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Die Erfindung betrifft ein Verfahren zur Spanbearbeitung eines metallischen Werkstückes, insbesondere aus Aluminiumlegierungen, nach dem Oberbegriff des Patentanspruches 1 sowie eine Vorrichtung zur Durchführung des Verfahrens mit einem Zerspanungswerkzeug nach dem Oberbegriff des Patentanspruches 9.
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Ein solches Zerspanungswerkzeug wird im Fahrzeugbau, zum Beispiel bei der Herstellung von Zylinderkopf-Bohrungen, zum Bohren aus einem Vollmaterial eingesetzt. Alternativ kann das Zerspanungswerkzeug auch als eine Reibahle zum Aufbohren einer bereits vorgefertigten Bohrung eingesetzt werden.
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Aus der
DE 10 2006 043 616 A1 ist ein gattungsgemäßes Verfahren zur Spanbearbeitung eines Werkstückes bekannt, bei dem eine Reibahle während eines Zerspanungsprozesses mit ihrer Bohrerspitze in das Werkstück eingetrieben wird.
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Speziell bei der Spanbearbeitung von Aluminiumwerkstoff besteht das Risiko, dass der Aluminiumwerkstoff durch Adhäsion an der Werkzeugschneide, einem Spanraum und gegebenenfalls an einer Führungsleiste des Zerspanungswerkzeugs festklebt. Dies führt zu einem vorzeitigen Werkzeugbruch des Zerspanungswerkzeuges. Ein solches Aufbacken ergibt sich insbesondere bei sehr hohen Betriebstemperaturen, wie sie beim Zerspanungsprozess speziell an der Bohrerspitze vorkommen. In der
DE 10 2006 043 616 A1 wird zur Vermeidung einer solchen Adhäsion das Zerspanungswerkzeug während des Zerspanungsprozesses mit einem flüssigen Kühlmittel gekühlt. Aufgrund der reduzierten Betriebstemperatur des Zerspanungswerkzeuges reduziert sich auch das Risiko, dass sich der Aluminiumwerkstoff festklebt.
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In der
DE 10 2006 043 616 A1 erfolgt die Kühlmittelversorgung des Zerspanungswerkzeuges über eine Kühlmittelanlage, in der während des gesamten Zerspanungsprozesses kontinuierlich das flüssige Kühlmittel in einem geschlossenen Kühlmittel-Kreislauf mit Hilfe von Kühlmittelpumpen in aufwendiger Weise umgewälzt wird.
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Die Aufgabe der Erfindung besteht darin, ein Verfahren bereitzustellen, das eine betriebssichere Spanbearbeitung eines metallischen Werkstückes mit einem im Vergleich zum Stand der Technik reduzierten Aufwand ermöglicht.
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Die Aufgabe ist durch die Merkmale des Patentanspruches 1 oder des Patentanspruches 9 gelöst. Bevorzugte Weiterbildungen der Erfindung sind in den Unteransprüchen offenbart.
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Die Erfindung beruht auf dem Sachverhalt, dass eine zur Vermeidung einer Werkstoff-Adhäsion erfolgende permanente Kühlung des Zerspanungswerkzeuges während des Zerspanungsprozesses mit einem großen prozesstechnischen Aufwand verbunden ist. In Abkehr von den gängigen Kühlungsmaßnahmen wird erfindungsgemäß ein vollkommen neuer Lösungsansatz verfolgt, bei dem auf die prozesstechnisch aufwendige Kühlung während des Zerspanungsprozesses gänzlich verzichtet wird. Anstelle dessen wird zur Durchführung des Zerspanungsprozess gemäß dem Kennzeichnungsteil des Patentanspruches 1 zumindest die Bohrerspitze des Zerspanungswerkzeuges und/oder die zu bearbeitende Werkstückfläche mit einer Lauge, insbesondere einer Natronlauge, benetzt. Erfindungsgemäß wird die ätzende Wirkung der Lauge genutzt, die das metallische Material des Werkstückes in einer chemischen Reaktion auflösen kann. Deren Reaktivität wird bei großen Betriebstemperaturen noch wesentlich erhöht. Vor diesem Hintergrund können erfindungsgemäß beim Zerspanungsprozess auf die aufwändigen Kühl-Maßnahmen verzichtet werden, wodurch eine möglichst hohe Betriebstemperatur speziell an der Schneidenspitze des Zerspanungswerkzeuges erzielt wird.
