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Die vorliegende Erfindung betrifft ein Verfahren zur Umwandlung reaktiver Gruppen an über Kohlenstoff an Silicium gebundenen Resten von Silanen oder Siloxanen, die je Rest mindestens zwei reaktive Gruppen enthalten. Es ist Ziel der Erfindung, den räumlichen Abstand dieser Gruppen zueinander zu vergrößern und sie dabei ggf. in andere reaktive Gruppen umzuwandeln. In spezifischen Ausgestaltungen der Erfindung sollen sich mit dem Verfahren zusätzliche funktionelle Gruppen, gegebenenfalls unter Einführung von Verzweigungen, einführen lassen. Wiederholt man einzelne Schritte des Verfahrens unter Einführung variabler Funktionalitäten und Verzweigung der Ketten, lässt sich hierdurch eine Vielzahl verschiedener, teils dendrimerartiger Verbindungen mit unterschiedlichem organischen Vernetzungspotenzial und Verbindungslänge, unterschiedlicher Polarität, Brechzahl sowie Ätz- und Komplexierungsverhalten erhalten.
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Im Bereich der dentalen Werksstoffe, aber nicht nur dort, ist es wichtig, eine Palette von Materialien bereitstellen zu können, die zwar dem Grunde nach für dieselben Zwecke verwendet werden können und dieselben physikalischen und mechanischen Eigenschaften besitzen, wobei diese Eigenschaften jedoch an spezifische, häufig sogar individuelle Anforderungen detailgenau angepasst werden müssen. Beispiele sind die Farbe bzw. Transluzenz von Überkronungen, die Matrixhydrophilie, die Schrumpfung, die Reaktivität gegenüber Substraten oder weiteren Matrix- oder Komposit-Bestandteilen wie Zahngewebe, Co-Reaktanten oder Reaktionspartnern in Ionomer-Kompositen. Hier haben minimale Veränderungen häufig eine große Wirkung. Kann der mit diesen Materialien arbeitende Spezialist, beispielsweise ein Zahnarzt oder ein Zahntechniker, auf eine abgestufte Palette der für seine Zwecke erforderlichen Materialien zurückgreifen, wird er in die Lage versetzt, für jede einzelne Applikation das genau dazu passende Material auszuwählen.
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In den vergangenen 20 Jahren wurde eine Vielzahl von Silanen entwickelt, die nicht nur hydrolytisch kondensierbar sind, sondern, beispielsweise über reaktive Doppelbindungen, zusätzlich einer organischen Polymerisation unterworfen werden können. Über eine Polymerisation vorhandener Doppelbindungen sowie die Umsetzung ggf. vorhandener weiterer reaktiver Gruppen lässt sich eine Vielzahl von Kondensaten, Polymeren und Kompositen aus bzw. mit diesen Silanen herstellen, die sich für eine Vielzahl von Applikationen eignen. Beispiele solcher Materialien sind in
DE 40 11 044 A1 ,
DE 44 16 857 C1 ,
DE199 10 895 A1 und
DE 196 27 198 A1 offenbart. Allerdings ist in diesen Materialien der räumliche Abstand der verschiedenen funktionellen Gruppen in den Silanen immer noch relativ gering und sie liegen dicht am Molekülkern.
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Aufgabe der Erfindung ist es, hier Abhilfe zu schaffen und Verfahren bereitzustellen, mit denen sich diese funktionellen Gruppen, die über eine kohlenstoffhaltige Kette und ein Kohlenstoffatom dieser Kette an Silicium gebunden sind, unter Umwandlung der Funktionalität gleichzeitig in eine Position verschieben lassen, die den räumlichen Abstand dieser Gruppen zueinander vergrößert. Aufgrund der strukturellen Anordnung dieser Ketten und derartiger Verschiebungen kann eine Vielzahl verschiedener Harze, die aus Silanen und Kieselsäurepolykondensaten (die auch als Siloxane bzw. ”ORMOCER®e” bezeichnet werden können) erhältlich sind, mit unterschiedlichem organischen Vernetzungspotential und Verbindungslänge hergestellt werden. Außerdem können durch die Umfunktionalisierung der reaktiven Gruppen verschiedenste Harze mit variablen Funktionalitäten erhalten werden. In einer speziellen Ausführungsform ist es bevorzugt, dabei die Anzahl der vorhandenen funktionellen Gruppen zu erhöhen. Eine größere Zahl von z. B. Hydroxygruppen oder Säuregruppen können die Matrixhydrophilie oder andere Eigenschaften der aus den Silanen hergestellte Kondensate, Polymere und Komposite positiv verstärken. Darüber hinaus kann man hierdurch erreichen, dass beim wiederholten Durchführen der Verzweigungsreaktionen gleichzeitig eine dendrimerartige Struktur am kohlenstoffhaltigen Rest ausgebildet wird.
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In Lösung der gestellten Aufgabe schlägt die vorliegende Erfindung ein Verfahren zur Umwandlung reaktiver Gruppen an Si-C-gebundenen Resten von Silanen oder Siloxanen unter gleichzeitiger Vergrößerung des räumlichen Abstands dieser Gruppen zueinander vor, worin die Si-C-gebundenen Reste die Gruppierung -AW(Z)a aufweisen, wobei
A eine Kupplungsgruppe bedeutet, die ausgewählt ist unter -S-, -NH- und NR3, wobei R3 (Meth)Acryl oder ein geradkettiger, verzweigter oder cyclischer, unsubstituierter oder substituierter Kohlenwasserstoffrest, z. B. Alkyl, Aryl, Arylalkyl oder Alkylaryl, und vorzugsweise ein Alkylrest mit stärker bevorzugt ein bis sechs Kohlenstoffatomen ist,
W ein zweibindiger geradkettiger, verzweigter oder cyclischer, substituierter oder unsubstituierter Kohlenwasserstoffrest, beispielsweise ein Alkylen-, ein Arylen-, ein Arylalkylen- oder ein Alkylarylenrest oder ein Alkenylenrest ist, dessen Kette unterbrochen sein kann durch ein oder mehrere Gruppen -S-, -O-, -NH-, -NR3-, -C(O)O-, -NHC(O)-, -C(O)NH-, -NHC(O)O-, -C(O)NHC(O)-, -NHC(O)NH-, -S(O)-, -C(S)O-, -C(S)NH-, -NHC(S)-, -NHC(S)O-, wobei R3 die obige Bedeutung besitzt,
Z eine funktionelle Gruppe bedeutet, die gleich oder unterschiedlich sein kann und ausgewählt ist unter OH, dem Carbonsäurerest -COOH oder einem Salz oder einem Ester dieses Restes, und
a = 2, 3, 4, 5 oder eine größere ganze Zahl bedeutet, wobei a = 2 oder 3 bevorzugt und a = 2 besonders bevorzugt ist,
dadurch gekennzeichnet, dass die genannten Reste des Silans oder Siloxans in einer einzigen oder zweiten Reaktion entweder umgesetzt werden mit einer Verbindung (II) Y-(W)k-(Q)b (II) worin Y NCO, Epoxy oder – wenn die Reste Z Hydroxygruppen sind – COA' ist wobei A' Hydroxy, ein Halogenid oder -OC(O)R4, ist und R4 einen unsubstituierten oder substituierten Kohlenwasserstoffrest, z. B. Allyl, Aryl, Arylalkyl oder Alkylaryl, und vorzugsweise einen Alkylrest mit stärker bevorzugt ein bis sechs Kohlenstoffatomen bedeutet,
W die oben angegebene Bedeutung besitzt,
Q entweder R1 oder OH, NR7 2, NR7 3 +, CO2H, SO3H, PO(OH)2, PO(OR4)2, (O)PO(OH)2, (O)PO(OR4)2 oder ein Salz der vorgenannten Säuren ist, wobei R1 eine ungesättigte, organisch polymerisierbare Gruppe ist und R4 die oben angegebene Bedeutung hat, R7 entweder dieselbe Bedeutung wie R4 hat oder zwei Reste R7 zusammen eine ggf. (hetero)substituierte, ggf. ungesättigte, ggf. aromatische Kohlenwasserstoffgruppe, z. B. eine Alkylengruppe bedeuten können, mit der Maßgabe, dass Q im Falle von b > 1 in der Verbindung (II) unterschiedliche Bedeutungen besitzen kann,
k = 0 oder 1 ist, wobei k = 0 nur für den Fall möglich ist, dass Y COA' bedeutet, und
b = 1, 2, 3, 4 oder eine größere Zahl ist, vorzugsweise 1, 2 oder 3,
oder, für den Fall das Z = OH, umgesetzt werden mit P2O5 oder POCl3.
