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Die Erfindung betrifft eine gegenlenkende Kraftfahrzeug-Hinterachse mit den Merkmalen vom Oberbegriff des Patentanspruchs 1.
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Einfach aufgebaute Fahrzeug-Hinterachsen, insbesondere starre oder halbstarre Achsen, neigen im Gegensatz zu Achsen mit Einzelradaufhängungen bei Kurvenfahrt unter Seitenkrafteinfluss besonders zu einer Übersteuerungstendenz. Zur Abhilfe dieses Nachteils ist es bekannt, derartige Hinterachsen in der Weise zu konstruieren, dass ein kurvenäußeres Rad unter Seitenkrafteinfluss in Vorspur bewegt wird.
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Hierdurch ergibt sich bei Kurvenfahrt ein untersteuerndes Verhalten der Hinterachse, welches zu einem stabileren dynamischen Fahrverhalten beiträgt.
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Aus der
DE 101 26 192 A1 ist eine starre Hinterachse bekannt, bei der sich unter Einwirkung einer Seitenkraft auf ein am Radträger befestigtes, kurvenäußeres Rad eine Drehbewegung des Radträgers, und damit des Rades, um eine virtuelle Achse in Richtung einer Vorspur einstellt. Konkret sind die Radträger jeweils über eine entgegen der Fahrtrichtung versetzte Materialschwächung mit der Starrachse verbunden. Hierdurch ergibt sich eine in etwa vertikal angeordnete, virtuelle Schwenkachse, um die der jeweiligen Radträger unter Einfluss von Seitenkraft schwenkbar ist.
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In der
DE 10 2008 031 123 A1 wird eine gegenlenkende Fahrzeug-Hinterachse mit den Merkmalen vom Oberbegriff des Patentanspruchs 1 beschrieben. Konkret sind dort die Radträger jeweils über ein helmartig ausgebildetes Tragteil und Verstärkungsbleche mit einem Achskörper verbunden. Im Tragteil sind mehrere biegeweiche Bereiche und Aussparungen derart angeordnet, dass der Radträger unter Einwirkung einer Seitenkraft bei Kurvenfahrt um eine virtuelle Achse geschwenkt wird und in Vorspur geht.
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Die virtuelle Achse ist einerseits in Fahrtrichtung und andererseits in Richtung der Fahrzeuglängsmittenebene geneigt.
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Der vorliegenden Erfindung liegt die Aufgabe zu Grunde, eine alternative Kraftfahrzeug-Hinterachse bereitzustellen, mit der gute fahrdynamische Eigenschaften, insbesondere bei einer Kurvenfahrt erzielbar sind. Diese Aufgabe wird mit den Merkmalen von Patentanspruch 1 gelöst. Vorteilhafte Ausführungen beziehungsweise Weiterbildungen der Erfindung sind den abhängigen Ansprüchen zu entnehmen.
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Die Erfindung geht aus von einer gegenlenkenden Kraftfahrzeug-Hinterachse, bei der sich unter Einwirkung einer Seitenkraft auf ein an einem Radträger befestigtes, kurvenäußeres Rad eine Drehbewegung des Radträgers um eine virtuelle Achse in Richtung einer Vorspur einstellt. Dabei ist die virtuelle Achse bei deren Projektion auf eine in Fahrzeug-Längsrichtung verlaufende Ebene in Fahrtrichtung in einem Winkel geneigt.
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Die Erfindung schlägt vor, dass die virtuelle Achse unterhalb eines Rad-Mittelpunktes verläuft und einen Schnittpunkt mit einer Rad-Aufstandsebene aufweist, welcher in Fahrtrichtung betrachtet hinter einem Rad-Aufstandspunkt liegt.
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Es hat sich in Simulationen und Versuchen der Anmelderin gezeigt, dass auf diese Weise eine hohe Sturz- und Vorspursteifigkeit der Hinterachse erzielt werden konnte, wodurch ein gutes Fahrverhalten realisiert werden kann.
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Gemäß einer vorteilhaften Ausbildung des Erfindungsgedankens ist die virtuelle Achse in einem Winkel geneigt, der (gemessen von einer horizontalen Ebene) in einem Bereich von etwa 40° bis 50° liegt. Eine Neigung in einem derartigen Winkelbereich konnte zusätzlich zu guten Fahreigenschaften der Hinterachse beitragen.
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Insbesondere zeigte sich, dass bei einer Neigung der virtuellen Achse in einem Winkel von etwa 45 Grad die besten Werte erzielbar waren.
