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Die Erfindung betrifft eine Verankerungseinrichtung die vorzugsweise zur Stabilisierung der Wirbelsäule implantiert werden kann und dynamische Eigenschaften zum Erhalt einer Restbeweglichkeit besitzt. Die Dynamik wird durch die besondere Ausgestaltung des Verankerungselements ermöglicht, wobei dies so gestaltet ist, dass ein physiologisches Drehzentrum im damit behandelten Gelenk eingestellt wird.
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Stand der Technik
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Für die chirurgische Behandlung, insbesondere für die Stabilisierung von Wirbelsäulenerkrankungen mit Hilfe von Pedikelschrauben-Stab-Konstrukten ist eine Vielzahl von Implantaten bekannt. Aufgrund der Problematik der Bewegungszunahme und damit einhergehend der beschleunigten Degeneration benachbarter Wirbelsäulensegmente in Folge einer Versteifungsoperation (Park 2010) wurden Implantatsysteme entwickelt, die statt einer rigiden Versteifung eine dynamische Stabilisierung erlauben. Neben den dynamischen Stabsystemen, bei denen die Flexibilität im Stab erzeugt wird, gehen einige Ansätze darauf zurück die Flexibilität in den Pedikelschrauben zu erlauben. Aus dem Patent (
DE 411000201 1991) ist eine dynamische Pedikelschraube bekannt, die einen rotatorischen Freiheitsgrad besitzt und so eine Rotation zwischen Schraubenkopf und Schraubenschaft erlaubt. Die Idee eines solchen Ein-Punkt-Lagers wurde in (
WO 2008085369 A1 2006) erneut aufgegriffen und in (
WO 0167973 A2 2000) auf eine zweiachsige Version erweitert. Diese Versionen haben gemein, dass die Bewegungen der Bauteile ungehindert und ohne stabilisierende Wirkung in den Bewegungsachsen stattfinden können. Möglichkeiten zum Aufbau einer Stabilisierungswirkung sind in (
EP 1388323 B1 2002 ;
WO 2005000135 A1 2003) beschrieben. Dort wurden elastische Materialen zwischen den Verankerungseinrichtungen bzw. den Gelenkpunkten eingesetzt, um die Bewegung elastisch und progressiv zu limitieren. Jüngere Vorschläge verfolgen den Ansatz, die Bewegung im Pedikelschraubenkopf durch die Verwendung weicherer Materialen am und im Pedikelschraubenkopf zu erreichen (
US 2008021465 A1 2006;
WO 2010027967 A1 2008;
WO 2010045453 A1 2008). Da der Bauraum für die Unterbringung elastischer Elemente im oder unter dem Pedikelschraubenkopf sehr begrenzt ist, und dieser Raum gleichzeitig hohe Kräfte und Biegemomente übertragen muss, ist die mögliche Flexibilität stark eingeschränkt und die Gefahr einer mechanischen Überlastung derartiger Ausführungen groß.
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Alle oben genannten Pedikelschraubensysteme besitzen einen flexiblen Anteil, welcher durch Ein-Punkt-Lager (Achsen oder Kugeln), Federmechanismen oder durch die Auswahl elastischer Schraubenkopfmaterialen ermöglicht werden soll. Gemeinsam haben sie den Nachteil, dass das Drehzentrum der Verankerungseinrichtung jeweils innerhalb der Schraubengeometrie liegt, wohingegen sich das physiologische Drehzentrum des behandelten Gelenks anderenorts befindet. Im Falle eines Wirbelsäulensegments liegt das Drehzentrum beispielsweise im Bereich der Bandscheibe und damit ca. 20–30 mm vom Drehzentrum des Verankerungselements nach heutigem Stand der Technik entfernt. Die Verwendung solcher dynamischer Pedikelschrauben führt damit nicht zu einer Korrektur des oft pathologisch veränderten Drehzentrums, sondern übt einen negativen Einfluss auf das zu behandelte Segment aus. Die Abweichung des Drehzentrums von dessen physiologischem Ort führt zu erhöhter Belastung anderer Strukturen und Gelenke (z. B. der Facettengelenke) und angrenzender Wirbel. Deshalb ist es aus biomechanischer Sicht erforderlich, dass ein dynamisch stabilisierendes Implantat das Drehzentrum rekonstruieren und aufrechterhalten kann.
