DE102011079244A1 - Verfahren und Vorrichtung zur Erkennung des Abhebens des Hinterrades eines Kraftrades - Google Patents

Verfahren und Vorrichtung zur Erkennung des Abhebens des Hinterrades eines Kraftrades Download PDF

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Abstract

Ein Verfahren zur Erkennung des Abhebens des Hinterrades (64) eines mit einem Anti-Blockiersystem ausgerüsteten Kraftrades (40), wobei eine Mehrzahl von fahrdynamischen Größen beobachtet und bewertet werden, und wobei das Abheben des Hinterrades (64) als vorläufig erkannt gilt, wenn mehrere dieser Größen vorgegebene Relationen zueinander und/oder vorgegebene Werte aufweisen, soll die Zuverlässigkeit der Hinterraderkennung verbessern und das Hinterradabhängen in Situationen bei nicht betätigter Kupplung zuverlässig diagnostizieren. Dazu wird bei vorläufigem Erkennen zur abschließenden Erkennung des Abhebens des Hinterrades (64) das Motormoment beobachtet und bewertet.

Description

  • Die Erfindung betrifft ein Verfahren zur Erkennung des Abhebens des Hinterrades eines mit einem Antiblockiersystem (ABS) ausgerüsteten Kraftrades, wobei eine Mehrzahl von fahrdynamischen Größen beobachtet und bewertet werden und wobei das Abheben des Hinterrades als vorläufig erkannt gilt, wenn mehrere dieser Größen vorgegebener Relation zueinander und/oder vorgegebene Werte aufweisen. Sie betrifft weiterhin eine zugehörige Vorrichtung.
  • Krafträder besitzen gewöhnlich zwei getrennte Bremskreise, wobei jeder dieser Bremskreise jeweils einer Bremse zugeordnet ist, welche mit einer zugeordneten Betätigungseinheit betätigt wird. Im Gegensatz zum Kraftfahrzeug, bei dem eine Betätigungseinheit, das Bremspedal, für beide Bremskreise vorgesehen ist, werden also bei einem Kraftrad bzw. Motorrad die beiden Bremsen durch separate Bremshebel betätigt. Die Betätigung der Vorderradbremse erfolgt dabei gewöhnlich über einen Handbremshebel, während die Betätigung der Hinterradbremse über einen Fußbremshebel erfolgt. Beim Bremsen eines Kraftrades erfolgt eine dynamische Achslastverschiebung nach vorne, durch die das Vorderrad auf den Untergrund gedrückt wird, während das Hinterrad entlastet wird. Aus diesem Grund ist die Vorderradbremse gewöhnlich die stärkere bzw. effektiv nutzbarere Bremse. Bei einem Bremsvorgang eines Kraftrades besteht nun die Gefahr, dass bei zu starker Verzögerung durch die Vorderradbremse das Hinterrad des Motorrades vom Boden abhebt. Ein derartiges Risiko besteht insbesondere auch bei Motorrädern, die mit einem Antiblockiersystem ausgerüstet sind, da diese eine gesteigerte Überbremssicherheit und extreme Reibwertnutzung implementiert haben. Bei einem Abheben des Hinterrades wird in der Regel die Fahrstabilität des Kraftrades stark verringert, im Extremfall kann es zum Überschlag des Kraftrades kommen.
  • Viele bekannte ABS-Systeme versuchen, diese Fahrsituation des abgehobenen Hinterrades zu erkennen und durch geeignete Druckmodulation im dem Vorderrad zugeordneten Bremskreis die Fahrstabilität des Kraftrades bei gleichzeitig möglichst hoher Verzögerung zu erhalten. Bei derartigen Systemen werden zur Erkennung der Hinterradaufhängung verschiedene fahrdynamische Größen beobachtet und bewertet, beispielsweise über Raddrehzahlsensoren, die Raddrehgeschwindigkeiten des Vorderrades und auch des Hinterrades. Ein derartige Vorrichtung zur Überschlagsverhinderung bei Krafträdern mit ABS ist beispielsweise aus der DE 10 2006 027 608 A1 bekannt.
