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Die Erfindung betrifft eine Röntgenröhre.
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Die Erzeugung von Röntgenstrahlung erfolgt in Röntgenröhren üblicherweise durch Beschuss einer Anode mit Elektronen. Die Elektronen werden ihrerseits aus einer Elektronenquelle (Kathode mit einem thermoionischen Emitter oder einem Feldemitter) freigesetzt und über eine Hochspannung, die zwischen der Elektronenquelle und der Anode anliegt, auf die gewünschte Primärenergie beschleunigt. Beim Auftreffen der Elektronen auf das Material der Anode im Aufenthaltsbereich des Brennflecks wird durch die Wechselwirkung der Elektronen mit den Atomkernen des Anodenmaterials die kinetische Energie der Elektronen zu etwa 1 % in Röntgenstrahlung und zu ca. 99 % in Wärme umgesetzt. Als Anodenmaterial werden Materialien mit einer hohen Kernladungszahl (Ordnungszahl) Z verwendet, beispielsweise Wolfram (W, Z = 74) oder eine Legierung aus Wolfram (W) und Rhenium (Re, Z = 75).
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Aufgrund der Umwandlung von etwa 99 % der kinetischen Energie der auf die Anode auftreffenden Elektronen (typisch ca. 70 keV bis maximal 140 keV) in Wärme entstehen im Aufenthaltsbereich des Brennflecks Temperaturen von bis zu ca. 2.600 °C. Damit ist das Wärmemanagement eine wesentliche Aufgabe der Anode.
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Der technisch geplante und konstruktiv realisierte Aufenthaltsbereich des Brennflecks, also die Stelle der Anode, an dem der Primärstrahl der in der Kathode erzeugten Elektronen auftrifft, kann entweder stationär sein (Steh-/Festanoden) oder eine Brennbahn bilden (rotierende Anoden bei Drehanoden-Röntgenröhren oder Drehkolben-Röntgenröhren).
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Der Brennfleck bzw. die Brennbahn emittiert seinerseits wiederum eine Vielzahl von Elektronen. Zum einen sind dies Sekundärelektronen, die zusätzlich aus dem Anodenmaterial durch Anregungsprozesse herausgelöst werden, und zum anderen sind dies auch Rückstreuelektronen, also Elektronen des Primärstrahls, die die Anode nach elastischer Streuung oder nach inelastischen Streu- oder Anregungsprozessen wieder verlassen.
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Insbesondere die Rückstreuelektronen besitzen zumindest teilweise noch eine vergleichsweise hohe Energie (im Mittel ca. 80 % der Energie der einfallenden Elektronen). Wenn die Rückstreuelektronen auf benachbarte Teile des Vakuumgehäuses, auf das Austrittsfenster oder auf die Anode selbst (diesmal auch außerhalb des eigentlichen Brennflecks bzw. außerhalb der eigentlichen Brennbahn) treffen, erzeugen sie aufgrund ihrer hohen Energie je nach Material am sekundären Auftreffpunkt eine mehr oder minder starke Röntgenstrahlung und bewirken eine Erwärmung des Materials. Insbesondere bei Hochleistungsröntgenröhren mit Vakuumgehäusen aus einem stabilen Metall, sind die sekundären Auftreffpunkte Quellen einer nicht vernachlässigbaren Röntgenstrahlung, die als Extrafokalstrahlung bezeichnet wird.
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Darüber hinaus ist der sekundäre Auftreffpunkt wiederum Quelle für Rückstreu- und Sekundärelektronen. Die Rückstreurate, also das Verhältnis der Anzahl von wieder emittierten zu einfallenden Elektronen, variiert dabei mit der Kernladungszahl Z des getroffenen Materials in einem Bereich von 0,2 bei Z = 10 bis 0,5 bei Z = 50 (bei einem Einfallswinkel der Elektronen von 40° zur Oberflächennormalen). Insbesondere bei Hochleistungsröntgenröhren tritt eine beträchtliche Rückstreuung am sekundären Auftreffpunkt auf.
