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Die Erfindung bezieht sich auf ein Verfahren zur Prognostizierung eines Fahrbahn-Reibungsbeiwerts nach dem Oberbegriff von Patentanspruch 1 sowie ferner auf ein Verfahren zum Betrieb eines Kraftfahrzeugs nach dem Oberbegriff von Patentanspruch 6, welches ein Prognoseverfahren einschließt.
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Die Kenntnis des aktuellen Fahrbahn-Reibungsbeiwerts ist für den Betrieb eines Kraftfahrzeugs aus unterschiedlichen Gesichtspunkten von großer Bedeutung. Dies betrifft nicht nur die Fahrsicherheit sondern unter anderem auch eine Optimierung der Fahrdynamik, des Motormanagements und des Kraftstoffverbrauchs.
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Der aktuelle Fahrbahn-Reibungsbeiwert kann beispielsweise durch Auswertung von für ein elektronisches Stabilitätsprogramm vorgehaltenen Parametern indirekt ermittelt werden. Desweiteren besteht die Möglichkeit, mittels Reifensensoren direkt die im Reifen auftretenden Deformationen zu messen und hieraus den Fahrbahn-Reibungsbeiwert zu ermitteln. Ferner ist bekannt, Informationen von anderen Verkehrsteilnehmern, die beispielsweise durch ein Bremsmanöver mit ASB-Eingriff den Fahrbahn-Reibungsbeiwert an einer bestimmten Stelle ermitteln konnten, zu nutzen. Eine gute Übersicht über herkömmliche Verfahren zur Ermittlung des aktuellen Fahrbahn-Reibungsbeiwerts findet sich beispielsweise in
DE 10 2009 002 592 A1 . In all diesen Fällen muss der Fahrbahn-Reibungsbeiwert gewissermaßen in Echtzeit ermittelt und am Fahrzeug bereitgestellt werden.
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In Abhängigkeit des aktuellen Fahrbahn-Reibungsbeiwerts können dann beispielsweise Eingriffe von Fahrdynamik- und Fahrassistenzsystemen veranlasst oder modifiziert werden. So kann beispielsweise der Eingriff eines elektronischen Stabilitätsprogramms, eines Antiblockiersystems oder einer Antriebsschlupfregelung beeinflusst werden.
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Ferner ist es bekannt, den aktuellen Fahrbahn-Reibungsbeiwert in einem Längsregelungssystem gemäß
DE 196 38 511 A1 einzusetzen oder zur Bestimmung eines Initiierungspunkts für einen Bremsvorgang zur Erzielung eines optimalen Verzögerungswegs im Hinblick auf die Einsparung von Kraftstoff sowie die Steigerung des Fahrkomforts zu verwenden (vgl.
DE 10 2009 040 004 A1 ). In beiden Fällen wird, und hierauf sei an dieser Stelle ausdrücklich hingewiesen, jeweils auf den aktuellen Fahrbahn-Reibungsbeiwert abgestellt.
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Die vorliegende Erfindung geht hingegen einen anderen Weg. Dieser liegt die Überlegung zugrunde, dass eine frühzeitige Abschätzung eines im Fahrverlauf zukünftigen Fahrbahn-Reibungsbeiwerts eine weitere Verbesserung von Systemeingriffen ermöglicht, welche aufgrund oder unter Berücksichtigung des Fahrbahn-Reibungsbeiwerts erfolgen. Dazu nutzt die Erfindung nicht den aktuellen, sondern vielmehr einen prognostizierten zukünftigen Fahrbahn-Reibungsbeiwert.
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Ein Verfahren zur Prognostizierung eines Fahrbahn-Reibungsbeiwerts nach dem Oberbegriff von Patentanspruch 1 ist aus
DE 20 2013 003 767 U1 bekannt. In Abhängigkeit des solchermaßen ermittelten Fahrbahn-Reibungsbeiwerts soll die Lenkunterstützung modifiziert sowie die Motorsteuerung oder eine Abstandsüberwachung beeinflusst werden. Weiterhin ist aus
DE 198 54 964 A1 eine prädiktive Straßenzustandserkennung bekannt, welche mittels optischer Sensoren den Fahrweg vor dem Fahrzeug abtastet, um Rückschlüsse über die Hafteigenschaften zu gewinnen.