  • In vielen Fällen ergibt sich dabei am Hinterrad beim Abheben ein signifikantes Radverhalten, das sich beispielsweise in einer charakteristischen Verzögerung oder auch in einem charakteristischen Druckmodulationsverhalten im dem Hinterrad zugeordneten Bremskreis äußert, welches entsprechend bewertet werden kann. Zudem können stark voneinander abweichende Radgeschwindigkeiten von Vorderrad und Hinterrad oder spezielle Radgeschwindigkeitsmuster auf ein Abheben des Hinterrades hinweisen.
  • Wird bei dieser Bewertung das Abheben des Hinterrades diagnostiziert, leitet das entsprechende System Gegenmaßnahmen ein, die beispielsweise in geeigneten Druckmodulationen im Vorderradbremskreis liegen, mit dem Zweck, dass das Hinterrad wieder auf dem Boden aufsetzt und bei entsprechendem Grip das Kraftrad wieder stabilisiert wird.
  • In Fällen, in denen der Fahrer die Kupplung zieht oder die Hinterradbremse benutzt, wird sich beim Abheben des Hinterrades am Hinterrad stets eine von der Vorderradgeschwindigkeit signifikant unterschiedliche Hinterradgeschwindigkeit einstellen. In diesen Fällen kann ein Abheben des Hinterrades zuverlässig erkannt werden.
  • Es gibt jedoch Fahrsituationen in denen der Fahrzustand „Hinterrad abgehoben“ durch Beobachtung des Hinterradverhaltens nicht vom Zustand „Hinterrad nicht abgehoben“ auf robuste und zuverlässige Weise unterschieden werden kann. Vergisst der Fahrer in einer Schrecksituation nämlich das Betätigen der Kupplung, so wird das Hinterrad beim Abheben in der Regel eine Verzögerung einnehmen, die sich auch bei der Situation „Hinterrad nicht abgehoben, Kupplung betätigt“ ergeben würde. Eine eindeutige Differenzierung dieser beiden Fahrsituationen ist aus Sicht des regelnden Systems nicht oder auf nur sehr unzuverlässige Weise möglich. Hieraus resultiert eine Erkennungslücke der Abhebeerkennung des Hinterrades bei nicht betätigter Kupplung mit der Gefahr des Überschlages.
  • Der Erfindung liegt daher die Aufgabe zu Grunde, die Zuverlässigkeit der Hinterraderkennung weiter zu verbessern und das Hinterradabhängen in Situationen bei nicht betätigter Kupplung zuverlässig zu diagnostizieren.
  • In Bezug auf das Verfahren wird diese Aufgabe erfindungsgemäß dadurch gelöst, dass bei vorläufigem Erkennen zur abschließenden Erkennung des Abhebens des Hinterrades das Motormoment beobachtet und bewertet wird.
  • Vorteilhafte Ausgestaltungen der Erfindung sind Gegenstand der Unteransprüche.
  • Die Erfindung geht von der Überlegung aus, dass bei bisherigen Systemen zur Erkennung des Abhebens des Hinterrades die fahrdynamischen Situationen, bei denen der Fahrer die Kupplung nicht zieht, bisher nur ungenügend berücksichtigt wurden. Gerade bei plötzlichen oder hektischen Bremsmanövern, die stark ausfallen müssen, kann der Fahrer vergessen, die Kupplung zu ziehen und damit das Hinterrad vom Kraftstrang zu entkoppeln. Besonders in diesen Situationen ist aber eine zuverlässige Erkennung des Abhebens des Hinterrades wichtig, um möglichst schnell die Fahrstabilität wieder herzustellen. Auf der anderen Seite sollten Fehlerkennungen vermieden werden, so dass bei noch bestehendem Kontakt des Hinterrades mit dem Untergrund dessen Bremswirkung genutzt werden kann.
  • Wie nunmehr erkannt wurde, lassen sich derartige fahrdynamische Situationen bei nicht gezogener Kupplung dadurch differenzieren, dass zur Bewertung eines möglichen Abhebens des Hinterrades das aktuelle Motormoment hinzugezogen wird. Das Motormoment wird beispielsweise von der Motorsteuerung berechnet und über einen CAN-Bus oder eine ähnlich geartete Schnittstelle an das ABS- bzw. Steuer- und Regelsystem übermittelt.