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Die Anmeldung (
WO 20071 151 08 A1 2006) versucht die Stabilisierung unter Berücksichtigung eines definierten Drehzentrums durch die Kombination aus zwei Pedikelschrauben und einem gelenkigen Stab wobei die Gelenkachsen – in einer bestimmten Stellung – einen gemeinsamen Schnittpunkt bilden. Diese Anordnung neigt jedoch bei einer Veränderung des Segmentwinkels zur Selbsthemmung da sich die Gelenkachsen bei einer abweichenden Stellung nicht mehr schneiden. Würde man eines der Gelenke durch ein Kugelgelenk ersetzen, würde die Anordnung wirkungslos in Bezug auf eine Stabilisierung. werden.
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In (
WO 03094699 A2 2002) und (
WO 2006020530 A2 2004) werden posteriore Stabsysteme vorgestellt, mit denen ebenfalls ein Drehzentrum außerhalb der Verankerungseinrichtung generiert werden kann. Hier wird die Kombination aus verschiedenen Hebelarmen, vorzugsweise in einer Vier-Gelenkskinematik arrangiert, beschrieben. Dies erfordert einen relativ großen Aufbau und oft sind die Platzverhältnisse zwischen den miteinander zu verbindenden Pedikelschrauben beschränkt, so dass diese Stabsysteme nicht oder nur schwer einsetzbar sind. Des Weiteren sind die kinematischen Elemente so gestaltet, dass hier ausschließlich lineare bis progressiv elastische Stabilisierungseigenschaften aus der Bewegung des Stabsystems resultieren. Aus biomechanischen Untersuchungen ist bekannt, dass eine Instabilität mit der Laxität eines Bewegungssegments der Wirbelsäule einhergeht und dies besonders in der Zunahme der „Neutralen Zone” nachweisbar ist (Wilke 2002). Deshalb sollte ein Implantat die größte Stabilisierungswirkung vornehmlich in der Mittelstellung (Nullstellung, Neutralstellung) eines Segments aufweisen, um so die beteiligten Strukturen und Muskeln zu entlasten. Diese Erkenntnis wurde in (
WO 2004098452 A2 2003) beschrieben, die vorgeschlagene technische Umsetzung erreicht das Ziel einer hohen Stabilisierungswirkung in der Mittelstellung und eine abnehmende Stabilisierung mit zunehmender Bewegung jedoch nicht. Der tatsächliche Verlauf der Stabilisierungswirkung nimmt mit der dort vorgestellten technischen Lösung und zunehmendem Bewegungsumfang sogar progressiv zu.
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Zusammenfassung: Rigide oder dynamische Implantate gemäß heutigem Stand der Technik weisen, ausgehend von der Neutralstellung, eine lineare oder progressive Erhöhung der Stabilisierungswirkung auf. Dies bedeutet eine Bewegungseinschränkung für das Gelenk und oftmals eine Überbeanspruchung des Implantats und der Verbindung zum Knochen. Ein degressiver Verlauf der Implantatsteifigkeit bezogen auf die Bewegung bzw. Auslenkung des Implantats würde den biomechanischen Anforderungen an die dynamische Stabilisierung wesentlich physiologischer entsprechen. Lösungen die eine dynamische Stabilisierung eines Gelenks erlauben und gleichzeitig das Drehzentrum in Übereinstimmung mit dem physiologischen Drehzentrum bringen sind nicht bekannt bzw. sehr bauraumfordernd in einen Verbindungsstab integriert.
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Technische Aufgabe
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Die Aufgabe der vorliegenden Erfindung besteht daher in der Verbesserung der Stabilisierungswirkung eines Implantatsystems, bestehend aus Knochenverankerungselementen und mindestens eines Verbindungselements zwischen den Knochenverankerungselementen, die zur Behandlung von Gelenkserkrankungen, vorzugsweise von Wirbelsäulenerkrankungen oder -Verletzungen, eingesetzt werden. Die Verbesserung wird erreicht, indem entweder das physiologische Drehzentrum des Gelenks mit Hilfe des erfindungsgemäßen Implantats wieder hergestellt wird, das Gelenk mit einem Implantat stabilisiert wird das eine degressive Stabilisierungskennlinie aufweist, oder mit einem Implantat das beide Eigenschaften gleichzeitig aufweist.
