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Die Erfindung betrifft ein Verfahren zum Betreiben einer Sicherheitsvorrichtung eines Kraftfahrzeugs. Die Erfindung betrifft ferner eine Sicherheitsvorrichtung eines Kraftfahrzeugs.
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Stand der Technik
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Sicherheitsgurte im Kraftfahrzeug sind heute gesetzlich vorgeschriebene Standardausstattung. Sie sorgen dafür, dass Insassen des Kraftfahrzeugs im Falle einer Kollision bzw. Aufpralls an der Verzögerung des Fahrzeugs, die durch eine Kollisionszone definiert ist, teilnehmen und sich nicht frei durch den Innenraum des Kraftfahrzeugs bewegen können und einen abrupten Aufprall mit hoher Belastung erleben müssen.
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Moderne Sicherheitssysteme besitzen eine Vorstraffeinrichtung, die pyrotechnisch, elektromotorisch oder mittels Federn arbeitet, um Gurtlose des Sicherheitsgurts zu verringern und die Insassen möglichst frühzeitig, d.h. vor Beginn der Kollision an den Fahrzeugpuls zu koppeln. Außerdem gibt es Gurtkraftbegrenzer, die dafür sorgen, dass auch bei sehr hohen Fahrzeugpulsen eine Belastung des Brustkorbs der Insassen eine bestimmte Schwelle nicht überschreitet, sondern der Sicherheitsgurt nachgibt und eine Vorverlagerung des Insassen zulässt. Die Gurtkraftbegrenzer können mechanisch entweder mit einer konstanten Kraftwirkung oder mittels einer Kraftwirkung anhand einer festgelegten Kennlinie ausgebildet sein, alternativ als eine pyrotechnisch schaltbare Mechanik, bei der zwischen verschiedenen Kraftniveaus umgeschaltet werden kann. Adaptive Systeme können sich auf Insassentyp und Kollisionsintensität einstellen, beziehungsweise nehmen das Kraftpotential dann zurück, wenn der Sicherheitsgurt einen Teil der Rückhaltewirkung an einen Airbag übergeben kann.
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Gurtstraffer können an allen drei Angriffspunkten des Gurtes, d.h. Aufrollmechanismus, Gurtschloss und Ankerunkt positioniert sein und arbeiten zumeist über eine vorgespannte Feder, einen pyrotechnisch generierten Gasdruck oder elektromotorisch, wobei ein Zylinder bewegt (lineares Prinzip) oder Kugeln, die in ein Zahnrad greifen, angetrieben werden (kreisförmiges Prinzip).
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Gurtkraftbegrenzer sind in der Regel auf dem Aufrollmechanismus positioniert und können als Torsionsstab oder in Form einer zerspanenden Mechanik ausgebildet sein, wobei im Falle der Ausgestaltung mit einer zerspanenden Mechanik ein mechanischer Eingriff (z.B. mittels Krallen) an einer Innenseite des Kraftfahrzeugs erfolgt, um eine Bewegungsenergie des Gurts mechanisch abzubauen.
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Bekannte Systeme nehmen allerdings nur in geringem Ausmaß Rücksicht auf den jeweiligen Fahrzeuginsassen und können ein Unfallszenario nur rudimentär berücksichtigen, wodurch im Prinzip für jeden Fahrzeuginsassen und für jede Unfallsituation die Betriebscharakteristik der Sicherheitselemente nahezu identisch ist.
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Bekannte Systeme erfassen mittels Sensorik Umfeld- bzw. Unfallszenarien des Kraftfahrzeugs und ermitteln daraus z.B. mittels Beschleunigungssensoren eine Verzögerung. Dadurch wird ein Beschleunigungsniveau erkannt, welches genutzt wird, um zu entscheiden, wie stark eine Kollision ist. Daraus abgeleitet kann eine Entscheidung getroffen werden, ob ein Airbag ausgelöst werden soll oder nicht. Im Falle eines Aufpralls wird entschieden, in welcher Härte der Airbag ausgelöst werden soll, bekannt ist eine Auslösung in zwei Stufen.
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Bekannt ist ferner Sensorik für Fahrerassistenzsysteme in Form einer Videokamera, Radarsensoren, Lidarsensoren, Ultraschallsensoren, mittels der ein Umfeld des Kraftfahrzeugs erfasst wird. Informationen derartiger Sensorik werden konventionell für Notbremssysteme genutzt.