  • Bei gezogener Kupplung ergibt sich bei nicht-abgehobenem Hinterrad ein Motormoment von ca. 0 Nm, da das Hinterrad im abgekoppelten Zustand nicht auf den Motor rückwirkt. Bei eingekuppelten Bremsungen (mit abgehobenem Hinterrad) wird sich dagegen ein Motorbremsmoment aufbauen, da das Hinterrad vom Kraftrang nicht entkoppelt wurde. Auf Grund der Kenntnis des sich einstellenden bzw. aktuellen Motormomentes können daher die Fahrsituationen „Hinterrad abgehoben, Kupplung nicht betätigt“ und „Hinterrad nicht abgehoben, Kupplung betätigt“ unterschieden werden. Der Zeitpunkt des Abhebens des Hinterrades, welches bei gezogener Kupplung am Geschwindigkeitssignal erkennbar wird, wird nun auch bei nicht gezogener Kupplung durch das Monitoring des Motormomentes auswertbar. Zusätzlich können bisherige Fehlinterpretationen vermieden werden. Zudem kann auch in anderen Situationen anhand der Überprüfung des Motormomentes erkannt werden, ob ein Abheben des Hinterrades bevorsteht.
  • In einer bevorzugten Ausführungsform des Verfahrens gilt das Abheben des Hinterrades bei vorläufigem Erkennen abschließend als gegeben erkannt gilt, wenn sich ein Motormoment aufbaut. Dies ist vorzugsweise der Fall, wenn sich die Radgeschwindigkeiten von Vorderrad und Hinterrad nur kaum voneinander unterscheiden. Dazu kann beispielsweise eine maximale Differenz vorgegeben werden oder auch eine maximale Differenz in den entsprechenden Änderungen. Durch den Aufbau des Motormomentes bzw. Motorbremsmomentes ist für das System erkennbar, dass das Hinterrad abgehoben ist und noch mit dem Kraftstrang des Motors des Kraftrades verbunden ist, und kann so von dem Zustand „Hinterrad nicht abgehoben, Kupplung betätigt“ unterschieden werden, da sich bei diesem Zustand auf Grund der Entkopplung des Hinterrades ein Motorbremsmoment nicht aufbauen würde.
  • Zur Quantifizierung dieses Kriteriums kann das Abheben des Hinterrades bei vorläufigem Erkennen als abschließend gegeben erkannt gelten, wenn das Motormoment und/oder sein Gradient betragsmäßig einen vorgegebenen Sollwert überschreiten. Durch das Setzen von gewissen Sollwerten können kleine Schwankungen in Motormoment oder seinem Gradienten ignoriert werden, so dass dadurch bedingte Fehlerkennungen vermieden werden können. Erst wenn gewisse Größen überschritten werden, gilt der Zustand „Hinterrad abgehoben und nicht ausgekuppelt“ als erkannt. Motormoment und sein Gradient sind dabei vorzeichenbehaftet, wobei ein Schleppmoment gewöhnlich ein negatives Vorzeichen aufweist. Es kann demnach auch überprüft werden, ob das (negative) Schleppmoment einen vorgegebenen Sollwert unterschreitet, analog dazu kann auch der Gradient vorzeichenbehaftet dahingehend überprüft werden, ob sich das Motor- bzw. Schleppmoment stärker ändert als ein entsprechender vorgegebener Sollwert.
  • Die von dem Verfahren beobachteten und bewerteten fahrdynamischen Größen umfassen vorteilhafterweise die Radgeschwindigkeiten des Vorderrades und des Hinterrades. Beispielsweise kann aufgrund abweichender Radgeschwindigkeiten und/oder geringer Hinterradgeschwindigkeit das Abheben des Hinterrades (vorläufig) erkannt werden.
  • Vorzugsweise wird darüber hinaus auch der Drosselklappenwinkel beobachtet und bewertet. Dieser Winkel gibt Aufschluss darüber, wie viel Gas der Fahrer im aktuellen Moment anlegt. Der Drosselklappenwinkel kann vorteilhafterweise zusätzlich dazu verwendet werden um zu bewerten, ob das Hinterrad Bodenkontakt hat oder nicht.