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Technische Lösung
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Der erste Aspekt der Aufgabe wird dadurch gelöst, dass das Knochenverankerungselement mit einer gelenkigen Verbindung ausgestattet wird, welche es erlaubt den Bewegungspfad eines erkrankten Gelenks zu korrigieren bzw. in seine physiologische Bahn zu lenken. Die dazu vorgeschlagene Kinematik enthält eine Gelenkkonstruktion mit der sich gezielt Freiheitsgrade definieren lassen. So kann in einer bevorzugten Ausführungsform beispielsweise eine Vier-Gelenk-Kinematik zum Einsatz kommen. Bei entsprechender Ausgestaltung beschreibt diese den Bewegungspfad um das physiologische Drehzentrum bei gleichzeitiger Stabilisierung in anderen Bewegungsebenen. Des Weiteren wird mit der Erfindung eine Lösung zur Stabilisierung der ”Neutralen Zone” eines Gelenks vorgestellt. Dies wird erreicht indem die Gelenkmechanik so angeordnet ist, dass ein nicht-linearer Zusammenhang zwischen der Relativbewegung des Knochengelenks und der Bewegung des Implantats entsteht. So kann die Implantat-Gelenkmechanik beispielsweise eine Feder mit linearer Kennlinie in einer nicht-linearen Kniehebelmechanik beinhalten und das erfindungsgemäße Implantat damit eine degressive Stabilisierungswirkung auf das zu behandelnde Gelenk ausüben.
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Vorteilhafte Wirkungen
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Vorteilhaft bei der vorliegenden Erfindung ist, dass sie mit einem einfachen Verbindungsstab zwischen den Wirbeln eingesetzt werden kann und damit keine zusätzlichen dynamischen Stabsysteme erforderlich sind. Bei gleichzeitiger Verbesserung der biomechanischen Eigenschaften und der Vereinfachung der Implantation reduziert dies die Gesamtkosten der Patientenversorgung. Das erfindungsgemäße Implantat gewährt genau einen definierten Bewegungspfad um ein Drehzentrum, dessen Position nahe dem physiologischen Drehzentrum liegt. Dies ist Voraussetzung zur Verhinderung einer weiter fortschreitenden Degeneration von bereits degenerativ veränderten Wirbelsäulensegmenten. Andere Bewegungen (Translation oder Axialbelastungen) werden verhindert, so dass beispielweise die Facettengelenke entlastet und die Position der Wirbelköper korrigiert werden kann. Ein weiterer Vorteil ist, dass die Steifigkeitsunterschiede zwischen behandelten und unbehandelten Segmenten in der Hauptbewegungsrichtung Flexion-Extension gering sind. Damit kann die Erfindung dazu beitragen die Anschlusssegmentdegeneration zu reduzieren. Aufgrund der degressiven Stabilisierungswirkung ist die Belastung des Implantats in den Extremstellungen geringer als beim heutigen Stand der Technik, was unerwünschte Implantatlockerungen oder Brüche vermeiden hilft. Das Implantatsystem ist bevorzugt modular aufgebaut, so dass der Chirurg die Möglichkeit hat nach der Platzierung des Schraubenschafts die Entscheidung zu treffen, einen kinematischen Aufsatz zu montieren oder mit einer rigiden Variante (z. B. zur Erzielung einer Fusion) fortzufahren. Ein zusätzlicher Vorteil der Erfindung ist es, die sogenannte ”Neutrale Zone” eines Gelenks zu stabilisieren ohne dabei den insgesamt möglichen Bewegungsumfang signifikant einzuschränken.
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Kurze Beschreibung der Zeichnungsfiguren
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zeigt ein Wirbelsäulensegment mit erfindungsgemäßer Verankerungsvorrichtung.
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zeigt Beispiele der unterschiedlichen Gelenk-Kinematiken, die bei erfindungsgemäßer Ausgestaltung zum Einsatz kommen können.
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erläutert die Funktionsweise einer nichtlinearen Bewegungskinematik am Ausführungsbeispiel einer Kniehebelmechanik und die damit mögliche Generierung der degressiven Stabilisierungswirkung.
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zeigt die Extremstellungen der erfindungsgemäßen Verankerungsvorrichtung und die Lage des daraus resultierenden mittleren Drehzentrums.
