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Die Erfindung betrifft ein Verfahren zum Rückbau einer kerntechnischen Anlage mit einer für einen Restbetrieb der Anlage vorgesehenen Infrastruktur mit betriebsbereiten Versorgungssystemen und elektrisch betriebenen Einrichtungen ausgewählt aus einer Gruppe umfassend eine Strom- und/oder Notstromversorgung, ein nukleares Lüftungssystem, Systeme zur Raumluftklimatisierung von Aufenthaltsräumen, ein Brandschutzsystem, Einrichtungen zur Aktivitätsüberwachung, Einrichtungen zur Dekontamination, Einrichtungen zur Beleuchtung und/oder Notbeleuchtung, Einrichtungen zur Gebäudeentwässerung, Einrichtungen zur Kühlwasserversorgung, Ent- und Versorgungsleitungen für das Zuführen von Medien wie beispielsweise Wasser, Strom, Deionat und Luft.
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Bei der Stilllegung von kerntechnischen Anlagen, beispielsweise von Kernkraftwerken, ist letztendliches Ziel die Beseitigung der Anlage, wobei Reststoffe so weit wie möglich verwertet werden sollen und radioaktive Abfälle zwischen- und später endgelagert werden. Dabei sind grundsätzlich verschiedene Konzepte bekannt, beispielsweise der direkte Rückbau oder die Herstellung eines sicheren Einschlusses, eventuell nach einem Teilrückbau. An den eigentlichen Leistungsbetrieb eines Kernkraftwerks schließt sich eine Nachbetriebsphase und eine Restbetriebsphase an, während derer die Stilllegung und der Rückbau erfolgt. Beispielsweise werden die Brennelemente aus dem Reaktor entladen und nach einer mehrjährigen Abklingzeit in einem Brennelementlagerbecken in ein Zwischenlager am Standort verbracht. Anlagenteile im nichtnuklearen Teil des Kraftwerks, die für den Rückbau nicht benötigt werden, werden abgebaut. Parallel dazu wird der Rückbau des nuklearen Teils der Anlage vorbereitet und durchgeführt, wobei der Nuklearteil der Anlage im Allgemeinen als „Kontrollbereich“ bezeichnet wird.
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Der Rückbau einer kerntechnischen Anlage umfasst in erster Linie die Demontage und Bearbeitung aktivierter und kontaminierter Reststoffe des nuklearen Teils der Anlage. Mit der Bearbeitung der kontaminierten Reststoffe beim Rückbau befasst sich beispielsweise das Dokument
EP 2 833 367 A2 . Aus der
DE 2638174 A ist ein Verfahren zur Entsorgung aktivierter und/oder kontaminierter Teile eines Kernkraftwerks bekannt, wobei für die während der Entsorgung notwendigen Behandlungen wie Zerspanen, Trennen- und Brennschneiden, Pressen, Einschmelzen, Tiefgefrieren, Brechen, chemische Behandlung, Dekontaminierung und Verpackung, ein Teil der im Kernkraftwerk vorhandenen Sicherheits- und Hilfssysteme verwendet wird und - entsprechend der jeweiligen Behandlungsart- zusätzliche Behandlungssysteme unmittelbar in den Kontrollbereich des Kernkraftwerks eingebracht und oder an diesen angeschlossen werden. Die Behandlungssysteme sind in mobilen, transportierbaren, untereinander koppelbaren Containern angeordnet, die ihrerseits in einem erweiterungsfähigen bunkerähnlichen Gebäude austauschbar angeordnet sind.
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Mit dem Ende des Leistungsbetriebes eines Kernkraftwerks sind eine Vielzahl der für einen langfristigen Restbetrieb erforderlichen Systeme und Anlagen technisch überdimensioniert und behindern den Rückbau, weil sie grundsätzlich für die Stromerzeugung und nicht für den Rückbau ausgelegt wurden. Dies erfordert einen fortlaufenden Umbau der bestehenden Infrastruktur der kerntechnischen Anlage während des Rückbaus, was den Rückbau verzögert und behindert.
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Es ist daher Aufgabe der vorliegenden Erfindung ein Verfahren der eingangs genannten Art bereitzustellen, mit welchem der Rückbau einfacher und sicher möglich ist.
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Die Aufgabe wird gelöst durch die Merkmale des Anspruchs 1. Vorteilhafte Ausgestaltungen der Erfindung ergeben sich aus den Unteransprüchen.
