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Die Erfindung bezieht sich auf ein Verfahren zur Ermittlung der Masse eines motorisierten Fahrzeugs, insbesondere eines motorisierten Zweirads.
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Stand der Technik
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Fahrerassistenzsysteme, welche aktiv in die Fahrdynamik eines Fahrzeugs eingreifen, beispielsweise Fahrwerksregelungen, benötigen zur Durchführung ihrer Funktionen verschiedene Fahrzeugparameter, unter anderem die gefederte Masse des Fahrzeugs. In erster Näherung kann von einem Massendurchschnittswert ausgegangen werden, was jedoch den Nachteil hat, dass die tatsächliche Fahrzeugmasse, die vom Beladungszustand abhängt, erheblich von diesem Durchschnittswert abweichen kann. Um diesen Nachteil zu beseitigen, kann eine Massenschätzung der gefederten Fahrzeugmasse durchgeführt werden, ausgehend von einer Beschleunigung oder Verzögerung des Fahrzeugs und einer Messung von Fahrzeugbeschleunigungen mittels Sensoren. Für eine möglichst präzise Schätzung der Fahrzeugmasse müssen jedoch verschiedene Beschleunigungs- und Verzögerungsmanöver durchgeführt werden. Solange diese noch nicht erfolgt sind, ist der Massenschätzwert mit einer erheblichen Toleranz behaftet.
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Offenbarung der Erfindung
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Mithilfe des erfindungsgemäßen Verfahrens kann die gefederte Masse eines motorisierten Fahrzeugs auf schnelle und präzise Weise ermittelt werden. Über einen Schwingungsanreger werden im Fahrzeug Schwingungen erzeugt, wobei das Schwingungsverhalten als Antwort auf die Schwingungsanregung sensorisch ermittelt wird. Die gefederte Masse des Fahrzeugs – einschließlich der aktuellen Beladung – kann anschließend aus einem Vergleich des aktuellen Schwingungsverhaltens mit einem Referenz-Schwingungsverhalten ermittelt werden, das einer gefederten Referenzmasse zugeordnet ist. Das Referenz-Schwingungsverhalten spiegelt die Schwingungsantwort im Fahrzeug unter Referenzbedingungen wider, unter denen die gefederte Fahrzeugmasse bekannt ist. Beispielsweise kann das Referenz-Schwingungsverhalten vorab bei unbeladenem Fahrzeug und mit einem definierten Füllstand des Tanks ermittelt werden. Gegenüber diesem Referenz-Schwingungsverhalten ändert sich das Schwingungsverhalten im beladenen Zustand oder mit reduziertem Füllstand des Tanks. Es kann beispielsweise aus einer Amplituden- und/oder Phasenverschiebung des aktuellen Schwingungsverhaltens gegenüber dem Referenz-Schwingungsverhalten auf die aktuelle, gefederte Fahrzeugmasse einschließlich Beladung im Fahrzeug geschlossen werden.
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Das Verfahren benötigt lediglich einen Schwingungsanreger im Fahrzeug, bei dem es sich insbesondere um eine aktive Baueinheit, vorzugsweise mit eigener Energieversorgung handelt. Des Weiteren ist mindestens ein Sensor erforderlich, über den das aktuelle Schwingungsverhalten als Antwort auf den Schwingungsanreger ermittelt wird. In einem Regel- bzw. Steuergerät im Fahrzeug kann die Schwingungsantwort ausgewertet und die aktuelle, gefederte Fahrzeugmasse ermittelt werden.
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Es können Schwingungen des aktiven Schwingungsanregers eines definierten Zeitpunktes bzw. Zeitraums ausgewertet werden. Es ist insbesondere möglich, bereits im Stillstand des Fahrzeugs oder bei niedriger Geschwindigkeit unterhalb eines Geschwindigkeitsgrenzwerts eine Schwingungsanalyse durchzuführen. Aufgrund der Ausführung des Schwingungsanregers als aktive Baueinheit ist die Schwingungsanregung nicht auf eine Mindestgeschwindigkeit oder eine längere Zeitdauer der Schwingungsanregung begrenzt. Es genügt vielmehr, im Stillstand oder bei niedriger Geschwindigkeit für einen verhältnismäßig kurzen Zeitraum eine Schwingungsanregung mit anschließender Schwingungsanalyse durchzuführen, um die gefederte Masse einschließlich Beladung zu bestimmen.
