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Die Erfindung betrifft ein Verfahren zum Betreiben eines Kraftfahrzeugs, das ein primäres Bremssystem und ein sekundäres Bremssystem aufweist, wobei jedem Rad des Kraftfahrzeugs eine durch die Bremssysteme hydraulisch betätigbare Radbremse zugeordnet ist, und wobei in einem Notbremsbetrieb das sekundäre Bremssystem derart angesteuert wird, dass die Radbremsen jeweils die gleiche Bremskraft erzeugen.
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Ferner betrifft die Erfindung eine Vorrichtung zum Betreiben eines Kraftfahrzeugs, das ein primäres Bremssystem und ein sekundäres Bremssystem sowie zumindest eine Antriebseinrichtung aufweist, wobei jedem Rad des Kraftfahrzeugs eine durch die Bremssysteme hydraulisch betätigbare Radbremse zugeordnet ist, mit einem Steuergerät, das dazu ausgebildet ist, bei einem Ausfall des primären Bremssystems in einen Notbremsbetrieb das sekundäre Bremssystem derart anzusteuern, dass die Radbremsen die gleiche Bremskraft erzeugen.
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Ferner betrifft die Erfindung ein Kraftfahrzeug mit einer entsprechenden Vorrichtung.
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Stand der Technik
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Verfahren, Vorrichtungen und Kraftfahrzeuge der eingangs genannten Art sind aus dem Stand der Technik bereits bekannt. Fahrzeugbremssysteme von Kraftfahrzeugen erfüllen neben fahrstabilisierenden Funktionen, die beispielsweise durch ein elektronisches Stabilitätsprogramm (ESP) oder ein automatisches Bremssystem (ABS) durchgeführt werden, zunehmend erweiterte Funktionsumfänge, wie beispielsweise das Unterstützen des Fahrers durch einen Bremskraftverstärker, der elektromechanisch oder hydraulisch arbeitend ausgebildet sein kann. Auch ist es bekannt, assistierende oder teilassistierende Funktionen zu aktivieren und/oder zu aktiven Modulierung eines hydraulischen Bremsdrucks oder einer hydraulischen Bremskraft an den Radbremsen des Fahrzeugbremssystems, ohne eine aktive Beteiligung des Fahrers durchzuführen. Dadurch sind Assistenzfunktionen möglich, die einen teilautomatisierten oder vollautomatisierten Bremseingriff erlauben. Zusammen mit einem teilautomatisierten oder vollautomatisierten Antrieb und teilautomatisierte oder vollautomatisierte Lenkung des Kraftfahrzeugs wird damit ein teil- oder vollautonomer Fahrbetrieb des Kraftfahrzeugs möglich.
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An teilautomatisierte oder vollautomatisierte Funktionen werden jedoch erhöhte Anforderungen bezüglich der Redundanz und Ausfallsicherheit gestellt. Insbesondere wird eine Rückfallebene bei einem Ausfall des primären Bremssystems erwartet. Unter dem primären Bremssystem beziehungsweise der primären Aktuatorik wird vorliegend insbesondere diejenige Aktuatorik im Umfeld des automatisierten beziehungsweise autonomen Fahrens verstanden, die im fehlerfreien Bremssystemzustand die Stabilisierungsfunktion für das Kraftfahrzeug übernimmt. Dies ist üblicherweise das EPS-System. Unter dem sekundären Bremssystem beziehungsweise der sekundären Aktuatorik ist entsprechend diejenige Aktuatorik zu versehen, die im Fehlerfall des primären Bremssystems zumindest in einem gewissen Umfang die Stabilisierungsaufgabe übernimmt, insbesondere die Längsstabilisierung. Eine beispielhafte Ausprägung eines Gesamtbremssystems, das eine primäre und eine sekundäre Aktuatorik aufweist, ist beispielsweise das EPS-System als primäres Bremssystem und ein elektronischer Bremskraftverstärker als sekundäres Bremssystem. Ein entsprechendes primäres Bremssystem ist beispielsweise aus der