  • So gilt in einer vorteilhaften Ausführungsform des Verfahrens das Abheben des Hinterrades bei vorläufigem Erkennen als abschließend nicht gegeben, wenn bei unverändertem Drosselklappenwinkel Schwankungen des Motormomentes auftreten. Schwankungen des Motormomentes ohne Veränderung des Drosselklappenwinkels können sich nämlich nur dann ergeben, wenn das Hinterrad Bodenkontakt hat. Die Schwankungen im Motormoment resultieren dann auf Grund des Kontakthaltens des Hinterrades mit dem Boden bzw. auf Grund von Druckmodulationen oder anderen Phänomenen während des Bremsvorganges und nicht aus einer Variation des Gases durch den Fahrer.
  • Die fahrdynamischen Größen, die zur Erkennung des Abhebens des Hinterrades beobachtet und bewertet bzw. analysiert werden, umfassen vorteilhafterweise weiterhin auch die Motordrehzahl und/oder den Gradienten der Motordrehzahl. Diese werden vorzeichenbehaftet analysiert und bewertet. Dazu können Sollwerte vorgegeben werden, die durch Motordrehzahl bzw. deren Gradient nicht über- oder unterschritten werden sollen.
  • Ist die Situation eines abgehobenen Hinterrades zuverlässig erkannt bzw. abschließend erkannt, so werden vorteilhafterweise Maßnahmen zur Stabilisierung des Kraftrades durchgeführt. Diese bestehen vorzugsweise in einer Variation bzw. Druckmodulation des Bremsdruckes in dem dem Vorderrad zugeordneten Bremskreis, so dass sich die Achslastverschiebung derart ändert, dass sich das Hinterrad wieder dem Boden annähert und letztendlich wieder Bodenkontakt aufnimmt. Dabei wird vorteilhafterweise nach erfolgtem Bodenkontakt die Hinterradbremse derart angesteuert, dass ein Blockieren des Hinterrades vermieden wird.
  • In Bezug auf die Vorrichtung wird die oben genannte Aufgabe gelöst mit Mitteln zur Durchführung eines oben genannten Verfahrens. Das Verfahren kann software- und/oder hardwaremäßig implementiert in eine bereits vorhandene Steuer- und Regeleinheit. Alternativ dazu kann auch eine separate Steuer- und Regeleinheit vorgesehen sein. Sie sollte eingangsseitig über geeignete Schnittstellen (z.B. einen CAN Bus) mit allen relevanten fahrdynamischen Größen versorgt werden (Raddrehzahlen, Motordrehzahl, Motormoment, etc.).
  • Ein Ausführungsbeispiel der Erfindung wird anhand einer Zeichnung näher erläutert. Darin zeigen in stark schematisierter Darstellung:
  • 1 bis 5 jeweils unterschiedliche fahrdynamische Situationen darstellende Diagramme mit über die Zeit aufgetragenen Raddrehzahlen von Vorderrad und Hinterrad eines Kraftrades, und
  • 6 ein Kraftrad mit einer Steuer- und Regeleinheit zur Durchführung eines erfindungsgemäßen Verfahrens.
  • Gleiche Teile sind in allen Figuren mit den gleichen Bezugszeichen versehen.
  • In dem in der 1 dargestellten Diagramm ist auf der Abszisse 2 die Zeit, auf der Ordinate 8 die Raddrehzahl aufgetragen. Die jeweiligen Raddrehzahlen werden dabei gewöhnlich von dem Vorderrad und dem Hinterrad zugeordneten Raddrehzahlsensoren gemessen. Dargestellt sind dementsprechend in der 1 die Vorderraddrehzahl 14 und die Hinterraddrehzahl 20 bei einem typischen Bremsvorgang mit einer Verzögerung von ca. 1 g (g: Erdbeschleunigung), bei der gewöhnlich mit einem Abheben des Hinterrades zu rechnen ist. Mit fortschreitender Zeit verringern sich sowohl die Vorderraddrehzahl 14 als auch die Hinterraddrehzahl 20 in gleichem Maße, bis es zum Abhebezeitpunkt 22 zu einem Abheben des Hinterrades kommt. Das Hinterrad ist dabei ausgekuppelt und dementsprechend ungebremst. Die zeitliche Verringerung der Hinterraddrehzahl 20 ist dementsprechend deutlich kleiner als die Verringerung der Vorderraddrehzahl 14, da das Vorderrad weiterhin Bodenkontakt hat und das ausgekoppelte Hinterrad in der Luft nur durch innere Reibung und Luftwiderstand abgebremst wird.