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Es ist aber auch möglich, die Schwingungsanalyse für einen Zeitraum durchzuführen, in dem sich das Fahrzeug bewegt. Beispielsweise kann die Masse aus einer Schwingungsanalyse während einer Fahrt mit höherer Fahrgeschwindigkeit des Fahrzeugs ermittelt werden. Dies hat den Vorteil, dass die sich durch den Kraftstoffverbrauch während der Fahrt reduzierende Masse erfasst werden kann.
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Bei dem aktiven Schwingungsanreger handelt es sich insbesondere um den Antriebsmotor des Fahrzeugs. Der Antriebsmotor kann als Brennkraftmaschine oder als Elektromotor oder eine Kombination von Brennkraftmaschine und Elektromotor ausgebildet sein. Gegebenenfalls wird, um ein definiertes Anregungsspektrum zu erreichen, der Antriebsmotor in einem vorbestimmten Drehzahlband betätigt. Alternativ kann es aber ausreichend sein, den Antriebsmotor bei einer Nenndrehzahl, beispielsweise im Stillstand des Fahrzeugs bei Leerlaufdrehzahl für die Schwingungsanregung zu betreiben.
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Die Schwingungen, welche von dem Schwingungsanreger im Fahrzeug erzeugt werden, umfassen ein definiertes Frequenzspektrum, das durch Vergleich mit dem Referenz-Schwingungsverhalten Rückschlüsse auf die aktuelle, gefederte Masse erlaubt. Die Schwingungen können ggf. als hochfrequente Vibrationen vorliegen.
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Die Schwingungen, welche auf den Schwingungsanreger zurückgehen, werden insbesondere direkt oder indirekt am Fahrzeug erzeugt und über den Sensor am Fahrzeug oder einem mit dem Fahrzeug verbundenen Bauteil gemessen. Beispielsweise ist der Antriebsmotor des Fahrzeugs über Lager am Fahrwerk aufgehängt. Es kann zweckmäßig sein, die Messung der Schwingungen über den Sensor auf Abstand zum Schwingungsanreger durchzuführen, beispielsweise im Fall einer Ausführung des Schwingungsanregers als Antriebsmotor den Sensor zur Schwingungsmessung auf Abstand zum Antriebsmotor anzuordnen, insbesondere am Fahrwerk.
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Gemäß einer weiteren vorteilhaften Ausführung wird das aktuelle Schwingungsverhalten des Fahrzeugs über einen oder mehrere Beschleunigungssensoren ermittelt. Es kommen Beschleunigungssensoren zur Messung der Fahrzeuglängsbeschleunigungen, der Fahrzeugquerbeschleunigungen und/oder der Fahrzeugvertikalbeschleunigungen in Betracht.
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Gemäß einer weiteren zweckmäßigen Ausführung wird das aktuelle Schwingungsverhalten des Fahrzeugs über einen Körperschallsensor ermittelt. Der Sensor misst den Körperschall eines Bauteils, das direkt oder indirekt mit dem Schwingungsanreger verbunden ist, beispielsweise den Körperschall am Fahrwerk des Fahrzeugs.
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Es kann gegebenenfalls zweckmäßig sein, mehrere Sensoren vorzusehen und die sensorisch ermittelten Schwingungen verschiedener Sensoren zu berücksichtigen. Hierbei kommen sowohl Sensoren gleichen Typs, beispielsweise verschiedene Beschleunigungssensoren, als auch Sensoren unterschiedlichen Typs, beispielsweise Beschleunigungs- und Körperschallsensoren in Betracht.
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Der Sensor kann gegebenenfalls in das Regel- bzw. Steuergerät integriert sein. Es sind aber auch Ausführungen möglich, in denen der Sensor und das Regel- bzw. Steuergerät als separate Komponenten ausgeführt sind.
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Gemäß einer weiteren zweckmäßigen Ausführung wird in der Analyse des Schwingungsverhaltens die Amplitude und/oder die Phase des aktuellen Schwingungsverhaltens mit dem Referenz-Schwingungsverhalten ermittelt und die Abweichung in der Amplitude bzw. Phase für die Massenbestimmung herangezogen. Sowohl aus der Überhöhung oder Verkleinerung der Amplitude als auch der Phasenverschiebung kann die Masse des Fahrzeugs ermittelt werden. Es ist möglich, entweder nur die Amplitude oder nur die Phase oder auch sowohl Amplitude als auch Phase zu bestimmen und mit dem Referenz-Schwingungsverhalten zu vergleichen.
