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Die Erfindung betrifft ein Verfahren zur Entfernung von Stickoxiden und Hydrogennitrit (salpetrige Säure) aus Säuregemischen.
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Bei der Herstellung von hochreinem Silizium fallen nach dem Ätzen große Mengen eines Säuregemisches aus wechselnden Teilen von Fluorwasserstoffsäure (HF), Salpetersäure (HNO3), Hydrogennitirt (salpetrige Säure, HNO2) und Hexafluorokieselsäure (H2SiF6) an. Dieses Säuregemisch wird in der Regel der Entsorgung oder dem Recycling zugeführt.
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Das darin enthaltene Hydrogennitrit ist eine nur in kalter, verdünnter, wässriger Lösung beständige, mittelstarke Säure. Sie ist ein Mutagen und hat negative Einflüsse auf Organismen.
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Die Entsorgung erfolgt in der Regel durch Neutralisation mit Kalkmilch und anschließender Denitrifizierung. Da Hydrogennitrit bereits bei leichter Erwärmung zu Salpetersäure und gasförmigen Stickoxid zerfällt, ist ein Transport in Containern nur mit hohem technischem Aufwand möglich. Aus diesem Grund sollte die gebrauchte Ätzmischung vor einem Transport von Hydrogennitirt befreit werden.
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Eine wichtige Voraussetzung für ein Recycling der gebrauchten Ätzsäure zu hochreinen halbleitertauglichen Säuren ist, dass die Säure beim Entfernen der Stickoxide und des Hydrogennitrits nicht zusätzlich mit Fremdstoffen verunreinigt wird. Aus diesem Grund sollte die Entfernung des Hydrogennitrits möglichst ohne Zusatz von Chemikalien erfolgen. Physikalische Verfahren werden deshalb bevorzugt.
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Allgemein bekannte Verfahren zur Entfernung von Stickoxiden und Hydrogennitrit aus Ätzmischungen sind beispielsweise eine Erwärmung der Lösung oder eine Zugabe von Oxidationsmitteln wie Wasserstoffperoxid, Harnstoff oder Ozon.
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Aus
EP 1894887 ,
JP 09302483 und
EP 0548504 sind beispielsweise Verfahren zur Entfernung von Hydrogennitrit mittels Destillation von Gemischen aus Roh- oder Abfallsäuren beschrieben. Nachteilig an diesem Verfahren ist die notwendige Erhitzung der HF/HNO
2/HNO
3/H
2SiF
6-haltigen Lösung bis über den Siedepunkt von 110° Celsius. Im Labormaßstab ist dies noch in Anlagen aus fluorierem Kunststoff möglich, industriell bei einer Aufarbeitung vom mehreren tausend Tonnen jährlich, müssen teuere Anlagenteile aus SiN- oder SiC-Keramiken verwendet werden.
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Aus dem
"Handbuch der Abwasser- und Recyclingtechnik für die metallverarbeitende Industrie" (Hartinger, Ludwig; Hanser Fachbuchverlag, ISBN 3446156151, 1991) und dem Artikel aus der Zeitschrift
"wlb Wasser, Luft und Boden" ("Ozon gegen Stickoxide, Oxidationsmittel O3 verhindert das Entstehen nitroser Gase im Prozess"; Jenny, Rudolf; ISSN 0938-8303, Jg.: 49, Nr. 3/4, 2005, 80–82 (2 Seiten), Abb., Tab.) ist bekannt, dass durch Zugabe von Oxidationsmitteln wie Wasserstoffperoxid oder Ozongas die HNO
2 zu HNO
3 oxidiert werden kann. Bei all diesen Verfahren besteht jedoch das Risiko dass nach Abschluss der Oxidation der HNO
2 überschüssiges Oxidationsmittel mit der HNO
3 unter der Bildung von Peroxosalpetersäure weiterreagiert. Peroxosalpetersäure ist in geringsten Spuren bereits hoch explosiv. Deshalb muss ein erheblicher Aufwand an Steuerungs- und Regeltechnik eingesetzt werden um diese unerwünschte Nebenreaktion zu verhindern.
