen plastisch verformbaren zweistufigen Torsionsstab gebildet sein kann.
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Die Rückhaltekraft LL steigt zunächst an, bis das hohe Anfangskraftbegrenzungsniveau F1 der zweiten Kraftbegrenzungseinrichtung 14 erreicht ist, und sich der zweistufige Torsionsstab in dem Abschnitt mit einem großen Durchmesser plastisch verformt. Dieses hohe Kraftbegrenzungsniveau wirkt bis zu dem Zeitpunkt t1, bei dem das Kraftbegrenzungsniveau durch eine Schaltung auf das niedrigere Kraftbegrenzungsniveau F2 gesenkt wird. Die Schaltung kann zeitgesteuert oder auch insassenabhängig erfolgen. Die Schaltung auf das niedrigere Kraftbegrenzungsniveau F2 kann auch mit der Aktvierung der Airbageinrichtung 19 gekoppelt werden, da die Airbageinrichtung 19 den Insassen durch den aufgeblasenen Airbag auffängt, so dass die Verringerung der Rückhaltekraft keinen Nachteil hinsichtlich des Verletzungsrisikos darstellt, sondern lediglich eine positive Verringerung der Insassenbelastung zur Folge hat.
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In der mittleren Darstellung II der 1 befindet sich der Fahrzeugsitz 1 in einer weit zurückgeschobenen Stellung, und der Insasse genießt eine erheblich vergrößerte Beinfreiheit. Das Fahrzeug fährt in dieser Stellung autonom und der Insasse muss weder mit den Füßen nahe der Pedalerie noch mit den Händen nahe dem Lenkrad sein, da der Insasse durch die autonome Fahrfunktion von einer Bedienung der Pedale, des Lenkrades und sonstiger Betätigungselemente befreit ist und sich stattdessen anderen Betätigungen wie z.B. dem Zeitungslesen oder dem Bedienen von Kommunikationsgeräten widmen kann. Tritt in dieser Stellung des Fahrzeugsitzes 1 zum Zeitpunkt t0 ein Unfall auf, so bewegt sich der Insasse trägheitsbedingt zuerst mit seinem Oberkörper in Fahrtrichtung F und übt dadurch über die sitzintegrierte Sicherheitsgurteinrichtung 11 eine Kraft auf den Fahrzeugsitz 1 aus, welche sich wiederum über die erste Kraftbegrenzungseinrichtung 13 an den Schienen 8 und der Fahrzeugstruktur 3 abstützt. Da es sich hier um eine bevorzugte sitzintegrierte Sicherheitsgurteinrichtung 11 handelt, sind die erste und die zweite Kraftbegrenzungseinrichtung in Reihe angeordnet, so das dadurch bewusst die erste Kraftbegrenzungseinrichtung mit dem niedrigeren Kraftbegrenzungsniveau F3 zuerst aktiviert wird und der Fahrzeugsitz 1 in Fahrtrichtung F verschoben wird, bis die Deformationshülse 17 an dem Anschlag 16 zur Anlage gelangt. Der Fahrzeugsitz 1 befindet sich dann anschließend in der in der Darstellung I gezeigten Normalstellung. Erst dann wird die zweite Kraftbegrenzungseinrichtung 14 aktiviert, indem die Rückhaltekraft weiter ansteigt und das höhere Kraftbegrenzungsniveau F1 übersteigt. Anschließend erfolgt die Rückhaltung identisch zu der Rückhaltung des Insassen, wie sie in Bezug zu der Stellung des Fahrzeugsitzes 1 in der oberen Darstellung beschrieben wurde.
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Die außergewöhnliche zurückverschobene Stellung des Fahrzeugsitzes 1 wird hier durch die Aktivierung der ersten Kraftbegrenzungseinrichtung 13 und das dadurch ermöglichte kraftbegrenzte energieabsorbierende Zurückverschieben des Fahrzeugsitzes 1 in die Normalstellung I zu einer weiter verringerten Insassenbelastung ausgenutzt. Ferner wird der Insasse kontrolliert aus der zurück verschobenen Stellung in die Normalstellung bewegt.
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In der Stellung des Fahrzeugsitzes 1 gemäß der unteren Darstellung III der 1 ist der Fahrzeugsitz 1 in die Stellung der Darstellung II zurückverschoben und die Rückenlehne 4 des Fahrzeugsitzes 1 ist zusätzlich in eine Liegestellung zurückgeneigt. Tritt in dieser Stellung des Fahrzeugsitzes 1 ein Unfall auf, so wird die Rückenlehne 4 zuerst mittels einer Einrichtung 15 in eine aufrechte Stellung verschwenkt, und der Insasse wird dadurch mit seinem Oberkörper aufgerichtet. Die aufrechte Stellung der Rückenlehne 4 entspricht dann der Stellung der Rückenlehne 4 in der Normalstellung. Anschließend erfolgt die Rückhaltung des Insassen weiter identisch wie die zu der Stellung des Fahrzeugsitzes 1 in der Darstellung II beschriebenen Rückhaltung. Die Kraftbegrenzungscharakteristik ist in dem Diagramm rechts der Darstellung III zu erkennen. Der Insasse wird durch das Aufrichten der Rückenlehne 4 zunächst mit dem Oberkörper in Fahrtrichtung F bewegt, so dass auf den Insassen zunächst eine negative Rückhaltekraft wirkt. Anschließend, nach dem Aufrichten der Rückenlehne 4 und des Oberkörpers, befinden sich der Fahrzeugsitz 1 und der Insasse in einer der Darstellung II entsprechenden Stellung. Der Insasse wird dann im weiteren Verlauf entsprechend der zu der Darstellung II beschriebenen Rückhaltung zurückgehalten.
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Wichtig bei dem beschriebenen Rückhaltesystem und dem Verfahren zur Rückhaltung des Insassen ist die sequentielle Aktivierung der ersten und zweiten Kraftbegrenzungseinrichtung 13 und 14 und der Einrichtung 15 zum Aufrichten der Rückenlehne 4, was auch anhand der Diagramme zu erkennen ist. Ferner ist es von besonderem Vorteil, dass die erste und die zweite Kraftbegrenzungseinrichtung 13 und 14 in Reihe wirken und dass die zweite Kraftbegrenzungseinrichtung 14 ein höheres Anfangskraftbegrenzungsniveau F1 als das Kraftbegrenzungsniveau F3 der ersten Kraftbegrenzungseinrichtung 13 aufweist, wodurch konstruktiv die sequentielle Aktivierung ohne eine komplexe Steuerung und ohne entsprechende Sensoreinrichtungen verwirklicht werden kann.