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Die vorliegende Erfindung betrifft Verfahren zur Herstellung von Hydrogelen für die reversible Immobilisierung von Glykoproteinen und/oder Zellen auf dem Hydrogel, umfassend die Kopplung von Lektinen an das Hydrogel, entsprechende Lektin-gekoppelte Hydrogele, deren Verwendung in der 3D-Zellkultur, und entsprechende Verfahren zur reversiblen Immobilisierung von Glykoproteinen und/oder Zellen auf solchen Hydrogelen.
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Die Immobilisierung von Zellen spielt eine wichtige Rolle, beispielsweise in der 3D-Zellkultur, beim 3D-Druck von zelltragenden Systemen, bei der Anzucht künstlicher Gewebe, bei der Grundlagenforschung von Zellsystemen in nativer Umgebung (z. B. Tumormodellbildung), sowie bei der Testung potentieller Wirkstoffe an immobilisierten Zellen. Ebenso ist die Immobilisierung von Proteinen auf Oberflächen für vielen Anwendungsbereiche interessant.
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Als Trägermaterial für eine solche Immobilisierung gewinnen Hydrogele zunehmend an Bedeutung. Bei Hydrogelen handelt es sich allgemein um unlösliche Polymere, die erhebliche Mengen Wasser binden können, wobei die Matrix selber jedoch wasserunlöslich ist. Die Moleküle werden dabei durch kovalente oder ionische Bindungen zu einem dreidimensionalen Netzwerk verknüpft. Hydrogele haben sich aufgrund ihres breiten Anwendungspotentials in den letzten Jahren zu einem wichtigen Forschungszweig entwickelt. Die Anwendung von Hydrogelsystemen in der Medizin reicht beispielsweise von der Behandlung offener Wunden über die Wirkstoffverabreichung bis hin zur Kultivierung pharmazeutisch und/oder biotechnologisch relevanter Organismen oder Stammzellen für die Transplantationsmedizin, etwa in der Krebstherapie. Aufgrund der vielfältigen Einsatzmöglichkeiten für Hydrogele ist zu erwarten, dass die Anzahl der Anwendungen und der möglichen Einsatzgebiete in den nächsten Jahren noch erheblich weiter ansteigen wird.
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Grundsätzlich unterscheidet man zwischen zwei Arten von Hydrogelen. Bei permanenten Hydrogelen liegt eine kovalente Vernetzung der Matrixbausteine vor. Bei reversiblen Hydrogelen hingegen sind die beteiligten Moleküle lediglich durch nichtkovalente Bindungen, also ionische Wechselwirkungen, Wasserstoffbrückenbindungen, hydrophobe Interaktionen oder mechanische Verflechtung miteinander verbunden. Verschiedene Klassen von Molekülen (Polymeren) können als Grundbausteine für Hydrogele herangezogen werden. So werden Hydrogele beispielsweise aus Zuckern, deren Derivaten oder Polysacchariden wie Alginaten, Chitosan oder Dextran für Anwendungen in der Gewebezüchtung und Wirkstoffverabreichung verwendet. Ebenso stellen Proteine wie Fibrin, Elastin, Lysozym und Kollagen inzwischen gebräuchliche Ausgangsmaterialien für Hydrogele dar, wobei ihnen teilweise hervorragende Eigenschaften zugesprochen werden. Auch DNA als potentiell vielseitig einsetzbares Material wurde als Ausgangsbaustein für Hydrogele eingesetzt, wobei jedoch die Möglichkeiten zur effektiven und kostengünstigen Herstellung von maßgeschneiderter DNA in biotechnologisch, Anwendungs-relevanten oder gar industriellen Maßstäben bestenfalls als sehr limitiert zu betrachten sind. Auch chemisch-synthetische, nicht bio-abbaubare Polymere wie Polyvinylalkohol oder Polyhydroxymethacrylate werden als Basis für Hydrogele eingesetzt.