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Der vorliegenden Erfindung liegt die Aufgabe zugrunde, die Zuverlässigkeit der Prognose und deren Verwertung im Fahrzeug zu verbessern.
Hierzu wird ein Verfahren zur Prognostizierung eines Fahrbahn-Reibungsbeiwerts gemäß Patentanspruch 1 vorgeschlagen.
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Eine solche Vorausschau mag zwar in Bezug auf die Genauigkeit des Fahrbahn-Reibungsbeiwerts weniger präzise sein, als herkömmliche Verfahren zur Bestimmung des aktuellen Fahrbahn-Reibungsbeiwerts. Jedoch ist es mittels einer solchen Prognose möglich, am Fahrzeug vorhandene Systeme auf Grundlage des prognostizierten Fahrbahn-Reibungsbeiwerts im Hinblick auf einen möglichen Eingriff vorzukonditionieren. Die Vorkonditionierung ermöglicht wiederum eine schnellere Reaktion auf die tatsächliche Situation beim Durchfahren des Prognosebereichs, wobei dort dann der aktuelle Fahrbahn-Reibungsbeiwerts in herkömmlicher Art und Weise erfasst und tatsächliche Systemeingriffe in Abhängigkeit des aktuellen Fahrbahn-Reibungsbeiwerts vorgenommen werden können.
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Zusätzlich erfolgt eine Plausibilisierung des für den Prognosebereich ermittelten Fahrbahn-Reibungsbeiwerts auf der Grundlage des für die aktuelle Fahrzeugposition anhand von den Fahrzustand des Kraftfahrzeugs kennzeichnenden Größen ermittelten aktuellen Fahrbahn-Reibungsbeiwerts und eines für die aktuelle Fahrzeugposition prognostizierten Fahrbahn-Reibungsbeiwerts. So können beispielsweise aktuelle Prognoseabweichungen festgestellt und für eine unmittelbar bevorstehende Situation, nämlich für den Prognosebereich, zur Verbesserung der Prognose herangezogen werden. Im Unterschied zu Straßenzustandsinformationen, welche von anderen Verkehrsteilnehmern erhalten werden, ermöglicht diese Vorgehensweise eine bessere Anpassung an das jeweilige Fahrzeug, dessen Bereifung und dessen Beladungszustand.
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Insbesondere können selbstlernende Algorithmen eingesetzt werden. Angesichts der Komplexität der Einflussparameter für die Prognose können beispielsweise künstliche neuronale Netze zur Prognose herangezogen werden.
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Die Erfindung ermöglicht weiterhin ein Verfahren zum Betrieb eines Kraftfahrzeugs gemäß Patentanspruch 6, bei dem für einen in Fahrtrichtung vor dem Fahrzeug liegenden Fahrbahnabschnitt ein Fahrbahn-Reibungsbeiwert nach dem vorgenannten Verfahren prognostiziert wird und am Fahrzeug vorhandene Systeme auf Grundlage des prognostizierten Fahrbahn-Reibungsbeiwerts im Hinblick auf einen möglichen Eingriff vorkonditioniert werden.
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Vorteilhafte Ausgestaltungen der Erfindung sind Gegenstand weiterer Patentansprüche.
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Beispielsweise kann die Vorkonditionierung eine Begrenzung des maximalen Antriebsmoments im Motormanagement umfassen. Hierdurch kann beispielsweise bei einer ansonsten unerwarteten Veränderung des Fahrbahn-Reibungsbeiwerts dem Entstehen von Schwingungen im Antriebsstrang, insbesondere selbsterregten Schwingungen, vorgebeugt werden.
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Weiterhin kann die Vorkonditionierung Fahrdynamiksysteme und/oder Fahrassistenzsysteme betreffen. So kann beispielsweise bei prognostizierter Fahrbahnglätte bereits eine Voreinstellung des elektronischen Stabilitätsprogramms oder Antiblockiersystems vorgenommen werden, welche es den genannten Systemen ermöglicht, bei Bedarf schneller zu reagieren. Es ist an dieser Stelle zu betonen, dass die Vorkonditionierung noch keinen aktiven Systemeingriff bedeutet. Ein solcher erfolgt vielmehr anhand der dann beim Durchfahren des Prognosebereich erfassten aktuellen Informationen und lediglich dann, wenn dieser durch den Fahrer oder aufgrund äußerer Umstände tatsächlich veranlasst wird.
