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Die Erfindung betrifft ein Verfahren zur Herstellung eines Bauteils aus Stahl mit verminderter Kantenrissempfindlichkeit gemäß dem Oberbegriff des Patentanspruches 1.
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Unter Bauteil wird im Folgenden ein aus einer Blechplatine durch Umformen mittels eines Umformwerkzeuges hergestelltes Bauteil verstanden. Als Blechwerkstoffe kommen alle umformbaren Werkstoffe in Betracht, insbesondere jedoch Stahl.
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Derartige Bauteile werden hauptsächlich in der Automobilindustrie, z. B. im Karosseriebau verwendet, aber auch im Maschinenbau oder Bauwesen bieten sich Einsatzmöglichkeiten.
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Der heiß umkämpfte Markt zwingt die Automobilhersteller ständig nach Lösungen zur Senkung ihres Flottenverbrauches unter Beibehaltung eines höchstmöglichen Komforts und Insassenschutzes zu suchen. Dabei spielt einerseits die Gewichtsersparnis aller Fahrzeugkomponenten eine entscheidende Rolle andererseits aber auch ein möglichst günstiges Verhalten der einzelnen Bauteile bei hoher statischer und dynamischer Beanspruchung im Betrieb wie auch im Crashfall.
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Dieser Notwendigkeit versuchen die Vormateriallieferanten dadurch Rechnung zu tragen, dass durch die Bereitstellung hoch- und höchstfester Stähle die Wanddicken reduziert werden können bei gleichzeitig verbessertem Bauteilverhalten bei der Fertigung und im Betrieb.
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Diese Stähle müssen daher vergleichsweise hohen Anforderungen hinsichtlich Festigkeit, Dehnfähigkeit, Zähigkeit, Energieaufnahme und Korrosionsbeständigkeit sowie ihrer Verarbeitbarkeit, beispielsweise bei der Kaltumformung und beim Schweißen, genügen.
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Unter den vorgenannten Aspekten gewinnt die Herstellung von Bauteilen aus höher- und hochfesten Stählen mit Streckgrenzen oberhalb 600 MPa zunehmend an Bedeutung.
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Zur Herstellung eines Bauteils wird zunächst eine Blechplatine aus Warmband und/oder Kaltband im kalten Zustand auf Maß geschnitten. Als Schneidverfahren kommen zumeist mechanische Trennverfahren, wie z. B. das Abscheren oder Stanzen, aber auch thermische Trennverfahren, wie z. B. das Laserschneiden, zur Anwendung. Danach wird die zugeschnittene Platine in ein Umformwerkzeug gelegt und in ein- oder mehrstufigen Umformschritten das fertige Bauteil, wie z. B. ein Motorträger, erzeugt.
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Während der Umformung werden fallweise diverse weitere Fertigungsschritte, wie z. B. Stanz-Schneid- und nachfolgende kombinierte Bördeloperationen, vorgenommen.
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Bei der Umformung werden Schnittkanten, insbesondere wenn sie auf- bzw. hochgestellt werden, z. B. bei Kragenoperationen in gelochten Platinen, besonders belastet.
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An den Schnittkanten können diverse Vorschädigungen vorliegen. Zum Einen bedingt durch eine Verfestigung des Werkstoffs, hervorgerufen durch das mechanische Trennen und zum Anderen durch eine Kerbwirkung, welche durch die Topographie der Schnittfläche entsteht.
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Die genannten Vorschädigungen können zum Versagen bei nachfolgenden Umformoperationen bzw. beim Betrieb der Komponente führen. Diese Vorschädigungen führen zu einer Eigenschaft, die umgangssprachlich Kantenrissempfindlichkeit genannt wird.
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Um die vorab beschriebene Kantenrissempfindlichkeit zu minimieren, sind z. B. Ansätze zur Veränderung der Legierungszusammensetzung (z. B. über Zugabe von Mikrolegierungselementen) oder der Verfahrenstechnik beim Kaltbeschnitt der Platine (z. B. über Modifikationen von Schneidspalt, Geschwindigkeit, Mehrfachbeschnitt etc.) bekannt. Diese Maßnahmen sind entweder teuer und aufwändig (z. B. mehrstufige Schneidoperationen, Instandhaltung von 3-D Schnitten etc.), oder sie liefern noch keine optimalen Ergebnisse.
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Aufgabe der Erfindung ist es, ein Verfahren zur Herstellung eines Bauteils anzugeben, welches die vorab beschriebenen Vorschädigungen der Schnittbereiche in ihrer Auswirkung vermindert bzw. eliminiert und somit die Kantenrissempfindlichkeit reduziert. Das Verfahren soll einfach und kostengünstig realisierbar sein und vergleichbare und/oder verbesserte Eigenschaften, insbesondere bezüglich der Umformbarkeit der Schnittkanten und deren Dauerfestigkeit erreichen.