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beschreibt die relevanten Komponenten der Gelenkkinematik und stellt exemplarisch einen winkeleinstellbaren und arretierbaren Verbindungsmechanismus dar.
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zeigt eine weitere Anwendungsmöglichkeit der erfindungswesentlichen Kinematik zwischen zwei Stäben.
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illustriert die verschiedenen Anordnungsmöglichkeiten der erfindungsgemäßen Verankerungsvorrichtung für verschiedene Behandlungsszenarien.
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zeigt den Kniehebelmechanismus bzw. die Kombination des Kniehebelmechanismus mit einem Viergelenk-Mechanismus zwischen zwei gelenkig verbundenen Stäben.
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Beschreibung der Ausführungsarten
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Die technischen Lösungen sind nachfolgend oft beispielhaft beschrieben. Dies soll als Mittel zur Erläuterung des zugrundeliegenden Gedankens aufgefasst und nicht als auf die jeweilige konkrete Darstellung beschränkt verstanden werden.
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Das erfindungsgemäße Implantatsystem besteht aus mindestens einem Verbindungselement (5), welches als Stab oder Platte ausgebildet sein kann, sowie aus mindestens einem erfindungsgemäßen Knochenverankerungselement (1), wobei sich in wesentlicher Ausgestaltung entweder im Knochenverankerungselement (1) oder im Verbindungselement (5) eine Gelenkkinematik (8, 10) befindet.
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Ein Bewegungssegment ist die kleinste biomechanische Einheit der Wirbelsäule und dahingehend definiert, dass es aus zwei benachbarten Wirbeln (2 und 4) und einer dazwischen liegenden Bandscheibe (3) besteht. Das Knochenverankerungselement (1) besteht aus einem Schraubenschaft (20) mit Schraubenkopf (30), einer daran befestigten Gelenkkinematik (10) und mindestens einem Fixierungsblock (40) ( ). An dem Knochenverankerungselement (1), in der weiteren Beschreibung auch Pedikelschraube genannt, wird ein Befestigungsstab (5) montiert, welcher auch mit herkömmlichen Pedikelschrauben (7) kombinierbar ist. Die Pedikelschraube (1) ist dadurch gekennzeichnet, dass die integrierte Gelenkkinematik (10) eine definierte Mobilität verleiht und den Schraubenschaft (20) zusammen mit dem Schraubenkopf (30) um ein definiertes Drehzentrum (6) bewegen lässt ( ).
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Die Gelenkkinematik (10) ist so aufgebaut, dass sie aus mindestens zwei Gelenkachsen (102) und mindestens einem Verbindungselement (101) besteht und den Schraubenkopf (30) mit dem Fixierungsblock (40) flexibel verbindet ( ). Die Gelenkachsen bzw. deren Lagerstellen (102) oder die Verbindungselemente (101) können biegeweich ausgestaltet oder aus biegeweichem Material gefertigt sein, um eine gewisse Nachgiebigkeit in den Ebenen außerhalb der durch die Kinematik definierten Hauptbewegungsebene zu ermöglichen. Außerdem können die Lagerstellen (102) als Kugelgelenklager ausgebildet sein. Die erfindungsgemäße Gelenkkinematik kann aus verschiedenen Anordnungen bestehen: einer Zwei-Gelenk (11 und 111), Drei-Gelenk (12), Vier-Gelenk (13 und 131), Fünf(14)- oder Sechs-Gelenkanordnung (15). Die Verbindungselemente (101) können darüber hinaus auch in sich selbst gelagert sein, wie es für die Zwei- und Vier-Gelenkkinematik beispielhaft gezeigt wird (111 und 131) ( ). Nachfolgend wird die 4-Gelenk-Kinematik (13) beispielhaft detaillierter ausgeführt, zur Definition eines bestimmten Drehzentrums (6) ist – je nach Lage des Drehzentrums – eine der anderen Gelenkanordnungen vorteilhafter.