  • Das Hinterrad hat zum Aufsetzzeitpunkt 24 wieder Kontakt mit dem Untergrund bzw. mit der Fahrbahn, das Aufsetzen äußert sich in einem drastischen Abfall der Hinterraddrehzahl 20. Zu diesem Zeitpunkt haben beide Räder im Wesentlichen die gleichen Raddrehzahlen. Auf Grund der ab dem Abhebezeitpunkt 22 stark von der Vorderraddrehzahl 14 abweichenden Hinterraddrehzahl 20 ist diese Situation des Hinterradabhebens recht einfach und im Wesentlichen ausschließlich auf Grund der Raddrehzahlinformationen erkennbar.
  • In 2 ist wieder ein Abbremsszenario dargestellt, wobei die Verzögerung des Kraftrades wieder ca. 1 g beträgt (die Skalierung der Ordinate 8 ist gegenüber 1 verändert). Bei dem in 2 dargestellten Szenario eines Abbremsvorganges sind wieder die die Vorderraddrehzahl 14 und die Hinterraddrehzahl 20 gezeigt, wobei beim Abhebezeitpunkt 22 das Hinterrad abhebt und vom Fahrer gebremst wird, während der Fahrer die Kupplung zieht. Auf Grund der Abbremsung des Hinterrades sinkt die Hinterraddrehzahl 20, insbesondere im Vergleich zur Vorderraddrehzahl 14, stark ab. Das Hinterrad wird dabei erst stark und dann schwächer abgebremst. Zum Aufsetzzeitpunkt 24 nähert sich die Hinterraddrehzahl 20 wieder der des Vorderrades an. Auch hier ist eine Erkennung des Abhebens des Hinterrades auf Grund der Raddrehzahlen relativ einfach möglich, da zum Abhebezeitpunkt 22 die Hinterraddrehzahl 20 stark nach unten von der Vorderraddrehzahl 14 abweicht.
  • Bei dem in 3 dargestellten Szenario wird das Kraftrad erst beschleunigt, bevor dann ein Abbremsvorgang eingeleitet wird. In diesem Fall ist das Hinterrad nicht abgehoben und eingekuppelt. Diese Situation ist in ihrer Entstehungsphase durch die reine Beobachtung der Radsignale, d. h. der Vorderraddrehzahl 14 und der Hinterraddrehzahl 20, nicht von der Situation eines abgehobenen, gebremsten und ausgekuppelten Hinterrades zu unterscheiden. Erst im späteren Verlauf der Bremsung zeigt sich ein Stempeln des Hinterrades, welches durch eine Überlagerung der ABS-Vorgänge und des Motorbremsmoments zu Stande kommt. Dieses Stempeln des Hinterrades bzw. die dazu korrespondierenden Motorschwingungen weisen eindeutig auf einen Kontakt des Hinterrades mit der Fahrbahn hin.
  • In der Entstehungsphase bei voneinander abweichenden Raddrehzahlen kann jedoch bei einem derartigen Abbremsvorgang durch Kenntnis des Motormomentes die Situation richtig beurteilt bzw. bewertet werden. Da in der Entstehungsphase des Bremsvorganges das Hinterrad einen Bodenkontakt hat und daher ein Motormoment ungleich Null vorliegt, kann schon zu diesem Zeitpunkt zuverlässig der Bodenkontakt des Hinterrades festgestellt werden, so dass Maßnahmen, die zum Ziel hätten, das Hinterrad aus der Luft wieder auf den Boden zu bewegen, nicht eingeleitet werden müssen.
  • Die 4 und 5 zeigen nun zwei unterschiedliche Situationen, die nur auf Grund der Informationen der Radsignale nicht differenzierbar sind. In beiden Fällen verlaufen nämlich die Kurven der Vorderraddrehzahl 14 und der Hinterraddrehzahl 20 annähernd gleich, so dass sowohl Größe als auch Gradient der Raddrehzahlen im Wesentlichen übereinstimmen.
