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Die Erfindung bezieht sich auf ein Verfahren zur Steuerung einer Fahrzeugfunktion in Abhängigkeit einer ermittelten mutmaßlichen Standzeit des Fahrzeugs nach dem Oberbegriff des Anspruchs 1.
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Für viele Steuerungsaufgaben bzw. Fahrzeugfunktionen in Kraftfahrzeugen, insbesondere für die Entscheidung für oder gegen eine vorübergehende Abschaltung des Verbrennungsmotors bei Stillstand, ist eine Abschätzung der Dauer eines Stillstands des Fahrzeugs notwendig. Ein wesentlicher Einflussfaktor für die Stillstandsdauer im Verkehr sind Lichtsignalanlagen. Im Stand der Technik (etwa aus diversen Forschungsprojekten) sind Übertragungsverfahren bekannt, die Vorhersagen zu zukünftigen Schaltzeiten der Signalgruppen einer Lichtsignalanlage im Fahrzeug verfügbar machen. Solche Vorhersagen werden zu einem bestimmten Zeitpunkt übertragen und beschreiben beispielsweise die Wahrscheinlichkeit, mit der die gegenwärtige Schaltung (etwa ”Rot”) einer Lichtsignalanlage für eine bestimmte Dauer noch anhält. Dadurch ist es möglich, etwa die verbleibende Rot-Zeit für eine Abschätzung der Stillstandsdauer heranzuziehen.
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Die
DE 20 2004 003 215 U1 offenbart bereits ein Start-Stopp-System, bei dem die Ampelzustandsdaten derart berücksichtigt werden, dass in Abhängigkeit der Ampelzustandsdaten eine Haltedauer abgeschätzt wird und in Abhängigkeit von der Prognose ein automatischer Stopp eingeleitet oder verhindert wird. Hierbei wird davon ausgegangen, dass die Ampel im Sinne der Ampelzustandsdaten den genauen Zeitpunkt des nächsten Lichtsignalwechsels übermittelt. Die Information über den genauen Zeitpunkt des Lichtsignalwechsels liegt jedoch nur bei sog. statisch gesteuerten Lichtsignalanlagen vor, welche unabhängig vom Verkehrsaufkommen immer den gleichen Schaltzyklus haben. Heutzutage werden jedoch immer mehr sog. dynamisch gesteuerte Lichtsignalanlagen eingesetzt, welche in Abhängigkeit vom Zeitpunkt und dem (nicht eindeutig vorhersehbaren) Verkehrsaufkommen ihre Schaltzeiten individuell anpassen können.
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Weiter offenbart die
DE 10 2009 028 539 A1 ebenfalls ein Verfahren zum Betrieben einer Start-Stopp-Steuerung in einem Kraftfahrzeug gemäß einer Start-Stopp-Betriebsstrategie, wobei Informationen einer Lichtsignalanlage ermittelt und für die Start-Stopp-Betriebsstrategie ausgewertet werden.
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Aufgabe der Erfindung ist es, ein verbessertes Verfahren zur Ermittlung der mutmaßlichen Standzeit eines Fahrzeugs vor einer Lichtsignalanlage zur Steuerung einer Fahrzeugfunktion eines Fahrzeugs anzugeben.
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Diese Aufgabe wird durch ein Verfahren nach Patentanspruch 1 gelöst. Vorteilhafte Weiterbildungen ergeben sich aus den abhängigen Ansprüchen.
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Der Erfindung geht von einem herkömmlichen Verfahren zur Steuerung einer Fahrzeugfunktion wie z. B. einer automatischen Motor-Start-Stopp-Funktion in einem Kraftfahrzeug mittels einer Start-Stopp-Einrichtung aus, wobei die Funktion gemäß einer vorgegebenen Betriebsstrategie der entsprechenden Funktion in Abhängigkeit einer ermittelten mutmaßlichen Standzeit des Fahrzeugs vor einer Lichtsignalanlage steuerbar ist. Unter dem Begriff „Standzeit” kann entweder diejenige Zeit verstanden werden, bei der das Fahrzeug vollkommen stillsteht, oder diejenige Zeit, bei der sich das Fahrzeug maximal mit einer äußerst geringen Geschwindigkeit bewegt bzw. rollt (z. B. Geschwindigkeit bis 3 km/h).