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Weiterhin ist es möglich, den Prognosebereich gegenüber vordefinierten Umgebungsszenarien abzugleichen und bei Identifikation eines vorgegebenen Umgebungsszenarios eine Modifikation der Vorkonditionierung gemäß dem identifizierten Umgebungsszenario vorzunehmen. Hierdurch wird in bestimmten Situationen eine schnellere Reaktion auf äußere Umstände ermöglicht. Lediglich beispielhaft seien das Abbiegen an einer Kreuzung, das Auffahren auf eine Autobahn, das Überfahren einer Brücke, das Durchfahren eines Waldstückes oder das Herausfahren aus einem Waldstück genannt. In all diesen Situationen bestehen besondere Anforderungen im Hinblick auf das Antriebsmoment, die Seitenführung des Fahrzeugs, etc., welche eine szenariobezogene individuelle Vorkonditionierung im Hinblick auf das Motormanagement, die Lenkung und/oder die Fahrzeugbremsen sinnvoll erscheinen lassen. In Kombination mit der oben erläuterten Prognose des Fahrbahn-Reibungsbeiwerts wird hierdurch eine weitere Verbesserung der Reaktion erzielt.
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Die Prognose des Fahrbahn-Reibungsbeiwerts erfolgt vorzugsweise unter Berücksichtigung von Daten eines Navigationssystems für den Prognosebereich. Die Beschaffung von Umgebungsinformationen beinhaltet in diesem Fall das Auswerten eines Navigationssystems. Hierunter fallen insbesondere Informationen zur Topographie und zur Kategorie des Verkehrswegs.
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Die Prognose des Fahrbahn-Reibungsbeiwerts erfolgt vorzugsweise ferner unter Einbeziehung der mittels eines am Fahrzeug befindlichen Sensors gewonnenen Umgebungstemperatur. Hieraus kann auf sehr einfache Art und Weise bereits eine grobe Abschätzung des Fahrbahn-Reibungsbeiwerts im Prognosebereich vorgenommen werden.
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Weiterhin kann die Beschaffung von Umgebungsinformationen die Einbeziehung externer Informationen beinhalten, welche entweder unmittelbar zur Ermittlung des Fahrbahn-Reibungsbeiwerts herangezogen oder aber zur Plausibilisierung eines prognostizierten Fahrbahn-Reibungsbeiwerts dienen können.
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Als externe Informationen können beispielsweise Wetterinformationen ausgewertet werden, welche per Radio, Internet und/oder Telemetrie an das Fahrzeug übermittelt werden. Alternativ oder ergänzend können Informationen von anderen Verkehrsteilnehmern in Bezug auf den Straßenzustand an das Fahrzeug übermittelt und zur Prognostizierung oder zur Plausibilisierung des Fahrbahn-Reibungsbeiwerts herangezogen werden, um die Aussagekraft des prognostizierten Fahrbahn-Reibungsbeiwerts zu erhöhen.
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Im Rahmen von Car-to-X Systemen können beispielsweise Informationen wie Ansprechen des Antiblockiersystems, Lenkwinkel, Position, Richtung und Geschwindigkeit in einem bestimmten Umfeld von einem Fahrzeug zum anderen weitergegeben werden (Car-to-Car). Die Datenübertragung kann über WLAN, UMTS, Mobilfunk oder dergleichen erfolgen. Ferner kann die Datenübertragung unter Verwendung zwischengeschalteter ortsfester Stationen wie Verkehrsleitzentralen oder straßennaher Einrichtungen, z.B. an Ampelanlagen oder Schilderbrücken, erfolgen.
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Weiterhin kann anhand des aktuellen Datums eine Plausibilisierung der externen Wetterinformationen und/oder der am Fahrzeug gemessenen Umgebungstemperatur vorgenommen werden, um Fehlinformationen auszuscheiden. Eine weitere Absicherung von Temperatur und Wetterdaten kann über die aktuelle Position des Fahrzeugs, beispielsweise anhand von GPS-Koordinaten, erfolgen.
