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Stand der Technik
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Das Recycling von Polymermaterialien wird ein immer dringlicher werdendes Problem. Dies betrifft sowohl die Schonung der Ressourcen als auch den Schutz der Umwelt. Ein Wiedereinschleusen der gebrauchten Materialien in die Stoffkreisläufe wäre eine Lösung der jetzt bestehenden Probleme. Dies wird aber nur dann effizient gelingen, wenn aus den Altstoffen hochwertige Materialien hergestellt werden können. Da die Thermoplaste den überwiegenden Teil von Kunststoffen ausmachen, ist grundsätzlich eine Wiederverwendung über deren einfaches Aufschmelzen und neu Formen attraktiv. Dem steht jedoch die Unverträglichkeit (Unmischbarkeit) unterschiedlicher Polymere im Wege, die zu Korngrenzen und dadurch einer Verschlechterung der Materialeigenschaften führt. Für die Herstellung hochwertiger Produkt aus Recycling-Materialien ist ein sortenreines Sortieren erforderlich, das wegen des hohen Aufkommens an Recycling-Material und der geforderten hohen Fehlerfreiheit nur maschinell realistisch ist. Ein solches maschinelles Sortieren erfordert allerdings auch ein maschinelles Erkennen der Polymermaterialien. In vorangegangenen Arbeiten [1] wurde die Identifizierung von Kunststoffen über die Abklingzeit ihrer Eigenfluoreszenz beschrieben. Das Verfahren ist effizient, erfordert aber eine Optoelektronik, die stabil im Nanosekunden-Bereich arbeitet. Für viele Routine-Sortieraufgaben wären Detektoren von Interesse, die mit einer einfacheren Optoelektronik auskommen.
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Aufgabenstellung
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Es bestand die Aufgabe, ein einfaches optisches Detektionssystem zur Identifizierung von Kunststoffen auf der Basis der Fluoreszenz, zu entwickeln, um diese u. a. in Recycling-Verfahren einzusetzen.
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Beschreibung
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Wir haben bei technischen Polymeren eine überraschend starke Eigenfluoreszenz gefunden, wenn sie mit UV- oder kurwellig sichtbarem Licht bestrahlt werden; siehe 1. Die Fluoreszenzbanden sind für die diversen Kunststoffe charakteristisch; hier wurde dies an den Beispielen der technischen Hochleistungskunststoffe Luran® (ASA), Ultramid® (PA) und Delrin® (POM) näher untersucht, es gilt aber generell auch für andere Kunststoffe. Die Fluoreszenz ist als optische Detektionsmethode besonders attraktiv, weil hier keine besonderen Anforderungen an die optische Qualität der zu untersuchenden Proben gestellt werden, weil die optisch angeregte Probe selbst zur Lichtquelle wird, die auf den Detektor fokussiert wird. Die charakteristischen Fluoreszenzspektren, die Fluoreszenz-Intensität I als Funktion der Wellenlänge λ, wären zwar grundsätzlich für die Identifizierung und Charakterisierung ausgesprochen interessant, aber ein Vergleich der breiten Spektren ist schwierig.
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Darüber hinaus stehen keine numerisch zu erfassenden einfachen Maßzahlen für die Fluoreszenzspektren zur Verfügung; dies alles schränkt den Nutzen der Fluoreszenzspektren für die Identifizierung der Polymermaterialien erheblich ein.
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Wir haben gefunden, dass sich diese ausgesprochen breiten Fluoreszenzspektren erstaunlicherweise durch wenige Gaußfunktionen nach Gl. (1) quantitativ mit hoher Präzision beschreiben lassen – vier bis fünf Gaußfunktionen (n) sind für den sichtbaren Bereich völlig ausreichend; siehe Tabelle 1. Zu jeder einzelnen Gaußbande gehören drei Parameter (die Lage der Bande λi, die Höhe der Bande Ii und die Halbwertsbreite σi). Wegen der Energie-Linearität der Intensität I(λ) und der reziproken Beziehung zwischen Energie und Wellenlänge stehen die λ-Werte im Exponent von Gl. (1) im Nenner; der Faktor 100 im Exponent erleichtert die Umrechnung von nm in die energielinearen kK (10000 cm–1). Zur Erkennung einer Gaußbande reichen drei Intensitätswerte bei verschiedenen Wellenlängen aus [2], und dies bedeutet, dass mit 15 Werten der Verlauf des gesamten Spektrums im sichtbaren Bereich beschrieben werden kann.