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Offenbarung der Erfindung
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Es ist eine Aufgabe der vorliegenden Erfindung, ein verbessertes Verfahren zum Betreiben einer Sicherheitsvorrichtung für ein Kraftfahrzeug bereitzustellen.
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Gemäß einem ersten Aspekt wird die Aufgabe gelöst mit einem Verfahren zum Betreiben einer Sicherheitsvorrichtung eines Kraftfahrzeugs, aufweisend die Schritte:
- – Erfassen eines Umfelds des Kraftfahrzeugs mittels einer Sensoreinrichtung, wobei eine Kollisionswahrscheinlichkeit ermittelt wird;
- – Erfassen einer Sitzposition wenigstens eines Fahrzeuginsassen in einem Fahrzeugsitz;
- – Ermitteln einer Auslösestrategie für die Sicherheitsvorrichtung entsprechend der Kollisionswahrscheinlichkeit und der Sitzposition des Fahrzeuginsassen; und
- – Aufteilen der Auslösestrategie auf wenigstens einen Aktor der Sicherheitsvorrichtung.
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Auf diese Weise ist unterstützt, dass für jeden Insassen und jede Unfallsituation eine individuell angepasste Funktionalität der Sicherheitsvorrichtung bereitgestellt wird. Damit können Kraftwirkungen durch ein Rückhaltesystem besser an die Unfallsituation angepasst werden. Kraftwirkungen und ein Energieabbau sind besser über den zeitlichen Ablauf der Kollision verteilt, wodurch die Kraftwirkungen des Rückhaltesystems auf den Fahrzeuginsassen besser verträglich sind. Vorteilhafterweise wird eine weitere Anwendung der oftmals bereits vorhandenen Umfelderfassungssensorik für eine Anwendung im Sicherheitsbereich vorgesehen.
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Gemäß einem zweiten Aspekt wird die Aufgabe gelöst mit einer Sicherheitsvorrichtung eines Kraftfahrzeugs, aufweisend:
- – eine Sensoreinrichtung zum Erfassen eines Umfelds und wenigstens einer Sitzposition eines Insassen des Kraftfahrzeugs;
- – wenigstens einen Aktor zum Betätigen einer Rückhalteeinrichtung;
- – wenigstens einen Aktor zum Verstellen eines Fahrzeugsitzes; und
- – eine Steuerungseinrichtung, wobei eine Kollisionswahrscheinlichkeit des Kraftfahrzeugs aus dem erfassten Umfeld des Kraftfahrzeugs ermittelbar ist und in Abhängigkeit von der Kollisionswahrscheinlichkeit eine Auslösestrategie der Sicherheitsvorrichtung auf wenigstens einen Aktor der Sicherheitsvorrichtung verteilbar ist.
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Vorteilhafte Weiterbildungen des Verfahrens und der Sicherheitsvorrichtung sind Gegenstand von abhängigen Ansprüchen.
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Eine vorteilhafte Weiterbildung des Verfahrens sieht vor, dass die Aktoren der Sicherheitsvorrichtung wenigstens eines aus Folgendem betätigen: Rückhalteeinrichtung, Lehne des Fahrzeugsitzes, Sitzfläche des Fahrzeugsitzes. Auf diese Weise kann eine Funktionalität der Sicherheitsvorrichtung vorteilhaft auf mehrere Sicherheitselemente aufgeteilt werden, wodurch im Ergebnis unterstützt ist, dass Kraftwirkungen auf den Insassen besser verteilt und dadurch besser verträglich sind.
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Eine weitere vorteilhafte Weiterbildung des Verfahrens sieht vor, dass in Abhängigkeit von der Kollisionswahrscheinlichkeit wenigstens ein Aktor der Rückhalteeinrichtung und/oder der Lehne des Fahrzeugsitzes und/oder der Sitzfläche des Fahrzeugsitzes derart angesteuert wird, dass eine Krafteinwirkung auf den Fahrzeuginsassen minimiert ist. Auf diese Weise kann vorteilhaft für jedes Unfallszenario eine auf jeden Insassen individuell abgestimmte Krafteinwirkung auf den Insassen bereitgestellt werden. Eine Verletzungswahrscheinlichkeit ist auf diese Weise für den Fahrzeuginsassen vorteilhaft verringert.