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Für den Fall, dass zwei Reste R7 zusammen eine heterosubstituierte aromatische Kohlenwasserstoffgruppe darstellen, können NR72 und NR7 3 + z. B. ein Pyridin-Rest oder der Rest einer cyclischen Ammoniumverbindung oder eines Pyridinium-Derivats oder dgl. sein. Reste Q mit der Bedeutung NR7 2 oder NR7 3 + können wichtige zusätzliche Funktionen in einem erfindungsgemäß hergestellten Harz haben. So entsteht im Falle Q gleich NR7 2 ein Aktivatormolekül, das für eine Redox-Härtung wie oben angesprochen genutzt werden kann. Verbindungen bzw. Harze mit NR7 3 +-Resten zeigen eine antimikrobielle Wirkung.
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Dabei geht die Erfindung in der Regel aus von Strukturen der nachstehenden Formel (2):
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In dieser Formel steht die Zickzacklinie für das Rückgrat eines über ein Kohlenstoffatom an das Silicium gebundenen Kohlenwasserstoffrestes, wobei dieses Rückgrat optional verzweigt sein kann und beliebig durch Heteroatome oder Kupplungsgruppen oder andere, Heteroatome enthaltende Gruppen unterbrochen sein kann. Beispiele sind Unterbrechungen durch -S-, -O-, -NH-, -C(O)O-, -NHCH(O)-, -C(O)NH- und dergleichen. Da es für die Zwecke der Erfindung auf die Struktur des Rückgrats dieses Restes nicht ankommt, kann der Fachmann diesbezüglich eine beliebige Auswahl treffen. Der Kohlenwasserstoffrest ist bis auf die Gruppierung AW(Z)a frei von funktionellen Gruppen, wobei der Ausdruck „funktionelle Gruppen” insbesondere ungesättigte, organisch polymerisierbare Gruppen, Carbonsäure oder deren Metallsalze oder Ester enthaltende Gruppen (mit der Formel COOR0 mit R0 = unsubstituierter oder substituierter Kohlenwasserstoffrest oder M x+ / 1/x wobei Mx+ Wasserstoff oder ein x-fach positiv geladenes Metallkation ist), Reste der Formel -(O)bP(O)(R*)2 mit b = 0 oder 1 und R* = unsubstituierter oder substituierter Kohlenwasserstoffrest, der direkt oder über eine Sauerstoffbrücke an das Phosphoratom gebunden ist, und Hydroxygruppen umfassen soll. A, W, Z und a haben dabei die oben angegebenen Bedeutungen.
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Die drei nicht näher gekennzeichneten Bindungen des Si-Atoms stehen dann, wenn die Struktur (2) ein Silan darstellt, für weitere am Siliciumatom gebundene Reste. Stattdessen können sie Sauerstoffbrücken zu weiteren Siliciumatomen bzw. anderen Metallatomen symbolisieren, wenn die Struktur (2) Bestandteil eines Kieselsäure(hetero)polykondensats ist. (Der Ausdruck ”(Hetero)polykondensat” soll bedeuten, dass das Kondensat neben Silicium andere Metallatome co-kondensierter Verbindungen aufweisen kann, beispielsweise B, Al, Ti, Zn und/oder weitere Übergangsmetallatome.) Da die erfindungsgemäßen Reaktionen sowohl an monomeren Silanen als auch an bereits anorganisch vernetzten Kieselsäurepolykondensaten erfolgen können, kommt es auf die Natur dieser Bindung nicht an. Im Falle monomerer Silane können diese Reste beispielsweise unter Hydrolysebedingungen hydrolysierbare Gruppen sein, wie der Fachmann sie kennt, beispielsweise Halogenide oder Alkoxide. Stattdessen können eine oder mehrere dieser Gruppen OH bedeuten. In anderen Ausführungsformen symbolisiert mindestens ein Rest der Bindung mindestens einen weiteren über Kohlenstoff an das Siliciumatom gebundenen Rest, der beliebige Eigenschaften aufweisen kann. Diese können von denen des oben genannten, über ein Kohlenstoffatom an das Silicium gebundenen Kohlenwasserstoffrestes abweichen; alternativ kann einer oder können sogar zwei solche Reste die Bedeutung von diesem Kohlenwasserstoffrest haben. Der Index m gibt an, dass die Struktur m Silylgruppen aufweist und steht in der Regel für 1 oder 2, kann gegebenenfalls aber auch höhere Werte wie 3, 4 oder noch größer annehmen. Häufig ist m 1. Eine Beschränkung nach oben ist theoretisch nicht gegeben. Wenn die Struktur mehr als einen Silylrest aufweist, befinden sich der zweite und ggf. weitere Silylreste am Rückgrat der Struktur, die dementsprechend in diesen Fällen verzweigt sein muss.
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Im Zusammenhang mit einer ungesättigten, organisch polymerisierbaren Gruppe soll in der vorliegenden Erfindung unter dem Attribut ”polymerisierbar” bzw. dem entsprechenden Substantiv ”Polymerisation” eine Polyreaktion verstanden werden, bei der die reaktionsfähige Doppelbindung unter dem Einfluss von Wärme, Licht, ionisierender Strahlung oder redoxinduziert (z. B. mit einem Initiator (Peroxid oder dgl.) und einem Aktivator (Amin oder dgl.)) in ein Polymer übergeht (engl.: addition polymerization oder chain-growth polymerization). Dabei treten weder Abspaltungen von molekularen Bestandteilen auf, noch Wanderungen oder Umlagerungen. Beispiele für ungesättigte, organisch polymerisierbare Gruppen sind daher nichtaromatische C=C-Doppelbindungen, vorzugsweise einer Michaeladdition zugängliche Doppelbindungen wie Styryle oder (Meth)Acrylsäure-Derivate. Jede ungesättigte, organisch polymerisierbare Gruppe enthält in der Regel mindestens zwei und vorzugsweise bis zu ca. 50, ggf. aber auch noch mehr Kohlenstoffatome und kann dabei direkt oder über eine Kupplungsgruppe an das Kohlenstoffskelett des kohlenwasserstoffhaltigen Restes gebunden sein.
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Der Ausdruck ”(Meth)Acryl...” soll vorliegend bedeuten, dass es sich jeweils um die entsprechende Acryl- oder die entsprechende Methacryl-Verbindung handeln kann.
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Die vorliegenden (Meth)Acrylsäure-Derivate umfassen die Säuren selbst, ggf. in aktivierter Form, Ester, Amide, Thioester und dgl.
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In der erfindungsgemäßen Reaktion wird das Silan oder Kieselsäurepolykondensat zum Zweck der Umwandlung der reaktiven Gruppen und gleichzeitiger Vergrößerung des räumlichen Abstands dieser Gruppen zueinander mit der oben angegebenen Verbindung der Formel (II) umgesetzt.
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Durch die erfindungsgemäße Umsetzung mit Verbindung (II) wird an das Fragment AW(Z)a am Si-C-gebundenen Rest des Silans oder Kieselsäurepolykondensats mit der Struktur (2) über eine Kupplungsgruppe B ein weiterer Rest -(W)k-(Q)b angebunden. Die Kupplungsgruppe B entsteht aus dem Angriff von Y an Z und kann daher ausgewählt sein unter Ester-, Ether-, Säureamid- und Urethangruppen.
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Da die Verbindung (II) mehrere ggf. voneinander unabhängige Reste Q tragen kann, kann die Anzahl der funktionellen Gruppen pro Si-C-gebundenem Rest vergrößert und variiert werden, und es kann eine dendrimerartige Struktur angelegt werden.
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Bei dieser – wie auch allen nachfolgend beschriebenen – Reaktion(en) ist es günstig, wenn die Verbindung mit der Formel (II) im molaren Unterschuss eingesetzt wird, bezogen auf die funktionellen Gruppen des Reaktionspartners, hier der Struktur (2), wenn also das molare Verhältnis der Verbindung (II) zu dem der funktionellen Gruppen Z an den Si-C-gebundenen Resten < 1 ist und bevorzugt bei höchstens 0,95 liegt.