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Der Erfindung liegt die Erkenntnis zugrunde, dass bei den bisher bekannten Ansätzen außer Acht gelassen wird, dass für die Dauer des Stillstands nicht allein die Lichtsignalanlage, sondern – speziell im Fall von hohem Verkehrsaufkommen – auch das Verhalten eines evtl. vorhandenen Rückstaus bzw. der Warteschlange an der Lichtsignalanlage entscheidend ist. Bei entsprechend langen Rückstaus kann es im Extremfall durch die Anfahrtsverzögerung dazu kommen, dass ein Ende der Stillstandsphase erst eintritt, nachdem die Lichtsignalanlage schon wieder auf Rot geschaltet hat. Generell liefert eine Abschätzung der Stillstandszeit allein aufgrund des Zustands der Ampel oder der Dauer des aktuellen Zustands bis zum nächsten Signalwechsel systematisch falsche Ergebnisse. Für die Steuerungsaufgaben im Fahrzeug führt die fehlende Berücksichtigung des Rückstaus zu gravierenden Nachteilen. Bei der Steuerung einer Start-Stopp-Automatik bedeutet eine Unterschätzung der Dauer, dass viele Chancen zur Einsparung von Energie verloren gehen. Eine Überschätzung bedeutet erstens, dass Energie für den Neustart unnötig verloren geht und zweitens, dass unnötig viel Verschleiß des Startermotors entstehen kann. Zudem wird das Kundenerlebnis durch die für den Fahrer offensichtlich falsche Schaltung deutlich verschlechtert.
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Weiter liegt der Erfindung die Erkenntnis zugrunde, dass beim Stand der Technik eine korrekte Fortpflanzung der zu einem Zeitpunkt bereits übertragenen Lichtsignalwechsel-Wahrscheinlichkeitskurve auf zukünftige Zeitpunkte ebenfalls nicht berücksichtigt wird. Diese Fortpflanzung ist relevant, wenn der Übertragungszeitpunkt früher ist als der Stoppzeitpunkt. Ein Verfahren zur Berücksichtigung der zeitlichen Fortpflanzung der Stopp-Dauer-Wahrscheinlichkeit auf zukünftige Zeitpunkte ist bisher ebenfalls nicht gegeben, so dass z B. die Steuerungsaufgabe zum Auslösen eines automatischen Abschaltvorgangs oder eines automatischen Anschaltvorgangs der maßgeblichen Antriebseinheit, insb. einer Brennkraftmaschine, im zeitlichen Verlauf nicht optimal erfolgen kann.
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Um den genannten Nachteil zu beheben, wird zunächst vorgeschlagen, dass spätestens bei Fahrzeugstillstand von einer Lichtsignalanlage zur Ermittlung der mutmaßlichen Standzeit zusätzlich zum Signal der Lichtsignalanlage der Verkehrsfluss ausgewertet wird. Unter dem Begriff „Fahrzeugstillstand” kann sowohl ein detektieren eines absoluten Fahrzeugstillstands (0 km/h) als auch eine Bewegung des Fahrzeugs mit einer Geschwindigkeit von nahezu Null (z. B. Geschwindigkeit kleiner oder max. 3 km/h) verstanden werden.
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Wie bereits eingangs erwähnt, können sog. dynamisch gesteuerte Lichtsignalanlagen den genauen Lichtsignalwechsel-Zeitpunkt nicht genau vorhersagen, so dass im Weiteren davon ausgegangen wird, dass als Signal der Lichtsignalanlage lediglich eine Lichtsignalwechsel-Wahrscheinlichkeits-Kurve übertragen wird. In der Regel ist die Lichtsignalanlage derart ausgestaltet, dass sie die jeweilige (neue) Lichtsignalwechsel-Wahrscheinlichkeits-Kurve stets nur nach einem Lichtzeichenwechsel bzw. nur nach bestimmten Lichtzeichenwechseln (z. B. von Orange nach Rot oder von Orange nach Grün) aussenden.
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Der nun für die Ermittlung der mutmaßlichen Standzeit vor einer Lichtsignalanlage erforderliche Verkehrsfluss kann vorteilhafterweise durch zumindest eine oder mehrere mikroskopische Verkehrssimulation für den Bereich zwischen dem Fahrzeug und der Lichtsignalanlage ermittelt werden.
