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Technisches Anwendungsgebiet
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Die vorliegende Erfindung betrifft ein Verfahren zur Herstellung von Bauteilen mittels Polymer- oder Kunststoffguss oder aus Faserverbund-Kunststoffen, bei dem zur Erzeugung von Kanälen und/oder Hinterschneidungen im Bauteil mindestens ein Kern eingesetzt und nach Verfestigung des Bauteilmaterials aus dem Bauteil entfernt wird. Das Verfahren eignet sich vor allem für die Herstellung komplexer Kunststoffbauteile mit Hinterschneidungen und Kanälen oder Hohlräumen, bspw. aus kompaktem oder geschäumtem Polyurethan (PUR).
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Stand der Technik
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Bauteile aus Polymeren werden unter anderem im Schwerkraftguss in beheizten Werkzeugen aus Stahl oder Aluminium gefertigt. Kanäle und Hinterschneidungen können in einem Gießverfahren nur durch den Einsatz von Kernen erzeugt werden. Bei PUR-Gießverfahren werden hierzu beheizte Dauerformen bzw. Werkzeuge und Dauerkerne verwendet. Die Werkzeuge und Kerne sind je nach Komplexität mehrfach geteilt und werden vor dem Gießprozess zusammengesetzt und mit Trennmittel beschichtet. Das Polyurethan wird aus mindestens zwei Komponenten angemischt und in die Form gegossen. Bei der chemischen Abbindereaktion entsteht Wärme. Kurz vor der kompletten Aushärtung wird das Polyurethan sehr dünnflüssig, so dass es alle Kavitäten der Form ausfüllt. Nach definierter Aushärtezeit werden die Werkzeuge geöffnet und die Kerne entfernt.
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Die metallischen Kerne sind aufgrund der Hitze und des Gewichts jedoch schwer handhabbar. Dadurch kommt es häufig zur Beschädigung der Kerne. Durch den Verschleiß und die Formteilungen weist das hergestellte Bauteil unerwünschte Grate auf, die in der Nachbearbeitung entfernt werden müssen. Hinterschneidungen in den PUR-Bauteilen sind mit dieser Technik nur schwer oder überhaupt nicht zu realisieren. Hierfür müssen teure Kerne mit vielen Kernteilungen verwendet werden. Insbesondere die Kernentformung, ohne Beschädigung des PUR-Bauteils, ist sehr arbeits- und zeitaufwendig. Die Stückzahlen liegen daher bei derartigen Bauteilen zum Teil lediglich bei ein bis zwei Bauteilen pro Stunde.
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Anstelle von Dauerkernen können auch sog. verlorene Kerne eingesetzt werden, um Kanäle oder Hinterschneidungen im Bauteil zu erzeugen. Dadurch werden die bei Dauerkernen bestehenden Einschränkungen in der Herstellung von Hinterschneidungen vermieden. Verlorene Kerne werden in der Regel aus Wachs oder Glas hergestellt. Nach der Aushärtung des PUR-Bauteils werden die Kerne angeschmolzen oder mechanisch entfernt.
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Die
US 4 681 724 A offenbart die Nutzung eines Kerns aus einem Polymerschaum, der nach dem Aushärten des Bauteils durch Temperatureinwirkung kollabiert und dadurch besser entfernt werden kann. Das Bauteil wird hierzu nach dem Aushärten des Polymers in einem zusätzlichen Arbeitsschritt auf eine Temperatur oberhalb der Abbindetemperatur des Polymers gebracht.
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Die
DE 69815734 T2 offenbart ein Verfahren zur Herstellung von hohlen Körpern aus geschichtetem Verbundwerkstoff, bei dem ein wärmedehnbarer Kern aus Silikon-Elastomer eingesetzt wird. Das Silikon-Elastomer weist dabei eine Zersetzungstemperatur auf, die niedriger als die Temperatur der vollständigen Polymerisation des Bauteilmaterials ist, um den Kern bereits während des Gießens des Körpers zu zerlegen.
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Die Aufgabe der vorliegenden Erfindung besteht darin, ein Verfahren zur Herstellung von Bauteilen mittels Polymer- oder Kunststoffguss oder aus Faserverbund-Kunststoffen anzugeben, mit dem die Herstellung von Kanälen und/oder Hinterschneidungen im Bauteil nahezu ohne Einschränkung auf einfache Weise möglich ist.
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Darstellung der Erfindung
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Die Aufgabe wird mit dem Verfahren gemäß Patentanspruch 1 gelöst. Vorteilhafte Ausgestaltungen des Verfahrens sind Gegenstand der abhängigen Patentansprüche oder lassen sich der nachfolgenden Beschreibung sowie dem Ausführungsbeispiel entnehmen.