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Nach der Lehre der Erfindung wird diese Aufgabe durch ein Verfahren zur Herstellung eines Bauteils mit verminderter Kantenrissempfindlichkeit durch Umformen einer Blechplatine aus Stahl gelöst, bei dem die Platine zuvor aus einem Band oder Blech zugeschnitten und anschließend zu einem Bauteil umgeformt wird, welches dadurch gekennzeichnet ist, dass der Zuschnitt der Platine bei einer Temperatur oberhalb der Raumtemperatur und unterhalb der Ac1 Umwandlungstemperatur erfolgt und anschließend in diesem Temperaturbereich die Umformung stattfindet und beendet wird.
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Das erfindungsgemäße Verfahren hat gegenüber einem Platinenzuschnitt bei Raumtemperatur den Vorteil, dass beim Schneiden eine deutlich verbesserte Schnittqualität mit sehr glatten Schnittflächen erreicht wird, so dass bei den nachfolgenden Umformoperationen z. B. Mikrorisse auf den Schnittkanten wesentlich verringert bzw. sogar ganz vermieden werden. Auch werden durch die eingebrachte Temperatur Aufhärtungen an der Schnittkante vermindert.
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Da die Umformung der Platine und die fallweise während der Umformung stattfindenden weiteren Schneid- oder Stanzvorgänge ebenfalls bei erhöhten Temperaturen stattfinden, ist zudem der Kraftbedarf der Umform-, Schneid- und Stanzwerkzeuge deutlich verringert, was sich vorteilhaft auf die Standzeit der Werkzeuge und damit auf die Herstellungskosten des Bauteils auswirkt. Insbesondere zeigen sich diese Vorteile auch beim Einsatz höher- oder hochfester Werkstoffe. Wesentlich ist jedoch, dass Schneid-, Stanz- und Umformvorgänge an der Platine innerhalb des vorgegebenen Temperaturbereiches beendet werden, um optimale Ergebnisse zu erreichen.
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Die Platine selbst kann z. B. flexibel mit unterschiedlichen Dicken gewalzt sein oder aus Kalt- und/oder Warmband gleicher oder unterschiedlicher Dicke und/oder Güte gefügt sein.
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Als vorteilhaft haben sich für den Platinenbeschnitt und die anschließende Umformung insbesondere bei mehrstufigem Umformen mit integrierten weiteren Schneid- oder Stanzvorgängen Temperaturen von 50 bis 700°C herausgestellt.
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Die obere Temperatur sollte unterhalb der Ac1-Umwandlungstemperatur bleiben, damit keine Gefügeumwandlung stattfindet und die Eigenschaften des Ausgangsmaterials erhalten bleiben. Die untere Temperatur sollte deutlich oberhalb der Raumtemperatur liegen, um einen spürbaren Effekt zu erreichen. Als vorteilhaft haben sich Temperaturen von über 100°C, besser noch über 200°C herausgestellt. Tendenziell wird das Schneidergebnis besser, je höher die Temperatur des zu beschneidenden Werkstücks ist, da das Material weicher und dadurch besser schneidbar wird.
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Von Vorteil ist, dass dieses Verfahren auch in bereits bestehenden Anlagen zur Warmumformung von Platinen integriert werden kann und Neuinvestitionen entfallen können.
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Das Warmumformen bzw. Presshärten von Platinen ist z. B. aus der
DE 601 19 826 T2 bekannt. Bei diesem Verfahren wird eine zuvor oberhalb der Austenitisierungstemperatur auf 800–1200°C erwärmte und mit einem metallischen Überzug aus Zink oder auf Basis von Zink versehene Blechplatine in einem fallweise gekühlten Werkzeug durch Warmumformung zu einem Bauteil umgeformt, wobei während des Umformens durch schnellen Wärmeentzug das Blech bzw. Bauteil im Umformwerkzeug eine Abschreckhärtung (Presshärtung) erfährt und dadurch die geforderten Festigkeitseigenschaften erreicht.
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Der metallische Überzug wird als Korrosionsschutz üblicherweise kontinuierlich elektrolytisch oder im kontinuierlichen Schmelztauchverfahren auf ein Warm- oder Kaltband aufgebracht, beispielsweise als Feuerverzinkung oder Feueraluminierung. Anschließend wird die Platine für das Umformwerkzeug der Warmumformung passend zugeschnitten. Möglich ist auch, das jeweils umzuformende Werkstück, bzw. den Zuschnitt, mit einem Schmelztauchüberzug und/oder einer organischen Beschichtung zu versehen.
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Das Aufbringen eines metallischen Überzugs auf das umzuformende Vorprodukt vor dem Warmumformen ist bei diesem Verfahren von Vorteil, weil durch den Überzug eine Verzunderung des Grundmaterials und durch eine zusätzliche Schmierwirkung übermäßiger Werkzeugverschleiß wirksam vermieden werden.
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Gegenüber einem Kaltbeschnitt und anschließender Warmumformung der Platine nach dem aus der
DE 601 19 826 T2 bekannten Verfahren bietet die Halbwarmprozessführung, basierend auf den verringerten Temperaturen und den damit verbundenen verkürzten Durchlaufzeiten, energetische Vorteile, wodurch Kosten reduziert und vor allem Ressourcen eingespart werden.