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Hydrogele aus Proteinen (Proteinhydrogele) entwickeln sich zu einer äußerst vielversprechenden Kategorie von Materialien, da Proteine aufgrund ihres biologischen Syntheseprinzips durch Translation einer Matrix aus Sicht des Polymerchemikers einzigartige prinzipielle Eigenschaften aufweisen. Als Präzisionspolymer mit definierter Kettenlänge sind sie monodispers und lassen sich inspiriert durch ihre Funktion als universeller Baustoff der Natur mit einer Vielzahl von nahezu frei bestimmbaren physikochemischen und biologischen Eigenschaften versehen, was weit über das offensichtliche Argument einer Bioverträglichkeit/-abbaubarkeit hinausgeht. In Proteinhydrogelen besteht die Matrix aus einem Rückgrat aus Protein, die Verknüpfung erfolgt meist chemisch durch geeignete Bindemoleküle (Linkermoleküle) als Quervernetzer. Solche Linkermoleküle tragen beispielsweise reaktive Gruppen wie Hydroxyl-, Carboxyl- oder Aminogruppen. Durch kovalente Verknüpfung der reaktiven Gruppen mit Resten auf der Oberfläche von Proteinen werden so dreidimensionale Netzwerke erzeugt. So wurde beispielsweise ein Gel aus humanem Protein (Serumalbumin) für Zellkulturanwendungen entwickelt, welches kovalent über Maleimid-Funktionen zu einer räumlichen Gel-Struktur verknüpft wurde. Weitere Gele basieren etwa auf dem Bindegewebsprotein Kollagen, das über endständige Aminogruppen und ein entsprechendes Linkermolekül quervernetzt ist. Für die Verabreichung von Wirkstoffen an Patienten wurden ebenfalls auf Serumalbumin basierende Gele beschrieben.
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Herkömmliche Verfahren für die Immobilisierung von Zellen oder Proteinen auf Oberflächen wie Hydrogelen umfassen unter anderem die (chemische) Funktionalisierung von Materialien mit zelladhäsiven Peptiden, wobei die Zellen enzymatisch, beispielsweise mittels Trypsin oder Accutase, vom Material abgelöst werden können. Weiter ist ein direktes Einkapseln von Zellen in Materialien und Auflösen des Materials durch Hitze, ohne die Zellen zu schädigen, oder die Verwendung von kationisiertem Material, um ausreichende Zelladhäsion zu gewährleisten und ein Ablösen der Zellen durch proteolytischen Verdau beschrieben. Weitere Möglichkeiten umfassen beispielsweise die Verwendung von UV-sensitiven, ablösbaren Peptiden, eine Erhöhung der Hydrophobizität eines Materials mittels UV Licht, die Zerstörung der zelltragenden Struktur (beispielsweise die Zerstörung eines Hydrogels durch enzymatischen Abbau), die Aktivierung und Inaktivierung von zelladhäsiven Sequenzen (RGD) durch chemisches Blocken der Sequenzen und die Verwendung von zelladhäsiven Aptameren und Abbau dieser durch DNAsen.
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Allerdings müssen bei diesen genannten Verfahren in der Regel relativ harsche Bedingungen erzeugt werden, um die Zellen aus dem Material herauszulösen, beispielsweise durch eine Temperaturerhöhung, den Einsatz von UV-Strahlung oder den Einsatz von Proteasen. Dabei werden oft toxische Produkte beim Freisetzen der Zellen generiert, etwa beim enzymatischen Abbau und/oder einer Zersetzung der Matrix. Solche unerwünschten Nebenprodukte können entweder die Zellen selbst oder das Material schädigen und Folgeanwendungen stören. Schließlich ist bei solchen Verfahren oft die lange Dauer bis zur Ablösung der Zellen von Nachteil.
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In diesem Zusammenhang beschreibt Liu et al. (Liu, X. et al.; Fabricating three-dimensional carbohydrate hydogel microarray for lectin-mediated bacterium capturing; Biosensors and Bioelectronics, 58; 2014; S. 92-100) dreidimensionale, Kohlenhydrat-modifizierte Polyacrylamid-Hydrogel-Mikroarrays, sowie Verfahren zu deren Herstellung.
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Der vorliegenden Erfindung liegt die Aufgabe zugrunde, ein Verfahren zur einfachen und reversiblen Immobilisierung von Zellen und/oder Proteinen auf Oberflächen bzw. in porösen Systemen auf Basis von Hydrogelen bereitzustellen. Weiter sollen entsprechende Hydrogele und Verfahren zu deren Herstellung bereitgestellt werden.
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Diese Aufgabe wird durch die in den Ansprüchen gekennzeichneten Ausführungsformen gelöst. Insbesondere werden erfindungsgemäß ein Verfahren zur Herstellung eines Hydrogels für die reversible Immobilisierung von Glykoproteinen und/oder Zellen auf dem Hydrogel, ein entsprechendes Hydrogel, dessen Verwendung in der 3D-Zellkultur, sowie ein entsprechendes Verfahren zur reversiblen Immobilisierung von Glykoproteinen und/oder Zellen auf einem Hydrogel bereitgestellt.