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Gemäß einer weiteren vorteilhaften Ausgestaltung der Erfindung beinhaltet die Beschaffung von Umgebungsinformationen die Einbeziehung von Bilddaten des Fahrzeugumfelds, welche mittels einer am Fahrzeug vorgehaltenen Kamera erfasst werden. Hierdurch kann ebenfalls alternativ oder ergänzend eine Plausibilisierung von Wetterdaten und Umgebungstemperatur vorgenommen werden.
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Weiterhin können die Bilddaten dazu verwendet werden, den Prognosebereich gegenüber vordefinierten Umgebungsszenarien abzugleichen. Dabei können die Bilddaten zur Absicherung der aus dem Navigationssystem hergeleiteten Identifikation eines bestimmten Umgebungsszenarios dienen. Umgekehrt ist es möglich, ein bestimmtes Umgebungsszenario anhand der Bilddaten zu identifizieren und die Daten des Navigationssystems zur Absicherung und Plausibilisierung heranzuziehen. Ferner ist es möglich, in einem Hybridansatz die Identifikation eines Umgebungsszenarios gleichermaßen auf beide Quellen zu stützen.
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Nachfolgend wird die Erfindung anhand von in der Zeichnung dargestellten Ausführungsbeispielen näher erläutert. Die Zeichnung zeigt in:
- 1 eine schematische Ansicht eines Kraftfahrzeugs in Relation zu einem Prognosebereich,
- 2 ein Diagramm zur Veranschaulichung eines ersten Ausführungsbeispiels des erfindungsgemäßen Verfahrens,
- 3 ein Diagramm zur Veranschaulichung eines zweiten Ausführungsbeispiels des erfindungsgemäßen Verfahrens, und in
- 4 ein Diagramm zur Veranschaulichung der Einflussparameter bei der Prognose des Fahrbahn-Reibungsbeiwerts.
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In 1 ist beispielhaft ein Kraftfahrzeug 1 dargestellt, welches mit einer Vielzahl von Sensoren zur Erfassung des aktuellen Fahrzustands sowie der Fahrzeugumgebung ausgestattet ist.
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So sind beispielsweise Raddrehzahlsensoren 2 zur Erfassung der Raddrehzahlen der einzelnen Fahrzeugräder vorgesehen. Weiterhin können Größen wie die aktuelle Längsbeschleunigung, Querbeschleunigung, Lenkwinkelvorgabe, Fahrpedalstellung, Bremsbetätigung, etc. mittels Sensoren erfasst werden.
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In Bezug auf die Erfassung der Fahrzeugumgebung kann an dem Fahrzeug ein Temperatursensor 3 zum Messen der Umgebungstemperatur vorgesehen sein. Ferner umfasst das Fahrzeug des Ausführungsbeispiels optional eine Kamera 4 zur Erfassung der Fahrzeugumgebung, wobei neben Bilddaten von Bereichen vor dem Fahrzeug auch Bilddaten von Bereichen neben und/oder hinter dem Fahrzeug aufgezeichnet werden können. Überdies können an dem Fahrzeug 1 weitere Sensoren zum Erfassen von Umgebungsparametern wie beispielsweise Regen- oder Nässesensoren vorgesehen sein.
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Desweiteren ist das Fahrzeug mit einem Navigationssystem 5 ausgestattet, über das zusammen mit einer Einrichtung zur Erfassung der aktuellen Fahrzeugposition, beispielsweise mithilfe eines satellitengestützten Positionsbestimmungssystems, Informationen über den aktuellen Fahrweg sowie den in Fahrtrichtung vor dem Fahrzeug liegenden Fahrweg ermittelt werden können. Diese Informationen beinhalten unter anderem Geodaten hinsichtlich der Topographie und der Art des Fahrwegs.
