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Die vorliegende Erfindung betrifft ein Verfahren zur Auslegung eines Bauteils, insbesondere einer Kabelführung, vorzugsweise für ein Kraftfahrzeug, eine Vorrichtung, die zur Durchführung eines solchen Verfahrens eingerichtet ist, sowie ein Computerprogrammprodukt mit einem Computerprogramm zur Durchführung eines solchen Verfahrens.
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Insbesondere bei Kabelführungen aus Verbundmaterial, etwa in einer Kunststoffmatrix eingebetteten Metalldrähten, in Kraftfahrzeugen treten aufgrund vielfacher Biegungen sowohl elastische als auch plastische Deformationen auf. Um eine solche Kabelführung auszulegen, ist es nach betriebsinterner Praxis bekannt, zur Auslegung ein mechanisches Ersatzmodell für die Kabelführung zu verwenden, das dessen statisches und/oder dynamisches Verhalten, insbesondere eine deformierte Gestalt der Kabelführung approximiert.
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Aufgabe der vorliegenden Erfindung ist es, die Auslegung eines Bauteils, insbesondere einer Kabelführung, zu verbessern.
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Diese Aufgabe wird durch ein Verfahren mit den Merkmalen des Anspruchs 1 gelöst. Anspruch 9 stellt eine Vorrichtung, die zur Durchführung eines solchen Verfahrens eingerichtet ist, Anspruch 10 ein Computerprogrammprodukt, insbesondere einen maschinenlesbaren Datenträger bzw. ein Speichermedium, mit einem Computerprogramm zur Durchführung eines solchen Verfahrens unter Schutz. Vorteilhafte Ausführungsformen der Erfindung sind Gegenstand der Unteransprüche.
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Ein Aspekt der vorliegenden Erfindung betrifft die Auslegung eines Bauteils. Unter Auslegung wird insbesondere die, vorzugsweise computergestützte, Berechnung von Deformationen, insbesondere Dehnungen, Biegungen, Torsionen und/oder Wölbungen, und/oder von Belastungen, insbesondere inneren und/oder äußeren Kräften, Momenten und/oder Spannungen des Bauteils verstanden, vorzugsweise die Simulation von Deformationen infolge vorgegebener Belastungen und/oder geometrischer Randbedingungen oder die Simulation von, insbesondere inneren, Belastungen bei vorgegebenen Deformationen. In einer bevorzugten Weiterbildung kann eine Auslegung insbesondere eine Optimierung der Deformation und/oder Belastung des Bauteils umfassen, beispielsweise die Bestimmung einer Konfiguration mit möglichst geringen Belastungen oder dergleichen.
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In einer bevorzugten Ausführung wird eine Kabelführung ausgelegt, insbesondere für ein Kraftfahrzeug. Unter einer Kabelführung wird vorliegend insbesondere ein Kabel oder ein Kabelstrang, insbesondere dessen Verlauf bzw. Gestalt, verstanden, wobei ein Kabel gleichermaßen hohl, beispielsweise als Fluidleitung, oder voll, zum Beispiel als Signal- bzw. Datenkabel, ausgebildet sein kann.
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Das auszulegende Bauteil weist in einer bevorzugten Ausführung wenigstens einen Verbundwerkstoff auf, in einer bevorzugten Weiterbildung besteht es hieraus. Beispielsweise können in eine Kunststoffmatrix ein oder mehrere Metalldrähte und/oder Fasern, beispielsweise Glas- oder Carbonfasern, eingebettet sein. Gleichermaßen kann es sich beispielsweise um mehrschichtiges Papier oder dergleichen handeln.
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Insbesondere solche Verbundwerkstoffe können aufgrund einer Verschiebung der einzelnen Materialteile gegeneinander bzw. gegen ein Verbundmaterial, insbesondere eine Klebeschicht, ein plastisches Verhalten aufweisen. Vorliegend wird unter einem plastischen Verhalten insbesondere in fachüblicher Weise eine bleibende Deformation nach Weg- oder Rücknahme einer die Deformation bewirkenden Belastung verstanden, unter einem elastischen Verhalten entsprechend insbesondere eine Rückdeformation in einen Ausgangszustand bei Weg- oder Rücknahme der Belastung.
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Nach einem Aspekt der vorliegenden Erfindung werden zur Auslegung zunächst ein oder mehrere Parameter einer geschlossenen Steifigkeitsfunktion des Bauteils für einen elastischen und einen plastischen Bereich bestimmt und das Bauteil auf Basis dieser geschlossenen Steifigkeitsfunktion simuliert.