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Dementsprechend betrifft ein Gegenstand der vorliegenden Erfindung ein Verfahren zur Herstellung eines Hydrogels für die reversible Immobilisierung von Glykoproteinen und/oder Zellen auf dem Hydrogel, umfassend die Schritte:
- (a) Bereitstellen eines polymerisierbaren, biokompatiblen Ausgangsmaterials für die Herstellung eines Hydrogels, ausgewählt aus der Gruppe, bestehend aus Kollagen, Elastin, Fibrin, Lysozymen, Alginaten, Chitosan, Dextran, Polyethylenglykoldiacrylaten (PEGDA), Polyvinylalkoholen (PVA), Polyethylenglykolen (PEG), bovinem Serumalbumin (BSA) sowie Gemisches aus diesen Komponenten,
- (b) Glykosylieren des bereitgestellten Ausgangsmaterials mit einem Zuckermolekül,
- (c) mindestens teilweises Umsetzen des in Schritt (b) erhaltenen glykosylierten Materials mit einem Linkermolekül, sodass eine Vernetzung des glykosylierten Materials stattfindet und ein Hydrogel erhalten wird,
- (d) Lyophilisieren des in Schritt (c) erhaltenen Hydrogels, wodurch eine makroporöse Struktur in dem Hydrogel erzeugt wird,
- (e) Waschen des lyophilisierten Hydrogels, und
- (f) Inkubieren des gewaschenen Hydrogels mit einer Lösung, enthaltend ein Lektin, welches zwei oder mehr Bindungsstellen für die spezifische Bindung des für die Glykosylierung in Schritt (b) verwendeten Zuckermoleküls aufweist, wodurch das Lektin auf dem Hydrogel gebunden wird.
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Der Begriff „reversible Immobilisierung“ wie hierin verwendet betrifft eine Immobilisierung von Zellen und/oder Proteinen auf einem Trägermaterial, die durch geeignete Maßnahmen rückgängig gemacht werden kann, also die Möglichkeit einer Ab- und/oder Herauslösung der Zellen und/oder Proteine von und/oder aus dem Trägermaterial umfasst.
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Der Begriff „Glykoproteine“ wie hierin verwendet betrifft Proteine, die eine oder mehrere kovalent gebundene Kohlenhydratgruppe(n) umfassen.
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In Schritt (a) des erfindungsgemäßen Verfahrens wird ein polymerisierbares, biokompatibles Ausgangsmaterial für die Herstellung eines Hydrogels bereitgestellt. In einer bevorzugten Ausführungsform ist das Material bovines Serumalbumin (BSA).
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In Schritt (b) des erfindungsgemäßen Verfahrens wird das bereitgestellte Ausgangsmaterial mit einem Zuckermolekül glykosyliert. Verfahren zur Glykosylierung von bestimmten Materialien unterliegen keinen besonderen Beschränkungen und sind im Stand der Technik bekannt. Ebenso unterliegen geeignete Zuckermoleküle keinen besonderen Beschränkungen und sind im Stand der Technik bekannt. Mögliche Zuckermoleküle in diesem Zusammenhang umfassen Saccharose, Maltose, Glucose, Fucose, Fructose, Galaktose und Lactose. In einer bevorzugten Ausführungsform ist das Zuckermolekül Saccharose.
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In Schritt (c) des erfindungsgemäßen Verfahrens wird das glykosylierte Material mindestens teilweise mit einem Linkermolekül umgesetzt, sodass eine Vernetzung des glykosylierten Materials stattfindet und ein Hydrogel erhalten wird. Dabei ist der Anteil des umgesetzten Materials zumindest so hoch, dass ein Hydrogel ausgebildet wird. Geeignete Linkermoleküle unterliegen keinen besonderen Beschränkungen und sind im Stand der Technik bekannt. Bevorzugt sind in diesem Zusammenhang Linkermoleküle, die mindestens homo- oder hetero-bifunktional vorliegen und gegen in Proteinen vorkommende primäre Amine, Carboxyl-, Sulfhydryl- oder Carbonylgruppen gerichtet sind. Beipiele möglicher Linkermoleküle umfassen NHS-Ester, Imidoester, Maleimide, Haloacetyle, Pyridyldisulfide, Hydrazide, Alkoxyamine, Diazirine und Arylazide. Ein weiteres konkretes Beispiel für ein mögliches Linkermolekül ist Tetrakis(hydroxymethyl)phosphoniumchlorid. Verfahren zur Umsetzung von Materialien mit Linkermolekülen zur Herstellung eines Hydrogels unterliegen keinen besonderen Beschränkungen und sind im Stand der Technik bekannt. Bevorzugt wird das Linkermolekül in Form einer Lösung mit einer Konzentration von 10 bis 50 mg/ml, beispielsweise 30 mg/ml, des Linkermoleküls zu dem glykosylierten Material zugegeben. Das Mischungsverhältnis kann dabei 1:1, bezogen auf das Volumen der Lösungen betragen.