DE 10 2009 001 135 A1 bekannt. Das sekundäre Bremssystem, wenn es einen elektromechanischen Bremskraftverstärker aufweist, ist beispielsweise ebenfalls an den Hauptbremszylinder angeschlossen und dient im Normalbetrieb einer Steigerung des Fahrkomforts, indem es den Fahrer beim Aufbau eines für den Bremsvorgang notwendigen Bremsdruck unterstützt. Der Bremskraftverstärker stellt bei Bedarf eine Bremskraft zur Betätigung des Hauptbremszylinders bereit, durch welche der Fahrer unterstützt wird. Das primäre Bremssystem und das sekundäre Bremssystem bilden somit zwei zueinander redundante Systeme zur Erzeugung und Modulation eines Bremsdrucks. Fällt das primäre Bremssystem aus, das üblicherweise radindividuelle Bremsmomente beziehungsweise Bremskräfte einstellen kann, so wird von einem sekundären Bremssystem zumindest noch verlangt, dass längsstabilisierende Maßnahmen beispielsweise mittels aktiver oder passiver Druckmodulation durchführbar sind. Dabei werden die Anforderungen bereits durch ein sekundäres Bremssystem erfüllt, welches im Notbremsbetrieb an allen Radbremsen das gleiche Bremsmoment beziehungsweise die gleiche Bremskraft einstellt. Für den Notbremsbetrieb wird also auf ein radindividuelles Vorgeben von Bremskräften in der Regel verzichtet und nur ein Hydraulikdruck erzeugt, der auf alle Radbremsen gleich wirkt, weswegen dies auch als eine 1-kanalige Bremskrafterzeugung bezeichnet wird. Eine Anforderung an die Längsstabilisierung durch das sekundäre Bremssystem ist, dass dabei die Lenkbarkeit des Fahrzeugs erhalten bleibt.
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Offenbarung der Erfindung
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Das erfindungsgemäße Verfahren mit den Merkmalen des Anspruchs 1 hat den Vorteil, dass zur Stabilisierung des Kraftfahrzeugs notwendige Seitenführungskräfte gewährleistet werden, beziehungsweise dass die Gewährleistung, dass ein Lenkwunsch des Fahrers oder eines überlagerten Systems des autonom fahrenden Kraftfahrzeugs erfüllt wird, durch einfache Mittel erhöht wird. Durch das erfindungsgemäße Verfahren wird erreicht, dass trotz der 1-kanaligen Bremskrafterzeugung ein Lenkwunsch so berücksichtigt wird, dass eine möglichst geringe Abweichung zwischen einer Soll- und einer Ist-Trajektorie des Kraftfahrzeugs besteht, und damit die Lenkbarkeit des Kraftfahrzeugs auch im Notbremsbetrieb, also bei einer Verzögerungsanforderung an das sekundäre Bremssystem verbessert wird. Erfindungsgemäß wird dies dadurch erreicht, dass im Notbremsbetrieb ein aktueller Lenkwinkel des Kraftfahrzeugs erfasst und das sekundäre Bremssystem in Abhängigkeit des erfassten Lenkwinkels angesteuert wird. In Kenntnis des Lenkwinkels wird somit die Erzeugung der Bremskraft im Notbremsbetrieb beeinflusst. Damit wird erreicht, dass ausreichend hohe Seitenführungskräfte gewährleistet werden, welche ein sicheres Lenken des Kraftfahrzeugs erlauben. Insbesondere sieht die Erfindung vor, dass die Seitenführungskräfte gegenüber den Längsführungskräften priorisiert werden, sodass eine maximal mögliche Verzögerung des Kraftfahrzeugs zu Gunsten einer verbesserten Lenkfähigkeit des Kraftfahrzeugs vernachlässigt werden kann.