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Eine weitere vorteilhafte Weiterbildung des Verfahrens sieht vor, dass die Aktoren der Rückhalteeinrichtung wenigstens eines aus Folgendem durchführen: Vorstraffen eines Gurtbands, Positionieren des Fahrzeuginsassen mittels des Gurtbands, Begrenzen einer Kraftwirkung des Gurtbands. Auf diese Weise werden bereits bestehende Aktoren einer Rückhalteeinrichtung in das erfindungsgemäße Konzept mit einbezogen. Aufgrund der Minimierung der Belastung der genannten Elemente kann auf diese Weise eine technisch einfachere und damit kostengünstigere Rückhalteeinrichtung bereitgestellt werden.
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Eine weitere vorteilhafte Weiterbildung des Verfahrens sieht vor, dass ferner ein Gewicht des Fahrzeuginsassen sensorisch erfasst wird. Auf diese Weise kann eine Granularität der Funktionsweise der Sicherheitsvorrichtung weiter verfeinert und beispielsweise zwischen einem Fahrer und einem Beifahrer eine Differenzierung vorgenommen werden.
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Die Erfindung wird im Folgenden mit weiteren Merkmalen und Vorteilen anhand von mehreren Figuren im Detail beschrieben. Dabei bilden alle Merkmale, unabhängig von ihrer Darstellung in der Beschreibung und in den Figuren, sowie unabhängig von ihrer Rückbeziehung in den Patentansprüchen den Gegenstand der Erfindung. Die Figuren sind insbesondere dazu gedacht, die erfindungswesentlichen Prinzipien zu verdeutlichen.
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In den Figuren zeigt:
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1 eine Darstellung eines bekannten Gurtsystems eines Kraftfahrzeugs;
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2 eine erste Ausführungsform einer erfindungsgemäßen Sicherheitsvorrichtung;
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3 ein prinzipielles Diagramm zur Darstellung einer Krafteinwirkung auf den Fahrzeuginsassen im Kollisionsfall; und
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4 einen prinzipiellen Ablauf einer Ausführungsform des erfindungsgemäßen Verfahrens.
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Beschreibung von Ausführungsformen
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1 zeigt schematisch Elemente einer konventionellen Rückhalteeinrichtung 30 mit bekannten Elementen. Ein Höhenversteller 31 (engl. height adjuster) ist vorgesehen, um eine Höhe einer Umlenkung eines Gurtbands 33 geeignet an den Fahrzeuginsassen anzupassen, so dass eine Kraft des Gurtbands 33 idealerweise im Brustbereich des Fahrzeuginsassen eingeleitet werden kann.
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Ein Aufrollmechanismus 32 (engl. retractor) ist vorgesehen, um das Gurtband 33 in ein Gehäuse aufzuspulen und im Falle einer Kollision bzw. Aufpralls des Kraftfahrzeugs zu blockieren. Ferner ist eine Vorspanneinrichtung 36 (engl. pretensioner) vorgesehen, die sicherstellt, dass das Gurtband 33 den Fahrzeuginsassen so früh wie möglich durch Aufrollen des Gurtbandes 33 und damit Reduzierung der Gurtlose an einen Aufprallpuls koppelt. Eine Auslösung der Vorspanneinrichtung 36 kann pyrotechnisch oder elektronisch erfolgen. Ferner ist ein Kraftbegrenzer 37 (engl. load limiter) vorgesehen, der im Kollisionsfall eine maximale Kraft des Gurtbands 33 auf den Fahrzeuginsassen begrenzt.
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Das Gurtband 33 der Rückhalteeinrichtung 30 ist in der Regel aus Polyester gewebt und umfasst ca. 300 Fäden bzw. Garne mit einer Gesamtbreite von ca. 48 mm. Es ist geeignet, um Lasten von ungefähr 3000 t zu halten. Ein Gurtschloss 34 (engl. buckle) ist vorgesehen, um das Gurtband 33 mit einer Zunge zu fixieren und mit geringem Kraftaufwand manuell zu lösen. Auch mittels des Gurtschlosses 34 kann eine Straffung des Gurtbandes 33 erreicht werden, indem das Gurtschloss 34 nach unten gezogen wird. Ein Anker 35 (engl. anchor) ist vorgesehen, um die Rückhalteeinrichtung 30 am Kraftfahrzeug zu befestigen.
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2 zeigt ein prinzipielles Blockschaltbild einer Ausführungsform einer erfindungsgemäßen Sicherheitsvorrichtung 100. Mittels einer Sensoreinrichtung 10 zur Umfeld- und Insassenserfassung wird ein Umfeld des Kraftfahrzeugs erfasst. Die Sensoreinrichtung 10 kann beispielsweise einen Radarsensor, und/oder einen Ultraschallsensor, und/oder ein Videosensor, und/oder einen Lidarsensor usw. umfassen. Ferner kann mittels der Sensoreinrichtung 10 eine Sitzposition und/oder ein Gewicht und/oder eine Körperhaltung und/oder eine Größe eines Fahrers bzw. von weiteren Insassen des Kraftfahrzeugs ermittelt werden.