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Das durch das erfindungsgemäße Knochenverankerungselement beeinflussbare Drehzentrum wird durch entsprechende Wahl der Gelenkkinematik (10) und deren Abmessungen so eingestellt, dass es dem physiologischen Drehzentrum des zu behandelten Gelenks entspricht. Zur gezielten Beeinflussung des Drehzentrums ist es vorteilhaft, zuerst das tatsächliche Drehzentrum des erkrankten Gelenks (z. B. röntgentechnisch über Funktionsaufnahmen) zu bestimmen, dann die Lage des gemessenen Drehzentrums mit der physiologischen Lage zu vergleichen, und anhand der Differenz sowie der anatomischen Abmessungen die passende Gelenkkinematik auszuwählen, oder sofern diese einstellbar ist, gemäß der gewünschten Beeinflussung einzustellen.
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Zur Erzielung einer erhöhten Stabilisierungswirkung kann ein elastisches Element (160) in die Gelenkkinematik (16) eingebaut werden ( ). Das elastische Element kann dabei aus einer Spiral-, Teller-, Blatt-, oder Schenkelfeder bestehen und wird zwischen mindestens zwei (nicht unbedingt benachbarten) Verbindungselementen (101), Gelenkachsen (102), oder mindestens einem Punkt eines Körpers (30, 40) montiert. Es hat die Aufgabe der Bewegung der Gelenkkinematik (10) entgegen zu wirken, wobei hier – in Verbindung mit der Gelenkkinematik – vorzugsweise ein nicht-linearer Zusammenhang erreicht werden soll. Das elastische Element (160) kann dazu beispielsweise an einem Verbindungselement (161, 162) so angebracht werden, bzw. die Verbindungselemente (161, 162) so in ihren Abmessungen gewählt werden dass man in der Mittelstellung (82) den größten Kraftzuwachs benötigt um eine Bewegungsauslenkung zu erzeugen (1600). Hierzu kann beispielsweise die Drei-Gelenkkinematik (12) als Kniehebelmechanik ausgeführt werden, welche lineare Bewegungsabläufe in nicht-lineare umwandelt. Dies ermöglicht beispielweise unter der Verwendung einer linearen Feder (160) mit der Kennlinie 1601, zusammen mit einer Kniehebelmechanik die Generierung der gewünschten degressiven Stabilisierungswirkung (1600), welche für die Stabilisierung der „Neutralen Zone” Voraussetzung ist. Die Degressivität kann außerdem durch die Verwendung einer Feder (160) mit nichtlinearer Kennlinie erzeugt oder verstärkt werden. Für die Ausgestaltung der Kinematik zur degressiven Stabilisierungswirkung wird beispielsweise ein kurzes Verbindungselement (161) mit einem längerem Verbindungselement (162) zusammen in einem Gelenkpunkt (164) verbunden. Die sogenannte Kniehebel-Kinematik kann dadurch aufgebaut sein, dass mindestens ein kurzer Gelenkstab (161) mit einem längeren Gelenkstab (162) in einem Winkel von etwa 90° verbunden ist. Dieser Winkel wird in der Mittel- oder Neutralstellung erreicht (82). In befindet sich eine Torsionsfeder (160) am gemeinsamen Gelenk (164), welche an einer Befestigungsvorrichtung (163) am Fixierungsblock (40) montiert ist. Die Gelenkanordnung (16) hat den Vorteil, dass bei einer Bewegung (81 – Flexion und 83 – Extension) ein erhöhter Widerstand in der Mittellage (82) vorherrscht und dieser zuerst überwunden werden muss. Mit Zunahme der Bewegung (81 oder 83) wird bei der gezeigten Anordnung der dazu notwendige Kraftzuwachs geringer (1600) ( ). So wird erreicht, dass ein erfindungsgemäßes Implantat in der Ausgangslage, d. h. in der erwähnten ”Neutralen Zone”, dem behandelten Gelenk eine hohe Stabilität verleiht, ohne dass die Stabilisierungswirkung bei weiterem Bewegungsausschlag stark zunimmt.
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Mechanische Stopps können so platziert sein, dass ein Überschreiten einer Bewegungsauslenkung verhindert wird. Bei dem in (16) gezeigten Beispiel wird der mechanische Stopp durch die Kniehebelmechanik selbst erzeugt, indem die maximale Streckung beider Verbindungselemente (161 und 162) den Weg in beide Richtungen (81 und 83) limitiert. Um einen möglichst nichtlinearen Kraft-Weg-Verlauf zu erhalten und der Kinematik gleichzeitig ein definiertes Drehzentrum einzuprägen, kann es sinnvoll sein, die Seiten des Fixierungsblocks (40) mit jeweils unterschiedlichen Gelenkanordnungen (101, 161, 162) zu versehen. So kann beispielsweise eine Seite mit der Anordnung (13) versehen werden, die andere Seite mit einem Kniehebelmechanismus wie in (16) dargestellt.