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Besonders bevorzugt ist vorgesehen, dass im Notbremsbetrieb eine aktuelle Geschwindigkeit des Kraftfahrzeugs erfasst und das sekundäre Bremssystem auch in Abhängigkeit der aktuellen Geschwindigkeit angesteuert wird. Unter Berücksichtigung der Fahrgeschwindigkeit und des Lenkwinkels lässt sich die durch das jeweilige Rad übertragbare Seitenführungskraft bestimmen und damit eine optimale Ansteuerung des sekundären Bremssystems ermöglichen. Vorzugsweise wird der Lenkwinkel und die Beeinflussung des sekundären Bremssystems in Abhängigkeit des Lenkwinkels zusätzlich zu Verfahren eingesetzt, welche gewährleisten, dass Räder der Vorderradachse und der Hinterradachse eine gewünschte Blockierreihenfolge einhalten und die Längsstabilisierung gewährleisten. Zur Bestimmung der Seitenführungskraft kann dabei eine beliebige Geschwindigkeit des Kraftfahrzeugs erfasst werden, wie beispielsweise die Radgeschwindigkeit oder die Fahrzeuglängsgeschwindigkeit.
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Insbesondere ist vorgesehen, dass die einzustellende Bremskraft mithilfe vom Kammschen Kreis bestimmt wird. Der Kammsche Kreis setzt die Seitenlängsführungskräfte mit den Seitenführungskräften eines Rads in Verhältnis, sodass mittels des Kammschen Kreis in Kenntnis des Lenkwinkels die maximal einzustellende Bremskraft auf einfache Art und Weise ermittelbar ist.
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Weiterhin ist bevorzugt vorgesehen, dass die eingestellte Bremskraft mit zunehmendem Lenkwinkel reduziert wird. Damit die Fahrbarstabilität beziehungsweise Trajektorie-treue des Kraftfahrzeugs aufrechterhalten wird, muss die Bremskraft beziehungsweise der Hydraulikdruck mit zunehmender notwendiger Seitenführungskraft reduziert werden. Durch die Berücksichtigung des zunehmenden Lenkwinkels und der damit einhergehenden Reduktion der Bremskraft wird dies in vorteilhafter Weise erreicht.
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Weiterhin ist bevorzugt vorgesehen, dass als Lenkwinkel ein Ist-Lenkwinkel zwischen einer Fahrzeuglängsachse des Kraftfahrzeugs und einer Längsachse eines lenkbaren Rads des Kraftfahrzeugs erfasst wird. Dies kann beispielsweise durch geeignete Sensoren, die dem Rad zugeordnet sind, erfolgen. Damit ist der Lenkwinkel genau erfassbar und insbesondere auch unabhängig von einem Soll-Lenkwinkel, der beispielsweise aufgrund einer Fahrbahnbeschaffenheit, eines mechanischen Defekts oder dergleichen nicht korrekt umgesetzt werden kann.
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Alternativ ist bevorzugt vorgesehen, dass als Lenkwinkel ein durch eine Lenkhandhabe, insbesondere Lenkrad, des Kraftfahrzeugs vorgebbarer Soll-Lenkwinkel erfasst wird. Dies hat den Vorteil, dass die Erfassung des Lenkwinkels einfacher durchführbar ist, weil hierzu keine zusätzlichen Sensoren notwendig sind. Der Soll-Lenkwinkel wird im Kraftfahrzeug ohnehin bereits sensorisch überwacht, sodass er für die Durchführung des vorgestellten Verfahrens ohne weiteres zur Verfügung steht. Noch einfacher ist das, wenn im autonomen Fahrbetrieb der Soll-Lenkwinkel vom Kraftfahrzeug selbst vorgegeben wird. Weiterhin ist bevorzugt vorgesehen, dass als Lenkwinkel sowohl Ist-Lenkwinkel und Soll-Lenkwinkel erfasst werden. Dabei kann beispielsweise mittels des erfassten Ist-Lenkwinkels der Soll-Lenkwinkel plausibilisiert beziehungsweise die korrekte Einstellung des Lenkwinkels in Abhängigkeit des Soll-Lenkwinkels bestätigt werden.