  • Bei der in 4 dargestellten Situation ist das Hinterrad nicht abgehoben und während des Bremsvorganges ausgekuppelt. Diese Situation ist dementsprechend als unkritisch zu bewerten. Das Hinterrad hat während des gesamten Bremsvorganges Bodenkontakt, so dass Gegenmaßnahmen zum Zwecke der Herstellung eines Bodenkontaktes nicht notwendig sind. Sie wären im Gegensatz kontraproduktiv, da derartige Regelvorgänge den bereits eingeleiteten Bremsvorgang stören würden. In der Kurve der Vorderraddrehzahl 14 sind stellenweise starke Ausreißer nach unten erkennbar, die nach kurzer Zeit wieder auf die ursprüngliche Kurve 14 zurückgehen. Diese Ausreißer entsprechen kurzzeitigen Überbremsungen des ABS-Systems, auf die dann unmittelbar eine Druckreduktion in der Vorderradbremse folgt.
  • Die in 5 dargestellte Situation entspricht einem abgehobenen Hinterrad, welches eingekuppelt ist, d.h. der Fahrer hat bei Einleitung des Bremsvorganges vergessen, die Kupplung zu ziehen. Auch hier laufen, wie in 4, die Vorderraddrehzahl 14 und die Hinterraddrehzahl 20 im Wesentlichen parallel zueinander. Dies hat aber einen gänzlich anderen Grund als in 4. Während bei dem in 4 dargestellten Bremsvorgang die Raddrehzahlen im Wesentlichen gleichförmig verlaufen, da beide Räder Bodenkontakt haben, verlaufen die Drehzahlen hier ungefähr gleich, da das Hinterrad abgehoben und eingekuppelt ist, und dadurch von dem Motor gebremst wird.
  • Diese durch den Motor verursachte Abbremsung des Hinterrades in der Luft entspricht bei einem derartigen Bremsvorgang ungefähr der Abbremsung des Vorderrades mit Bodenkontakt. Aus diesem Grund lassen sich die in 5 und 4 dargestellten Situationen bei alleiniger Betrachtung der Raddrehzahlen nicht unterscheiden. Während in 4, wie oben dargelegt, Gegenmaßnahmen kontraproduktiv und gegebenenfalls gefährlich werden, müssten diese bei dem in 5 dargestellten Bremsvorgang mit abgehobenen Hinterrad möglichst schnell eingeleitet werden, um die Fahrstabilität des Kraftrades möglichst schnell wieder herzustellen und einen Überschlag zu vermeiden.
  • Erfindungsgemäß wird eine Differenzierung der beiden Situationen dadurch erreicht, dass bei einem vorläufigen Erkennen des Hinterradabhebens bzw. bei einer Analyse der fahrdynamischen Daten, die auf ein Abheben des Hinterrades hindeuten, das aktuelle Motormoment analysiert wird. Während bei dem Bremsvorgang in 4 das Hinterrad ausgekuppelt ist und kein Motormoment vorliegt, liegt bei dem Bremsvorgang in 5 ein Motormoment ungleich Null vor, da das sich in der Luft befindliche Hinterrad mit dem Antriebsstrang des Motors weiterhin gekoppelt ist, und daher das Hinterrad gewissermaßen durch ein Schleppmoment des Motors gebremst wird. Eine Beobachtung und Bewertung des Motormomentes lässt also die in 5 und 4 dargestellten Szenarien klar differenzieren, so dass Fehlerkennungen zuverlässig vermieden werden können, andererseits bei einem tatsächlichen Abheben des Hinterrades Gegenmaßnahmen möglichst schnell und effektiv eingeleitet werden können.
  • Ein Kraftrad 40 ist in 6 dargestellt. Das Kraftrad 40 weist ein Vorderrad 46 mit einer zugeordneten Vorderradbremse 52 auf, die über einen Handbremshebel 58 betätigt wird. Es weist weiterhin ein Hinterrad 64 auf mit einer das Hinterrad 64 bremsenden Hinterradbremse 70, die über einen Fußbremshebel 76 betätigt wird. Die Drehzahl des Vorderrades 46 wird über einen Raddrehzahlsensor 82, die des Hinterrades 64 über einen Raddrehzahlsensor 88 gemessen. Das Kraftrad 40 weist weiterhin eine Steuer- und Regeleinheit 94 auf, in die hardware- und/oder softwaremäßig ein oben dargestelltes Verfahren implementiert ist. Dazu wird der Steuer- und Regeleinheit 94 – neben den Raddrehzahlen – über einen CAN-Bus von der Motorsteuerung das jeweils aktuelle Motormoment übermittelt, welches dann zur Erkennung eines Hinterradabhebens verwendet wird.