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In Schritt (d) des erfindungsgemäßen Verfahrens wird das erhaltene Hydrogel lyophilisiert, wodurch eine makroporöse Struktur in dem Hydrogel erzeugt wird. Entsprechende Verfahren zur Lyophilisierung von Hydrogelen unterliegen keinen besonderen Beschränkungen und sind im Stand der Technik bekannt.
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In Schritt (e) des erfindungsgemäßen Verfahrens wird das lyophilisierte Hydrogel gewaschen. Dies erfolgt bevorzugt in einer phosphatgepufferten Salzlösung bei physiologischem pH-Wert (pH 7,4), bevorzugt bei Raumtemperatur.
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In Schritt (f) des erfindungsgemäßen Verfahrens werden Lektine an das Hydrogel gekoppelt. Der Begriff „Lektin“ wie hierin verwendet bezeichnet komplexe Proteine oder Glykoproteine, die spezifische Kohlenhydratstrukturen binden und dadurch beispielsweise in der Lage sind, spezifisch an Zellen oder Zellmembranen zu binden und von dort aus biochemische Reaktionen auszulösen. Lektine üben jedoch keine enzymatische Aktivität aus. Die Kopplung der Lektine an das Hydrogel erfolgt durch Inkubieren des gewaschenen Hydrogels mit einer Lösung, enthaltend ein Lektin, welches mindestens eine Bindungsstelle für die spezifische Bindung des für die Glykosylierung in Schritt (b) verwendeten Zuckermoleküls aufweist, wodurch das Lektin auf dem Hydrogel gebunden wird. Entsprechende Verfahren unterliegen keinen besonderen Beschränkungen und sind im Stand der Technik bekannt. Geeignete Lektine für die Bindung an das in Schritt (b) des erfindungsgemäßen Verfahrens verwendete Zuckermolekül sind im Stand der Technik bekannt. Mögliche Lektine umfassen Lektine wie Concavalin A und jegliche multimeren pflanzlichen oder bakteriellen Lektine. Ein spezifisches Beispiel für ein Lektin in diesem Zusammenhang ist das aus Pseudomonas aeruginosa stammended Lektin PA-IIL (lecB). Bevorzugt ist das Lektin ein multimeres Lektin. Weiter enthält die genannte Lösung das Lektin bevorzugt in einer Menge von 50 bis 400 µM, mehr bevorzugt 200 bis 300 µM.
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Darüber hinaus ist das verwendete Lektin bevorzugt auf die zu immobilisierenden Zellen und/oder Proteine abgestimmt, also so gewählt, dass die zu immobilisierenden Zellen und/oder Proteine Zuckerreste aufweisen, die an das gewählte Lektin binden können. Auf Zellen und/oder Glykoproteinen vorhandene Zuckerreste sind, ebenso wie entsprechende Lektine, welche diese binden können, im Stand der Technik bekannt.
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Ein weiterer Gegenstand der vorliegenden Erfindung betrifft ein Hydrogel, umfassend ein glykosyliertes, biokompatiblen Ausgangsmaterial für die Herstellung eines Hydrogels, wobei
- (i) das Ausgangsmaterial mittels eines Linkermoleküls quervernetzt ist, und
- (ii) ein Lektin an die für die Glykosylierung verwendeten Zuckermoleküle gebunden vorliegt, welches zwei oder mehr Bindungsstellen für die spezifische Bindung des genannten Zuckermoleküls aufweist,
welches durch das erfindungsgemäße Herstellungsverfahren erhältlich ist.