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Die vorgenannten Sensoren sowie das Navigationssystem 5 sind am Fahrzeug informationstechnisch miteinander verknüpft, so dass die erfassten Informationen für unterschiedliche, am Fahrzeug vorgehaltene Systeme zur Verfügung stehen. Ferner ist zumindest eine externe Kommunikationsschnittstelle 6 vorgesehen, welche eine Systemkoppelung mit externen Einrichtungen ermöglicht. Hierunter fallen sowohl andere Verkehrsteilnehmer als auch externe Dienstanbieter 7, von denen für den Fahrbetrieb relevante Informationen bereitgestellt werden. Lediglich beispielhaft seien hierfür Verkehrsleitzentralen, Anbieter von Wetterinformationen, Fahrzeughersteller, Rundfunksender, etc. genannt. Die Datenübertragung kann über WLAN, Mobilfunk (z.B. UMTS) oder dergleichen erfolgen, wobei insbesondere auch die gleichzeitige Nutzung mehrerer Kanäle möglich ist. Anstelle eines On-Board-Navigationssystems 5 können die benötigten Geodaten auch per Datenübertragung von extern bereitgestellt werden.
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Die vorliegende Erfindung nutzt die solchermaßen zur Verfügung stehenden Umgebungsdaten zur Prognostizierung eines Fahrbahn-Reibungsbeiwerts µprog , um eine schnellere Reaktion von am Fahrzeug vorhandenen Systemen zu ermöglichen. Lediglich beispielhaft seien hierfür Motormanagement, Fahrdynamiksysteme, Fahrassistenzsysteme und dergleichen genannt, welche für ihren Eingriff die Kenntnis des Kraftschlusses zwischen Fahrzeug und Fahrbahn voraussetzen.
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Die Prognose erstreckt sich hierbei auf einen in Fahrtrichtung vor dem Fahrzeug liegenden Fahrbahnabschnitt, welcher von dem aktuellen Aufenthaltsort 8 des Fahrzeugs 1 beabstandet ist. Vorzugsweise liegt der Prognosebereich 9 in einem Bereich, welcher etwa 50 bis 1000 Meter, vorzugsweise 50 bis 500 Meter vom aktuellen Aufenthaltsort 8 des Fahrzeugs 1 entfernt ist.
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Wie 2 zeigt, erfolgt nach einem Systemstart zunächst ein Erfassen der aktuellen Fahrzeugposition (S1). Dies kann beispielsweise mithilfe der oben bereits genannten satellitengestützten Positionsbestimmung und des Navigationssystems 5 erfolgen. Jedoch ist auch jede andere Art und Weise zur Ermittlung der aktuellen Fahrzeugposition in Bezug auf die Topographie einsetzbar.
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In Kenntnis der aktuellen Fahrzeugposition wird in einem weiteren Schritt S2 unter Heranziehung der Daten des Navigationssystems 5 der Prognosebereich 9 identifiziert, für welchen der Fahrbahn-Reibungsbeiwert prognostiziert werden soll. Dessen Lage ergibt sich unter anderem aus der aktuellen Fahrgeschwindigkeit und den möglichen zukünftigen Aufenthaltsorten des Fahrzeugs innerhalb eines vorgegebenen Vorschaufensters. Gibt es mehrere potentielle zukünftige Aufenthaltsorte, kann der Fahrbahn-Reibungsbeiwert für alle vorgenommen werden, wobei bei Annäherung an den Prognosebereich 9 die Auswahl in der Regel zunehmend verringert wird. Hat der Fahrer über das Navigationssystem 5 einen Fahrweg programmiert, können die auf dem programmierten Fahrweg liegenden Fahrbahnabschnitte für die Prognose priorisiert werden. Es ist auch möglich, für den Prognosebereich 9 sehr einfach einen festen Abstand zur aktuellen Fahrzeugposition 8 vorzugeben.
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Anschließend werden in einem weiteren Schritt S3 Umgebungsinformationen zu dem oder den Prognosebereichen 9 beschafft, wobei auf die eingangs erläuterten fahrzeuginternen und fahrzeugexternen Einrichtungen zugegriffen wird.
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Aus diesen Umgebungsinformationen wird anschließend mittels einer geeigneten Recheneinrichtung 10 ein Fahrbahn-Reibungsbeiwert µprog für den Prognosebereich 9 ermittelt (S4) und den am Fahrzeug vorhandenen Systemen zur Verfügung gestellt (S5).