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Unter einer Steifigkeitsfunktion wird vorliegend insbesondere eine Funktion y(x) verstanden, die einen Zusammenhang zwischen einer Deformation, insbesondere einer Dehnung, Verschiebung, Biegung, Torsion oder dergleichen, und einer Belastung, insbesondere einer Zug-, Druck- und/oder Querkraft, eines Biege-, Torsions- und/oder Wölbmoments, einer Spannung, insbesondere einer Zug-, Druck-, Torsions-, Biege- und/oder Wölbspannung oder dergleichen, vermittelt, d. h. eine von der Deformation und der Belastung auf die andere der Deformation und der Belastung, insbesondere bijektiv, abbildet. Insbesondere kann eine Steifigkeitsfunktion im Sinne der vorliegenden Erfindung durch ein sogenanntes Spannungs-Dehnungs-Diagramm ε = ε(σ) gegeben sein.
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Unter einer geschlossenen Steifigkeitsfunktion wird vorliegend insbesondere eine Steifigkeitsfunktion verstanden, die über ihren Wertebereich durchgehend, insbesondere ganz analytisch, stetig differenzierbar bzw. nicht stückweise, mit anderen Worten für den gesamten Wertebereich einheitlich definiert ist und keine Sprünge oder Knicke aufweist.
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Eine geschlossene Steifigkeitsfunktion kann insbesondere ein Polynom zweiten oder höheren Grades aufweisen, insbesondere sein. Dabei kann vorliegend verallgemeinernd insbesondere auch eine trigonometrische Funktion, etwa eine Sinus-, Cosinus-, Tangens-, Cotangens- oder Arcussinus/-cosinus-/-tangens-/-cotangensfunktion, eine Exponentialfunktion und eine Logarithmusfunktion aufgrund ihrer Identität mit entsprechenden unendlichen Reihen jeweils als Polynom höheren Grades verstanden werden. Ein Polynom zweiten Grades
wobei x und y Belastung bzw. Deformation und a, b, c die reellen Koeffizienten des echt zweigradigen Polynoms bezeichnen, hat sich als besonders geeignet erwiesen.
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Zusätzlich oder alternativ kann eine geschlossene Steifigkeitsfunktion insbesondere ein Polynom mit einer oder mehreren Wurzelfunktionen aufweisen, insbesondere sein. Ein Polynom mit einer Wurzelfunktion, beispielsweise y = b√(x); b ∊
\0 (1a),
ersten Grades
oder insbesondere zweiten Grades
hat sich ebenfalls als besonders geeignet erwiesen. Eine Wurzelfunktion kann insbesondere eine Quadratwurzel (√(x) = x
1/2), eine Kubikwurzel (
3√(x) = x
1/3), eine höhere Wurzel (x
1/n, n ∊ |N\0), und allgemein ein Koeffizient mit echt-gebrochenem Exponenten (x
m/n, m ≠ kn, m, k ∊ |N\0) sein.
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Die geschlossene Steifigkeitsfunktion beschreibt sowohl einen elastischen als auch einen plastischen Bereich, insbesondere den gesamten elastischen Bereich zwischen einer undeformierten Ausgangskonfiguration und dem Beginn einer bleibenden bzw. plastischen Deformation, und/oder den gesamten plastischen Bereich zwischen einem Übergang von dem elastischen Bereich bis zu einem Versagen des Materials, insbesondere einer Reiß- oder Bruchgrenze.
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Aufgrund des in der Regel linear-elastischen Verhaltens von Werkstoffen und des in der Regel ebenfalls linear gut approximierbaren plastischen Verhaltens wäre an sich zu erwarten, dass eine nicht geschlossene Steifigkeitsfunktion, die stückweise als lineare Funktion den elastischen und als eine andere lineare Funktion den plastischen Bereich beschreibt, etwa in der Form
mit der – meist nicht oder nur schwierig zu bestimmenden – Grenze X zwischen elastischem und plastischem Bereich das Verhalten optimal beschreibt.
1 zeigt jedoch eine auf Basis linearer Steifigkeitsfunktionen simulierten Konfiguration K
M' im Vergleich zu einer realen Konfiguration K eines Teils einer Kabelführung und die dabei auftretenden signifikanten Abweichungen.
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Überraschenderweise hat sich jedoch gezeigt, dass die Simulation auf Basis einer geschlossenen Steifigkeitsfunktion über sowohl den elastischen als auch den plastischen Bereich die reale Konfiguration K besser abbilden kann.