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Ein Gesichtspunkt der vorliegenden Erfindung betrifft ein Verfahren zum Rückbau einer kerntechnischen Anlage, beispielsweise eines Kernkraftwerks oder eines Kernreaktors, mit einer für einen Restbetrieb der Anlage vorgesehenen Infrastruktur mit Versorgungssystemen und elektrisch betriebenen Einrichtungen ausgewählt aus einer Gruppe umfassend eine Strom- und/oder Notstromversorgung, ein nukleares Lüftungssystem, Systeme zur Raumluftklimatisierung, Aufenthaltsräume, ein Brandschutzsystem, Einrichtungen zur Aktivitätsüberwachung, Einrichtungen zur Dekontamination, Einrichtungen zur Beleuchtung und/oder Notbeleuchtung, Einrichtungen zur Gebäudeentwässerung, Einrichtungen zur Kühlwasserversorgung, Ent- und Versorgungsleitungen für das Zu- und Abführen von Medien wie beispielsweise Wasser, Strom, Deionat und Luft, wobei das Verfahren die Bereitstellung wenigstens einer Einrichtung umfasst, die ausgewählt ist aus einer Gruppe umfassend Einrichtungen zur Stromversorgung, Wärmeversorgung, Klimatisierung und Lüftung und zur Bereitstellung und/zur Erzeugung von Kälte in Form von jeweils unabhängig voneinander betreibbaren und externen Versorgungseinheiten und/oder die Bereitstellung wenigstens eines der für einen Rückbau benötigten Medien ausgewählt aus einer Gruppe von Wasser, Strom, Deionat, Luft, Wärme und Kälte umfasst, wobei das Verfahren eine sukzessive Inbetriebnahme der externen Versorgungseinheiten und/oder sukzessive Einführung der für den Rückbau benötigten Medien von außen und eine sukzessive Außerbetriebnahme der Versorgungssysteme und der elektrisch betriebenen Einrichtungen der Anlage umfasst.
Das Verfahren gemäß der Erfindung kann dahingehend zusammengefasst werden, dass die für den Rückbau benötigten Medien wie Strom, Deionat, Luft, Wärme und Kälte überwiegend von außen für den Rückbau neu zur Verfügung gestellt werden, wobei die bestehende Infrastruktur der kerntechnischen Anlage wenigstens teilweise außer Betrieb genommen wird oder abgeworfen wird, jeweils nachdem wenigstens eine Versorgungseinheit bereitgestellt und in Betrieb genommen und/oder jeweils eines der vorstehend erwähnten Medien von außen eingeführt wurde.
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Darüber hinaus wird erfindungsgemäß wenigstens ein, vorzugsweise mehrere externe dezentrale Ersatzsysteme bereitgestellt, die nach und nach die für den Restbetrieb der kerntechnischen Anlage vorgesehene Infrastruktur bzw. deren Versorgungssysteme ersetzen. Bei dem Verfahren gemäß der Erfindung werden möglichst viele Komponenten der sogenannten „Ersatzsysteme“ außerhalb des Kontrollbereichs der kerntechnischen Anlage angeordnet. Die Besonderheit des erfindungsgemäßen Verfahrens besteht darin, dass die Ersatzsysteme für die bestehende Infrastruktur der kerntechnischen Anlage sehr früh und so weit wie möglich ohne Einbeziehung der vorhandenen Infrastruktur der kerntechnischen Anlage aufgebaut und in Betrieb genommen werden.
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Dabei kann insbesondere auch eine für die Versorgung und/oder Steuerung der Versorgungssysteme der bestehenden Infrastruktur benötigte Verkabelung und/oder Verrohrung von außen neu in die Anlage eingeführt und in dieser verlegt werden, wobei die bestehende Verkabelung und/oder Verrohrung stufenweise demontiert und/oder außer Betrieb genommen wird.
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Erfindungsgemäß ist vorgesehen, die Verkabelung und/oder Verrohrung bzw. die Versorgungsleitungen mittels Durchführungen von außen in das Containment einzuführen.
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Zusätzlich zu der Verlegung von elektrischen Leitungen kann insbesondere nach dem Verfahren vorgesehen sein, neue Versorgungsleitungen für Deionat zu verlegen, die beispielsweise jeweils an Deionat-Zapfstellen angeschlossen werden, die in verschiedenen Teilen oder Bereichen der kerntechnischen Anlage aufgestellt werden. Das üblicherweise weitverzweigte vorhandene Deionat-Leitungssystem kann ganz oder teilweise abgeworfen werden.
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Erfindungsgemäß kann zeitgleich auch eine neue digitale Steuerung für ein Melde- und Überwachungskonzept, beispielsweise als Bussystem, aufgebaut werden.