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Die überraschend hohe Präzision, mit der die UV/Vis-Spektren über die Gaußanalyse beschrieben werden können, ist exemplarisch für die drei Kunststoffe Luran® (ASA), Ultramid® (PA) und Delrin® (POM) in den 2 bis 4 demonstriert, in denen Vergleiche zwischen den experimentellen Spektren und der über die Daten der Gaußanalyse erfolgten Simulation der Spektren angegeben sind. Im sichtbaren Bereich werden die simulierten Spektren praktisch vollständig von den experimentellen Spektren überdeckt. Die erstaunlich hohe Präzision bewirkt andererseits eine hohe Detektionssicherheit (kleine Fehlerrate); dies ist insbesondere für das automatische Sortieren von Polymeren wegen der geforderten hohen Sortenreinheit von besonderer Bedeutung.
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Die Detektion der Polymermaterialien kann anhand der Fluoreszenzspektren direkt erfolgen, wie dies hier durch einen Ist-Soll-Vergleich der Fluoreszenzspektren geschehen kann (minimal 15 Einzelmesswerte als Stützstellen für den Vergleich). Das Verfahren kann aber auch mit dem früher beschriebenen Verfahren unter Verwendung der Fluoreszenzabklingzeiten [1] kombiniert werden und erfährt dadurch eine Erweiterung, die zur weiteren Erhöhung der Detektionssicherheit durch Redundanz verwendet werden kann oder auch durch Bestimmung keiner Veränderungen, insbesondere in Anbetracht der Vielzahl der Werte, die Erkennung spezieller Chargen oder Verarbeitungsverfahren ermöglicht.
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Tabelle 1. Parameter der einzelnen Gaußfunktionen nach Gl. (1) bzw. den
2 bis
4. für die technischen Polymeren Ultramid
® (PA), Luran
® (ASA) und Delrin
® (POM). Die Nummern der Banden i stehen in Klammern. Die Wellenlängen λ sind in nm und die Werte σ in kK (10000 cm
–1) angegeben. Die Intensitäten I beziehen sich auf den normierten Maximalwert im untersuchten Intervall.
Polymer | Ultramid® | Luran® | Delrin® |
λmax(1) | 420.93 | 413.08 | 359.96 |
2σ2(1) | 2.352 | 3.628 | 0.942 |
Imax(1) | 0.796 | 0.799 | 2.758 |
λmax(2) | 459.09 | 454.96 | 385.82 |
2σ2(2) | 2.180 | 3.501 | 1.291 |
Imax(2) | 0.650 | 0.448 | 0.398 |
λmax(3) | 499.79 | 510.34 | 418.26 |
2σ2(3) | 2.369 | 5.630 | 1.115 |
Imax(3) | 0.161 | 0.276 | 0.242 |
λmax(4) | 540.03 | 590.78 | 443.58 |
2σ2(4) | 3.179 | 1.643 | 0.495 |
Imax(4) | 0.045 | 0.036 | 0.047 |
λmax(5) | | | 458.34 |
2σ2(5) | | | 2.591 |
Imax(5) | | | 0.140 |
λmax(6) | | | 484.67 |
2σ2(6) | | | 54.301 |
Imax(6) | | | 0.013 |
λmax(7) | | | 504.46 |
2σ2(7) | | | 1.667 |
Imax(7) | | | 0.044 |
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Die Erkennung der Polymeren über die Fluoreszenzspekten kann neben der allgemeinen Erkennung von Kunststoffen primär zum Sortieren der Materialien für das Recycling von Thermoplasten verwendet werden, die sich über ein Aufschmelzen ausgesprochen einfach wiederverwenden lassen. Interessant ist es auch bei Kunststoffen, die chemisch aufbereitet werden sollen, wie z. B. bei der Nutzung gebrauchter Thermodure, da es dann gelingt, dem jeweiligen chemischen Prozessen ein einheitliches Ausgangsmaterial zuzuführen, mit dem dieser dann stabiler betrieben werden kann. Über das Erkennen der Polymeren können auch gezielt Wertstoffe zurückgewonnen werden, wie z. B. Platinkatalysatoren, wenn sie bei bestimmten Prozessen eingesetzt werden, weil deren Produkte dann erkannt werden. Schließlich kann das Verfahren auch außerhalb des Recyclings eingesetzt werden um Kunststoffe optisch zu erkennten, wie z. B. bei der Produktkontrolle, insbesondere bei hochwertigen Endprodukten, bei denen diverse Ausgangsmaterialien zusammengeführt werden.