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Die Sensoreinrichtung 10 übermittelt ihre Daten an eine Steuerungseinrichtung 20 (z.B. einen Mikrocontroller), der eine Kollisionswahrscheinlichkeit bzw. Unfallwahrscheinlichkeit für das Kraftfahrzeug ermitteln kann. Insbesondere kann mittels der Steuerungseinrichtung 20 entschieden werden, ob es zu einem Unfall bzw. zu einer Kollision kommen wird, und falls ja, wie schwer die Kollision in ihrer Intensität sein wird. In Abhängigkeit von der ermittelten Kollisionsintensität und den ermittelten Sitzpositionen der Fahrzeuginsassen wird eine Auslösestrategie der Sicherheitsvorrichtung 100 auf wenigstens einen, mehrere, oder alle Aktoren der Sicherheitsvorrichtung 100 aufgeteilt.
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In Abhängigkeit von der Unfallsituation kann zum Beispiel, sofern die technische Möglichkeit vorhanden ist, eine Einstellung einer Torsionsfeder des Aufrollmechanismus 32 auf eine Grundsteifigkeit vorgenommen werden, die ein Basisniveau für eine Gurtkraftbegrenzung vorgibt. Die Erfindung ist sowohl für Systeme geeignet, die diese Möglichkeit der Umschaltung der Steifigkeit (z.B. mittels einer verschiebbaren Muffe) bieten, als auch für Systeme, die nur eine einzige Steifigkeit der Torsionsfeder aufweisen. Gegebenenfalls kann auf den Umschaltmechanismus für eine Steifigkeit der Torsionsfeder verzichtet werden. In diesem Fall genügt eine einzige Steifigkeit der Torsionsfeder, was vorteilhaft eine einfache und kostengünstige Realisierung der Rückhalteeinrichtung 30 ermöglicht.
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Das gewählte Kraftniveau für die Gurtkraftbegrenzung durch die Torsionsfeder muss wenigstens auf einem gewünschten Niveau liegen. Idealerweise liegt es höher und kann durch die erfindungsgemäße Aufteilung der Auslösestrategie gesenkt werden.
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Die Senkung kann dabei z.B. mittels einer gezielten Bewegung/Vorkippung einer Sitzlehne und/oder einer Längsverstellung einer Sitzfläche des Fahrzeugsitzes 40 erreicht werden, sofern dies die ermittelte Unfallsituation zulässt. In diesem Fall ist es besonders günstig, dass die Rückhalteeinrichtung 30 integral am Fahrzeugsitz 40 befestigt ist, wie es bei so genannten Integralsitzen der Fall ist. Durch die Nutzung wenigstens eines der Antriebe für die Sitzlehnenverstellung bzw. die Längsverstellung des Fahrzeugsitzes 40 kann auf diese Weise das Niveau der Gurtkraftbegrenzung vom Basisniveau der Torsionswelle abgesenkt werden.
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Zu diesem Zweck wird die Sitzlehne des Fahrzeugsitzes 40 im Kollisionsfall nach vorne geneigt. Dadurch ist eine leichtere Vorverlagerung des Oberkörpers des Fahrzeuginsassen relativ zum Kraftfahrzeug unterstützt, wie sie auch bei einem niedrigeren Kraftniveau der Torsionswelle möglich wäre. Die Krafteinwirkung auf die Brust des Fahrzeuginsassen kann auf diese Weise vorteilhaft verringert werden.
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Alternativ oder zusätzlich kann mittels eines Aktors der Längsverstellung des Fahrzeugsitzes 40 der gesamte Fahrzeugsitz 40 im Kollisionsfall nach vorne verschoben werden. In diesem Falle wirkt die Bewegung relativ zum Kraftfahrzeug gesehen nach vorne und ebenfalls der durch das Gurtband 33 eingeleiteten Verzögerung des Fahrzeuginsassen entgegen. Die Belastung auf die Brust und das Becken des Insassen kann auf diese Weise vorteilhaft noch weiter reduziert werden.