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Wenn nach einer anderen Ausbildung des Erfindungsgedankens dabei die virtuelle Achse in etwa parallel zu einer Rad-Mittenebene verläuft, kann dies dazu beitragen, dass die Kraftfahrzeug-Hinterachse einfach und kompakt aufgebaut werden kann.
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Eine konstruktiv sehr einfache Möglichkeit zur Realisierung einer solchen gewünschten virtuellen Achse ergibt sich, wenn der Radträger mit einem sich quer zur Fahrzeug-Längsrichtung erstreckenden Achskörper verbunden ist. Dabei ist der Radträger in einer Ansicht in Längserstreckung des Achskörpers mit wenigstens einer gurtartig um den Achskörper verlaufenden Materialverdickung versehen.
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Die Materialverdickung wiederum weist quer zu ihrer Längserstreckung wenigstens zwei Materialschwächungen auf, von denen in Fahrtrichtung gesehen und gemessen von der Rad-Aufstandsebene eine vordere Materialschwächung höher liegt als eine hintere Materialschwächung.
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Gemäß einer anderen zweckmäßigen Weiterbildung kann die gurtartig verlaufende Materialverdickung auf einer zur Fahrzeug-Längsmittenebene weisenden Seite des Radträgers angeordnet sein.
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Auf diese Weise können für das Rad und die Bremse montageseitig Freiräume geschaffen werden.
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Es ist einer einfachen und kompakten Bauweise der Kraftfahrzeug-Hinterachse zuträglich, wenn der Rad-Mittelpunkt oberhalb des Achskörpers angeordnet ist, wobei eine gedachte Verbindungslinie zwischen dem Rad-Mittelpunkt und einer Längsachse des Achskörpers in etwa vertikal verläuft.
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Mit der Erfindung wird auch Schutz für ein Kraftfahrzeug beansprucht, welches mit einer erfindungsgemäßen Hinterachse ausgestattet ist.
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Das Kraftfahrzeug kann derart weitergebildet sein, dass der Achskörper der Kraftfahrzeug-Hinterachse im Bereich eines Radträgers jeweils mit einer gurtartig um den Achskörper und in Fahrzeug-Längsrichtung verlaufenden Blattfeder verbunden ist, welche an der Kraftfahrzeug-Karosserie befestigt ist.
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Hierdurch wird auf einfache Weise die Stabilität der Hinterachse erhöht und gleichzeitig eine Federwirkung realisiert.
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Ein bevorzugtes Ausführungsbeispiel der Erfindung ist in den Figuren dargestellt und wird in der nachfolgenden Beschreibung näher erläutert. Dabei beziehen sich gleiche Bezugszeichen auf gleiche, vergleichbare oder funktional gleiche Bauteile, wobei entsprechende oder vergleichbare Eigenschaften und Vorteile erreicht werden, auch wenn eine wiederholte Beschreibung weggelassen ist.
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Es zeigen, jeweils schematisch
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1 die Darstellung einer Hinterachse von oben,
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2 eine seitliche Darstellung der Hinterachse gemäß Ansicht II aus 1,
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3 eine Seitendarstellung der Hinterachse gemäß Ansicht III aus 1,
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4 eine Schnittdarstellung gemäß Schnittansicht IV aus 3,
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5 eine Schnittdarstellung gemäß Schnittansicht V aus 3,
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6 eine perspektivische Darstellung der Hinterachse, wobei auch ein Teil der Karosserie vom Kraftfahrzeug dargestellt ist,
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7 den linken Teil der Hinterachse, von hinten in Fahrtrichtung gesehen, unter Seitenkraft bei einer Kurvenfahrt und
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8 eine Darstellung der Hinterachse gemäß Ansicht VIII aus 7.
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Zunächst wird auf die 1 Bezug genommen.
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In dieser Figur ist eine Kraftfahrzeug-Hinterachse 1 ersichtlich. Die Kraftfahrzeug-Hinterachse 1 umfasst einen zylindrisch ausgebildeten Achskörper 2, welcher vorzugsweise aus kohlefaserverstärktem Kunststoff ist. Der Achskörper 2 weist eine Längsachse 20 auf, welche sich in etwa senkrecht zu einer Fahrzeug-Längsmittenebene FM erstreckt.
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Mit FR ist eine gewöhnliche Fahrtrichtung beziffert.
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Auf jeder Seite ist der Achskörper 2 mit einem Radträger 3 verbunden, wobei jeder Radträger 3 ein Rad R trägt, welches eine Rad-Mittenebene RM aufweist. Der Radträger 3 ist vorzugsweise aus Metallguss hergestellt.