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Dieses Verfahren wird während des Fahrbetriebes des Fahrzeugs vorzugsweise fortlaufend durchgeführt, indem für vor dem Fahrzeug liegende Fahrbahnabschnitte vorausschauend Fahrbahn-Reibungsbeiwerte µprog erstellt werden.
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Anhand des prognostizierten Fahrbahn-Reibungsbeiwerts µprog werden die vorgenannten Systeme je nach Bedarf, d.h. in Abhängigkeit des prognostizierten Fahrbahn-Reibungsbeiwerts µprog im Hinblick auf einen möglichen Eingriff vorkonditioniert.
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Eine solche Vorkonditionierung kann beispielsweise in einer Begrenzung des maximalen Antriebsmoments im Motormanagement liegen. Wird beispielsweise für einen Prognosebereich 9 ein geringerer Fahrbahn-Reibungsbeiwert prognostiziert, kann durch Rücknahme des maximalen Antriebsmoments verhindert werden, dass bei einem Beschleunigungsvorgang während des Durchfahrens des Prognosebereichs 9 starke Schwingungen im Antriebsstrang auftreten, da das Antriebsmoment in einem solchen Fall dann tatsächlich begrenzt wird. Nimmt der Fahrer einen Beschleunigungsvorgang unterhalb des reduzierten Antriebsmoments vor oder unterlässt er eine Beschleunigung, kommt es zu keinem realen Eingriff in den Fahrbetrieb.
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In entsprechender Weise kann auch eine Vorkonditionierung von Fahrdynamiksystemen und/oder Fahrassistenzsystemen vorgesehen werden. Beispielsweise kann für einen Bremseingriff bereits vorausschauend Bremsdruck aufgebaut werden. Kommt es anschließend zu einem Eingriff beispielsweise eines elektronischen Stabilitätsprogramms, ist ein schnelleres Ansprechen möglich. Das Ansprechen der Fahrdynamiksysteme und Fahrassistenzsysteme erfolgt jedoch nicht aufgrund des prognostizierten Fahrbahn-Reibungsbeiwerts µ
prog, sondern in Abhängigkeit des mit herkömmlichen Methoden ermittelten aktuellen Fahrbahn-Reibungsbeiwerts beim Durchfahren des Prognosebereichs. Der aktuelle Fahrbahn-Reibungsbeiwert kann beispielsweise mit dem in
DE 10 2009 002 592 A1 beschriebenen Algorithmus oder mit anderweitigen bekannten Algorithmen bestimmt werden.
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Die Beschaffung von Umgebungsinformationen kann sich auf ausgewählte der oben genannten Informationen beschränken. Durch Verknüpfung von Informationen kann jedoch die Aussagengenauigkeit erhöht werden. Zudem kann der Gefahr von Fehlbeurteilungen vorgebeugt werden.
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In einem ersten Ansatz kann auf die Daten des Navigationssystems 5 zugegriffen werden. Topographie und Straßentyp lassen erste Rückschlüsse auf den prognostizierten Fahrbahn-Reibungsbeiwert µprog zu. Durch Berücksichtigung von Datum und Umgebungstemperatur wird eine weitere Präzisierung erreicht. Zudem kann eine Absicherung der Lokalität vorgenommen werden.
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Eine weitere Absicherung kann über externe Umgebungsinformationen erfolgen. Beispielsweise können hierzu Wetterinformation (Temperatur, Feuchtigkeit, Wind), die von einer Wetterstation, einer Verkehrsleitzentrale oder über eine Wetter-App bereitgestellt werden, ausgewertet werden.
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Ferner können Informationen von anderen Verkehrsteilnehmern in Bezug auf den Straßenzustand ausgewertet werden. Wird beispielsweise von einem vorausfahrenden Verkehrsteilnehmer ein ABS-Eingriff oder eine Umgebungstemperatur mitgeteilt, kann diese Information bei der Prognose berücksichtigt werden.