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Die dynamische Pedikelschraube (1) besitzt einen Schraubenschaft (20) mit einem Knochengewinde (21) ( ). Eine Durchgangsöffnung (23) kann optional in den Schraubenschaft (20) eingebracht sein um die Implantation über einen Führungsdraht zu erlauben oder die Injektion von Knochenzement zu ermöglichen. Das proximale Ende des Schraubenschafts (20) besitzt einen Kopf (22), welcher sich innerhalb der Aufnahme des Schraubenkopfes (30) befindet. Prinzipiell kann der Schraubenschaftkopf in drei verschiedenen Versionen ausgestaltet werden, so dass sich die Kopfeinstellung in den rotatorischen Freiheitsgraden unterscheiden. Hier gibt es monoaxiale (220), biaxiale (221) und polyaxiale (222) Anordnungen des Kopfes (22). Auf dem Schraubenschaftkopf (22) kann eine Montagehilfe (223) angebracht oder eingebracht sein um den Formschluss mit einem Montagewerkzeug zu erzielen. Der Schraubenkopf (30) ist das Verbindungselement zwischen Schraubenschaft (20) und der kinematischen Einheit (10). Im Inneren kann der Schraubenkopf (30) eine Kavität besitzen in welcher der Schraubenschaftkopf (22) gelagert ist (für 221, 222) oder damit eine Einheit bildet (für 220). Am proximalen Ende des Schraubenkopfes (30) befindet sich eine Öffnung durch die der Schraubenschaftkopf (22) geführt wird. Ein exemplarischer Verriegelungsmechanismus ist mittels einer Schraube (31) dargestellt ( ). Nach Anziehen der Schraube (31) ist der Schraubenkopf (30) winkelstabil mit dem Schraubenschaft (20) verbunden. Die Kombination mit anderen Verriegelungsmechanismen z. B. mittels eines Form-Einlegeteils zwischen (22 und 31) oder durch eine geschlitzte Ausführung des Kopfes (30) mit einer Umfangsklemmung ist gleichwertig ausführbar. In einer anderen Ausführungsform wird ein Befestigungsstab (5) in eine Mulde (33) des Schraubenkopfes (30) eingelegt und oberhalb fixiert (31) ( ). Dies hat den Zweck, dass mehrere dieser erfindungsgemäßen Schrauben seriell miteinander verbunden werden können.
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Des Weiteren befinden sich am Schraubenkopf (30) Lagerstellen (321, 322). Die Positionen der Lagerungspunkte (321 und 322) beeinflussen den Bewegungsverlauf der Gelenkkinematik (10). Eine gezielte Änderung des Abstands oder der räumlichen Anordnung zueinander ändert sowohl den möglichen Bewegungsumfang als auch das Drehzentrum der Kinematik. So können beispielsweise verschiedene Drehzentren durch eine unterschiedliche Anordnung der Lagerstellen definiert werden, oder diese durch eine oder mehrere Verstellmöglichkeiten passend eingestellt werden. Alternativ kann das Drehzentrum und der Bewegungsumfang über eine Längeneinstellung oder das Auswechseln der Gelenke (101, 161, 162) an die jeweiligen anatomischen Erfordernisse angepasst werden.