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Zur Ermittlung des Verkehrsflusses kann zum Zeitpunkt des Erreichens des Fahrzeugstillstands vor einer Lichtsignalanlage zunächst in Abhängigkeit einer ermittelten Entfernung zur Lichtsignalanlage, insbesondere zur Haltelinie der Lichtsignalanlage, die Anzahl der Fahrzeuge im Rückstau, also die Anzahl der vor dem Fahrzeug bis zur Haltelinie der Lichtsignalanlage befindlichen Fahrzeuge abgeschätzt werden. Diese Fahrzeuge im Rückstau können dann in einer Simulationsumgebung entsprechend platziert werden, wodurch eine sog. Warteschlage nachgebildet wird.
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Mit Hilfe der bekannten bisherigen Schaltvorgänge der Lichtsignalanlage (und der daraus abgeleiteten und an das Fahrzeug übertragenen Lichtsignalwechsel-Wahrscheinlichkeitskurve) und basierend auf dem aktuellen Zustand der Lichtsignalanlage zum Zeitpunkt des Halts kann das Verhalten der so gebildeten Warteschlange simuliert werden. Die Bewegung jedes einzelnen Fahrzeugs der Warteschlage kann dabei mithilfe aus der Literatur bekannten Fahrer- bzw. Fahrzeugmodellen im zeitlichen Verlauf bestimmt werden.
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Aus dieser Verkehrsfluss-Simulation kann eine mutmaßliche Dauer des gegenwärtigen Zustands, insbesondere eine mutmaßliche Stillstandsdauer ermittelt werden. Durch die Berücksichtigung mehrerer Simulationen bzw. mehrerer simulierter Schaltzeitpunkte der Lichtsignalanlage entsteht eine sog. Überlebenswahrscheinlichkeitsverteilung bzw. Überlebenskurve für den gegenwärtigen Zustand, welche eine Zustandswechsel-Wahrscheinlichkeitsverteilung für die Dauer des gegenwärtigen Zustands des Fahrzeugs (etwa ”Fahrzeug bewegt sich nicht” aber auch ”Fahrzeug bewegt sich nicht schneller als mit Geschwindigkeit X”) zum Ausdruck bringt.
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In einer weiteren vorteilhaften Ausgestaltung kann unter der Voraussetzung, dass über die Zeit keine Änderung des Zustands eingetreten ist, die Zustandswechsel-Wahrscheinlichkeitsverteilung entsprechend der seit dem Beginn des unveränderten Zustands verstrichenen Zeit, insbesondere mittels einer Hazard-Funktion, auf einen späteren Zeitpunkt fortgepflanzt werden. Diese vorteilhafte Ausgestaltung berücksichtigt den Umstand, dass eine anfängliche mittels Simulation ermittelte Zustandswechsel-Wahrscheinlichkeitsverteilung bzgl. eines Zustandswechsels aus dem Stillstand-Zustand in einem Bewegungszustand des Fahrzeugs zwar zu einem anfänglichen Zeitpunkt gilt, aber bei einem entsprechenden Zeitversatz seine Gültigkeit verliert. Ist zwischenzeitlich noch keine Änderung des Zustands eingetreten, und sind keine neuen Informationen zum wahrscheinlichsten Schaltzeitpunkt eingetroffen, so lehrt uns die Erfindung die Fortpflanzung der Zustandswechsel-Wahrscheinlichkeitsverteilung auf den späteren Zeitpunkt. Dazu wird die unter Fachkundigen gut bekannte ”Hazard-Funktion” aus der Zustandswechsel-Wahrscheinlichkeitsverteilung berechnet und somit die Zustandswechsel-Wahrscheinlichkeitsverteilung um den Zeitunterschied versetzt. Daraus ergibt sich mit Hilfe der Überlebenstheorie eine gültig fortgepflanzte Darstellung der Zustandswechsel-Wahrscheinlichkeitsverteilung(-skurve).
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Die so ermittelte Stillstandszeitabschätzung vor einer Ampel kann bei der Steuerung oder Regelung verschiedener Fahrzeugfunktionen, insbesondere bei Fahrerassistenzsystemen berücksichtigt werden. Insbesondere kann in Abhängigkeit einer ermittelten mutmaßlichen Standzeit eines Fahrzeugs vor einer Lichtsignalanlage gemäß obiger Erläuterungen die Steuerung eines automatischen Abschalt- und Anschaltvorgangs einer Antriebseinheit in einem Kraftfahrzeug mittels einer Start-Stopp-Einrichtung entsprechend beeinflusst werden.
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Die Erfindung wird nun anhand eines Ausführungsbeispiels näher erläutert. Dabei zeigt die einzige 1 einen stark vereinfachten Ablaufplan zur Standzeitenschätzung vor einer Ampel, welche insbesondere bei der Start-Stopp-Betriebsstrategie einer Antriebseinheit berücksichtigt werden kann.