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Zusätzlich zur Schneidenspitze kann die Lauge auch die Spanräume und gegebenenfalls die Führungsleisten des Zerspanungswerkzeugs benetzen. Die Führungsleisten erstrecken sich längs des Zerspanungswerkzeugs und sind in direktem Kontakt zum Werkstück, um Schwingungen während des Bohrvorgangs zu vermeiden.
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In Versuchen wurde überraschenderweise festgestellt, dass eine einmalige, kurzzeitige Benetzung der Schneidenspitze (das heißt bei einem Bohrvorgang die Bohrerspitze) mit Lauge ausreichend ist, um während des gesamten Zerspanungsprozesses zuverlässig die Bildung von Aufbauschneiden auszuschließen. Bevorzugt kann die Benetzung der Schneidenspitze mit der Lauge zu einem Zeitpunkt erfolgen, der mit zeitlichem Abstand vor dem Zerspanungsprozess oder alternativ zu Beginn des Zerspanungsprozesses liegt.
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In Abgrenzung zu einer gängigen Nassbohrung, bei der die Bohrstelle während des Zerspanungsprozesses permanent mit flüssigem Kühlmittel versorgt wird, erfolgt der erfindungsgemäße Zerspanungsprozess weitgehend im Trockenzustand, das heißt ohne Zuführung von zusätzlichem Kühlmittel. Die im Stand der Technik erforderliche aufwendige Kühlmittelversorgung in einem geschlossenen Kühlmittel-Kreislauf kann daher ersatzlos weggelassen werden, wodurch sich speziell in der Großserienfertigung im Fahrzeugaufbau beträchtliche Kostenreduzierungen ergeben.
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Die zur Benetzung der Schneidenspitze zudosierte Laugenmenge kann bevorzugt so bemessen sein, dass nach dem Zerspanungsprozess keine Laugenrückstände auf der spanbearbeiteten Werkstückfläche verbleiben. Dadurch ist sichergestellt, dass nach dem Zerspanungsprozess kein Abätzen der bereits spanbearbeiteten Werkstückfläche erfolgt. Alternativ und/oder zusätzlich dazu kann zur chemischen Neutralisierung solcher Laugenrückstände ein organisches Öl eingesetzt werden. Das Öl kann zu einem Zeitpunkt auf die spanbearbeitete Werkstückfläche aufgetragen werden, der zeitlich nach der Laugen-Benetzung liegt. Die Öl-Zuführung kann bevorzugt noch während des Zerspanungsprozesses oder gegebenenfalls auch nach bereits erfolgtem Zerspanungsprozess durchgeführt werden. Bevorzugt erfolgt die Zuführung von organischem Öl während des Zerspanungsprozesses. In diesem Fall reagiert das organische Öl unter Seifenbildung mit den Laugenrückständen. Die bei der chemischen Neutralisierung der Laugenrückstände gebildete Seife kann während des Vorganges zusätzlich als Schmiermittel dienen.
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Die Lauge und/oder das organische Öl kann mit Hilfe zumindest einer Dosiereinrichtung, insbesondere als ein Aerosol, dem Zerspanungswerkzeug zudosiert werden. Die Dosierung der Lauge und/oder des Öls erfolgt dabei – in Abgrenzung zu einem gängigen geschlossenen Kühlmittel-Kreislauf – ohne die Einbindung eines geschlossenen Betriebsmittelkreislaufes. Das heißt, das zudosierte Öl und/oder die zudosierte Lauge werden nach der Zudosierung nicht wieder zur Dosiereinrichtung rückgeführt.
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Die Dosiereinrichtung kann ein Öl- und/oder Laugenreservoir aufweisen, aus dem das Öl und/oder die Lauge in vordosierten Mengen zur Spanbearbeitungsstelle geführt werden.