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Die durch die Rückstreuelektronen beim Vakuumgehäuse, beim Röntgenstrahlenaustrittsfenster und bei den Verbindungsstellen zwischen dem Vakuumgehäuse und dem Röntgenstrahlenaustrittsfenster auftretenden Erwärmungen sind oftmals problematisch.
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Durch die mechanischen und thermischen Belastungen bei einer stehenden oder rotierenden Anode sowie aufgrund der sich ausbildenden Temperaturdifferenzen und aufgrund der hohen Fliehkräfte bei einer Drehanode treten jedoch bei allen Anodenarten sehr große thermomechanische Spannungen auf, die zu einer Beschädigung oder zu einer Zerstörung des Anodentellers führen können bzw. die Einsatzgrenze der Anode limitieren. Die Art der thermomechanischen Spannung hängt bei Drehanoden unter anderem auch von der Anbindung des Anodentellers an das Lagersystem, insbesondere von der Befestigung an der Rotorwelle, ab. Dies können hohe tangentiale Belastungen an der Innenseite des Anodentellers sein, bei einer festen Anbindung des Anodentellers durch z.B. eine Lötung auch hohe radiale thermomechanische Spannungen. Zur Vermeidung von Rissen durch die hohen thermomechanischen Spannungen im Betrieb, ist es beispielsweise aus der
DE 10 2010 041 064 A1 bekannt, im Anodenteller Schlitze in radialer Richtung einzubringen (entspannte Drehanoden). Obwohl die Schlitze gegenüber der Flugbahn der Elektronen geneigt angeordnet sind, treffen die Elektronen aufgrund von Streueffekten zweiter und dritter Ordnung (Sekundär- bzw. Rückstreuelektronen) hinter der Anode auf das Vakuumgehäuse auf und führen an diesen Stellen zu lokalen Überhitzungen. Dadurch kann das Vakuumgehäuse derart stark aufgeschmolzen werden, dass das Ultrahochvakuum zusammenbricht.
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Aufgabe der vorliegenden Erfindung ist es, eine Röntgenröhre mit verbesserten thermomechanischen Eigenschaften zu schaffen.
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Die Aufgabe wird erfindungsgemäß durch eine Röntgenröhre gemäß Anspruch 1 gelöst. Vorteilhafte Ausgestaltungen der erfindungsgemäßen Röntgenröhre sind jeweils Gegenstand von weiteren Ansprüchen.
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Die Röntgenröhre nach Anspruch 1 umfasst ein Vakuumgehäuse, in dem eine Anode und eine Kathode angeordnet sind, wobei die Kathode Elektronen erzeugt, die zur Anode hin beschleunigt und fokussiert werden und beim Auftreffen auf die Anode in einem Aufenthaltsbereich des Brennflecks Röntgenstrahlung erzeugen. Erfindungsgemäß ist zwischen einer Rückseite der Anode und einer Innenseite des Vakuumgehäuses wenigstens ein Elektronenschutzschild angeordnet.
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Dadurch, dass innerhalb des Vakuumgehäuses hinter der Anode wenigstens ein Elektronenschutzschild angeordnet ist, treffen die aufgrund von Streueffekten zweiter und dritter Ordnung hinter der Anode vagabundierenden Elektronen (Sekundär- bzw. Rückstreuelektronen) nicht auf das Vakuumgehäuse sondern auf dem Elektronenschutzschild auf. Aufgrund der Masse und der Wärmekapazität des Elektronenschutzschildes wird die von den vagabundierenden Elektronen eingebrachte thermische Energie im Elektronenschutzschild zunächst aufgenommen und anschließend abgeführt. Im Vakuumgehäuse können somit hinter der Anode keine lokalen Überhitzungen entstehen, so dass in diesem Bereich eine thermische Beschädigung des Vakuumgehäuses verhindert wird und das Ultrahochvakuum zuverlässig erhalten bleibt. Mit dem erfindungsgemäßen Röntgenstrahler ist damit ein Hochleistungsröntgenstrahler mit einer langen Lebensdauer realisierbar.