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In diesem Zusammenhang finden alle relevanten Definitionen und Einschränkungen, die vorstehend für das erfindungsgemäße Verfahren zur Herstellung eines Hydrogels genannt sind, auch auf das erfindungsgemäße Hydrogel Anwendung. Insbesondere ist das biokompatible Ausgangsmaterial, das für die Glykosylierung verwendete Zuckermolekül, das Linkermolekül und das Lektin bevorzugt wie vorstehend definiert.
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Ein weiterer Gegenstand der vorliegenden Erfindung betrifft die Verwendung eines erfindungsgemäßen Hydrogels für die 3D-Zellkultur. Verfahren zur 3D-Zellkultur unterliegen keinen besonderen Beschränkungen, sind im Stand der Technik bekannt, und können ohne weiteres an die Verwendung mit den erfindungsgemäßen Hydrogelen angepasst werden.
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Ein weiterer Gegenstand der vorliegenden Erfindung betrifft ein Verfahren zur reversiblen Immobilisierung von Glykoproteinen und/oder Zellen auf einem Hydrogel, umfassend die Schritte:
- (a) Bereitstellen eines Hydrogels gemäß der vorliegenden Erfindung, und
- (b) Inkubieren des bereitgestellten Hydrogels mit den Glykoproteinen und/oder Zellen, wodurch die Glykoproteine und/oder Zellen durch Bindung von auf den Glykoproteinen und/oder Zellen vorhandenen Zuckerresten an die auf dem Hydrogel vorhandenen Lektine immobilisiert werden.
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In diesem Zusammenhang finden alle relevanten Definitionen und Einschränkungen, die vorstehend für das erfindungsgemäße Verfahren zur Herstellung eines Hydrogels genannt sind, auch auf das erfindungsgemäße Verfahren zur reversiblen Immobilisierung von Glykoproteinen und/oder Zellen auf einem Hydrogel Anwendung. Insbesondere ist das biokompatible Ausgangsmaterial, das für die Glykosylierung verwendete Zuckermolekül, das Linkermolekül und das Lektin bevorzugt wie vorstehend definiert.
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In einer bevorzugten Ausführungsform beinhaltet das vorstehend definierte Verfahren auch die Ablösung der Glykoproteine und/oder Zellen von dem Hydrogel. Insbesondere umfasst das Verfahren bevorzugt den Schritt:
- (c) Inkubieren des die immobilisierten Glykoproteine und/oder Zellen tragenden Hydrogels mit einer Lösung, umfassend das für die Glykosylierung verwendete Zuckermolekül und/oder ein Zuckermolekül, welches eine höhere Affinität zu den Lektinen als dieses aufweist.
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Wie vorstehend bereits beschrieben ist das verwendete Lektin bevorzugt auf die zu immobilisierenden Zellen und/oder Proteine abgestimmt, also so gewählt, dass die zu immobilisierenden Zellen und/oder Proteine Zuckerreste aufweisen, die an das gewählte Lektin binden können. Auf Zellen und/oder Glykoproteinen vorhandene Zuckerreste sind, ebenso wie entsprechende Lektine, welche diese binden können, im Stand der Technik bekannt. Weiter sind die Affinitäten verschiedener Zuckermoleküle zu einem gegebenen Lektin im Stand der Technik bekannt. Somit kann ein Zuckermolekül, welches eine höhere Affinität zu den Lektinen als das für die Glykosylierung verwendete Zuckermolekül aufweist, ohne weiteres ausgewählt werden.
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Mit Hilfe der vorliegenden Erfindung können (synthetisch) glykosylierte Materialien durch Bindung von Lektin als Adaptermolekül modifiziert und Zellen bzw. Proteine dadurch reversibel auf entsprechende Oberflächen oder in porösen 3D Matrices immobilisiert werden und anschließend auch schonend von/aus diesen abgelöst werden. Die Ablösung erfolgt innerhalb kurzer Zeit durch die Zugabe des korrespondierenden Bindezuckers in geringer Konzentration und ist daher außergewöhnlich schonend.
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Das hier entwickelte Verfahren sorgt für eine schonende, reversible Integration von Zellen und/oder Proteinen auf Oberflächen oder makroporösen 3D Matrices welche durch die einfache Zugabe geeigneter Zucker in geringer Konzentration innerhalb von Minuten von dem Material abgelöst werden können. Mögliche Anwendungen finden sich beispielsweise in der 3D-Zellkultur sowie bei der Forschung an künstlichem Gewebe, in der Grundlagenforschung von Zellsystemen in nativer Umgebung, sowie bei der Testung potentieller Wirkstoffe.