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Gemäß noch einer weiteren zweckmäßigen Ausführung erfolgt die Analyse des Schwingungsverhaltens im Zeitbereich. Es ist aber auch möglich, eine Transformation in den Frequenzbereich durchzuführen, beispielsweise über eine Fast-Fourier-Transformation (FFT), und im Frequenzbereich die Analyse durchzuführen.
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Gemäß einer weiteren zweckmäßigen Ausführung werden die sensorisch aufgenommenen Schwingungen vor der Analyse gefiltert. Die Filterung der Sensorsignale kann als Hochpassfilter, Tiefpassfilter oder Bandpassfilter durchgeführt werden.
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Bei dem motorisierten Fahrzeug, dessen gefederte Masse einschließlich der Beladung ermittelt werden soll, handelt es sich beispielsweise um ein motorisiertes Zweirad, zum Beispiel um ein Motorrad oder einen Motorroller. In Betracht kommen aber auch Anwendungen des Verfahrens auf sonstige motorisierte Fahrzeuge, beispielsweise auf Personenkraftwagen.
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Die ermittelte gefederte Masse des Fahrzeugs kann in einem Fahrerassistenzsystem, das in das Fahrzeug eingebaut ist, verwendet werden. Beispielsweise ist es möglich, eine Fahrwerksregelung, zum Beispiel eine Skyhook-Regelung in einem Motorrad mit der ermittelten gefederten Masse zu parametrieren. Des Weiteren kommen Anwendungen beispielsweise in Stabilitätsprogrammen, in Bremssystemen oder in Lenksystemen in Betracht.
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Die Ablaufschritte des Verfahrens werden in einem Regel- bzw. Steuergerät, das sich im Fahrzeug befindet, durchgeführt. In dem Regel- bzw. Steuergerät können Stellsignale erzeugt werden, über die entweder weitere Steuergeräte angesteuert oder verschiedene Komponenten bzw. Baueinheiten im Fahrzeug unmittelbar angesteuert werden.
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Weitere Vorteile und zweckmäßige Ausführungen sind den weiteren Ansprüchen, der Figurenbeschreibung und den Zeichnungen zu entnehmen. Es zeigen:
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1 in schematischer Darstellung ein Motorrad mit einer Brennkraftmaschine als Schwingungsanreger und einem am Fahrwerk angeordneten Sensor zur Ermittlung der Schwingungen,
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2 ein Ablaufschema mit den Verfahrensschritten zur Ermittlung der Masse des Motorrads über eine Analyse des aktuellen Schwingungsverhaltens.
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Das in 1 dargestellte Motorrad 1 ist in bekannter Weise mit einem Antriebsmotor 2 versehen, der als Brennkraftmaschine ausgeführt ist. Im Motorrad 1 ist zur Ansteuerung verschiedener einstellbarer Komponenten, unter anderem des Antriebsmotors 2, ein Regel- bzw. Steuergerät 3 verbaut. Das Motorrad kann mit Fahrerassistenzsystemen ausgestattet sein, beispielsweise einem Antiblockiersystem ABS oder aktiven Fahrwerksregelsystemen wie zum Beispiel Skyhook-Regelungen oder Motorcycle Stability Control MCS. Über Signale des Regel- bzw. Steuergerätes werden die Fahrerassistenzsysteme angesteuert, insbesondere mit dem Ziel einer erhöhten Fahrstabilität.
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Für die Parametrierung einer oder mehrerer Komponenten im Motorrad, insbesondere eines Fahrerassistenzsystems, ist die Information über die gefederte Masse des Motorrads einschließlich Fahrer und eventuellem Gepäck von Bedeutung. Um die aktuelle gefederte Masse rasch und mit hoher Genauigkeit bestimmen zu können, ist in das Motorrad 1 ein Sensor 4 eingebaut, über den Schwingungen bzw. Vibrationen im Motorrad gemessen werden. Die gemessenen Schwingungen werden ausgewertet, insbesondere mit einem Referenz-Schwingungsverhalten verglichen, wobei aus der Abweichung des aktuellen Schwingungsverhaltens vom Referenz-Schwingungsverhalten, dem eine gefederte Referenzmasse entspricht, auf die aktuelle gefederte Masse des Motorrades geschlossen werden kann.