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Bei dem vorgeschlagenen Verfahren wird zur Erzeugung von Kanälen und/oder Hinterschneidungen im Bauteil in bekannter Weise mindestens ein Kern eingesetzt und nach Verfestigung des Bauteilmaterials wieder aus dem Bauteil entfernt. Der Kern wird vollständig oder in mindestens einem Teilabschnitt, insbesondere in einer Randschicht oder einem oder mehreren Randabschnitten, aus einem Polymerschaum gebildet. Das Verfahren zeichnet sich dadurch aus, dass das Bauteilmaterial und der Polymerschaum so gewählt werden, dass bei einer Verfestigung des Bauteilmaterials Abbindewärme entsteht, durch die der Polymerschaum im Bauteil kollabiert.
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Das Verfahren lässt sich sowohl im Polymer- oder Kunststoffguss als auch für die Herstellung von komplexen Bauteilen aus Faserverbund-Kunststoffen (CFK-Werkstoffe) mit kurzen oder langen Fasern anwenden. Dabei können die Fasern während des Bearbeitens in Kunststoff getränkt sein oder in Matten, Gelegen, Geweben oder Fasern aufgebracht werden. So können beispielsweise Fasermatten um den Kern gelegt und mit einem Polymer (Harz) infiltriert werden. Beim konventionellem Verfahren der Herstellung von CFK-Bauteilen werden üblicherweise Dauerkerne aus Stahl verwendet, die ebenfalls, wie beim PUR-Guss, aufwendig entfernt werden müssen.
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Polymerschaum lässt sich thermisch kollabieren, so dass der aus dem Polymerschaum gebildete Kern oder Kernabschnitt im Bauteil schrumpft. Der Kern kann damit nach der Verfestigung des Bauteilmaterials leichter aus dem Bauteil wieder entfernt werden. Vorzugsweise wird für die Herstellung des Kerns oder Kernabschnitts ein expandierbares Polymer eingesetzt, insbesondere expandierbares Polystyrol (EPS).
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Durch die Nutzung eines oder mehrerer derartiger Kerne, die vollständig oder in mindestens einem Teilabschnitt aus einem Polymerschaummaterial bestehen, lassen sich komplexe Kunststoff- oder CFK-Bauteile mit Hinterschneidungen kostengünstig und mit geringem Arbeitsaufwand herstellen und mit neuen Bauteilgeometrien realisieren. Es entfällt im Vergleich zu Dauerkernen aus Stahl auch die aufwendige Montage und die Entformung der schweren, beheizten Stahlkerne sowie die Gratbildung.
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Polymerschäume kollabieren unter dem Einfluss von Wärme. Ein Schaum, bspw. aus expandierbarem Polystyrol (Styropor®) mit einer Dichte zwischen 20 und 30 g/l, beginnt bei 110°C zu kollabieren. Der Schaum verliert an Volumen. Wird dieses Material als Kern in ein geeignetes Bauteilmaterial eingegossen, das eine entsprechend hohe Abbindewärme erzeugt, so schrumpft der Polymerschaum unter Einwirkung der Abbindewärme, die bei der chemischen Reaktion entsteht.
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Bei dem vorgeschlagenen Verfahren wird dieses Verhalten bei der Herstellung des Bauteils ausgenutzt. Hierzu wird das Material des Polymerschaums so gewählt, dass es alleine durch die Abbindewärme nach bereits ausreichender Verfestigung des Bauteilmaterials im Bauteil kollabiert. Die Kernreste werden anschließend auf einfache Weise, bspw. mittels Druckluft oder Wasserdampf, aus dem Bauteil entfernt.
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Polymerschaummaterialien weisen in der Oberfläche Strukturen auf, die für den Kerneinsatz in der Regel versiegelt werden müssen, damit das Bauteil eine glatte Oberfläche erhält. Hierfür kommt vorzugsweise ein Versiegelungsmaterial für den Kern zum Einsatz, das zusätzlich eine Trennwirkung gegenüber dem Bauteilmaterial aufweist.