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Das Zucker und zuckerbindende Moleküle eine große Rolle bei der Zelladhäsion spielen ist seit langem bekannt, allerdings werden Lektine hier zum ersten Mal für die Funktionalisierung eines synthetischen Materials genutzt, um Zellen und/oder Proteine in dieses einzubringen, dort reversibel zu immobilisieren und eine Adhäsion zu bewirken. Weiterhin können die Zellen durch die einfache Zugabe von für Lektine spezifischen Zuckern in einem schonenden Verfahren aus dem Material herausgelöst werden
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Die Figur zeigt:
- 1: Ablösung von Zellen aus einem Hydrogel gemäß der vorliegenden Erfindung über die Zeit.
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Die vorliegende Erfindung wird anhand des folgenden, nicht-einschränkenden Beispiels näher erläutert.
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Beispiel:
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Bei dem rekombinant hergestellten Lektin handelt es sich um ein zuckerbindendes Protein welches ein Homotetramer bildet. Jede dieser Untereinheiten ist in der Lage, ein Zuckermolekül zu binden, wobei dies hauptsächlich über kooperative Wasserstoffbrücken realisiert wird. Die Erkennung der Zucker ist hierbei spezifisch für die verschiedenen Typen des Lektins. Für das hier verwendete Protein wurde folgende Affinität festgestellt: L-Fucose > L-Galactose> D-Mannose > D-Fructose. Anhand dieser Erkenntnisse wurde hier eine spezielle Affinitätschromatographie angewendet, bei der Mannose auf einer Festphase immobilisiert vorliegt, an welche Lektin binden kann. Nach der Bindung wurde das Lektin PA-IIL (lecB) mit einem Überschuss an Mannose von der Säule gelöst. Das gleiche Prinzip kam bei der zellulären Adhäsion zum Einsatz; das tetramere Lektin wirkt als Bindeglied zwischen den Bestandteilen des Hydrogels und den Zellen, die verschiedene Zucker auf der Oberfläche tragen. Die Ablösung der Zellen aus der Matrix erfolgte im Anschluss entweder über Zugabe eines Zuckers mit höherer Affinität oder über Zugabe von Zucker im Überschuss.
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Um die Adhäsion des Lektins an BSA Protein (aus dem die resultierenden Hydrogele bestehen) zu ermöglichen, wurde BSA über ein Trockenverfahren glykosyliert und mit Hilfe eines Linkermoleküls (Tetrakis(hydroxymethyl)phosphoniumchlorid; vierarmig, reagiert mit Lysingruppen in Proteinen) zu Gelen auspolymerisiert. Diese Gele wurden lyophilisiert (FreezeDryer Epsilon 1-6D, Christ, Osterode am Harz, Germany), um übergeordnete, makroporöse Strukturen durch die Sublimation der im gefrorenen Gel entstandenen Eiskristalle zu erzeugen. Nach ausgiebigem Waschen in phosphatgepufferter Salzlösung bei einem physiologischen pH (7,4) und Raumtemperatur wurden die Gele mit Lektin (50 - 400 µM) inkubiert, sodass Lektin in ausreichender Konzentration an das Netzwerk binden konnte. Im nächsten Schritt wurden Lungen- und Brustkarzinomzellen zu den porösen Hydrogelen gegeben, um eine Anheftung zu gewährleisten. Über die tetramere Struktur der Lektins konnten gleichzeitig Zellen und hydrogelbildende BSA Moleküle gebunden werden. Anschließend wurden die Gele in Lösung gebracht, um optimale Wachstumsbedingungen für die Zellen zu schaffen. Das Herauslösen der Zellen aus den Gelen erfolgte durch Zugabe eines Zuckers mit sehr hoher Affinität zu Lektin. Zellen wurden aus dem Gel geschwemmt und befanden sich im Folgenden im Medium, aus dem sie durch eine Zentrifugation zur weiteren Verwendung gesammelt werden konnten. Dieses hier zum ersten Mal beschriebene Verfahren zur Immobilisierung von Zellen mit Hilfe eines mikrobiellen Proteins ist durch die einfache Freisetzung der Zellen sehr zellschonend und reversibel.
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1 zeigt die Ablösung von Zellen aus einem Hydrogel gemäß der vorliegenden Erfindung über die Zeit.