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Obwohl insbesondere eine quadratische und/oder wenigstens eine Wurzelfunktion aufweisende geschlossene Steifigkeitsfunktion in einem linear-elastischen Bereich gegenüber einer dort stückweise definierten linearen Steifigkeitsfunktion einen größeren Fehler aufweist, ermöglicht insbesondere die stetige Differenzierbarkeit über den gesamten elastisch-plastischen Bereich eine bessere Handhabbarkeit der Funktion und kann so insbesondere eine deutlich bessere Übereinstimmung von Simulation und Messung ermöglichen. Zudem kann die geschlossene Steifigkeitsfunktion die Optimierung erleichtern, insbesondere, wenn sie eine analytische, geschlossene Ableitung der Steifigkeitsfunktion ermöglicht. Im Rahmen betriebsinterner Vergleiche verbesserte sich die Simulationsgenauigkeit um bis zu 44%.
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Parameter der geschlossenen Steifigkeitsfunktion, insbesondere Koeffizienten eines Polynoms, können in einer bevorzugten Ausführung auf Basis von Messdaten von dem Bauteil bestimmt werden. Durch, insbesondere normierte, Messungen, etwa einachsige Zug-, Biege- und/oder Torisonsversuche, können auf einfache Weise die Parameter der geschlossenen Steifigkeitsfunktion angepasst werden. In einer bevorzugten Weiterbildung werden hierzu Abweichung zwischen, insbesondere diskreten, Messdaten und Werten der Steifigkeitsfunktion bestimmt und unter Variation der Parameter der Steifigkeitsfunktion minimiert. Sind beispielsweise für n verschiedene Deformationen, etwa Dehnungen ε, die zugehörigen Belastungen, etwa Spannungen σ, gemessen {(ε1, σ1), (ε2, σ2)‚ ..., (εn, σn)} so führt die Forderung, dass die Summe der quadratischen Abweichungen zu den Werten der geschlossenen Steifigkeitsfunktion ε = ε(σ) (ε1 – ε(σ1)2 + (ε2 – ε(σ2)2 + ... (ε – ε(σn)2 (3), beispielsweise für eine Steifigkeitsfunktion in Form eines quadratischen Polynoms (ε1 - aσ1 2 + bσ1 + c)2 + (ε2 – aσ2 2 + bσ2 + c)2 + ... (εn – aσn 2 + bσn + c)2 (3a) minimal sein soll, zu Werten für die Parameter der Steifigkeitsfunktion, beispielsweise a, b und c.
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Zusätzlich oder alternativ können Parameter der geschlossenen Steifigkeitsfunktion auch auf Basis einer Steifigkeitsfunktion eines weiteren Bauteils bestimmt werden. Liegen beispielsweise geschlossene Steifigkeitsfunktionen für Kabeldurchführungen mit verschiedenen Durchmessern, etwa durch die vorstehend beschriebene Parameteridentifikation, vor, können Parameter einer strukturgleichen geschlossenen Steifigkeitsfunktion für eine Kabeldurchführung mit einem weiteren Durchmesser zum Beispiel durch, insbesondere lineare, Inter- oder Extrapolation der Parameter der bereits vorliegenden Steifigkeitsfunktionen bestimmt werden.
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Wird ein Bauteil aus einer undeformierten Ausgangskonfiguration, zunächst elastisch und anschließend plastisch, verformt, was vorliegend als Ausgangsdeformation bezeichnet wird, und anschließend die Belastungen zurückgenommen, was vorliegend als Rückdeformation bezeichnet wird, so zeigt es bei der Rückdeformation ein anderes Verhalten, die sogenannte Hysterese. Insbesondere kann nach Aufprägen und Wegnehmen einer ausreichend großen Belastung eine Deformation des Bauteils verbleiben.
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Insbesondere eine solche Ausgangs- und/oder eine solche Rückdeformation des Bauteils können in eine bevorzugten Ausführung jeweils durch eine geschlossene Steifigkeitsfunktion beschrieben werden.
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Eine Vorrichtung zur Auslegung eines Bauteils, die zur Durchführung eines vorstehend beschriebenen Verfahrens eingerichtet ist, weist vorzugsweise ein Mittel zum Bestimmen von Parametern einer geschlossenen Steifigkeitsfunktion des Bauteils für einen elastischen und einen plastischen Bereich und ein Mittel zum Simulieren des Bauteils auf Basis dieser geschlossenen Steifigkeitsfunktion auf. Ein Mittel im Sinne der vorliegenden Erfindung kann gleichermaßen soft- und/oder hardwaremäßig ausgebildet sein, insbesondere kann es ein Programm(modul) und/oder eine Ein- und/oder Ausgabe-, Speicher- und/oder Recheneinrichtung aufweisen. Beispielsweise kann das Mittel zum Bestimmen von Parametern der Steifigkeitsfunktion eine Eingabeeinrichtung zum manuellen oder automatischen Eingeben von Messwerten, einer Recheneinrichtung zum Minimieren einer Abweichung zwischen Messdaten und Werten der Steifigkeitsfunktion und eine Speichereinrichtung zum Speichern der dabei bestimmten Parameter aufweisen.