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An jedem Radträger 3 sind nun auf der zur Fahrzeug-Längsmittenebene FM weisenden Seite Materialverdickungen 30 aufgebracht.
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Wie später noch erläutert wird, sind diese Materialverdickungen 30 örtlich mit gezielten Materialschwächungen versehen, so dass sich ein jeweils kurvenäußeres Rad R unter Einwirkung einer Seitenkraft um eine virtuelle Achse dreht und dadurch in Vorspur geht.
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Aus der Figur ist ersichtlich, dass die virtuelle Achse A in etwa parallel zur Rad-Mittenebene RM verläuft und in Richtung der Fahrzeug-Längsmittenebene FM zur Rad-Mittenebene RM versetzt ist. Hiervon abweichende Ausrichtungen der virtuellen Achse A sind jedoch denkbar.
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Der Achskörper 2 ist ferner im Bereich einer jeden Radseite mit einer Blattfeder 4 verbunden, welche ihrerseits an einer Fahrzeugkarosserie (hier nicht dargestellt) befestigt ist.
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In 2 ist der besseren Übersichtlichkeit halber das Rad R auch nur gestrichelt angedeutet.
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Mit E ist eine Rad-Aufstandsebene beziffert. Ferner ist ein Rad-Aufstandspunkt 5 eingezeichnet, bei dem das Rad R auf der Rad-Aufstandsebene E aufliegt. Unter realen Lastbedingungen ergibt sich jedoch eine Rad-Aufstandsfläche (sogenannter Latsch) L.
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Aus dieser Ansicht ist sehr gut erkennbar, dass die virtuelle Achse A bei einer Projektion auf eine in Fahrzeug-Längsrichtung verlaufende, vertikale Ebene (hier Blattebene) in einem Winkel α zur Fahrtrichtung FR hin geneigt ist. Der Winkel α ist ein spitzer Winkel zwischen der virtuellen Achse A und einer horizontalen Ebene, bspw. der Rad-Aufstandsebene E.
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Der Winkel α liegt vorzugsweise in einem Bereich von etwa 40 Grad bis 50 Grad, besonders bevorzugt weist er einen Wert von etwa 45 Grad auf.
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Mit M ist ein Rad-Mittelpunkt des Rades R beziffert, um den das Rad R drehbar am nur äußerst schematisch dargestellten Radträger 3 befestigt ist.
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Es ist ersichtlich, dass die virtuelle Achse A in einem vertikalen Abstand a1 unterhalb des Rad-Mittelpunktes M verläuft und in Fahrtrichtung FR betrachtet die Rad-Aufstandsebene E in einem Abstand a2 hinter dem Rad-Aufstandspunkt 5 in einem Schnittpunkt 6 schneidet. Der Schnittpunkt 6 liegt vorzugsweise hinter der Rad-Aufstandsfläche L.
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Durch diese Lage der virtuellen Achse A können bei einfacher Ausgestaltung der Hinterachse 1 äußerst gute Fahreigenschaften erzielt werden, die sonst nur bei wesentlich aufwändigeren Hinterachsen (Einzelradaufhängungen) möglich sind.
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Der Radträger 3 ist ferner so mit dem Achskörper 2 verbunden, dass er sich vom Achskörper 2 nach oben erstreckt. Dies erfolgt derart, dass der Rad-Mittelpunkt M oberhalb der Längsachse 20 vom Achskörper 2 liegt und der Rad-Mittelpunkt M sowie die Längsachse 20 auf einer gemeinsamen Vertikalachse V liegen. Aus der 3 ist erkennbar, dass sich die bereits erwähnte Materialverdickung 30 gurtartig um den Rad-Mittelpunkt M einerseits und den Achskörper 2 andererseits erstreckt.
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Durch die Materialverdickung 30 wird dem Radträger 3 eine ausreichende Festigkeit verliehen.
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Um jedoch die gewünschte virtuelle Achse A auf einfache Weise realisieren zu können, ist die Materialverdickung 30 gezielt mit Materialschwächungen 31a und 31b versehen.
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Konkret weist die Materialverdickung 30, in Fahrtrichtung FR betrachtet, einen vorderen Abschnitt 30a und einen hinteren Abschnitt 30b auf.
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Im vorderen Abschnitt 30a ist die Materialschwächung 31a und im hinteren Abschnitt 30b die Materialschwächung 31b eingebracht.