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Durch die im Vergleich zur Kaltumformung erhöhte Temperatur verbessern sich die Beschnitt- und Umformbarkeit des gesamten Bauteils insbesondere auch die der kantenrissempfindlichen Bauteilbereiche.
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Die warm geschnittenen Kanten weisen eine bessere geometrische Qualität und ein homogeneres Gefüge ohne Eigenspannungen auf. Die mechanisch-technologischen Eigenschaften einer warm geschnittenen Kante sind im Vergleich zu einer kalt geschnittenen Kante damit deutlich verbessert.
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Die Erfindung ist anwendbar für warm- oder kaltgewalzte Stahlbänder aus weichen bis hochfesten Stählen, z. B. mit Streckgrenzen von 140 MPa bis 1200 MPa, die mit einer zunder- bzw. korrosionshemmenden Schicht als metallischem und/oder organischem Überzug versehen sein können. Der metallische Überzug kann Zn und/oder Mg und/oder Al und/oder Si enthalten.
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Als höherfeste Stähle kommen alle einphasigen aber auch mehrphasige Stahlsorten zur Anwendung. Dazu gehören mikrolegierte höherfeste Stahlsorten genauso wie bainitische oder martensitische Sorten sowie Dual- oder Mehrphasenstähle.
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Im Gegensatz zu gängigen Fertigungsrouten kann sogar bereits oberflächenveredeltes Warmband im Anschluss an eine Erwärmung umgeformt werden, da die Haftung und die Duktilität eine Halbwarmumformung mit geringen Umformgraden erträgt. Der metallische Überzug ist gegen kurzzeitige Wiedererwärmungen der Kombination Substrat/Beschichtung (Stahlband/Beschichtung) unterhalb der Ac1-Temperatur des Substrats resistent und übersteht die Wiedererwärmung vor der Halbwarmformung und auch die eigentliche Halbwarmformung.
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Aufgrund der vergleichsweise geringen benötigten Wärmemenge kann auf großräumige Wiedererwärmungsaggregate, wie z. B. Tunnelöfen oder Kammeröfen, zugunsten schnell und direkt wirkender Systeme (induktiv, konduktiv und insbesondere Strahlung) verzichtet werden.
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Außerdem kommt das beschriebene neue Verfahren mit erheblich weniger Wärmeenergie aus, bzw. der energetische Wirkungsgrad ist höher als beim Presshärten, wodurch sich die Prozesskosten und der CO2 Ausstoß verringern.
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Bevorzugt erfolgt die Wiedererwärmung vor dem Halbwarmformen mittels Strahlung, da hier der Wirkungsgrad deutlich höher ist als bei einer Erwärmung in einem Ofen oder bei konduktiver Erwärmung und der Energieeintrag in das Material je nach Oberflächenbeschaffenheit schneller und effektiver erfolgt.
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Durch den Einsatz von Strahlern ist es auch möglich, gezielt einzelne Bereiche des umzuformenden Werkstückes zu erwärmen, um belastungsoptimierte Bauteile zu erhalten.
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Für den Transport zwischen Wärmequelle und Umformwerkzeug kann es außerdem sinnvoll sein, besonders im Falle von sehr dünnen Blechen (z. B. < 0,8 mm), eine Strukturierung der Zuschnitte zur Erhöhung der lokalen Steifigkeit vorzusehen, wie sie z. B. in der offengelegten Patentanmeldung
DE 10 2011 118 491 A1 des Patentanmelders beschrieben ist. Hierdurch wird das Handling der erwärmten Platine deutlich verbessert.
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Insgesamt lassen sich die Vorteile der Erfindung wie folgt zusammenfassen:
- – Erzeugung einer sehr gut umformbaren Schnittkante mit reduzierter Kantenrissempfindlichkeit, wobei die Prozessführung unter Einbeziehung der Temperatur es erlaubt, das Bauteil umformtechnisch noch anspruchsvoller auszulegen,
- – Möglichkeit mehrere Umformoperationen durchzuführen (basierend auf temperierter Umformung und der damit verbundenen Verbesserung der mechanischen Eigenschaften),
- – Erzeugung eines optimierten Produktes (Leichtbauaspekt/Bauraumausnutzung) bei Nutzung vorhandener Anlagentechnik (Warmumformlinien) beim Kunden,
- – Verringerung benötigter Schneid– und Umformkräfte,
- – Erhöhung der Standzeit der Werkzeuge (geringere Belastung),
- – Verbesserung der Schnittflächenqualität,
- – Erhöhung des Umformvermögens der Werkstoffe, geringere Sensibilität gegen Gefügeinhomogenität,
- – Verringerung der Kantenrissneigung basierend auf verbesserter Schnittflächenqualität und homogeneren verbesserten mechanischen Eigenschaften der Bauteilkantenbereiche.
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ZITATE ENTHALTEN IN DER BESCHREIBUNG
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Zitierte Patentliteratur
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- DE 60119826 T2 [0022, 0025]
- DE 102011118491 A1 [0035]