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Wenn man berücksichtigt, dass ein Recycling-Flake in ungünstigen Fällen maximal 10 mm groß ist und man zur Sicherheit 20 mm Platz zwischen zwei Flakes lässt, die Fluoreszenz durch Laserpulse anregt, die wegen Ausschluss von Streulicht die Detektion triggern, und von einer Fluoreszenzabklingzeit von ca. 5 ns ausgeht, dann stünden bei 15 MHz Pulsfolge und einer Vorschubgeschwindigkeit von 140 m/s (man sollte aus technologischen Gründen deutlich unter der Schallgeschwindigkeit bleiben) mehr als 1000 Anregungspulse pro Flake zur Verfügung. Wenn man diese mittelt, kann man das Signal-zu-Rausch-Verhältnis erheblich verbessern und damit die Detektionssicherheit noch weiter erhöhen. Bei einer Masse von 25 mg für ein Recycling-Flake (der Wert wurde durch Mittelung von Flakes aus handelsüblichem technischem Recycling Material bestimmt), kann man mit einer Sortierlinie dann problemlos eine halbe Tonne Material pro Stunde sortieren. Dies ist als realistische technologische Dauer-Sortierleistung zu betrachten, die von der beschriebenen Detektionsmethode bewältigt werden kann. In vielen Fällen sind aber so hohe Sortierleistungen nicht erforderlich; bei kleineren Sortierleistungen sind die Anforderungen an Elektronik und Mechanik erheblich niedriger.
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Schlussfolgerung
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Unter Verwendung von Gaußanalysen der Auto-Fluoreszenzspektren von technischen Polymeren lassen sich diese eindeutig erkennen und dann maschinell sortieren. Hierauf basierend lassen sich Thermoplaste effizient zu hochwertigen Materialien recyclen. Thermodure und andere Materialien lassen sich über das Verfahren ebenfalls sortieren und gezielt zu individuellen chemischen Aufbereitungsverfahren zuleiten. Schließlich lässt sich das Verfahren zur Erkennung von makromolekularen Stoffen nicht nur zum Recycling einsetzen, sondern auch für Anwendungen, wie z. B. der Produkt-Kontrolle.
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Experimenteller Teil
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Die Fluoreszenzspektren wurden mit einem Spektrometer Cary Eclipse von Varian aufgenommen und spektral total quantenkorrigiert. Die technischen Polymere Luran® (Styrol-Polyacrylnitil-Copolymer von der BASF), Delrin® (Polyoxymethylen von DuPont) und Ultramid® (Polyamid mit Glasfasern von der BASF) wurden ohne weitere Behandlung eingesetzt.
- [1] [a] H. Langhals, D. Zgela, T. Schlücker, Green and Sustainable Chem. 2014, 4, 144–150; http://dx.doi.org/10.4236/gsc.2014.43019. [b] H. Langhals, T. Schlücker, D. Zgela, Ger. Offen. DE 10 2014 004 529.3 (27.3.2014).