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Weitere vorteilhafte Weiterbildungen der vorliegenden Erfindung ergeben sich aus den Unteransprüchen und der nachfolgenden Beschreibung bevorzugter Ausführungen. Hierzu zeigt, teilweise schematisiert:
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1 eine reale Konfiguration K eines teils einer elastisch-plastisch deformierten Kabelführung sowie eine entsprechende, auf Basis stückweiser linearer Steifigkeitsfunktionen simulierte Konfiguration KM'; und
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2 ein Verfahren zur Auslegung der Kabelführung der 1 nach einer Ausführung der vorliegenden Erfindung.
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2 zeigt den Ablauf eines Verfahrens nach einer Ausführung der vorliegenden Erfindung zur Auslegung einer Kabelführung, die teilweise in 1 dargestellt ist. Die Kabelführung weist Bereiche elastischer Deformationen und Bereiche plastischer Deformationen auf.
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In einem Schritt S10 werden zunächst Messwerte {(ε1, σ1), (ε2, σ2), ... (εn, σn)} für beispielsweise Zugspannungen σ [N/mm2] und daraus resultierende Dehnungen ε [–] für eine Ausgangsdeformation, d. h. ausgehend von einer undeformierten Konfiguration (σ, ε) = 0 zunehmenden Zugspannungen, bestimmt, wobei die Kabelführung im Zugversuch in den plastischen Bereichen (rechts in 2) ausbelastet wird. Diese Messwerte bilden die obere Kennlinie in 2. Anschließend wird die Kabelführung sukzessive entlastet, so dass sie sich in einer Rückdeformation zurückdeformiert. Die hierbei bestimmten Messwerte bilden die untere Kennlinie in 2. Man erkennt eine Hysterese, insbesondere eine bleibende Verformung ε bei Wegfall der Zugspannung σ = 0.
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Beide Kennlinien werden in einem Schritt S20 jeweils durch ein Polynom zweiten Grades y = aAx2 + bAx + cA für die Ausgangs- bzw. y = aRx2 + bRx + cR für die Rückdeformation approximiert. Hierzu wird der quadratische Fehler gem. Gl. (3) für die Messwerte der Ausgangs- bzw. Rückdeformation minimiert, indem die Parameter aA, ..., cR entsprechend variiert werden. In einer nicht dargestellten Abwandlung kann das Polynom zusätzlich oder alternativ auch eine, insbesondere quadratische, Wurzelfunktion √(x) aufweisen.
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Abschließend kann in einem Schritt S30 die Kabelführung mittels eines mechanischen Ersatzmodells auf Basis der geschlossenen Steifigkeitsfunktion Grades εA = aAσ2 + bAσ + cA bzw. εR = aRσ2 + bRσ + cR simuliert und so beispielsweise Belastungen bestimmt werden, die bei Deformationen in der Kabelführung auftreten, welche durch geometrische Randbedingungen vorgegeben sind. Insbesondere kann eine optimale Kontur der Kabelführung mit minimaler Belastung ermittelt werden.
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Obwohl in der vorhergehenden Beschreibung exemplarische Ausführungen erläutert wurden, sei darauf hingewiesen, dass eine Vielzahl von Abwandlungen möglich ist. Außerdem sei darauf hingewiesen, dass es sich bei den exemplarischen Ausführungen lediglich um Beispiele handelt, die den Schutzbereich, die Anwendungen und den Aufbau in keiner Weise einschränken sollen. Vielmehr wird dem Fachmann durch die vorausgehende Beschreibung ein Leitfaden für die Umsetzung von mindestens einer exemplarischen Ausführung gegeben, wobei diverse Änderungen, insbesondere in Hinblick auf die Funktion und Anordnung der beschriebenen Bestandteile, vorgenommen werden können, ohne den Schutzbereich zu verlassen, wie er sich aus den Ansprüchen und diesen äquivalenten Merkmalskombinationen ergibt. Bezugszeichenliste
K | (reale Konfiguration einer) Kabelführung |
KM' | simulierte Konfiguration |
ε | Dehnung (Deformation) |
σ | Spannung (Belastung) |