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Der oder die eingesetzten Kerne können beim vorgeschlagenen Verfahren vollständig aus dem Polymerschaummaterial bestehen bzw. hergestellt werden. Eine weitere Möglichkeit besteht beim vorliegenden Verfahren in einer Kombination von Dauerkernen und verlorenen Kernen. Für eine herzustellende Hinterschneidung oder einen herzustellenden Kanal im Bauteil wird dabei ein Dauerkern eingesetzt, der je nach herzustellender Hinterschneidung oder herzustellendem Kanal zumindest in einem Randabschnitt mit dem Polymerschaummaterial in ausreichender Dicke beschichtet bzw. verbunden wird. Der Teil dieses Kerns, der aus dem Dauerkern besteht, sorgt dabei für die Stabilität des Kerns. Durch diese Kombination können vor allem dünnwandige Bauteile mit großen Kanaldurchmessern und Hinterschneidungen zuverlässig gefertigt werden. Der Dauerkern besteht aus einem kompakten Material, bspw. aus Stahl oder Aluminium, ggf. auch als Hohlkörper. Er kann auch aus nicht geschäumtem Polymermaterial gebildet sein. Durch die Randschicht bzw. den Randabschnitt aus dem Polymerschaum lässt sich ein derartiger Kern ebenfalls leichter aus dem Bauteil wieder entfernen als ein reiner Dauerkern. Der Randabschnitt aus dem Polymerschaum wird hierbei wieder zum Kollabieren gebracht, so dass der Kern insgesamt schrumpft und damit leichter entfernt werden kann. Selbstverständlich lassen sich hierbei auch komplexere Kerne mit mehreren Dauerkernen bilden, die bspw. durch Bereiche aus dem Polymerschaummaterial voneinander getrennt sein können. Die Bereiche bzw. Abschnitte oder Teilvolumina für das Polymerschaummaterial sind dabei so gewählt, dass der Kern durch das Kollabieren dieses Materials schrumpft.
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Kurze Beschreibung der Zeichnungen
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Das vorgeschlagene Verfahren wird nachfolgend anhand von Ausführungsbeispielen in Verbindung mit den Zeichnungen nochmals kurz erläutert. Hierbei zeigen:
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1 eine schematische Darstellung von Werkzeug bzw. Form, vergossenem PUR-Bauteil sowie Kern gemäß einer Ausgestaltung des vorgeschlagenen Verfahrens; und
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2 eine schematische Darstellung eines PUR-Bauteils mit integriertem Mischkern gemäß einer weiteren Ausgestaltung des vorgeschlagenen Verfahrens.
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Wege zur Ausführung der Erfindung
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Im Folgenden werden zwei Beispiele des vorgeschlagenen Verfahrens kurz erläutert, bei denen ein PUR-Bauteil mit einem Kanal und/oder Hohlraum hergestellt wird.
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In den folgenden Beispielen wurden Kerne bzw. Kernabschnitte aus EPS eingesetzt. 1 zeigt hierzu ein Beispiel für die Herstellung eines rohrförmigen PUR-Bauteils 1. Das flüssige PUR-Material, das entsprechend dem Stand der Technik zusammen gesetzt ist, wird hierbei in eine Form eingegossen, die aus dem Stahlwerkzeug 2 sowie dem darin angeordneten EPS-Kern 3 gebildet ist. Der zylinderförmige EPS-Kern 3 wurde zur besseren Trennung vom Bauteilmaterial sowie zur Versiegelung beschichtet. Die besten Eigenschaften hinsichtlich der Trennwirkung und der Versiegelung zur Erzeugung einer glatten PUR-Oberfläche werden mit Silikon oder mit Latex als Beschichtungsmaterialien erzielt.
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PUR erzeugt bei der Verfestigung Abbindewärme. Messungen mit Thermoelementen während des Gießprozesses haben gezeigt, dass hierbei Temperaturen von bis zu 160°C während der Aushärtung erreicht werden. EPS kollabiert bei 110 bis 120°C. Somit ist gewährleistet, dass es während der Aushärtung des Bauteilmaterials zum Schrumpfen des EPS-Kerns kommt. Zum Zeitpunkt des Kernkollapses weist das PUR bereits eine gute Stabilität auf, so dass hohe Maßhaltigkeiten erreicht werden konnten. Nach der Verfestigung des Bauteils und der Kollabierung des EPS-Kerns 3 durch die Abbindewärme wurde das restliche Kernmaterial mittels Druckluft aus dem Bauteil entfernt.