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Dieser technischen Lehre liegt die Erkenntnis zugrunde, dass beim Einsatz der Verbindung (II) im Unterschuss diese Verbindung vollständig verbraucht wird, sodass in den Materialien, zu denen das Produkt dieser Reaktion verarbeitet wird, keine ggf. aus toxikologischer oder allergologischer Sicht problematischen Monomere mehr vorhanden sind. Darüber hinaus hat es sich als irrelevant herausgestellt, dass alle funktionellen Gruppen vollständig umgesetzt werden müssten, denn ein mehr oder weniger großer Anteil an nicht-verlängerten Si-C-gebundenen Resten im Gemisch wirkt sich nicht nachteilig auf die Eigenschaften des letzteren aus. Und schließlich ergibt sich ein entscheidender Vorteil für weitere mögliche Umsetzungen: das Produkt der Reaktion muss weder gereinigt noch auf eine sonstige Weise aufgearbeitet werden und kann daher sofort und unaufwändig einer nachfolgenden Reaktion unterzogen werden, wie es für die vorliegende Erfindung bevorzugt ist.
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In bevorzugter Weise wird für die einzige oder zweite Reaktion der Erfindung als Verbindung (II) eine Verbindung eingesetzt, in der Q R1 ist. Dadurch wird über die Kopplungsgruppe B an die Stelle der Gruppen Z jeweils eine C=C-doppelbindungshaltige Gruppe in den Si-C-gebundenem Rest eingeführt, wobei der Abstand der C=C-Doppelbindungen zueinander größer ist als der Abstand der zuvor vorhandenen Gruppen Z.
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In einer weiteren bevorzugten Ausführungsform, die mit der voranstehenden Ausführungsform verknüpft sein oder unabhängig davon sein kann, hat Z in der Verbindung oder dem Kondensat mit der Struktur (2) die Bedeutung OH und wird mit einer Verbindung (II) umgesetzt, in der Y die Isocyanatgruppe ist. Dabei entsteht eine Urethangruppe als Verknüpfungsgruppe B.
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Das Produkt der erfindungsgemäßen Reaktion ist folglich eine Verbindung oder eine Kondensat mit modifizierten funktionellen Gruppen und darüber hinaus mit mindestens einem Rest Q an einem Si-C-gebundenen Kohlenwasserstoffrest, wobei der oder die Reste Q jedoch gegenüber dem Rest Z in der Struktur (2) einen Abstand zum Siliciumatom aufweisen, der durch diese Reaktion um B-W-verlängert ist. Aufgrund der Mehrzahl von über längere Ketten relativ gut beweglichen Doppelbindungen, die sich im Wesentlichen im Außenbereich des Silanmoleküls bzw. des Siloxans befinden und dadurch einen relativ großen räumlichen Abstand zueinander aufweisen, kann dies zum einen zu einer Verringerung der Schrumpfung beim späteren Vernetzen führen, was insbesondere im Dentalbereich von großem Vorteil sein kann, zum anderen zu einer erhöhten Festigkeit und verringerten Sprödigkeit. Außerdem kann der Si-C-gebundene Kohlenwasserstoffrest ggf. zusätzliche Funktionalitäten aufweisen, falls z. B. nicht alle Hydroxygruppen der Struktur mit der Formel (2) stöchiometrisch umgesetzt werden (d. h. wenn die Verbindung (II) im Unterschuss eingesetzt wird) und/oder durch Verwendung einer Verbindung der Formel (II), die neben einer ungesättigten, organisch polymerisierbaren Gruppe noch weitere, davon unabhängige Funktionalitäten aufweist.
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Die voranstehend beschriebene Reaktion soll nachstehend anhand von zwei Beispielen näher erläutert werden: Erstes Beispiel:
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Die beiden Hydroxygruppen (Gruppen Z der Struktur (2)) dienen als Angriffspunkt des als Verbindung (II) gewählten Isocyanat-Methacrylats. Es entsteht daher eine verzweigte Silyl-Methacrylat-Verbindung der Struktur (3), in der die beiden Methacrylatgruppen gegenüber den Hydroxygruppen der Struktur (2) um die Gruppierung H4C2-NH-C(O) nach außen verschoben wurden und dadurch einen größeren räumliche Abstand zueinander aufweisen. Das bei dieser Reaktion erhaltene Produkt (3) weist eine sehr hohe Festigkeit bei deutlich reduzierter Sprödigkeit sowie eine deutlich reduzierte Härteschrumpfung auf.
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In diesem Beispiel kann, wie oben erläutert, ein Unterschuss an Verbindung (II) hinsichtlich der beiden Hydroxygruppen eingesetzt werden, so dass nicht beide Hydroxygruppen des Ausgangsmaterials vollständig umgesetzt werden. Je nach eingesetzter Menge an Verbindung (II), die bis zu 2 Moläquivalente betragen kann, entsteht entweder ein Gemisch mit nur teilweise umgesetzten sekundären Hydroxygruppen oder ein verzweigter Si-C-gebundener Rest mit zwei Methacrylatgruppen. Aufgrund dieser Tatsache lässt sich ein fein abgestuftes Spektrum an Produkten mit stark, aber unterschiedlich verbesserten physikalischen Eigenschaften wie Bruchfestigkeit, E-Modul oder Durchbiegung erzeugen.
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Zweites Beispiel für die erfindungsgemäße Reaktion: Anstelle einer Struktur, deren Si-C-gebundener Kohlenstoffrest eine Thioethergruppe trägt, kann als Struktur (2) z. B. eine solche mit einer tertiären Aminogruppe eingesetzt werden, die zwei Hydroxygruppen trägt. Deren Umsetzung mit dem gleichen Isocyanat-Methacrylat gehorcht der nachfolgenden Gleichung:
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Man erkennt, dass die gebildeten C=C-Doppelbindungen wesentlich weiter voneinander beabstandet und an wesentlich längeren, beweglichen Ketten angebunden sind.
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Hinsichtlich der molaren Verhältnisse gilt dasselbe wie für das erste Beispiel beschrieben.
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Die Produkte (3) der beiden voranstehend gezeigten Beispiele der erfindungsgemäßen Reaktion enthalten wie erwähnt organisch polymerisierbare C=C-Doppelbindungen, die durch Umwandlung von Hydroxygruppen erhalten wurden und gegenüber diesen einen größeren räumlichen Abstand zueinander an dem Si-C-gebundenen Rest aufweisen. Dies ist ein Ziel der vorliegenden Erfindung. In dieser Form können sie weiterverwendet werden. In einer Variante der Erfindung, die weiter unten näher beschrieben wird, können sie wiederum in Hydroxy-Funktionen umgewandelt werden, die ihrerseits räumlich noch weiter voneinander beabstandet sind und ggf. nochmals der Einführung von C=C-Doppelbindungen dienen können. Dadurch lassen sich u. a. die räumlichen Abstände der ungesättigten, organisch polymerisierbaren Gruppen zueinander noch weiter vergrößern. Außerdem kann bei jeder der genannten Reaktionen die Anzahl der reaktiven Gruppen erhöht werden, wodurch dendrimerartige Strukturen erhalten werden. In einer bevorzugten Variante der Erfindung werden dabei durch weitere Umwandlungen bestimmte funktionelle Gruppen eingeführt. In einer besonders bevorzugten Ausführungsform werden die vorangehenden Umsetzungsmöglichkeiten ausgehend von einem hydrolysierten/kondensierten Silan durchgeführt. Dadurch kann ausgehend von einem einzigen Grundharz durch Einführung variabler Funktionalitäten eine Vielzahl verschiedener Harze mit unterschiedlichem organischen Vernetzungspotential und Verbindungslänge hergestellt werden, die unterschiedliche Polarität, Brechzahl, Ätz- und Komplexierungsverhalten aufweisen. Zusätzliche Wirkungen, die durch die Anbindung dieser funktionellen Reste entstehen, sind, neben der Dendrimerisierung und dem oben erläuterten antibakteriellen Effekt, die Komplexierungs- oder Haftungseigenschaften von z. B. Carbonsäure-, Phosphonsäure- oder Phosphorsäuregruppen, die wegen des außenliegenden Sitzes der entsprechenden Gruppen extrem verbessert sind (z. B. viele effektive ”Greifstellen” bilden).