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In den Fixierungsblock (40) wird der Befestigungsstab (5) entweder direkt eingelegt und fixiert, oder mittels einer im Fixierungsblock (40) befindlichen, winkeleinstellbaren und arretierbaren Lagereinheit (41) damit verbunden. Der Fixierungsblock (40) bzw. die Lagereinheit (41) ist dadurch gekennzeichnet, dass sie eine Aussparung (42) zur Aufnahme des Stabes besitzen. Die Stabaufnahmeaussparung (42) kann eine Öffnung besitzen durch die ein Montageinstrument eingeführt werden kann, mit welchem der Schraubenschaft (20) in den Knochen eingeschraubt werden kann. Am Fixierungsblock (40) oder der Lagereinheit (41) befindet sich ferner ein Verriegelungsmechanismus (43) mit dem der Befestigungsstab (5) mit der Stabaufnahmeaussparung (42) fest verbunden wird. Die Lagereinheit (41) besitzt eine vergleichbare Funktion wie die Schraubenkopflagereinheit (32) und erlaubt den Ausgleich von Fluchtungsunterschieden zwischen den Stäben (5). Die Positionen der Lagerungspunkte (411 und 412) beeinflussen den Bewegungsverlauf der Gelenkkinematik (10). Eine Änderung des Abstands zwischen 411 und 412 kann dafür verwendet werden, den Bewegungsumfang und das Drehzentrum gezielt zu verändern. Zwischen dem Schraubenkopf (30) und dem Fixierungsblock (40) befinden sich die Verbindungselemente (101) der Gelenkkinematik (10). Die Anordnung und Anzahl der Verbindungselemente ist von der Kinematikkonfiguration (10) abhängig.
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Der Befestigungsstab (5) kann verschiedene geometrische Querschnitte aufweisen (z. B. in Form von geraden oder gekrümmten Stäben oder Platten), bzw. eine unterschiedlichen Axial- und Biegesteifigkeit, so dass eine zusätzliche Dynamik des Befestigungsstabes erreicht werden kann.
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In sind verschiedene Behandlungsszenarien mit dynamischen und rigiden Pedikelschrauben dargestellt (70). Wird ein einzelnes Segment versorgt, kann die Versorgung mit der erfindungsgemäßen dynamischen Pedikelschraube (1) mit einer herkömmlichen Pedikelschraube (7) kombiniert werden, beispielsweise in einer kranialen (71) oder kaudalen Anordnung (72). Im Falle einer bisegmentalen Versorgung (73) kann jeweils eine dynamische Schraube (1) superior und inferior zu einer mittig sitzenden herkömmlichen Pedikelschraube (7) verwendet werden. Im Falle einer multisegmentalen Versorgung mit einer gewünschten Fusionsstrecke kann der mittlere Teil der langstreckigen Versorgung rigide belassen werden und das superiore und/oder das inferiore Ende mit der erfindungsgemäßen Pedikelschraube (1) versorgt werden, um das Risiko der Anschlusssegmentdegeneration zu reduzieren (74). Zur rein dynamischen Versorgung gibt es die Möglichkeit die dynamischen Pedikelschrauben (1) gemäß zu verwenden (75).
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Der Mechanismus (16) kann zur Einleitung einer degressiven Stabilisierungswirkung in einer weiteren Ausführung zwischen zwei Fixierungsblöcken (40) angebracht werden ( ), welche sich dann zwischen den Pedikelschrauben befinden. Vorteilhaft bei dieser Anordnung ist, dass herkömmliche Pedikelschrauben und einfache Befestigungsstäbe verwendet werden können.
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Patentdokumente
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- WO 0167973 A2 , CRANDALL, D., MORRISON, M. M. and STROHKIRCH, T. (2000) ”MULTIDIRECTIONAL PIVOTING BONE SCREW AND FIXATION SYSTEM” SDGI Holdings Inc
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- WO 2008085369 A1 , UPAL, A. M., LOPEZ, E. A., HAWKINS, J. R., BORGSTROM, A., ARNOLD, B., KWAK, S. D., BARTISH, C. M. and DUNBAR, W. L. (2006) ”SPINE STABILIZATION SYSTEM WITH DYNAMIC SCREW” DEPUY SPINE INC
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Nichtpatentliteratur
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- Wilke, H. J., Kavanagh, S., Neller, S. and Claes, L. (2002). "[Effect of artificial disk nucleus implant on mobility and intervertebral disk high of an L4/5 segment after nucleotomy]." Orthopade 31(5): 434–440.
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ZITATE ENTHALTEN IN DER BESCHREIBUNG
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Zitierte Patentliteratur
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- DE 411000201 [0002]
- WO 2008085369 A1 [0002, 0030]
- WO 0167973 A2 [0002, 0030]
- EP 13883232002 B1 [0002]
- WO 2005000135 A1 [0002, 0030]
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- WO 030946992002 A2 [0005]
- WO 2006020530 A2 [0005, 0030]
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- DE 4110002 C1 [0030]
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Zitierte Nicht-Patentliteratur
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