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Gemäß einer bevorzugten Ausführungsform nach Anspruch 2 ist das Elektronenschutzschild über eine Halterung an dem Vakuumgehäuse befestigt. Über diese Halterung wird die im Elektronenschutzschild gespeicherte thermische Energie in das Vakuumgehäuse abgeführt, das als Teil eines Röntgenstrahlers in einem Strahlergehäuse angeordnet und von einem Kühlmedium umströmt ist. Damit ist eine besonders zuverlässige Entwärmung des Elektronenschutzschildes gewährleistet.
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Bevorzugte Materialien für den Elektronenschutzschild sind gemäß den Ansprüchen 3 bis 5 Molybdän oder eine Molybdän-Basislegierung, vorzugsweise TZM (Titan-Zirkon-Molybdän). Auch andere Schwermetalle sind für die Herstellung des Elektronenschutzschildes geeignet. TZM weist die folgende chemische Zusammensetzung auf: 0,5 Gew.-% Titan (Ti), 0,08 Gew.-% Zirkonium (Zr) 0,02 Gew.-% Kohlenstoff (C), Rest Molybdän (Mo). Die Bildung eines Mo-Ti-Mischkristalls und fein verteilte Ti-Zr-Karbide gewährleisten gute Festigkeitseigenschaften bis zu Temperaturen von ca. 1400 °C. Im Rahmen der Erfindung sind auch andere Schwermetalle (Materialien mit einer hohen Kernladungszahl/Ordnungszahl) verwendbar.
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Die erfindungsgemäßen Lösung ist sowohl für eine Röntgenröhre mit einer Steh-/Festanode als auch für eine Röntgenröhre mit einer Drehanode geeignet. Bei einer Drehanode wird die im Brennfleck erzeugte Wärme durch die Rotation der Anode auf einer Brennbahn verteilt. Dadurch wird ein zu schnelles Aufschmelzen des Anodenmaterials durch thermische Überlastung vermieden. Bei der Computertomografie müssen von der Drehanode mehr als 100 kW Leistung auf einer Fläche von wenigen mm² aufgenommen werden. Pro Patient kann der Aufnahmezyklus bis zu 100 s betragen.
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Insbesondere bei einer Röntgenröhre gemäß Anspruch 6, bei der die Anode als thermisch hoch belastbare Drehanode ausgebildet ist, ist die Realisierung der erfindungsgemäßen Lösung besonders effektiv.
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Bei einer Röntgenröhre nach Anspruch 6 ist es zur Kompensation von im Betrieb auftretenden Tangentialspannungen vorteilhaft, gemäß Anspruch 7 radial verlaufende Schlitze im Anodenteller anzuordnen.
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Nachfolgend wird ein schematisch dargestelltes Ausführungsbeispiel der Erfindung anhand der Zeichnung näher erläutert, ohne jedoch darauf beschränkt zu sein. Es zeigen:
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1 einen Längsschnitt durch die Röntgenröhre und
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2 einen Querschnitt durch die Röntgenröhre gemäß 1.
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In den 1 und 2 ist mit 1 jeweils ein Vakuumgehäuse einer Röntgenröhre bezeichnet. Im dargestellten Ausführungsbeispiel ist in dem Vakuumgehäuse 2 eine Drehanode 2 angeordnet, deren Anodenteller 21 auf einer Rotorwelle 3 verdrehfest gehalten ist.