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In einer speziellen Ausführungsform der Erfindung werden Silane oder Siloxane mit mindestens zwei Hydroxygruppen an den Si-C-gebundenen Resten mit Phosphorpentoxid umgesetzt. Durch anschließende Aufarbeitung mit Wasser (siehe Beispiel 2) werden beide Hydroxygruppen in eine Phosphorsäure-Funktion umgewandelt, die den Rest des Moleküls als Monoestergruppe enthält, wodurch das Produkt z. B. in wässriger Lösung als dentales Adhäsiv eingesetzt werden kann:
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Die Produkte dieser Reaktion enthalten natürlich keine Kupplungsgruppe B und fallen damit nicht unter das Schema der Verbindungen (3).
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Die in der Struktur (3) bzw. durch die Umsetzung mit Phosphorpentoxid vorhandenen funktionellen Gruppen können ganz prinzipiell zu verschiedenen Zwecken genutzt werden:
- (1) Die Einführung außenliegender C=C-Doppelbindungen, die einen vergrößerten räumlichen Abstand zueinander aufweisen, führt zu einer reduzierten Härteschrumpfung bei der Vernetzung und sehr hoher Festigkeit bei deutlich reduzierter Sprödigkeit nach dem Aushärten.
- (2) Durch Einführung aromatischer Gruppen ist eine abgestufte Brechzahlsteigerung bzw. -anpassung möglich.
- (3) Strukturen mit Phosphorsäureestergruppen stellen ein sehr gut wasserlösliches Produkt dar, das als dentales Adhäsiv eingesetzt werden kann.
- (4) Es lassen sich über zuvor eingeführte organisch polymerisierbare Gruppen, insbesondere wenn es sich dabei um reaktive C=C-Doppelbindungen handelt, weitere Verbindungen an den Si-C-gebundenen Rest anknüpfen. Damit können einerseits variable Funktionalitäten in das System eingeführt werden. Zum anderen kann der räumliche Abstand der entsprechenden funktionellen Gruppen zueinander nochmals vergrößert werden. Zum Dritten lassen sich durch ein- oder mehrmaliges Wiederholen eines Zyklus aus Funktionalisierung und Anknüpfung, bei gleichzeitiger Erhöhung der Anzahl funktioneller Gruppen, dendrimerartige Strukturen erhalten.
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In einer bevorzugten Variante der Erfindung werden Verbindungen der Struktur (2) in einer vorhergehenden, ersten Reaktion hergestellt, und zwar in der Regel ausgehend von Strukturen der Formel (1), d. h. Silanen und Kieselsäure(hetero)polykondensaten mit mindestens einem über ein Kohlenstoffatom an ein Siliciumatom gebundenen Rest, der (maximal) eine ungesättigte, organisch polymerisierbare Gruppe R
1 trägt. Zum Zwecke der Umwandlung der ungesättigten, organisch polymerisierbaren Gruppe R
1 und zur gleichzeitigen Erhöhung der Funktionalität werden diese mit einer Verbindung der Formel (I) umgesetzt wie folgt:
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Der Index m und der Rest R
1 haben die oben angegebenen Bedeutungen. Einfache Beispiele für Verbindungen der Formel (1) sind Methacryloxyalkyltrialkoxysilane sowie Vertreter von Silanen und Polykondensaten von Silanen (Siloxanen), wie sie in
DE 40 11 044 A1 ,
DE 44 16 857 C1 ,
DE 196 27 198 A1 oder
DE 199 10 895 A1 offenbart sind.
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In der Verbindung mit der Formel (I) bedeutet X = SH, NH2 oder NHR4, und Z und W und der Index a haben die Bedeutung wie für Verbindung (2) erläutert.
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Bei dieser Umsetzung greift der Rest X der Verbindung (I) an der Doppelbindung der Gruppe R1 an und verlängert damit den Kohlenwasserstoffrest der Struktur (1) über die Kupplungsgruppe A = -S-, -NH- oder -NR4 um das Fragment A-W. Dabei wird der Rest Z, sofern stöchiometrisch gearbeitet wird, a-fach in den Si-C-gebundenen Rest eingeführt.
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In einer bevorzugten Ausführungsform dieser ersten Reaktion hat X in der Verbindung der Formel (I) die Bedeutung SH. In dieser Variante wird der Rest -W-(Z)a der Verbindung der Formel (I) über eine Thiol-en-Addition an die ungesättigte, organisch polymerisierbare Gruppe R1 des am Siliciumatom gebundenen Restes angebunden. Alternativ dazu kann X auch NH2 oder, in einer weiteren Alternative, NHR4 sein, wobei R4 die obige Bedeutung besitzt. Auch diese Reste greifen an der ungesättigten C=C-Doppelbindung an, so dass der Rest -W-(Z)a über eine NH-, oder NR4-Brücke an den an das Siliciumatom gebundenen Rest angebunden wird.
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In einer davon unabhängigen, bevorzugten Ausführungsform, die mit jeder der voranstehend genannten Ausführungsformen kombinierbar ist, besitzt der Rest Z in der Verbindung mit der Formel (I) die Bedeutung OH oder COOH. Die Bedeutung Z = OH ist besonders bevorzugt, auch und insbesondere in Kombination mit a = 2 oder 3, vorzugsweise a = 2.
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Die Umsetzung des Silans oder Kieselsäurepolykondensats mit der Struktur (1) mit der Verbindung der Formel (I) wird im Rahmen der vorliegenden Verbindung als ”erste Reaktion” bezeichnet. Diese soll nachstehen anhand einer Reihe von Beispielen näher erläutert werden.
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Als Ausgangsmaterial wird im ersten dieser Beispiele als Struktur (1) ein Kieselsäurepolykondensat verwendet, das durch Hydrolyse und Kondensation eines (Methacryloxymethyl)methylsilans (vorzugsweise im ”Sol-Gel”-Verfahren) hergestellt wurde (siehe auch das Vergleichsbeispiel 1). Diese Struktur wird sodann mit einer Verbindung der Formel (I) umgesetzt, worin X eine Mercaptogruppe ist, Z eine Hydroxygruppe ist, W eine gesättigte Kohlenwasserstoffgruppe mit drei Kohlenstoffatomen ist und a = 2 bedeutet:
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Das Produkt dieser Umsetzung (Herstellungsbeispiele 1a und 1b) enthält einen um ein Schwefelatom und drei Kohlenstoffatome verlängerten Si-C-gebundenen Kohlenwasserstoffrest, in dem die ursprüngliche funktionelle Gruppe (die C=C-Doppelbindung) durch zwei Hydroxygruppen ersetzt ist. Als Verknüpfungsgruppe A enthält es eine Thioethergruppe.
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Anstelle des im Beispiel für die Verbindung der Formel (I) eingesetzten Diols können selbstverständlich auch Verbindungen mit mehr als zwei Hydroxygruppen (3 oder gegebenenfalls 4 oder darüber) als Verbindung der Formel (I) eingesetzt werden. Es entstehen dann Strukturen der Formel (2) mit einer höheren Anzahl von Hydroxygruppen, wodurch in der nachfolgenden Umsetzung mit der Verbindung (II) eine Anzahl von Resten Q erzielt werden kann, die bei Einsatz von Verbindungen (II) mit zwei oder mehr Resten Q sehr hoch sein kann.
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Stattdessen können auch gemischte Verbindungen wie Thioalkohole oder Aminoalkohole eingesetzt werden.
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Wenn die erste Reaktion mit einem Unterschuss an Verbindung (I) umgesetzt wird, enthält das Produkt nicht nur die Struktur der Formel (2), sondern auch unumgesetztes Material (der Struktur (1)), siehe das obige Beispiel. Unvollständig umgesetzte Materialien dieser Art können vorliegend in allen Varianten je nach Bedarf eingesetzt werden. Dabei wird bevorzugt ein Verhältnis von 0,5 bis 0,95 Mol des den Rest Z einführenden Reagens' (der Verbindung (I)) eingesetzt, hier also bevorzugt 0,5 bis 0,95 Mol Thioglycerin pro Mol C=C-Doppelbindung verwendet; stattdessen kann aber natürlich auch – je nach Bedarf – die Verbindung mit der Formel (I) bis zur Moläquivalenz oder in manchen Fällen sogar darüber eingesetzt werden. Letzteres ist allerdings in Hinblick auf die gewünschte Vermeidung des Vorhandenseins von Monomer-Resten im Harz in der Regel ungünstig.