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Wie auch aus den 4 und 5 ersichtlich ist, weisen die Materialschwächungen 31a, 31b die Form einer grabenartigen Einsenkung auf. Die Materialschwächungen 31a, 31b verlaufen zudem mit ihrer Längserstreckung jeweils quer zur Längserstreckung der Materialverdickung 30a bzw. 30b.
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Ferner ist erkennbar, dass (gemessen von der Rad-Aufstandsebene E) die Materialschwächung 31b eine Höhe h1 und die Materialschwächung 31a eine Höhe h2 aufweisen.
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Die Höhe h2 ist höher als die Höhe h1. Hierdurch lässt sich auf einfache Weise der gewünschte Winkel α der virtuellen Achse A konstruktiv vorgeben.
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In 6 ist die Hinterachse 1 etwas mehr auskonstruiert dargestellt.
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Es ist ersichtlich, dass die Hinterachse 1 linksseitig über einen Dämpfer 9 und über die bereits erwähnte Blattfeder 4 mit einer Karosserie 8 eines Kraftfahrzeugs K verbunden ist. Konkret ist die Blattfeder 4 an einem starren Anbindungsteil 7 befestigt, welches seinerseits wiederum fest mit der Karosserie 8 verbunden ist. Die Blattfeder 4 erstreckt sich in Fahrtrichtung FR des Kraftfahrzeugs K und umschlingt den Achskörper 2 der Hinterachse 1 gurtartig.
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Mit 32 sind Befestigungsöffnungen für eine nicht näher dargestellte Bremseinrichtung des Rades R beziffert.
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Um die Wirkung der virtuellen Achse besser nachvollziehen zu können, ist diese anhand der 7 und 8 skizziert.
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In diesen Figuren ist nur die Radmittenebene RM eines nicht näher dargestellten, kurvenäußeren Rades unter Einwirkung einer Seitenkraft F dargestellt.
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So bewirkt die virtuelle Achse A zum einen, dass sich in einer Ansicht in Fahrtrichtung FR gesehen die Radmittenebene RM unter Einwirkung der Seitenkraft F oberseitig nach außen weg von der Fahrzeug-Längsmittenebene FM bewegt (vgl. RM'). Hierdurch stellt sich ein positiver Sturzwinkel γ ein bzw. ein solcher wird vergrößert (vgl. 7).
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Zum anderen bewegt sich die Rad-Mittenebene RM unter dieser Seitenkraft F in einer Ansicht von oben auf die Hinterachse 1 vorderseitig nach innen in Richtung der Fahrzeug-Längsmittenebene FM, so dass siich en positiver Spurwinkel δ (sogenannte Vorspur) einstellt bzw. eine solche vergrößert wird.
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Es ist somit durch die Auslegung beziehungsweise Ausrichtung der virtuellen Achse A eine hohe Sturz- und Vorspursteifigkeit und somit ein gutes Fahrverhalten erzielbar.
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Bezugszeichenliste
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- 1
- Kraftfahrzeug-Hinterachse
- 2
- Achskörper
- 3
- Radträger
- 4
- Blattfeder
- 5
- Rad-Aufstandspunkt
- 6
- Schnittpunkt der virtuellen Achse mit der Rad-Aufstandsebene
- 7
- Anbindungsteil
- 8
- Karosserie
- 9
- Dämpfer
- 20
- Längsachse
- 30
- Materialverdickung
- 30a
- vorderer Abschnitt der Materialverdickung
- 30b
- hinterer Abschnitt der Materialverdickung
- 31a
- grabenartige Materialschwächung
- 31b
- grabenartige Materialschwächung
- 32
- Befestigungsöffnungen
- a1
- Abstand
- a2
- Abstand
- A
- virtuelle Achse
- E
- Rad-Aufstandsebene
- F
- Seitenkraft bei Kurvenfahrt
- FM
- Fahrzeug-Längsmittenebene
- FR
- Fahrtrichtung
- h1
- Höhe
- h2
- Höhe
- K
- Kraftfahrzeug
- L
- Rad-Aufstandsfläche (Latsch)
- M
- Rad-Mittelpunkt
- R
- Rad
- RM, RM‘
- Rad-Mittenebene
- V
- Vertikalachse
- α
- Winkel
- δ
- Spurwinkel
- γ
- Sturzwinkel
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ZITATE ENTHALTEN IN DER BESCHREIBUNG
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Zitierte Patentliteratur
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- DE 10126192 A1 [0004]
- DE 102008031123 A1 [0005]