  • Bezugszeichenliste
  • 2
    Abszisse
    8
    Ordinate
    14
    Vorderraddrehzahl
    20
    Hinterraddrehzahl
    22
    Abhebezeitpunkt
    24
    Aufsetzzeitpunkt
    40
    Kraftrad
    46
    Vorderrad
    52
    Vorderradbremse
    58
    Handbremshebel
    64
    Hinterrad
    70
    Hinterradbremse
    76
    Fußbremshebel
    82
    Raddrehzahlsensor
    88
    Raddrehzahlsensor
    94
    Steuer- und Regeleinheit
  • ZITATE ENTHALTEN IN DER BESCHREIBUNG
  • Diese Liste der vom Anmelder aufgeführten Dokumente wurde automatisiert erzeugt und ist ausschließlich zur besseren Information des Lesers aufgenommen. Die Liste ist nicht Bestandteil der deutschen Patent- bzw. Gebrauchsmusteranmeldung. Das DPMA übernimmt keinerlei Haftung für etwaige Fehler oder Auslassungen.
  • Zitierte Patentliteratur
    • DE 102006027608 A1 [0003]

Claims (10)

  1. Verfahren zur Erkennung des Abhebens des Hinterrades (64) eines mit einem Anti-Blockiersystem ausgerüsteten Kraftrades (40), wobei eine Mehrzahl von fahrdynamischen Größen beobachtet und bewertet werden, und wobei das Abheben des Hinterrades (64) als vorläufig erkannt gilt, wenn mehrere dieser Größen vorgegebene Relationen zueinander und/oder vorgegebene Werte aufweisen, dadurch gekennzeichnet, dass bei vorläufigem Erkennen zur abschließenden Erkennung des Abhebens des Hinterrades (64) das Motormoment beobachtet und bewertet wird.
  2. Verfahren nach Anspruch 1, wobei das Abheben des Hinterrades (64) bei vorläufigem Erkennen abschließend als gegeben erkannt gilt, wenn sich ein Motormoment aufbaut.
  3. Verfahren nach Anspruch 2, wobei das Abheben des Hinterrades (64) bei vorläufigem Erkennen als abschließend gegeben erkannt gilt, wenn das Motormoment und/oder sein Gradient betragsmäßig einen vorgegebenen Sollwert überschreiten.
  4. Verfahren nach einem der Ansprüche 1 bis 3, wobei die fahrdynamischen Größen die Radgeschwindigkeiten umfassen.
  5. Verfahren nach einem der Ansprüche 1 bis 4, wobei die fahrdynamischen Größen den Drosselklappenwinkel umfassen.
  6. Verfahren nach Anspruch 5, wobei das Abheben des Hinterrades (64) bei vorläufigem Erkennen als abschließend nicht gegeben erkannt gilt, wenn bei unverändertem Drosselklappenwinkel Schwankungen des Motormomentes auftreten.
  7. Verfahren nach einem der Ansprüche 1 bis 6, wobei die fahrdynamischen Größen die Motordrehzahl umfassen.
  8. Verfahren nach einem der Ansprüche 1 bis 7, wobei bei abschließendem Erkennen des Abhebens des Hinterrades (64) Maßnahmen zur Stabilisierung des Kraftrades (40) durchgeführt werden.
  9. Verfahren nach Anspruch 8, wobei die Maßnahmen den Abbau des Bremsdruckes in der Vorderradbremse (52) des Kraftrades (40) umfassen.
  10. Vorrichtung zur Erkennung des Abhebens des Hinterrades (64) eines mit einem Anti-Blockiersystem ausgerüsteten Kraftrades (40) mit Mitteln zur Durchführung eines Verfahrens nach einem der Ansprüche 1 bis 9.
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