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In einer anderen Variante der Erfindung wird für die erste Reaktion eine Verbindung der Formel (I) eingesetzt, in der die Reste Z Carbonsäurereste (CO2H) darstellen. Auch gemischte Verbindungen sind möglich, das heißt solche Verbindungen, die sowohl eine Hydroxy- als auch eine Säurefunktion aufweisen.
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Anstelle einer Verbindung mit der Formel (I), in der X eine Mercaptogruppe ist, könnte diese Reaktion auch mit einer Verbindung der Formel (I) durchgeführt werden, in der X eine primäre oder, weniger bevorzugt, eine sekundäre Aminogruppe ist, die zwei oder mehr Hydroxy- oder sonstigen Gruppen Z, wie oben definiert, enthält.
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Als Beispiel für eine solche Umsetzung sei in einem zweiten Beispiel der ersten Reaktion die Umsetzung eines Kieselsäurepolykondensats mit einem dihydroxysubstituierten, sekundären Amin dargestellt:
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Auch bei dieser Reaktion kann a nicht nur 2, sondern stattdessen 3 (oder gegebenenfalls 4 oder darüber) bedeuten.
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Der Unterschied zum voranstehenden Beispiel liegt in der Art der Kopplungsgruppe (hier einem tertiären Amin anstelle einer Thioether-Brücke). Hinsichtlich der im Fokus der Erfindung stehenden Modifizierung der funktionellen Gruppen spielt die Wahl des Restes X keine Rolle, da dieser nur für die Struktur der Verknüpfungsgruppe A zwischen dem neu angebundenen Rest -W-(Z)a und dem Restmolekül verantwortlich ist, die – mit wenigen Ausnahmen – keine technische Funktion oder Wirkung besitzt. Eine dieser Ausnahmen betrifft die Mercaptogruppe, deren Einsatz als Rest X einen spezifischen Vorteil bietet: der Einbau des Schwefelatoms als Verknüpfungsgruppe A in das Gerüst des Si-C-gebundenen Restes bewirkt eine Erhöhung der Brechzahl nD des gebildeten Kieselsäurepolykondensats im Vergleich zu einer sekundären bzw. tertiären Aminogruppe, die sich durch das Vorsehen bzw. Weglassen der Thioether-Gruppe variieren lässt. Eine zweite Ausnahme betrifft basische Aminogruppen, die sich protonieren lassen.
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Konkrete Beispiele für Verbindungen der Formel (I) sind: OH-funktionalisierte Thiole mit zwei Hydroxygruppen wie Thioglycerin, CO2H-funktionalisierte Thiole mit zwei Carbonsäuregruppen wie Mercaptobernsteinsäure oder 2-Sulfanylmethylbernsteinsäure.
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Die erste Reaktion muss nicht notwendigerweise an bereits hydrolytisch kondensierten Silanen erfolgen, wie voranstehend dargestellt. Stattdessen kann sie selbstverständlich an monomeren Silanen durchgeführt werden.
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In einer Ausgestaltung der Erfindung kann das Produkt der erfindungsgemäßen (ersten oder einzigen) Reaktion das Endprodukt sein, und zwar sowohl dann, wenn die Gruppe Q R1, d. h. eine ungesättigte, organisch polymerisierbare Gruppe ist, als auch dann, wenn Q OH, NR7 2, NR7 3 +, CO2H, SO3H, PO(OH)2, PO(OR4)2, (O)PO(OH)2, (O)PO(OR4)2 oder ein Salz der vorgenannten Säuren bedeutet.
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In einer zweiten Ausgestaltung der Erfindung wird das Produkt der erfindungsgemäßen Reaktion einer dritten und gegebenenfalls sogar noch weiteren Umsetzung(en) unterworfen. Die dritte Reaktion kann dabei in zwei Varianten erfolgen:
In der ersten Variante ist der Rest Q im Produkt (3) eine ungesättigte organisch polymerisierbare Gruppe (d. h. R
1). Die Umsetzung erfolgt analog zur ersten Reaktion mit einer Verbindung der Formel (III),
worin X definiert ist wie für Formel (I) und W, Q und b definiert sind wie für Formel (II). Es entsteht ein Produkt, in dem die Anzahl der Reste Q a b b (wie für die Indices der Formeln (I) bis (III) definiert) entspricht; mit anderen Worten, anstelle jeder ursprünglich vorhandenen ungesättigten polymerisierbaren Gruppen R
1 in der Struktur (1) finden sich a b b Reste Q in der Struktur (4). Wenn z. B. als Verbindung mit der Formel (I) eine Dihydroxyverbindung verwendet wurde, wie in den obigen Beispielen gezeigt, und als Verbindungen (II) und (III) jeweils ein Mono(meth)acrylat, enthält das Produkt (4) zwei Gruppen Q als funktionelle Reste anstelle jeder ursprünglichen ungesättigten organisch polymerisierbaren Gruppe an einem Si-C-gebundenen Rest, die noch dazu einen deutlich vergrößerten Abstand zueinander aufweisen. Entsprechend erhöht sich diese Zahl für den Fall, dass der Index b in der Verbindung (II) und/oder (III) größer 1, nämlich 2 ist, auf vier bzw. acht. Das Entstehen dendrimerartiger Strukturen ist ersichtlich. Die Reste Z sind darüber hinaus im Vergleich zu Verbindung (1) um die Gruppierung A-W-B-W-A-W nach außen geschoben.
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In der zweiten Variante der dritten Reaktion ist der Rest Q im Produkt (3) ausgewählt unter OH, dem Carbonsäurerest -COOH oder einem Salz oder einem Ester dieses Restes, und das Produkt (3) wird mit einer Verbindung mit der Formel (II) umgesetzt, worin die Reste die oben für diese Verbindung angegebene Bedeutung besitzen:
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Struktur (5) unterscheidet sich von Struktur (4) nur durch den Austausch der Kopplungsgruppe A gegen B; im Übrigen gilt das vorstehend Gesagte. Beide Strukturen (4) und (5) sind im Übrigen mit Struktur (3) vergleichbar, wobei jedoch die Anzahl der Reste Q gegenüber (3) noch um den Faktor b (aufgrund der Reaktion mit der Verbindung (II) bzw. (III)) vergrößert ist und diese Reste sich um eine Gruppierung A-W bzw. B-W weiter vom Si-Atom entfernt angeordnet befinden. Die Wirkungen sind dementsprechend gegenüber den für (3) geschilderten nochmals verstärkt. Dies gilt insbesondere für die weiter vorne beschriebene Verringerung der Schrumpfung beim späteren Vernetzen sowie für die Materialeigenschaften Festigkeit und Sprödigkeit.
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Die dritte Umsetzung kann wiederum mit einem molaren Unterschuss an Verbindung (II) bzw. Verbindung (III), bezogen auf den Rest Q in der Struktur (3), durchgeführt werden, um die Strukturen (4) bzw. (5) in Mischung mit Struktur (3) zu erhalten. Auf diese Weise lassen sich nochmals feiner abgestufte Produkte gewinnen.
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In einer Variante der Erfindung sind die Produkte (4) und (5) die Endprodukte.