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Aus der folgenden Tabelle ist eine zahlenmäßige Auflistung von Funktionalitäten der Rückhalteeinrichtung
30 mit zugeordneten Richtwerten von Funktionsparametern erkennbar, die mit der erfindungsgemäßen Sicherheitsvorrichtung
100 bereitgestellt werden:
Funktion | Zeitdauer [ms] | Gurtweg [mm] | Kraft [N] |
Vorstraffen | ca. 100 | ca. 100 | ca. 100...ca. 400 |
Positionieren | ca. 500 | ca. 400 | ca. 400 |
Kraftbegrenzen | ca. 100 | ca. 400 | ca. 1...ca. 6000 |
Tabelle 1
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Dabei können die Funktionen „Vorstraffen“ und „Positionieren“ auch schon vor dem Kollisionsbeginn bereitgestellt werden, wohingegen die Funktion „Kraftbegrenzen“ in der Regel erst nach dem Kollisionsbeginn bereitgestellt wird, wobei von einer typischen Dauer der Kollision von ca. 100 ms ausgegangen wird.
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Ferner werden folgende Richtwerte für Parameter bereitgestellt, die bereits mit herkömmlichen System erreichbar sind:
- – Maximalmoment Elektromotor für Gurtantrieb: 1,2 Nm
- – Gurtrollenradius: 30 mm
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Die stark unterschiedlichen, erforderlichen Übersetzungen für die Funktionen erschweren eine rein elektromotorische Lösung, d.h. den Einsatz eines einzigen Antriebs für alle Funktionen. Zur Realisierung der notwendigen Übersetzungen wäre mit herkömmlichen Mitteln ein sehr großer technischer Aufwand erforderlich. Die resultierende hohe Drehzahl des Elektromotors für die Gurtkraftbegrenzung von 200.000 Umdrehungen/min bringt den Antrieb zudem an seine technisch mögliche Grenze.
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Erfindungsgemäß ist daher vorgesehen, die Auslösestrategie der Sicherheitsvorrichtung 100 mit den Funktionalitäten gemäß Tabelle 1 auf wenigstens einen, mehrere, oder alle bereits vorhandenen Aktoren aufzuteilen.
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Die Rückhalteeinrichtung 30 kann auf diese Weise einfacher, kleiner und daher kostengünstiger als bisher ausgestaltet werden, weil sie von der Funktionsweise der Sicherheitsvorrichtung unterstützt bzw. entlastet wird.
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3 zeigt in qualitativer Weise die Wirkungen der erläuterten Maßnahmen anhand eines Kraft-Wege-Diagramms, wobei auf der y-Achse eine Kraft F auf den Fahrzeuginsassen dargestellt ist und auf der x-Achse ein Weg s einer Relativbewegung des Fahrzeuginsassen zum Kraftfahrzeug.
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Ein Verlauf 3a zeigt ein konstantes Kraftniveau einer bekannten Rückhalteeinrichtung 30, das beispielsweise bei ca. 6 kN liegt und im Verlauf der Bewegung des Fahrzeuginsassen relativ zum Kraftfahrzeug konstant bleibt. Falls dieses Kraftniveau im Falle einer schweren Kollision und/oder eines schweren Fahrzeuginsassen benötigt wird, wird es im Verlauf des Kollisionsfalls permanent bereitgestellt. Ein derartig hohes und konstantes Kraftniveau ist jedoch in vielen Fällen für den Fahrzeuginsassen nicht oder kaum verträglich und kann mit Verletzungen verbunden sein.
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Falls hingegen weniger Kraftwirkung durch die Rückhalteeinrichtung 30 benötigt wird, kann durch die oben erläuterten zusätzlichen Maßnahmen (Verstellung der Sitzlehne und/oder der Sitzfläche des Fahrzeugsitzes 40) eine Senkung dieses hohen Kraftniveaus bereitgestellt werden.
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Die Verläufe 3b und 3c in 3 zeigen zwei beispielhafte, von einem Ausgangsniveau 3a abgesenkte Kraftniveaus. Beide Verläufe 3b, 3c können durch eine einzelne oder durch eine kombinierte Verstellung von Sitzlehne und Sitzlängsverstellung erreicht werden. Neben den dargestellten Niveaus können auch andere Niveaus realisiert werden.