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Weiterhin ist bevorzugt vorgesehen, dass im Notbremsbetrieb die Bremskraft zumindest zeitweise schwingend eingestellt wird. Dadurch wird erreicht, dass die Bremskraft regelmäßig erhöht und reduziert wird und damit einen schwingenden Verlauf erhält. Durch diese Druckmodulation ist gefahrlos eine maximale Bremskraft erfassbar, ab welcher das gebremste Rad zu blockieren beginnt. Entsprechend wird die einzustellende Bremskraft in Abhängigkeit der erfassten maximalen Bremskraft eingestellt, sodass die maximale Bremskraft nicht überschritten wird. Ein für die Berechnung der Seitenführungskraft notwendiger Reibwert (µ-Wert) zwischen dem jeweiligen Rad und der Fahrbahn wird bevorzugt durch diese einkanalige Druckmodulation und in Abhängigkeit von dem Maß der eingestellten Verzögerung oder durch Schätzung und/oder mit Hilfe von Sensoren, Reibwertkarten oder dergleichen ermittelt, bevor eine Kurvenfahrt durch Einstellen eines Lenkwinkels eingeleitet wird. Diese Art der Reibwertbestimmung ist grundsätzlich bekannt, und soll daher an dieser Stelle nicht näher erörtert werden. Tritt der Druckbremsbetrieb erst während der Kurvenfahrt ein, wird vorzugsweise auf den zuletzt bestimmten Reibwert zurückgegriffen oder es wird ein Reibwert abgeschätzt.
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Die erfindungsgemäße Vorrichtung mit den Merkmalen des Anspruchs 8 zeichnet sich dadurch aus, dass das Steuergerät speziell dazu hergerichtet ist, bei bestimmungsgemäßem Gebrauch das erfindungsgemäße Verfahren durchzuführen. Es ergeben sich dadurch die bereits genannten Vorteile.
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Das erfindungsgemäße Kraftfahrzeug mit den Merkmalen des Anspruchs 9 zeichnet sich durch die erfindungsgemäße Vorrichtung aus. Auch hierdurch ergeben sich die bereits genannten Vorteile.
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Im Folgenden soll die Erfindung anhand der Zeichnung näher erörtert werden. Dazu zeigen
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1 ein Kraftfahrzeug in einer vereinfachten Draufsicht,
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2 ein vereinfacht dargestelltes Verfahren zum Betreiben des Kraftfahrzeugs und
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3 ein Bremskraft-Zeit-Diagramm zur Erläuterung eines vorteilhaften Verfahrens zum Betreiben des Kraftfahrzeugs.
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1 zeigt in einer vereinfachten Draufsicht ein Kraftfahrzeug 1. Das Kraftfahrzeug 1 weist eine Vorderradachse 2 und eine Hinterradachse 3 auf, die jeweils zwei Räder 4 beziehungsweise 5 aufweisen, welche mit der Fahrbahn in Kontakt stehen, um ein Beschleunigungsmoment oder ein Verzögerungsmoment auf das Kraftfahrzeug 1 auszuüben.
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Zum Beschleunigen des Fahrzeuges 1 weist dieses ein Antriebssystem 6 mit vorliegend zwei Antriebseinrichtungen 7 und 8 auf. Die erste Antriebseinrichtung 7 ist als Brennkraftmaschine ausgebildet und durch ein Getriebe 9 und eine nicht dargestellte Kupplung mit den Rädern 4 der Radachse 2 wirkverbunden bzw. wirkverbindbar. Die zweite Antriebseinrichtung 8 ist als Elektromaschine ausgebildet, die durch ein Getriebe 10 mit den Rädern 5 der Hinterradachse 3 wirkverbunden ist. Durch die Antriebseinrichtungen 7 und 8 können somit auf die Radachsen 2 und 3 unterschiedliche positive oder negative Drehmomente erzeugt werden. Das Kraftfahrzeug 1 kann auch nur eine der Antriebseinrichtungen 7, 8 aufweisen.