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Die Produkte (4) und (5) können jedoch dann, wenn Q darin wiederum entweder eine ungesättigte organisch polymerisierbare Gruppe R
1 ist oder ausgewählt ist unter OH, dem Carbonsäurerest -COOH oder einem Salz oder einem Ester dieses Restes, gegebenenfalls einer vierten Reaktion unterworfen werden, und zwar wiederum mit einer Verbindung mit der Formel (II) oder mit der Formel (III), je nach der Bedeutung des Restes Q. Die Reaktionen verlaufen analog zu den beiden Varianten der dritten Reaktion. Dabei ergibt diese vierte Reaktion Produkte, die sich wie folgt darstellen lassen:
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Bei den dabei entstehenden Produkten sind die Reste Q jeweils a·b b b-fach vorhanden, und zwar mit einem nochmals vergrößerten Abstand zum Si-Atom und vergrößertem räumlichen Abstand zueinander. Im Übrigen unterscheiden sie sich – unter der Voraussetzung, dass jeweils vergleichbare Reste Q und Gruppen W eingesetzt werden – nur durch die Anzahl und Verteilung der Kopplungsgruppen A und B. Die Vorteile solcher Dendrimere entsprechen demnach den bei Produkt (3) beschriebenen, sind dabei jedoch nochmals verstärkt. Ein Beispiel für eine solche Umsetzung ist die Umsetzung einer Struktur (4), in der Z zumindest teilweise OH ist, mit einem Isocyanat-Methacrylat.
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Das Prinzip der Reaktionsabfolge lässt sich dem Grunde nach weiter fortsetzen; da die Produkte zumindest in den Fällen, in denen X gleich SH ist oder Y gleich NCO ist, und dabei insbesondere dann, wenn die Verbindungen (I) bis (III) im Unterschuss eingesetzt werden, bezogen auf die jeweils umsetzbaren funktionellen Gruppen, nicht isoliert oder aufgereinigt werden müssen, lassen sich auf diesem Wege Strukturen mit einer fein abgestuften Anzahl von reaktiven Gruppen bzw. organisch polymerisierbaren Resten Q an jeweils einem Si-C-gebundenen Rest erzeugen, die dendrimerartig verzweigt sind.
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Zusammenfassend macht es die Erfindung damit möglich, ausgehend von Silanen mit organisch polymerisierbaren Doppelbindungen, z. B. C=C-haltigen Silanen wie (Methacryloxymethyl)-methyldimethoxysilan (siehe die Beispiele; das hydrolytisch kondensierte Kieselsäurepolykondensat aus diesem Silan ist dort als Basisharzsystem-1 bezeichnet) durch die Umsetzung mit einer Verbindung (II) (z. B. Thioglycerin), und einer anschließenden Einführung von C=C-Gruppen (z. B. Methacrylsäureisocyanatoethylester) und nachfolgende hydrolytische Kondensation mit dem erfindungsgemäßen Verfahren ein Kieselsäurepolykondensat zu erhalten, dessen Gruppen Q, z. B. OH-, CO2H bzw. C=C-Gruppen, ggf. weiter funktionalisiert werden können. Die hydrolytische Kondensation kann selbstverständlich bereits in einem früheren Stadium erfolgen, beispielsweise auf der Stufe des Ausgangsmaterials (siehe Basisharzsystem-1) oder auf der Stufe des Silans, das mindestens zwei Gruppen Z enthält. Sofern ein solches Produkt bereits zur Hand ist, muss der erste Schritt dieser Reaktionsabfolge nicht durchgeführt werden.
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Es ist dabei bevorzugt, von einem hydrolysierten/kondensierten Silan (z. B. dem Basisharzsystem I, siehe die Beispiele) auszugehen bzw. das entsprechende Ausgangs-Silan ggf. in Kombination mit anderen Silanen bzw. anderen hydrolysierbaren Komponenten wie Alkoxiden von Aluminium, Titan oder dergleichen hydrolytisch zu kondensieren und sodann die nachfolgenden Reaktionen durchzuführen wie oben beschrieben. Diese Route hat den Vorteil, dass man jeweils von einem einzigen Grundharz (fertig hydrolysiert/kondensiert) ausgehen und durch variable Anteile der Reaktionspartner bzw. deren Menge an funktionellen Gruppen eine Vielzahl verschiedener Harze mit unterschiedlichem organischem Vernetzungspotenzial und Verbindungslänge (→ nach Härtung variable Vernetzungsdichte), unterschiedlicher Polarität, Brechzahl, Ätz- u. Komplexierungsverhalten auf einfache Weise (d. h. in der Regel ohne Aufarbeitungsschritt) herstellen kann.
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Die erfindungsgemäßen Kieselsäurepolykondensate lassen sich auf verschiedene Weise härten. So können vorhandene C=C-Doppelbindungen durch eine Polyaddition mit Thiolen oder Aminen oder eine übliche radikalische Polymerisation der doppelbindungshaltigen Gruppen (Polymerisationsreaktion unter Ausbildung propagierender Kohlenstoffketten) einer Vernetzung zugeführt werden, was eine Härtung des Materials bewirkt. Die Kondensate können auch durch andere Vernetzungsreaktionen zur Härtung gebracht werden, beispielsweise durch Umsetzung mit Di-, Tri- oder Tetra-Isocyanaten, die an freien Carbonsäure- bzw. Hydroxygruppen angreifen, oder entsprechenden mehrfunktionellen Anhydriden zur Umsetzung von hydroxygruppenhaltigen Kondensaten, wodurch ebenfalls ein weiteres, rein organisches Netzwerk entsteht.
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Bei der Vernetzung können weiterhin Eigenschaften wie die Länge der Molekülketten zwischen den Vernetzungsstellen sowie die verbleibenden Anteile an freien reaktiven Gruppen eingestellt werden, beispielsweise durch den Zusatz von variablen Anteilen an Di-, Tri- und/oder Tetra-Isocyanaten, die mit jeweils freien Gruppen Q reagieren können. Die entsprechenden Monoverbindungen würden nur zu einer Abreaktion der reaktiven Gruppen und damit zu deren Überführung in eine inaktive Kupplungsgruppe führen. Werden als Reaktionspartner aber bis-, tris- oder noch höher funktionelle Verbindungen eingesetzt, werden dabei Verknüpfungen über Brücken mit wahlweise einstellbarer Länge erzeugt (die Längeneinstellung erfolgt durch den Abstand zweier reaktiver Gruppen im Molekül). Als Beispiel hierfür diene die Umsetzung mit Isocyanaten: Hier können z. B. Dicyclohexylmethandiisocyanat, Hexamethylen-1,6-diisocyanat, Hexamethylen-1,8-diisocyanat, Diphenylmethan-4,4-diisocyanat, Diphenylmethan-2,4-diisocyanat, 2,4-Toluylendiisocyanat, 2,6-Toluylendiisocyanat, Triphenylmethan-4,4',4''-triisocyanat, 3-Isocyanatomethyl-3,5,5-trimethylcyclohexyl-diisocyanat, oder Tris(p-isocyanatophenyl)thiophosphat eingesetzt werden. Sofern das Silan oder Polysiloxan freie Hydroxygruppen aufweist (z. B. im Falle von Q zumindest teilweise = OH), kann eine derartige Vernetzung auch mit einer di-, tri-, tetra oder polyfunktionellen, ggf. aktivierten (z. B. in Form eines Anhydrids vorliegenden) Carbonsäure anstelle des Di-, Tri- oder Tetrapolyisocyanats erfolgen, und sofern das Silan oder Polysiloxan freie Carbonsäurereste, deren Salze oder Ester aufweist, mit einem di-, tri-, tetra oder polyfunktionellen Alkohol.
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Auch die Härtung von Harzen, in denen die Gruppe Q R1 bedeutet, also eine ungesättigte, organisch polymerisierbare Gruppe wie eine C=C-haltige Gruppe ist, kann durch Zusätze beeinflusst werden. Beispiele sind variable Anteile an Di-, tri, tetra-Aminen, die mit reaktiven C=C-Doppelbindungen und damit beispielsweise mit (Meth)acrylatgruppen reagieren können. Hier kann neben die Vernetzung durch lichtinduzierte organische Polyaddition die Vernetzung durch mehrfach funktionelle Aminen treten. Beispiele für polyfunktionelle Amine sind: Diaminoaceton, Diaminoacridin, Diaminoadamantan, Diaminoantrachinon, Benzidin, Diaminobenzoesäure, Phenylendiamin, Diaminobenzo-phenon, Diaminobutan, Diaminocyclohexan, Diaminodecan, Diaminodicyclohexylmethan, Diaminomethoxybiphenyl, Diaminodimethylhexan, Diaminodiphenylmethan, Diamino-dodecan, Diaminoheptan, Diaminomesitylen, Diaminomethylpentan, Diaminomethylpropan, Naphtyhlendiamin, Diaminoneopentan, Diaminooctan, Diaminopentan, Diaminophenantren, Diaminopropan, Diaminopropanol, Diaminopurin, Diaminopyrimidin.