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Der beispielhafte Verlauf 3b eines abgesenkten Kraftniveaus (erreichbar durch Lehnen- und/oder Sitzverstellung, jeweils einzeln oder überlagernd, gestuft oder stufenlos betrachtet) entspricht einem Fall, dass eine Lehne des Kraftfahrzeugsitzes 40 mittels eines entsprechenden Aktors nach vorne gekippt wird. Der Verlauf 3c entspricht dem Fall, dass eine Längssitzverstellung des Kraftfahrzeugsitzes 40 mittels eines entsprechenden Aktors durchgeführt wird. Man erkennt somit, dass in den Verläufen 3b und 3c ein auf den Fahrzeuginsassen wirkendes Kraftniveau der Rückhalteeinrichtung 30 vorteilhaft bedeutend abgesenkt werden kann. Die genannte Absenkung kann gestuft oder auch stufenlos bereitgestellt werden.
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Als eine Variante zu einer Lösung mit einer ein- oder mehrstufigen Torsionsfeder im Gurtsystem kann auf die Torsionsfeder auch gänzlich verzichtet werden. In diesem Fall erfolgt keine Freigabe des Gurts, sondern die Insassenvorverlagerung erfolgt ausschließlich mittels der genannten Sitzlehnen- und Sitzlängsverstellung.
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Da die Lehnen- oder Sitzbewegung in Vorverlagerungsrichtung des Fahrzeuginsassen gerichtet ist, wird die Bewegung des Fahrzeugsitzes 40 oder der Lehne durch die Kraftwirkung des Fahrzeuginsassen (Massenträgheit des Fahrzeuginsassen, stärker verzögertes Fahrzeug) unterstützt und muss nicht ausschließlich durch die Antriebe (z.B. eines Motors des Aufrollmechanismus 32) der Rückhalteeinrichtung 30 erbracht werden. Auf diese Weise kann eine hohe Dynamik für die Gurtkraft bereitgestellt werden, weshalb das Kraftniveau der Torsionswelle stets über der gewünschten Kraftbegrenzung liegen sollte.
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Eine weitere, optionale Maßnahme zur Verteilung der Auslösestrategie der Sicherheitsvorrichtung 100 auf Aktoren kann ein definiertes Einfahren einer Lenksäule des Kraftfahrzeugs umfassen.
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4 zeigt eine prinzipielle Darstellung einer Ausführungsform des erfindungsgemäßen Verfahrens.
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In einem Schritt 200 wird ein Erfassen eines Umfelds des Kraftfahrzeugs mittels einer Sensoreinrichtung 10 durchgeführt, wobei eine Kollisionswahrscheinlichkeit ermittelt wird.
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In einem Schritt 210 wird ein Erfassen einer Sitzposition wenigstens eines Fahrzeuginsassen in einem Fahrzeugsitz 40 durchgeführt.
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In einem Schritt 220 wird ein Ermitteln einer Auslösestrategie für die Sicherheitsvorrichtung 100 entsprechend der Kollisionswahrscheinlichkeit und der Sitzposition des Fahrzeuginsassen durchgeführt.
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Schließlich wird in einem Schritt 230 ein Aufteilen der Auslösestrategie auf wenigstens einen Aktor der Sicherheitsvorrichtung 100 durchgeführt.
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Technisch kann eine Implementierung des Verfahrens als eine Software vorgesehen sein, die mittels der Steuerungseinrichtung 20 entsprechend abgearbeitet wird, um damit die erfindungsgemäße Funktionalität bereitzustellen. Vorteilhaft ist es auf diese Weise möglich, eine Abänderung von Spezifikationen und Anforderungen, bzw. Upgrades und Updates auf einfache Weise durchzuführen.
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Zusammenfassend werden mit der vorliegenden Erfindung eine Sicherheitsvorrichtung eines Kraftfahrzeugs und ein Verfahren zum Betreiben einer derartigen Sicherheitsvorrichtung vorgeschlagen, mittels denen es vorteilhaft möglich ist, eine Kraftwirkung auf den Fahrzeuginsassen im Kollisionsfall zu minimieren bzw. zu reduzieren. Vorteilhaft ist dies durch eine Berücksichtigung von individuellen Unfallsituationen möglich, wobei individuelle Gegebenheiten betreffend eine Sitzposition des Fahrzeuginsassen im Fahrzeugsitz während der Unfallsituation berücksichtigt werden. Auf diese Weise wird eine Kraftwirkung auf Insassen vorteilhaft so hoch wie nötig aber so gering wie möglich gehalten, um dadurch eine bestmögliche Verträglichkeit des Sicherheitssystems zu ermöglichen.
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Obwohl die Erfindung vorgehend anhand von konkreten Ausführungsformen beschrieben wurde, ist sie keineswegs darauf beschränkt. Der Fachmann wird somit vorgehend auch nicht beschriebene Ausführungsformen realisieren, ohne vom Kern der Erfindung abzuweichen.