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Zum Verzögern des Kraftfahrzeugs 1 weist dieses ein Fahrzeugbremssystem auf, dass ein vom Fahrer betätigbares Bremspedal 12 aufweist, welches mit einem elektromechanischem Bremskraftverstärker 13 verbunden ist, welcher die auf das Bremspedal 12 aufgebrachte Fußkraft verstärkt und in einen Hydraulikdruck eines primären Bremssystems 14 wandelt. Das primäre Bremssystem 14 weist jedem der Räder 4 und 5 zugeordnet jeweils eine Radbremse 15 und bzw. 16 auf, die hydraulisch betätigbar sind. Zur hydraulischen Betätigung der Radbremsen 15, 16 weist das primäre Bremssystem 14 ein ABS-/ESP-Modul 17 auf, dass radindividuell den Hydraulikdruck steuert/regelt und damit eine radindividuelle Bremskrafteinstellung ermöglicht. Dabei kann das Modul 17 beispielsweise fahrstabilisierend eingreifen und einzelne Räder 4, 5 mit einer Bremskraft beaufschlagen, um die Fahrstabilität des Kraftfahrzeugs 1 in einer kritischen Fahrsituation aufrechtzuerhalten.
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Weiterhin weist das Fahrzeugbremssystem ein sekundäres Bremssystem 11 auf, dass in dem vorliegenden Ausführungsbeispiel ebenfalls hydraulisch arbeitend ausgebildet ist und dann wirksam wird, wenn das primäre Bremssystem 14, insbesondere das Modul 17, ausfällt. Das sekundäre Bremssystem 11 nutzt den Bremskraftverstärker 13 als Aktuator. In diesem Fall ist dann der mittels des elektromechanischen Bremskraftverstärkers 13 automatisiert eingestellte Hydraulikdruck in dem Bremskreis variierbar, wird jedoch auf die Radbremsen 15, 16 aufgrund des Ausfalls des Moduls 17 gleichmäßig verteilt, sodass an allen Radbremsen 15, 16 die gleiche Bremskraft eingestellt wird. Hierdurch wird die Längsstabilisierung des Kraftfahrzeugs 1 auch bei einem Ausfall des primären Bremssystems 14 automatisiert oder teilautomatisiert durchgeführt.
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Ein Steuergerät 19, das beispielsweise ein Steuergerät des Fahrzeugbremssystems, insbesondere des elektrischen Bremskraftverstärkers 13, ist, überwacht im Betrieb des Kraftfahrzeugs die Funktionsfähigkeit des primären Bremssystems 14. Stellt das Steuergerät 19 fest, dass das primäre Bremssystem 14 fehlerhaft funktioniert oder überhaupt nicht mehr funktioniert, so wird es gänzlich durch das Steuergerät 19 deaktiviert und stattdessen das sekundäre Bremssystem 13 zum längsstabilisierten Verzögern des Kraftfahrzeugs 1 angesteuert.
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Durch das sekundäre Bremssystem 14 wird an allen Radbremsen 15, 16 der Hydraulikdruck erhöht beziehungsweise eine Bremskraft mittels des elektromechanischen Bremskraftverstärkers 13 hydraulisch eingestellt. Wie zuvor bereits erläutert, ist dabei die resultierende Bremskraft an allen Rädern 4, 5 gleich.