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Vorzugsweise wird eine Belüftung und/oder Klimatisierung und/oder Energieversorgung und/oder Überwachung von Räumen der Anlage stufenweise entsprechend einem Rückbaufortschritt reduziert oder beendet.
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Bei einer bevorzugten Variante des Verfahrens ist vorgesehen, die bestehende Anlage vorrangig an eine externe Wärmeversorgung, beispielsweise an eine externe Warmwasserversorgung, anzuschließen, wobei eine üblicherweise mit Hilfsdampf betriebene Wärmeversorgung der bestehenden kerntechnischen Anlage etwa zeitgleich oder nach Einrichtung der externen Wärmeversorgung abgeschaltet werden kann.
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Bei einem weiteren und vorzugsweise anschließenden Verfahrensschritt gemäß der Erfindung ist vorgesehen, dass die Anbindung der Anlage an eine Ersatzstromversorgung erfolgt.
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Die Ersatzstromversorgung kann durch eine vor Ort Netzanbindung der elektrischen Systeme der Anlage erfolgen. Ob und wie weit die Netzanbindung ohne zusätzliche Aggregate möglich ist, hängt im Wesentlichen davon ab, welche örtlichen Stromanschlüsse (110 KV, 220 KV oder 20 KV) vorhanden sind.
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Vorzugsweise sieht das Verfahren gemäß der Erfindung eine Direkteinspeisung von Strom aus dem Hochspannungsnetz über einen Transformator in ein bestehendes Ringleitungsnetz der kerntechnischen Anlage vor. Ein solcher Transformator kann als Versorgungseinheit im Sinne der vorstehenden Ausführungen vorgesehen sein.
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Die Bereitstellung einer Ersatzstromversorgung umfasst die Ablösung eines etwa vorhandenen Schaltanlagengebäudes durch ein sogenanntes „Baustromnetz“. Erforderliche Elektrokabel werden neu verlegt. Diese Verfahrensweise ermöglicht eine wesentliche Vereinfachung beim Rückbau, da nach einer galvanischen Trennung des Schaltanlagengehäuses keine Einzelkabel mehr separat freigemessen und freigeschnitten werden müssen.
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Bei einer brennstofffreien kerntechnischen Anlage ist es lediglich notwendig, etwa vorhandene radioaktive Stoffe einzuschließen. Dazu ist nur noch eine sogenannte Aktivitätsüberwachung erforderlich und es muss sichergestellt werden, dass keine unkontrollierte Abgabe bzw. Freisetzung von Radioaktivität erfolgt. Daher ist eine Ersatznotstromversorgung nicht erforderlich. Etwa vorhandene Notstromaggregate können zeitnah außer Betrieb genommen werden.
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Das Verfahren kann die Bereitstellung und den Betrieb einer unterbrechungsfreien Stromversorgung (USV) vorsehen, um sicherzustellen, dass eine innerhalb der bestehenden Anlage vorgesehene Aktivitätsüberwachung unterbrechungsfrei betrieben werden kann. Eine solche unterbrechungsfreie Stromversorgung reicht auch dazu aus, vorhandene Brandschutzeinrichtungen, beispielsweise Brandschutzmeldesysteme oder Flucht- und Notbeleuchtung sowie Kommunikationseinrichtungen mit Strom zu versorgen.
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Was die nukleare Lüftung der Anlage anbelangt, so kann zunächst eine Reduzierung der Luftmenge innerhalb der rückzubauenden Anlage um ca. 70 % vorgesehen sein. Unmittelbar anschließend können die Bereitstellung und der Anschluss eines externen nuklearen Lüftungssystems in Form von entsprechenden externen Versorgungseinheiten vorgesehen sein.
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Die Versorgungseinheiten, beispielsweise in Form von Einrichtungen zur Stromversorgung, Wärmeversorgung, zum Kühlen, Klimatisierung und Lüftung werden erfindungsgemäß dezentral auf einem Gelände der kerntechnischen Anlage angeordnet.
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Vorzugsweise werden die Versorgungseinheiten in Form von Containermodulen bereitgestellt. Diese können beispielsweise außerhalb eines rückzubauenden Kontrollbereichs der kerntechnischen Anlage angeordnet werden.
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Eine Variante des Verfahrens sieht vor, dass wenigstens eine Kältemaschine als externe Versorgungseinheit bereitgestellt wird und die Kältemaschine an die vorhandene Kühlwasserversorgung der kerntechnischen Anlage angeschlossen wird. Dadurch kann die klassische Kühlwasserversorgung mit den zugehörigen Hilfssystemen abgeworfen werden.