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Gleiches gelingt, wenn statt der oben beschriebenen Amine Thiole verwendet werden. Beispiele für multifunktionelle Thiole sind: Trimethylolpropantri(3-mercaptopropionat) (TMPMP); Trimethylolpropan-trimercaptoacetat) (TMPMA); Pentaerytritoltetra(3-mercaptopropionat) (PETMP); Pentaerytritoltetramercaptoacetat) (PETMA); Glykoldimercaptoacetat; Glykoldi(3-mercapto-propionat); Ethoxyliertes Trimethylolpropantri(3-mercaptopropionat); Biphenyl-4-4'-dithiol; p-Terphenyl-4,4''-dithiol; 4,4''-Thiobisbezenthiol; 4,4''-Dimercaptostilben; Benzen-1,3-dithiol; Benzen-1,2-dithiol; Benzen-1,4-dithiol; 1,2-Benzendimethanthiol; 1,3-Benzendimethanthiol; 1,4-Benzendimethanthiol; 2,2'-(Ethylendioxy)diethanthiol; 1,6-Hexandithiol; 1,8-Octandi-thiol; 1,9-Nonandithiol.
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Die Harzsysteme (d. h. die Kieselsäurepolykondensate) der vorliegenden Erfindungen bzw. deren gehärtete Produkte lassen sich für eine Vielzahl von Anwendungen einsetzen, darunter insbesondere für dentale Zwecke, bevorzugt für direkte/indirekte Restaurationen, Prophylaxe (z. B. durch Fissurenversiegelung), dentales Adhäsiv, Prothetik und Zahnersatz.
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Nachstehend soll die Erfindung anhand von konkreten Reaktionsbeispielen näher erläutert werden:
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Vergleichsbeispiel 1 (Synthese des Basisharzsystems I):
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61,3 g (0,30 mol) (Methacryloxymethyl)-methyldimethoxysilan werden in Essigester (1000 ml/mol Silan) gelöst und nach Zusatz von H2O zur Hydrolyse mit HCl als Kat. bei 30°C gerührt. Der Verlauf der Hydrolyse wird jeweils durch Wassertitration verfolgt. Die Aufarbeitung erfolgt nach ca. 2-tägigem Rühren durch mehrmaliges Ausschütteln mit wässriger NaOH und mit Wasser und Filtration über hydrophobierten Filter. Es wird zunächst abrotiert und anschließend mit Ölpumpenvakuum abgezogen. Es resultiert ein flüssiges Harz ohne Einsatz von Reaktivverdünneren (Monomeren) mit einer sehr geringen Viskosität von ca. 38 mPa·s bei 25°C.
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Die Härtung erfolgt, indem das Harz mit 1% Lucirin TPO in eine Stäbchenform (2 × 2 × 25 mm3) gegeben wird. Die (Meth)acrylatgruppen werden im Rahmen einer photoinduzierten radikalischen Polymerisation umgesetzt, wobei das Harz aushärtet. Mittels 3-Punktbiegeversuch wird nach 1,5 Tagen Lagerung bei 40°C der E-Modul, die Bruchfestigkeit sowie die Durchbiegung bis zum Bruch der resultierenden Stäbchen bestimmt. Die Schrumpfungswerte werden mittels Auftriebsmethode im Rahmen der photoinduzierten radikalischen Polymerisation erhalten (15 min nach Belichtung).
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Mechanische Daten:
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- • Biegebruchfestigkeit = 48 MPa; E-Modul = 2,6 GPa
– Sehr geringe Festigkeit bei hoher Sprödigkeit
- • Härteschrumpfung: 7,1 Vol.-% (15 min nach Belichtung)
– Hohe Härteschrumpfung
Brechzahl = 1,465
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Herstellungsbeispiel 1a (Herstellung der Gruppierung -AW(Z)a an der Struktur gemäß dem ersten der oben dargestellten Beispiele dafür mit einem 5%igen Unterschuss an Thioglycerin (α = 0,05):
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Zur Vorlage von 7,92 g (0,05 mol) von Basisharzsystem I und ggf. 0,10 g Triethylamin werden unter Rühren 5,14 g (0,048 mol) Thioglycerin (3-Mercaptopropan-1,2-diol) zugetropft. Die Umsetzung kann mittels NMR sowie über die Abnahme der HS-Bande mittels Raman-Spektroskopie verfolgt werden. Die für die HS-Gruppe charakteristische Bande erscheint im Raman-Spektrum bei 2568 cm–1. Es resultiert ein flüssiges Harz. Eine weitere Aufarbeitung ist in der Regel nicht erforderlich.
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Herstellungsbeispiel 1b (Herstellung der Gruppierung -AW(Z)a wie im Herstellungsbeispiel 1a, jedoch mit einem 50%igen Unterschuss an Thioglycerin (α = 0,50):
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Zur Vorlage von 19,0 g (0,12 mol) von Basisharzsystem I und ggf. 0,12 g Triethylamin werden unter Rühren 6,49 g (0,06 mol) Thioglycerin (3-Mercaptopropan-1,2-diol) zugetropft. Es resultiert ein flüssiges Harz mit einer Viskosität von ca. 2,8 Pa·s bei 25°C (abhängig von den genauen Synthese- und Aufarbeitungsbedingungen der Vorstufe). Eine weitere Aufarbeitung ist in der Regel nicht erforderlich.
- • Die Brechzahl dieses Produkts ist fein einstellbar über den Thiolanteil (s. leichter Anstieg gegenüber Basishazsystem I; mit dem Thiolanteil dieses Beispiels steigt sie auf 1,482)
- • Die Polarität/Hydrophilie ist einstellbar über den OH-Gehalt, der über die Thiolverbindung wie hier über das Thioglycerin eingeführt wird (d. h. starke, abgestufte Zunahme im Vergleich zum Basisharzsystem I)
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Beispiel 1a: Herstellung eine Polysiloxans der Struktur (2) mit Q = organisch polymerisierbare Gruppe (Methacrylatgruppe) unter Verwendung des Herstellungsbeispiels 1a
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Zur Vorlage von 5,22 g einer Reaktionsmischung aus Basisharzsystem I und Beispiel 1a (molares Verhältnis = 1:0,95) werden unter trockener Atmosphäre bei 30°C unter Rühren 2,79 g (0,0224 mol) Methacrylsäureisocyanatoethylester zugetropft und bei 30°C weitergerührt. Die Umsetzung kann über die Abnahme der OCN-Bande mittels IR-Spektrum verfolgt werden. Die für die OCN-Gruppe charakteristische Bande erscheint im IR-Spektrum bei 2272 cm–1. Es resultiert ein flüssiges Harz mit einer Viskosität von ca. 2500 Pa·s bei 25°C.
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Beispiel 1b: Herstellung eine Polysiloxans der Struktur (2) mit Q = organisch polymerisierbare Gruppe (Methacrylatgruppe) unter Verwendung des Herstellungsbeispiels 1b
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Zur Vorlage von 19,2 g einer Reaktionsmischung aus Basisharzsystem I und Beispiel 1b (molares Verhältnis = 1:0,50) werden unter trockener Atmosphäre bei 30°C unter Rühren 19,96 g (0,090 mol) Methacrylsäureisocyanatoethylester zugetropft und bei 30°C weitergerührt. Es resultiert ein flüssiges Harz mit einer Viskosität von ca. 2700 Pa·s bei 25°.
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Die Härtung erfolgt, indem das Harz mit 1% Lucirin TPO in eine Stäbchenform (2 × 2 × 25 mm3) gegeben wird. Die (Meth)acrylatgruppen werden im Rahmen einer photoinduzierten radikalischen Polymerisation umgesetzt, wobei das Harz aushärtet. Mittels 3-Punktbiegeversuch wird nach 1,5 Tagen Lagerung bei 40°C der E-Modul, die Bruchfestigkeit sowie die Durchbiegung bis zum Bruch der resultierenden Stäbchen bestimmt. Die Schrumpfungswerte werden mittels Auftriebsmethode im Rahmen der photoinduzierten radikalischen Polymerisation erhalten (15 min nach Belichtung).