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In einer besonders bevorzugten technischen Realisierung kann die Zuleitung für die Lauge und/oder für das Öl im zylindrischen Bohrkörper des Zerspanungswerkzeuges integriert sein. Die Zuleitung für die Lauge kann bevorzugt in die Schneidenspitze (zum Beispiel die Bohrerspitze) münden. Die Mündungsöffnung der Laugen-Zuleitung kann dabei unmittelbar in einer, dem Werkstück zugewandten Stirnseite der Schneidenspitze ausgebildet sein. Demgegenüber kann die Öl-Zuleitung in einem Axialabstand von der Schneidenspitze entfernt nach außen in zum Beispiel nutförmigen Spanraum münden, der sich zwischen der Stirnseite des Zerspanungswerkzeuges und dem Spanschaft erstreckt. Auf diese Weise ist durch die räumliche Beabstandung der Mündungsöffnungen der Öl- und der Laugen-Zuleitung gewährleistet, dass bei Durchführung des Zerspanungsprozesses zunächst die Schneidenspitze mit darauf benetzter Lauge und erst zeitlich versetzt das organische Öl zur Zeichenbildung an der Spanbearbeitungsstelle wirksam ist.
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Die vorstehend erläuterten und/oder in den Unteransprüchen wiedergegebenen vorteilhaften Aus- und/oder Weiterbildungen der Erfindung können – außer zum Beispiel in den Fällen eindeutiger Abhängigkeiten oder unvereinbarer Alternativen – einzeln oder aber auch in beliebiger Kombination miteinander zur Anwendung kommen.
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Die Erfindung und ihre vorteilhaften Aus- und Weiterbildungen sowie deren Vorteile werden nachfolgend anhand von Zeichnungen näher erläutert.
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Es zeigen:
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1 in einer Prinzipdarstellung ein Zerspanungswerkzeug mit zugeordneter Dosiereinrichtung für die Lauge und für das organische Öl;
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2, 3 und 4 jeweils Ansichten, die das Verfahren zur Spanbearbeitung eines metallischen Werkstückes veranschaulichen; und
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5 ein Zeitdiagramm, aus dem die zeitliche Abfolge der Benetzung des Zerspanungswerkzeuges mit der Lauge, der Öl-Zuführung und des Zerspanungsprozesses hervorgeht.
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In der 1 ist ein Zerspanungswerkzeug zum Bohren eines metallischen Werkstücks 1 gezeigt. Das Zerspanungswerkzeug weist einen zylindrischen Spannschaft 3 zum Einspannen in ein nicht dargestelltes Spannfutter einer Bohrvorrichtung auf. An den Spannschaft 3 schließt sich ein Bohrkörper 5 an. Der Bohrkörper 5 weist hier beispielhaft zwei nutförmige Spanräume 7 auf, die sich zu beiden Seiten einer Bohrkörperlängsachse 9 bis zur Bohrerspitze 10 erstrecken und in eine Stirnfläche 11 des Bohrerkörpers 3 münden. In den 1 bis 4 ist lediglich einer der beiden Spannräume 7 zu sehen. An der Bohrerspitze 10 sind beispielhaft zwei Schneidelemente 15 vorgesehen, die jeweils mit ihrer frontseitigen Schneidkante 17 geringfügig die Stirnfläche 11 des Bohrkörpers 3 überragen und mit ihren radial nach außen gerichteten Schneidkanten 18 geringfügig über den Bohrkörperumfang vorstehen.
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In dem Zerspanungswerkzeug sind gemäß der 1 beispielhaft eine Laugen-Zuleitung 19 sowie eine Öl-Zuleitung 21 integriert. Die beiden Zuleitungen 19, 21 werden jeweils über eine Laugen-Dosiereinheit 23 sowie über eine Öl-Dosiereinheit 25 mit einem organischen Öl 29 und einer Lauge 31 versorgt. Die Laugen-Dosiereinheit 23 ist dabei an einem flaschenförmig angedeuteten Laugen-Reservoir 24 angeschlossen, während die Öl-Dosiereinheit 25 an ein Öl-Reservoir 26 angeschlossen ist. Gemäß der 1 mündet die Laugen-Zuleitung 19 stirnseitig in der, dem Werkstück 1 zugewandten Stirnfläche 11, während die Mündung 27 der Öl-Zuleitung 21 um einen Axialabstand Δx von der Bohrerspitze 10, das heißt der Stirnfläche 11, beabstandet ist.