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Gemäß dem vorliegenden Ausführungsbeispiel sind die Räder 4 der Radachse 2 lenkbar ausgebildet. Hierzu ist in 1 an einem der Räder 4 die Längsachse 4‘ gestrichelt bei einer Kurvenfahrt eingezeichnet. In der Kurvenfahrt ergibt sich ein Winkel zwischen der Längsachse 4‘ des Rads 4 und einer Fahrzeuglängsachse 1‘, die ebenfalls in 1 gestrichelt eingezeichnet ist. Dieser Winkel wird im Folgenden als der Lenkwinkel α des Kraftfahrzeugs 1 bezeichnet. Der Lenkwinkel α kann auf unterschiedliche Art und Weisen ermittelt werden. So ist es denkbar, dem Rad 4 eine Sensorik zuzuordnen, welche den aktuellen Ist-Lenkwinkel des Rads 4 erfasst. Alternativ kann ein vom Fahrer oder vom Kraftfahrzeug selbst, im autonomen Fahrbetrieb, vorgegebener Soll-Lenkwinkel ermittelt und als Lenkwinkel α festgelegt werden.
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Das Steuergerät 19 ist dazu ausgebildet, die Bremskraft beziehungsweise den Hydraulikdruck durch das sekundäre Bremssystem 11 in Abhängigkeit dieses Lenkwinkels α einzustellen.
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2 zeigt hierzu in einer vereinfachten Darstellung das vorteilhafte Verfahren zum Betreiben des Kraftfahrzeugs 1, bei welchem das Steuergerät 19 als Eingangssignale eine Information über die Fahrzeuglängsverzögerung, wie insbesondere die Soll-Verzögerung L, den Lenkwinkel α sowie eine Information über die aktuelle Fahrzeuggeschwindigkeit v erhält. Das Steuergerät 19 ermittelt in Abhängigkeit dieser Eingangssignale den Zieldruck p, der von dem sekundären Bremssystem 11, insbesondere durch den elektromechanischen Bremskraftverstärker 13 einzustellen ist, um die gewünschte Bremskraft an den Radbremsen 15, 16 zu erzeugen.
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In dem Notbremsbetrieb, wenn das primäre Bremssystem 14 also ausgefallen ist, wird der aktuelle Lenkwinkel α des Kraftfahrzeugs 1 bei der Bestimmung der Bremskraft beziehungsweise bei der Ansteuerung des sekundären Bremssystems 11 berücksichtigt. Insbesondere mit Hilfe des Kammschen Kreis wird dabei die Seitenführungskraft beziehungsweise die Seitenführungskräfte der Räder 4 in Abhängigkeit des Lenkwinkels α bestimmt. Dazu wird die Fahrgeschwindigkeit des Kraftfahrzeugs sowie ein Reibwert zwischen den Rädern 4 und der Fahrbahn berücksichtigt. Der Reibwert beziehungsweise µ-Wert wird vorzugsweise vor dem Einleiten der Kurvenfahrt durch eine einkanalige Druckmodulation ermittelt, bei welcher die Bremskraft beziehungsweise der Hydraulikdruck schwingend/oszillierend eingestellt wird, um auf Basis der sich dann einstellenden Fahrzeuggesamtreaktion zu ermitteln, welches Moment die Räder des Kraftfahrzeugs absetzten können, beziehungsweise ob Räder blockieren, um daraus den aktuellen Reibwert zu bestimmen. Derartige Verfahren sind grundsätzlich bekannt, sodass an dieser Stelle darauf nicht näher eingegangen werden soll. In Abhängigkeit des Reibwerts, der Fahrgeschwindigkeit v sowie des Lenkwinkels α lässt sich die Seitenführungskraft der Räder 4 bestimmen, die von den Rädern 4 auf die Fahrbahn übertragbar ist.
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Das Steuergerät 19 steuert nun das sekundäre Bremssystem 11 derart an, dass die eingestellte Bremskraft gewährleistet, dass die Seitenführungskraft beim Verzögern aufrechterhalten wird, welche ein Lenken des Kraftfahrzeugs 1 während des Verzögerns erlaubt. Dadurch wird die Fahrstabilität des Kraftfahrzeugs 1 auch bei einer Kurvenfahrt im Notbremsbetrieb sicher gewährleistet.