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Die Standzeitermittlung startet, sobald ein Fahrzeugstillstand vor einer Ampel detektiert wird. Sobald sich das Fahrzeug im Stillstand befindet, wird in Abhängigkeit des Signals der Lichtsignalanlage ermittelt, ob die Ampel gerade rot oder grün ist. Ist die Ampel grün, wird der Pfad 1 eingeschlagen, ist die Ampel rot, wird Pfad 2 eingeschlagen.
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Zeigt die Ampel grünes Licht, wird zunächst in Abhängigkeit einer ermittelten Entfernung zur Lichtsignalanlage, insbesondere zur Haltelinie der Lichtsignalanlage die Anzahl der Fahrzeug im Rückstau, also die Anzahl der vor dem Fahrzeug bis zur Haltelinie der Lichtsignalanlage befindlichen Fahrzeuge abgeschätzt und daraus die Länge der Warteschlange vor der Ampel unter der Annahme, dass die Ampel rot ist, abgeschätzt.
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Anschließend wird in Abhängigkeit dieser abgeschätzten Warteschlangenlänge eine Zustandswechsel-Wahrscheinlichkeitsverteilung bzgl. des Zustandswechsels aus dem Stillstand-Zustand in einem Bewegungszustand des Fahrzeugs über eine entsprechende Simulation ermittelt. Anschließend wird die seit dem Umschalten der Ampel von rot auf grün verstrichene Zeitdauer ermittelt.
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Aus der ermittelten verstrichenen Zeitdauer und der zuvor ermittelten Zustandswechsel-Wahrscheinlichkeitsverteilung wird eine sog. kombinierte Zustandswechsel-Wahrscheinlichkeitsverteilung durch entsprechende Zeitdifferenzbildung berechnet und als Ergebnis an eine dieses Ergebnis verwertende Fahrzeugfunktion übergeben.
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Zeigt die Ampel zu Beginn der Abschätzung der Stillstandsdauer jedoch rotes Licht, wird der zweite Pfad 2 eingeschlagen und zunächst wieder eine Zustandswechsel-Wahrscheinlichkeitsverteilung bzgl. des Zustandswechsels aus dem Stillstand-Zustand in einem Bewegungszustand des Fahrzeugs unter Berücksichtigung einer ermittelten mutmaßlichen Warteschlangenlänge über eine entsprechende Simulation ermittelt. Anschließend wird die verbleibende Rotzeit der Ampel aus der von der Ampel LSA zuletzt übertragenen Lichtsignalwechsel-Wahrscheinlichkeitskurve ermittelt und unter Berücksichtigung dieser eine entsprechend angepasste Zustandswechsel-Wahrscheinlichkeitsverteilung ermittelt, welche anschließend und als Ergebnis an eine dieses Ergebnis verwertende Fahrzeugfunktion übergeben wird.
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Durch die Miteinbeziehung des Verkehrs(-Flusses) bei der Start-Stopp-Betriebsstrategie kann somit auch die durch den Rückstau bedingte Standzeit mit in die Schätzung eingebracht werden. Damit lassen sich z. B. falsche Schaltvorgänge bei der Motor Start-Stopp Automatik verhindern: Etwa ein Motor-Stopp an einer roten Ampel, obwohl die Schlange bis zur Ampel noch in Bewegung ist und der Stopp daher nur von sehr kurzer Dauer ist.
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Durch das zur Erfindung gehörende Verfahren zur Fortpflanzung einer sog. Überlebenswahrscheinlichkeitsverteilung mit Hilfe der im Rahmen der Überlebenstheorie bekannten ”Hazard-Funktion” bietet die Erfindung einen weiteren Vorteil hinsichtlich der Definition von komplexeren Strategien. Zum Beispiel könnte die sog. Hazard-Funktion nach einem starken Maximum während der ersten Sekunden ein lang dauerndes, ausgeprägtes Minimum, und dann wieder ein Maximum im weiteren Verlauf aufweisen. In diesem Fall wäre es günstig, als Stopp-Strategie zunächst abzuwarten, ob das Auto sich während der ersten paar Sekunden bewegt oder nicht. Falls nicht, wäre (erst dann) ein Motor-Stopp vorteilhaft.
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ZITATE ENTHALTEN IN DER BESCHREIBUNG
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Zitierte Patentliteratur
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- DE 202004003215 U1 [0003]
- DE 102009028539 A1 [0004]