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Nachfolgend wird anhand der 2, 3 und 4 das erfindungsgemäße Verfahren zur Spanbearbeitung des metallischen Werkstückes 1 beschrieben. So erfolgt gemäß der 2 zu einem Zeitpunkt tLauge eine Benetzung der Bohrerspitze 10 und gegebenenfalls auch der gegenüberliegenden Werkstückfläche 12 mit der Lauge 29. Hierzu fördert die Laugen-Dosiereinrichtung 23 eine vorbestimmte Laugen-Menge aus dem Laugen-Reservoir 24 als ein Aerosol durch die Laugen-Zuleitung 19 des Zerspanungswerkzeuges bis zur Bohrerspitze 10. Gemäß dem Zeitdiagramm der 5 erfolgt die Benetzung der Bohrerspitze 10 mit der Lauge 29 zu einem Zeitpunkt tLauge in einem zeitlichen Abstand vor der Durchführung des eigentlichen Zerspanungsprozesses. Dieser ist in dem Zeitdiagramm der 5 mit ΔtB gekennzeichnet und erfolgt zwischen den Zeitpunkten t1 und t2.
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Bei der Durchführung des Zerspanungsprozesses ΔtB wird das Zerspanungswerkzeug unter Rotation n und Kraftbeaufschlagung F in das Material (zum Beispiel Aluminium) des Werkstückes 1 eingetrieben, wie es in der 3 gezeigt ist. In der 3 ist speziell der Zeitpunkt tN veranschaulicht, zu dem die Öl-Dosiereinheit 25 aktiviert wird, um vom Öl-Reservoir 26 eine vorgegebene Öl-Menge mÖl als Aerosol über die Öl-Zuleitung 21 bis in den Spanraum 7 des Zerspanungswerkzeuges einzuführen.
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In der 3 ist das Öl-Aerosol punktförmig angedeutet und mit der Bezugsziffer 31 gekennzeichnet. Das organische Öl 31 kann unter Seifenbildung mit den Laugenrückständen im Bohrloch 33 reagieren, bei der die Laugenrückstände neutralisiert werden und kein Aluminiumwerkstoff des Werkstückes 1 mehr auflösen können. Die bei der Neutralisierung der Laugenrückstände gebildete Seife kann zusätzlich während des Zerspanungsprozess ΔtB als ein Schmiermittel wirken.
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In der 4 ist der Zerspanungsprozess ΔtB beendet und die Bohrung 33 im metallischen Werkstück 1 fertiggestellt. Nach dem Herausführen des Zerspanungswerkzeuges aus der Bohrung 33 verbleibt an der spanbearbeiteten Innenwandung der Bohrung 33 lediglich Seife, die als Reaktionsprodukt aus der Reaktion zwischen der Lauge 29 und dem organischen Öl 31 entstanden ist.
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Wie aus den 1 bis 4 hervorgeht, sind die Dosiereinheiten 23, 25 für das Öl sowie für die Lauge – in Abgrenzung zu einem gängigen geschlossenen Kühlmittel-Kreislauf – nicht an eine Rückführleitung angeschlossen, mit der das zudosierte Öl 31 und die zudosierte Lauge 29 wieder zu den Dosiereinheiten 24, 26 rückgeführt werden. Gemäß der 2 erfolgt daher der Zerspanungsprozess zumindest bis zur Zuleitung des organischen Öls 31 im Trockenzustand, wodurch besonders hohe Reaktionstemperaturen an der Bohrerspitze 10 erreicht werden und entsprechend die Reaktionsfähigkeit der auf der Bohrerspitze 10 benetzten Lauge 29 beträchtlich erhöht ist.
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In dem Zeitdiagramm der 5 sind die beim Zerspanungsprozess erforderlichen zudosierten Mengen mLauge und mÖl angedeutet. Wie der 5 zu entnehmen ist, sind die beim erfindungsgemäßen Verfahren erforderlichen Öl- und Laugenmengen weitaus geringer als die in einem vergleichbaren gängigen Zerspanungsprozess permanent zuzuführende Kühlmittelmenge mKühlmittel, die im Zeitdiagramm der 5 ebenfalls angedeutet ist.
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ZITATE ENTHALTEN IN DER BESCHREIBUNG
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Zitierte Patentliteratur
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- DE 102006043616 A1 [0003, 0004, 0005]