- [2] H. Langhals, Zeitschr. Analyt. Chem. 1982, 310, 427–428.
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Gegenstand der Erfindung
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- a. Verfahren zur Identifizierung von technischen Polymeren anhand einer Gaußanalyse ihrer Auto-Fluoreszenz.
- b. Verfahren zur Fluoreszenzanregung von technischen Polymeren zwecks einer Gaußanalyse für deren Identifizierung dadurch gekennzeichnet, dass kurzwellig sichtbares oder UV-Licht, bevorzugt bei 365 und 403 nm verwendet wird.
- c. Verfahren zur Identifizierung von technischen Polymeren durch Vergleich und Verwendung tabellierter Werte der Parameter von Gaußanalysen für die Identifizierung von Polymeren.
- d. Verwendung der Verfahren nach a bis c für das sortenreine Sortieren von Polymeren zum Recycling, bevorzugt das sortenreine Sortieren von Thermoplasten.
- e. Verwendung der Verfahren nach a bis c für die Produktkontrolle von Dingen, die Polymermaterialien enthalten.
- f. Verwendung der Verfahren nach a bis c zur Wiedererkennung von Gegenständen nach Markierung mit Kunststoffen für deren eindeutige Identifizierung, auch im Sinne der Markierung gegen Produktpiraterie.
- g. Verwendung der Verfahren nach a bis c zur sortenreinen Trennung von Polymermaterialien zwecks Recycling; bevorzugte Polymermaterialien sind Thermoplaste, und unter diesen insbesondere bevorzugt Polyoxymethylen (POM), Polystyrol (PS), Polyamid (PA), Polyurethane (PU), Polyethylenterephthalat (PET), Polymethylmethacrylat (PMMA), Polycarbonat (PC), Polyethylen (PE), Polypropylen (PP), Polyvinylchlorid (PVC), Polyetherketon (PEK), oder auch Aramide, Kapton, Polysulfon und die Silikone und auch Copolymerisate wie ABS.
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Bezugszeichenliste
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1. Fluoreszenzspektren der Polymer-Materialien. Maxima von rechts nach links: Ultramid® (PA; durchgezogene Kurve), Luran® (ASA; gepunktete Kurve) und Delrin® (POM; gestrichelte Kurve). Fluoreszenzanregung bei 365 nm.
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2. Gaußanalyse des Fluoreszenzspektrums von Ultramid® (dicke, durchgezogene Kurve) und simuliertes Spektrum anhand der Einzelbanden der Gaußanalyse für den sichtbaren Bereich oberhalb von 400 nm (dünne, gestrichelte Kurve). Säulen: Lagen und Intensitäten der einzelnen Gaußbanden.
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3. Gaußanalyse des Fluoreszenzspektrums von Luran® (dicke, durchgezogene Kurve) und simuliertes Spektrum anhand der Einzelbanden der Gaußanalyse für den sichtbaren Bereich oberhalb von 400 nm (dünne, gestrichelte Kurve). Säulen: Lagen und Intensitäten der einzelnen Gaußbanden.
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2. Gaußanalyse des Fluoreszenzspektrums von Delrin® (dicke, durchgezogene Kurve) und simuliertes Spektrum anhand der Einzelbanden der Gaußanalyse für den sichtbaren Bereich oberhalb von 400 nm (dünne, gestrichelte Kurve). Säulen: Lagen und Intensitäten der einzelnen Gaußbanden.
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ZITATE ENTHALTEN IN DER BESCHREIBUNG
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Zitierte Patentliteratur
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Zitierte Nicht-Patentliteratur
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- H. Langhals, D. Zgela, T. Schlücker, Green and Sustainable Chem. 2014, 4, 144–150; http://dx.doi.org/10.4236/gsc.2014.43019 [0012]
- H. Langhals, Zeitschr. Analyt. Chem. 1982, 310, 427–428 [0012]