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Ist der Reibwert vor Einleitung der Kurvenfahrt nicht ermittelt worden, so wird er vorzugsweise abgeschätzt, beispielsweise auf Basis vorheriger ermittelter Reibwerte, mit Hilfe von Sensoren, Reibwertkarten oder Ähnlichem. Weil der unmittelbare Ist-Reibwert während der Kurvenfahrt selbst nicht bekannt ist, kann dieser in Abhängigkeit des Reibwerts durch Berücksichtigung der Auftretenswahrscheinlichkeit gekoppelter Ereignisse abgeschätzt werden (Einstufung Schwere: Kopplung zum Beispiel von 1; hohe Verzögerung und notwendiger Anpassung bei Kurvenfahrt: Kopplung von 2; plötzliche Reibwertänderung in der Kurvenfahrt: Kopplung von 3).
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Das Steuergerät 19 reduziert dabei mit zunehmendem Lenkwinkel α den Hydraulikdruck beziehungsweise die Bremskraft des sekundären Bremssystems 18, um die situationsbedingten notwendigen Seitenführungskräfte der Räder 4 zu gewährleisten.
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3 zeigt eine mögliche funktionale Darstellung der Berücksichtigung des Lenkwinkels α für die einkanalige Stabilisierungsfunktion des sekundären Bremssystems 11. Die einkanalige Druckmodulation zur Fahrzeuglängsstabilisierung, die sich als Stabilitätsindikator auf die Gesamtfahrzeuglängsverzögerungsinformation stützt, verwendet typischerweise eine Stimulation in der Art, die eine Auswertung der Fahrzeugreaktion möglich macht. Insbesondere wird hierzu die Bremskraft, wie zuvor bereits erwähnt, schwingend eingestellt. Dies ist in 3, welche den Hydraulikdruck des sekundären Bremssystems 11 p11 über die Zeit t zeigt, dargestellt. Durch den schwingenden beziehungsweise oszillierenden Hydraulikdruck mit einer definierten beziehungswiese vorgebbaren Frequenz ergibt sich ein effektiver Hydraulikdruck für die stabile Fahrzeugverzögerung p11_e. Als Auswertekriterium wird die Rückantwort auf die Stimulation auf Fahrzeugebene beziehungsweise eine plötzliche Verzögerung auf Kraftfahrzeugebene genutzt, der als plötzliche Längsbeschleunigung des Kraftfahrzeugs durch einen Beschleunigungssensor feststellbar ist. Unter Berücksichtigung von Stabilitätskriterien auf die Rückmeldung der Fahrzeugreaktion wird durch die einkanalige längsstabilisierende Funktion durch das Steuergerät 19 der mittlere effektive Druck p11_e zur stabilen Fahrzeugverzögerung eingestellt. Unter Berücksichtigung des Lenkwinkels α und gegebenenfalls der Fahrzeuggeschwindigkeit v wird der effektive Druck p11_e durch Einstellen der Bremskraft derart angepasst, dass die Seitenführungskräfte für eine Kurvenfahrt zur Verfügung gestellt werden können. In 5 äußert sich dies darin, dass der Druck p ab dem Zeitpunkt t1, zu welchem eine Kurvenfahrt eingeleitet wird, kaum oder nicht mehr ansteigt.
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Das oben stehend beschriebene vorteilhafte Verfahren ist nicht nur in der Rückfallebene durchführbar, wenn die Primäraktuatorik ausgefallen ist, sondern auch dann, wenn grundsätzlich beim Kraftfahrzeug radindividuelle Messgrößen für das Bremssystem nicht zur Verfügung stehen, sodass dann die jeweils eingestellte Bremskraft beziehungsweise der jeweils eingestellte Bremsdruck ebenfalls in Abhängigkeit von einem erfassen Lenkwinkel beeinflusst beziehungsweise vorgegeben wird. Hierdurch ist die Verbesserung von Seitenführungskräften sowohl für einkanalige als auch für mehrkanalige Bremssysteme möglich.
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ZITATE ENTHALTEN IN DER BESCHREIBUNG
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Zitierte Patentliteratur
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- DE 102009001135 A1 [0005]