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Die Erfindung umfasst weiterhin die Bereitstellung eines neuen Brandschutzkonzepts, um die Anzahl der noch zu versorgenden elektrischen Verbraucher zu reduzieren. In bestehenden kerntechnischen Anlagen gibt es üblicherweise eine Vielzahl von Brandschutzklappen, die elektrisch angesteuert werden. Darüber hinaus ist auch die Verwendung von druckluftgesteuerten Brandschutzklappen üblich. Diese druckluftgesteuerten Brandschutzklappen können auf elektrisch angesteuerte Klappen umgebaut werden. Dadurch kann ein bestehendes Druckluftsystem abgeworfen werden. Darüber hinaus kann vorgesehen sein, die Brandschutzklappen passiv auszulösen, sodass die aktive Ansteuerung der Brandschutzklappen zurückgebaut bzw. abgeworfen werden kann.
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Darüber hinaus kann erfindungsgemäß vorgesehen sein, Brandabschnitte durch Absperren von technischen Räumen zu vergrößern oder bestimmte Brandabschnitte zusammenzulegen. Dadurch können fest installierte Löschwassersysteme außer Betrieb genommen werden oder durch neu installierte Löschwasserleitungen ersetzt werden.
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Im Folgenden erfolgt eine beispielsweise zeitliche Einordnung einzelner Verfahrensschritte zu einzelnen Projektphasen eines Rückbaus eines Kernkraftwerks als kerntechnische Anlage.
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Nach einer Entscheidung zur Stilllegung der kerntechnischen Anlagen erfolgt eine Planung der Ersatzsysteme.
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Vor einer Abschaltung, d.h. einer Beendung des Leistungsbetriebs, wird vorrangig eine Ersatzwärmeversorgung aufgebaut.
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Nach Abschaltung werden externe Versorgungseinheiten als Ersatzsysteme außerhalb des Kontrollbereichs des Kernkraftwerks aufgebaut.
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Mit den Versorgungseinheiten werden folgende Ersatzsysteme als Versorgungssysteme bereitgestellt:
- -Netzanbindung,
- -Kälteversorgung,
- -Schaltanlagen,
- -eine Leitwarte mit entsprechender Leittechnik,
- -wenigstens eine Einrichtung zur Stromversorgung,
- -wenigstens eine Einrichtung zur Versorgung mit Deionat.
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Gebäude wie Lager, Werkstätten, Verwaltungs- und Sozialgebäude werden ersetzt und/oder angepasst. Danach wird die Ersatzwärmeversorgung in Betrieb genommen.
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Sodann werden folgende weitere Versorgungseinheiten (Infrastruktur) im Kontrollbereich des Kernkraftwerks aufgebaut:
- -Einrichtungen zur Abwasserbehandlung,
- -eine Einrichtung zur Bereitstellung einer Nuklearlüftung.
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Es folgt die Bereitstellung und/oder Einführung von Kraftstrom, die Einrichtung der Leittechnik und eines Brandmeldesystems.
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Sodann werden alle Systeme, die der Verfügbarkeit des Kraftwerks dienen, abgeschaltet.
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Nach Dekontamination des Primärkreises des Kernkraftwerkes werden der Primärkreis und seine Hilfssysteme stillgelegt.
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Wenn eine passive Brennelemente-Beckenkühlung sichergestellt ist, wird die Beckenkühlung stillgelegt. Anschließend wird die Luftmenge für die nukleare Lüftung reduziert. Dann werden alle Ersatzsysteme innerhalb und außerhalb des Kontrollbereichs in Betrieb genommen. Das vorhandene Brandschutzkonzept wird angepasst.
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Nach Entfernung der abgeklungenen Brennelemente werden alle Systeme, die zu der für den Restbetrieb vorgesehenen Infrastruktur und gegebenenfalls zu der Infrastruktur für einen Leistungsbetrieb gehören, abgeschaltet, sodass es dort kalt und dunkel ist, wo keine Arbeiten stattfinden. Arbeitsbereiche, die für den Rückbau erforderlich sind, werden temporär mit einer mobilen Infrastruktur ausgestattet.
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Nachdem alle Einrichtungen der Infrastruktur, d.h. des Altinventars, aus dem Kontrollbereich ausgebaut wurden, werden die Ersatzsysteme einschließlich der innerhalb des Kontrollbereichs neu verlegten Leitungen und Rohre zurückgebaut. Zuletzt wird eine mobile Lüftung zurückgebaut bzw. zurückgezogen.
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ZITATE ENTHALTEN IN DER BESCHREIBUNG
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Zitierte Patentliteratur
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- EP 2833367 A2 [0003]
- DE 2638174 A [0003]