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2 zeigt ein weiteres Beispiel für die Durchführung des vorgeschlagenen Verfahrens. Das PUR-Bauteil 1 soll hierbei einen zylinderförmigen Hohlraum aufweisen, der über einen zwei zylinderförmige Kanäle von außen zugänglich ist. Hierzu wurde ein entsprechend geformter Mischkern hergestellt. Dieser Kern setzt sich aus einem zylindrischen Dauerkern 4 aus Stahl oder Aluminium zusammen, der in einem Abschnitt 5 mit EPS-Material ummantelt ist, um den zylindrischen Hohlraum festzulegen. Der eine zylindrische Kanal wird durch einen Kernabschnitt erzeugt, der vollständig aus dem EPS-Material besteht, der andere durch einen Kernabschnitt, der vollständig aus Stahl oder Aluminium besteht, wie dies aus der Figur ersichtlich ist. Auch hier wird durch die beim Aushärten des PUR-Bauteils 1 entstehende Abbindewärme das EPS-Material zum Kollabieren gebracht, so dass der im Bauteil befindliche Kern deutlich schrumpft. Er lässt sich danach über den breiteren Kanal leicht wieder aus dem Bauteil entfernen. Durch diesen kombinierten Aufbau des Kerns, bei dem der Dauerkern eine Art Trägerkörper bildet, wird eine höhere Stabilität des Kerns erreicht, so dass damit auch dünnwandige Bauteile zuverlässig erzeugt werden können. Aus der Figur ist auch ersichtlich, dass sich durch den kombinierten Aufbau bei leichter Entformbarkeit des Kerns komplexere Strukturen mit Hinterschneidungen erzeugen lassen als dies mit reinen Dauerkernen möglich ist.
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Das vorgeschlagene Verfahren ermöglicht eine einfache Kernherstellung durch bewährte und prozesssichere Schäumtechnik. Aufgeschäumte Polymere werden schon seit Jahren in der Industrie als Verpackungsmaterial, Dämm- und Isolationswerkstoffe sowie als Modellwerkstoff für das Lost Foam-Gießverfahren eingesetzt. Durch alternative Herstellungsverfahren der Schaumkerne wird auch eine schnelle Prototypenfertigung ermöglicht. Einzelkerne oder Kleinserien können hierbei bspw. durch Frästechnik hergestellt werden. Die Kerne werden dabei aus einem Polymerschaumblock mittels CAD-Daten gefertigt.
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Das Verfahren ermöglicht auch die Herstellung komplexer Kerne durch Fügen, bspw. mittels Steckverbindungen. Polymerschäume sind aufgrund des geringen Gewichtes bzw. der geringen Dichte sehr einfach weiter zu verarbeiten. Für sehr komplexe Kerngeometrien können Kernsegmente durch Kleben oder durch Steckverbindungen zu einem Kern zusammengesetzt werden.
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Die Kombination von verlorenen Schaumkernen mit Dauerkernen ermöglicht die Fertigung von dünnwandigen Bauteilen mit großem Kanaldurchmesser und Hinterschneidungen. Durch den Dauerkern gewinnt der Kern an Stabilität. Durch den verlorenen Kern können Komplexität und leichte Entformbarkeit erreicht werden.
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Gegenüber schweren Dauerkernen aus Stahl, die teilweise aus mehreren Kernteilen bestehen, ist die Montage der Schaumkerne aufgrund des geringen Gewichtes sehr einfach. Die Kerne werden in einem Stück im Werkzeug über eine Kernmarke befestigt. Beim Abbindeprozess des Polyurethans entsteht aufgrund der chemischen Reaktion Wärme. Der Polymerkern kollabiert bei dieser Wärmeeinwirkung. Das Volumen des Kerns verkleinert sich dabei um ein Vielfaches. Bei der Bauteilentnahme können die Kernreste dann auf einfache Weise bspw. durch Druckluft oder Wasserdampf entfernt werden. Somit entfällt der aufwändige Schritt der Entformung der Dauerkerne oder der verlorenen Kerne durch Schmelzen oder mechanische Zerstörung.
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Durch die Verwendung von verlorenen Kernen kann in den meisten Fällen auf eine Kernteilung verzichtet werden. Dadurch entfällt der unerwünschte Grat am Bauteil, der sich normalerweise an Kernteilungsebenen bildet. Die erforderliche Nacharbeit wird somit deutlich reduziert. Eine aufwendige Kernmontage- und -entnahme sowie eine umfangreiche Nachbearbeitung der Bauteile entfällt. Dadurch wird die Arbeitszeit deutlich verkürzt und die Stückzahlen werden erhöht.
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Das Verfahren lässt sich beispielsweise in Verbindung mit selbst aushärtenden Systemen, bei denen es durch chemische Reaktionen zur Erwärmung und damit zum Kernkollaps kommt, mit Systemen, die unter thermischem Einfluss aushärten, im Schwerkraftkunststoffguss oder im Schleuderguss einsetzen. Mit dem Verfahren können bspw. kompakte Polyurethan-Bauteile oder Polyurethanschaum-Bauteile hergestellt werden. Selbstverständlich lassen sich mit dem Verfahren auch Bauteile aus anderen Polymermaterialien fertigen.
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Bezugszeichenliste
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- 1
- PUR-Bauteil
- 2
- Stahlwerkzeug
- 3
- EPS-Kern
- 4
- Dauerkern
- 5
- Kernabschnitt aus EPS-Material