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Als aktiver Schwingungsanreger dient der Antriebsmotor 2. Unmittelbar nach dem Start des Antriebsmotors 2 erzeugt dieser Schwingungen im Motorrad, die von dem Sensor 4 erfasst werden. Die Schwingungen breiten sich in der gesamten gefederten Masse des Motorrades aus und können daher an jeder gefederten Position im Motorrad erfasst werden. Vorteilhafterweise befindet sich der Sensor 4 auf Abstand zum Antriebsmotor 2 und ist am Fahrwerk des Motorrads 1 befestigt.
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Bei dem Sensor 4 handelt es sich beispielsweise um einen Beschleunigungssensor, mit dem Beschleunigungen in Längsrichtung und/oder Querrichtung, gegebenenfalls auch in vertikaler Richtung des Motorrades erfasst werden. Als Beschleunigungen werden die beschleunigten Motorradbewegungen in die entsprechende Richtung erfasst, die von den Schwingungen des Antriebsmotors 2 ausgehen. Die gemessenen Beschleunigungen können in dem Regel- bzw. Steuergerät 3 durch einen Vergleich mit dem Referenz-Schwingungsverhalten bei einer Referenzmasse des Motorrades verglichen werden. Die Referenzmasse des Motorrades entspricht beispielsweise einem unbeladenen Motorrad ohne Fahrer bei einem definierten Füllstand des Tanks. Das Motorrad besitzt in diesem Zustand ein bestimmtes Referenz-Schwingungsverhalten, mit dem das aktuelle Schwingungsverhalten des beladenen Motorrades verglichen werden kann.
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2 zeigt das Ablaufschema mit den Verfahrensschritten zur Ermittlung der gefederten Masse des Motorrades. Im ersten Verfahrensschritt 10 wird zunächst überprüft, ob der Antriebsmotor des Motorrades eingeschaltet ist. Der Antriebsmotor dient als Schwingungsanreger und erzeugt im Fahrzeug Schwingungen, die gemessen und ausgewertet werden können, um die gefederte Masse zu ermitteln. Falls die Abfrage im Schritt 10 ergibt, dass der Antriebsmotor nicht eingeschaltet ist, wird der Nein-Verzweigung („N“) folgend wieder zum Beginn des Schrittes 10 zurückgekehrt und die Abfrage gemäß Schritt 10 in zyklischen Abständen erneut durchlaufen.
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Ergibt dagegen die Abfrage im Schritt 10, dass der Antriebsmotor eingeschaltet ist, wird der Ja-Verzweigung („Y“) folgend zum nächsten Verfahrensschritt 11 vorgerückt, in dem die Messung der Schwingungen über einen oder mehrere Sensoren im Fahrzeug durchgeführt wird. Die gemessenen Schwingungen werden anschließend im Schritt 12 zur Ermittlung der gefederten Gesamtmasse des Motorrades herangezogen, indem das aktuelle, gemessene Schwingungsverhalten mit einem hinterlegten Referenz-Schwingungsverhalten verglichen wird. Hierbei kann es zweckmäßig sein, die gemessenen Schwingungen zunächst einer Filterung zu unterziehen, wobei eine Hochpass-, eine Tiefpass- oder eine Bandpassfilterung in Betracht kommen. Die Auswertung kann sowohl im Zeitbereich als auch, nach einer entsprechenden Transformation, beispielsweise eine Fast-Fourier-Transformation, im Frequenzbereich durchgeführt werden.
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Die ermittelte, gefederte Gesamtmasse des Motorrades kann anschließend im Schritt 13 zur Parametrierung einer einstellbaren Komponente im Fahrzeug oder eines Fahrerassistenzsystems herangezogen werden, beispielsweise eines Antiblockiersystems.
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Die Schritte 11 bis 13, also das Messen der Schwingungen im Fahrzeug, die Bestimmung der gefederten Gesamtmasse und die Parametrierung, können in zyklischen Abständen während der Fahrt des Motorrades erneut durchlaufen werden. Auf diese Weise kann dem Kraftstoffverbrauch während der Fahrt Rechnung getragen werden, der zu einer Reduzierung der gefederten Gesamtmasse führt. Dementsprechend kann über das erneute Durchlaufen der Schritte 11 bis 13 ein aktualisierter Massenwert für die gefederte Gesamtmasse ermittelt werden, der zu einer erneuten Parametrierung einzelner oder mehrerer Komponenten bzw. Fahrerassistenzsysteme herangezogen wird.