- • Biegebruchfestigkeit = 135 MPa; E-Modul = 3,2 GPa
– Sehr hohe Festigkeit bei deutlich reduzierter Sprödigkeit (im Vergleich zum zugrunde liegenden Basisharzsystem-I)
- • Härteschrumpfung (Vergleich): 5,8 Vol.-% (15 min nach Belichtung)
– Deutlich reduzierte Härteschrumpfung (im Vergleich zum zugrunde liegenden Basisharzsystem 1)
Tabelle 1 Harzsystem | Bruchfestigkeit [MPa] | E-Modul [GPa] | Schrumpfung (15 min/1 Tg) [Vol.-%] |
Basisharzsystem I (Vergleich) | 48 | 2,60 | 7,1 |
Beispiel 1b | 135 | 3,20 | 5,8 |
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Aus dem Beispiel lässt sich also ersehen, dass auf einer einzigen Materialbasis durch Kettenverzweigung ein allgemein sehr breites E-Modul-Spektrum einstellbar ist sowie deutlich verbesserte mechanische Daten (erhöhte Festigkeiten, reduzierte Sprödigkeit) im Vergleich zum zugrunde liegenden Basisharz (Stand der Technik) beobachtet werden. Die Systeme sind ohne den Einsatz von dentalen Monomeren realisierbar, was angesichts der zunehmenden Allergiediskussion im Dentalbereich wesentlich ist. Die Erfindung ermöglicht weiterhin eine zusätzliche Funktionalisierung über die Einführung weiterer OH-, oder sonstiger Gruppen. Das so erhaltene Produkt besitzt einen geringen Schrumpfungswert.
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Vergleichsbeispiel 2: Synthese des Basisharzsystems II
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Zur Vorlage von 41,2 g (0,2 mol) [3-(2-Aminoethylamino)propyl]methyldimethoxysilan und 50,6 g Triethylamin in 200 ml wasserfreiem Toluol werden 43,9 g (0,42 mol) Methacryloylchlorid bei einer Temperatur von 5–10°C zugetropft und anschließend ca. 18 h bei 23°C gerührt. Der Niederschlag wird abfiltriert und das Filtrat wird je zweimal mit 150 ml Wasser gewaschen. Nach Zugabe von 20,5 mg BHT (4-Hydroxy-3,5-di-tert.butyltoluol) wird das Lösungsmittel unter vermindertem Druck entfernt und ein viskoses Harz erhalten. Eine weitere Aufarbeitung ist in der Regel nicht erforderlich. Das in 200 ml Essigester gelöste Harz wird nach Zugabe verdünnter Salzsäure bei 30°C hydrolysiert. Die Aufarbeitung erfolgt nach ca. 2-tägigem Rühren durch mehrmaliges Ausschütteln mit wässriger NaOH-Lösung bzw. Wasser und Filtration über hydrophobierte Filter. Nach Entfernen des Lösungsmittels unter vermindertem Druck wird ein hochviskoses Harz erhalten. Herstellungsbeispiel 2:
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Zunächst werden 14,8 g (0,05 mol) Basisharzsystem II und 5,4 g (0,05 mol) Thioglycerin in 20 ml Toluol bei 85°C gelöst. Nach Zugabe von ca 1 ml 1,8-Diazabicyclo[5,4,0]undec-7-ene als Katalysator für die Thiol-Addition wird die Reaktionsmischung unter Rühren ca. 6 h weiter erhitzt. Die Umsetzung kann mittels NMR-Spektroskopie über die Abnahme der C=C-Doppelbindung verfolgt werden. Nach Entfernen des Lösungsmittels unter vermindertem Druck wird ein hochviskoses Harz erhalten. Eine weitere Aufarbeitung ist in der Regel nicht erforderlich. Das Verhältnis von Methacrylgruppen zu Thiolgruppen beträgt in diesem Beispiel 2:1, weshalb die Thiol-en-Addition im Wesentlichen ausschließlich an der für die Reaktion bevorzugten, über eine sekundäre Aminogruppe gebundene Methacrylgruppe erfolgt und die tertiär gebundene Methacrylgruppe unumgesetzt bleibt.
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Beispiel 2:
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8,08 g (0,02 mol) Harz aus Herstellungsbeispiel 2 werden in 30 ml wasserfreiem Methylenchlorid suspendiert und 14,2 g (0,1 mol) P2O5 portionsweise zugegeben. Das Reaktionsgemisch wird ca. 18 h bei 23°C gerührt. Anschließend werden 50 ml Wasser zugegeben und weitere 24 h bei 23°C gerührt. Nach Entfernung des Lösungsmittels wird ein hochviskoses, wasserlösliches Produkt erhalten.
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Vergleichsbeispiel 3: Synthese des Basisharzsystems III
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43,7 g (0,20 mol) (Acryloxypropyl)-methyldimethoxysilan werden in 200 ml Essigester gelöst und nach Zusatz von H2O zur Hydrolyse mit HCl als Kat. bei 30°C gerührt. Der Verlauf der Hydrolyse wird jeweils durch Wassertitration verfolgt. Die Aufarbeitung erfolgt nach ca. 2-tägigem Rühren durch Ausschütteln mit Wasser und Filtration über hydrophobierten Filter. Es wird zunächst abrotiert und anschließend mit Ölpumpenvakuum abgezogen. Es resultiert ein flüssiges Harz ohne Einsatz von Reaktivverdünnern (Monomeren) mit einer sehr geringen Viskosität von ca. 85 mPa·s bei 25°C.
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Mechanische Vergleichsdaten:
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- • Biegebruchfestigkeit = 37 MPa; E-Modul = 1,3 GPa
– → Sehr geringe Festigkeit bei hoher Sprödigkeit
- • Härtungsschrumpfung: 7,5 Vol.-% (15 min nach Belichtung)
– → Hohe Härtungsschrumpfung
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Herstellungsbeispiel 3
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Zur Vorlage von 19,0 g (0,11 mol) von Basisharzsystem III werden unter Rühren 9,83 g (0,0935 mol = 85 Mol-%, bezogen auf die Anzahl der Acrylatgruppen des Basisharzsystems, d. h. α = 0,15) Diethanolamin zugetropft und ca. 1 Tag bei RT gerührt. Die Umsetzung kann u. a. mittels NMR über die Abnahme der Acrylatgruppe verfolgt werden. Es resultiert ein flüssiges Harz ohne Einsatz von Reaktivverdünnern (Monomeren) mit einer Viskosität von ca. 12 Pa·s bei 25°C. Eine weitere Aufarbeitung ist in der Regel nicht erforderlich.
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Beispiel 3
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Zur Vorlage von 18,3 g Harz aus Herstellungsbeispiel 3 (0,07 mol) werden unter trockener Atmosphäre bei 30°C unter Rühren 17,9 g (0,116 mol; 195 Mol-%, bezogen auf den Diethanolamin-Rest bzw. 97 Mol-%, bezogen auf die Hydroxygruppen des Harzes) Methacrylsäureisocyanatoethylester zugetropft und bei 30°C weitergerührt. Die Umsetzung kann über die Abnahme der OCN-Bande mittels IR-Spektrum verfolgt werden. Die für die OCN-Gruppe charakteristische Bande erscheint im IR-Spektrum bei 2273 cm–1. Es resultiert ein flüssiges Harz mit einer Viskosität von ca. 97 Pa·s bei 25°C.
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Mechanische Daten:
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- • Biegebruchfestigkeit = 114 MPa; E-Modul = 2,3 GPa
– Sehr hohe Festigkeit bei deutlich reduzierter Sprödigkeit im Vergleich zum zugrunde liegenden Basisharzsystem-II
– Härtungsschrumpfung: 4,8 Vol.-% (15 min nach Belichtung) → Deutlich reduzierte Härtungsschrumpfung im Vergleich zum zugrunde liegenden Basisharzsystem III
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ZITATE ENTHALTEN IN DER BESCHREIBUNG
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Zitierte Patentliteratur
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- DE 4011044 A1 [0003, 0032]
- DE 4416857 C1 [0003, 0032]
- DE 19910895 A1 [0003]
- DE 19627198 A1 [0003, 0032]
- DE 19910895 [0032]