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Weiterhin können Bilddaten des Fahrzeugumfelds, welche mittels einer am Fahrzeug vorgehaltenen Kamera 4 erfasst werden, in die Beschaffung von Umgebungsinformationen einbezogen und zur Ermittlung oder Plausibilisierung des prognostizierten Fahrbahn-Reibungsbeiwerts µprog herangezogen werden. Mittels der Kamera 4 können beispielsweise Regen, Nässe und/oder Wind im Vorfeld erkannt werden.
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Ferner kann die Tatsache genutzt werden, dass im Fahrbetrieb der Prognosebereich 9 in der Regel anschließend vom Fahrzeug durchfahren wird. Dies gestattet in einem gewissen Rahmen eine Kontrolle der Prognose, da, wie bereits ausgeführt, parallel der aktuelle Fahrbahn-Reibungsbeiwert µakt ermittelt wird. Mittels eines lernfähigen Algorithmus können auftretende Prognoseabweichungen zwischen µprog und µakt zur Plausibilisierung oder Verbesserung zukünftiger Prognosen herangezogen werden.
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3 zeigt dementsprechend ein zweites Ausführungsbeispiel des Verfahrens, bei dem der Ermittlung des prognostizierten Fahrbahn-Reibungsbeiwerts µprog eine Plausibilisierungsprozedur (S4a) folgt. Hier kann für den Fall abweichender Informationen auch eine Vorrangregelung für die zur verwertenden Informationen hinterlegt sein.
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Weiterhin kann, wie in 3 ebenfalls angedeutet, zur Verbesserung der Prognosegenauigkeit der Prognosebereich 9 gegenüber vordefinierten Umgebungsszenarien abgeglichen werden (S6). Beispiele für vordefinierte Umgebungsszenarien sind unter anderem Beschleunigungsstreifen, Kreuzungsbereiche, Bergstrecken, Wälder, Brücken, etc. Diese können beispielsweise durch Interpretation der Geodaten des Navigationssystems 5 identifiziert werden. Ferner ist eine Erkennung durch Auswertung der Kamera-Bilddaten möglich. Durch gemeinsame Betrachtung wird die Genauigkeit der Identifikation verbessert. Die vordefinierten Umgebungsszenarien werden fahrzeugseitig beispielsweise in der Recheneinrichtung 10 bereitgehalten und fortlaufend mit den Navigations- und Bilddaten verglichen. Wird eine Übereinstimmung identifiziert, kann dies in Schritt S4 oder in Schritt S5 bei der Prognostizierung des Fahrbahn-Reibungsbeiwerts µprog mit berücksichtigt werden. Alternativ oder ergänzend kann die betreffende Information auch direkt dem Motormanagement, einem Fahrdynamiksystem oder Fahrassistenzsystem zur Verfügung gestellt werden.
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So können beispielsweise Umgebungsszenarien, welche ein hohes Antriebsmoment implizieren, im Motormanagement durch eine Begrenzung des maximalen Antriebsmoments berücksichtigt werden.
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Umgebungsszenarien, wie Brücken oder Waldausfahrten können unter Berücksichtigung von Wetterinformationen auf Glätte oder Seitenwind schließen lassen und beispielsweise Eingang in für die Fahrdynamik relevante Systeme finden.
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Ferner ist eine rein umgebungsszenariobedingte Vorkonditionierung der genannten Systeme ohne Einbeziehung der Reibungsbeiwertprognose möglich, um im Bedarfsfall ein schnelles Ansprechen zu ermöglichen.
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Die Erfindung wurde vorstehend anhand von Ausführungsbeispielen und weiteren Abwandlungen näher erläutert. Sie ist jedoch nicht hierauf beschränkt, sondern umfasst alle durch die Patentansprüche definierten Ausgestaltungen.
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Bezugszeichenliste
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- 1
- Kraftfahrzeug
- 2
- Raddrehzahlsensor
- 3
- Umgebungstemperatursensor
- 4
- Kamera
- 5
- Navigationssystem
- 6
- Kommunikationsschnittstelle
- 7
- externer Dienstanbieter
- 8
- aktuelle Fahrzeugposition
- 9
- Prognosebereich
- 10
- Recheneinrichtung
- µprog
- prognostizierter Fahrbahn-Reibungsbeiwert
- µakt
- aktueller Fahrbahn-Reibungsbeiwert