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Weiterhin ist im Vakuumgehäuse 1 eine nur in 1 sichtbare Kathode 4 angeordnet, die Elektronen 5 erzeugt. Die Elektronen 5 werden zur Drehanode 2 hin beschleunigt und fokussiert. Beim Auftreffen auf die Drehanode 2 erzeugen die zu einem Elektronenstrahl fokussierten Elektronen 5 in einem Aufenthaltsbereich des Brennflecks 6 (Brennbahn) in einer auf die Drehanode 2 aufgebrachten Anodenbeschichtung 22 Röntgenstrahlung 7. Die Röntgenstrahlung 7 tritt durch ein Strahlenaustrittsfenster 8 aus dem Vakuumgehäuse 1 aus.
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Der Anodenteller 21 weist radial verlaufende Schlitze 23 auf, wodurch die im Betrieb aufgrund der maximal zulässigen Temperaturen auftretenden Tangentialspannungen kompensiert werden.
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Erfindungsgemäß ist zwischen einer Rückseite 24 der Drehanode 2 und einer Innenseite 11 des Vakuumgehäuses 1 wenigstens ein Elektronenschutzschild 9 angeordnet, das beispielsweise aus Molybdän oder TMZ besteht. Bei der gezeigten Ausgestaltung der erfindungsgemäßen Röntgenröhre ist genau ein Elektronenschutzschild 9 angeordnet. Abhängig vom Anwendungsfall und abhängig von den konstruktiven Gegebenheiten ist es jedoch auch möglich, mehr als ein Elektronenschutzschild 9 im Bereich der Rückseite 24 der Drehanode 2 vorzusehen.
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Dadurch, dass innerhalb des Vakuumgehäuses 1 hinter der Drehanode 2 ein Elektronenschutzschild 4 angeordnet ist, treffen die aufgrund von Streueffekten zweiter und dritter Ordnung hinter der Drehanode 2 vagabundierenden Elektronen 51 (Sekundär- bzw. Rückstreuelektronen) nicht auf der Innenseite 11 des Vakuumgehäuses 1 sondern auf dem Elektronenschutzschild 9 auf. Lokale Überhitzungen, die an diesen Stellen zu einem Aufschmelzen des Vakuumgehäuses 1 führen können, werden dadurch wirkungsvoll verhindert.
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Aufgrund der Masse und der Wärmekapazität des Elektronenschutzschildes 4 wird die von den vagabundierenden Elektronen 51 eingebrachte thermische Energie im Elektronenschutzschild 4 zunächst aufgenommen und anschließend abgeführt. Im Vakuumgehäuse 1 können somit hinter der Drehanode 2 keine lokalen Überhitzungen entstehen, so dass in diesem Bereich eine thermische Beschädigung des Vakuumgehäuses 1 verhindert wird und das Ultrahochvakuum zuverlässig erhalten bleibt.
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Bei der in den 1 und 2 dargestellten Ausgestaltung ist der Elektronenschutzschild 9 über eine Halterung 10 an dem Vakuumgehäuse 1 befestigt. Über diese Halterung 10 wird die im Elektronenschutzschild 9 gespeicherte thermische Energie in das Vakuumgehäuse 1 abgeführt, das als Teil eines Röntgenstrahlers in einem in der Zeichnung nicht dargestellten Strahlergehäuse angeordnet und von einem Kühlmedium umströmt ist. Damit ist eine besonders zuverlässige Entwärmung des Elektronenschutzschildes 9 gewährleistet.
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Bevorzugte Materialien für den Elektronenschutzschild 9 sind beispielsweise Molybdän oder eine Molybdän-Basislegierung, vorzugsweise TZM.
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Obwohl die Erfindung im Detail durch es bevorzugtes Ausführungsbeispiel näher erläutert ist, ist die Erfindung nicht durch das in den 1 und 2 dargestellte Ausführungsbeispiel eingeschränkt. Vielmehr können vom Fachmann hieraus auch problemlos andere Varianten der erfindungsgemäßen Lösung abgeleitet werden, ohne hierbei den zugrunde liegenden Erfindungsgedanken zu verlassen.
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ZITATE ENTHALTEN IN DER BESCHREIBUNG
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Zitierte Patentliteratur
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- DE 102010041064 A1 [0009]