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Aus Gründen der Flexibilität ist es sinnvoll, dass gebrauchte Ätzmischungen aus der Solar- und Halbeiterindustrie extern recycelt oder entsorgt werden können. Hierfür ist aus wirtschaftlichen Gründen ein einfaches und preiswertes Verfahren zum Entfernen von Stickoxiden und Hydrogennitrit aus gebrauchten Ätzmischungen notwendig, damit der Transport nicht zusätzlich durch zusätzliche Spezialbehälter verteuert wird.
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Zudem ist es wichtig, dass die Säure bei der Entfernung der Stickoxide und des Hydrogennitrits nicht verunreinigt wird und damit später ein Recycling zu hochreinen Säuren für die Halbleiterindustrie möglich ist.
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Es bestand nun die Aufgabe ein wirtschaftliches Verfahren zur Entfernung von Stickoxiden und Hydrogennitrit aus gebrauchten Säuren, speziell aus einer Abfallsäuremischung bestehend aus wechselnden Teilen von HF/HNO2/HNO3/H2SiF6 bereitzustellen, die ohne Zusatz von chemischen Hilfsmitteln und Einsatz von hohen Temperaturen auskommt.
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Überraschenderweise wurde gefunden, dass Stickoxide und Hydrogennitrit auch ohne ein zusätzliches Erhitzen oder die Zugabe von Oxidations- oder Reduktionsmitteln aus Säuremischungen vollständig durch das Einbringen von kinetischer Energie entfernt werden können.
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Gegenstand der Erfindung ist ein Verfahren zur Entfernung von Stickoxiden und Hydrogennitrit aus Säuregemischen, dadurch gekennzeichnet, dass das die Stickoxide und das Hydrogennitrit durch das Einbringen von kinetischer Energie in die Mischung mittels einen oder mehrerer Schritte umfassend, Einblasen von Gas in das Säuregemisch, Strippen mit Gasen, und Umpumpen des Säuregemisches über eine Fallstrecke, entfernt werden.
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Als Säuregemische können alle in der Polysilicium- oder Solarindustrie anfallenden Abfallsäuren eingesetzt werden, die Stickoxide und/oder Hydrogennitrit enthalten. Bevorzugt werden Mischungen enthaltend zwei oder mehrere Anteile der Säuren HF, HNO2, HNO3 und H2SiF6. Besonders bevorzugt werden Säuremischungen enthaltend wechselnde Anteile von HF/HNO2/HNO3/H2SiF6 und HF/HNO2/HNO3.
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Der Zerfall der salpeterigen Säure in den Säuremischungen erfolgt nach folgender Disproportionierungsgleichung (1): 3HNO2 → HNO3 + 2NO + H2O
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Durch das Einbringen der kinetischen Energie (Einblasen von Gasen oder durch das Überfließen über eine Fallstrecke) wird das NO aus dem Gleichgewicht ständig entfernt. Hierdurch verschiebt sich nach dem Gesetz des kleinsten Zwanges das Gleichgewicht nach rechts und der Zerfall der HNO2 in der Säuremischung wird signifikant beschleunigt.
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In einer Ausführungsform des erfindungsgemäßen Verfahrens geschieht die Entfernung von Stickoxiden und Hydrogennitrit durch das Einblasen von inerten Gasen in die Säuremischung. Das verwendete Gas hat hier die Aufgabe durch Verwirbelung und Blasenbildung in die Lösung kinetische Energie einzutragen. Eine chemische Reaktion findet nicht statt. Als Gase kommen dabei alle inerten Gase oder Gasmischungen in Frage, vorzugsweise werden aus Kostengründen Luft oder Stickstoff verwendet. Das Gas kann dabei über eine einfache Rohrleitung oder über ein Düsensystem in die Säuremischung eingeleitet werden. Bevorzugt wird ein Düsensystem mit einer Lochgröße von 0,01 bis 10 mm, besonders bevorzugt mit 1 mm. Die Entgasungszeit beträgt dabei 1 bis 10 Minuten. Bei der Verwendung einer einfachen Rohrleitung wird bevorzugt ein Durchmesser von 0,2 mm bis 20 cm eingesetzt, besonders bevorzugt ein Rohrdurchmesser mit 5 cm. Im Falle der Einleitung durch ein einfaches Rohrsystem beträgt die Zeit für das Entfernen der Stickoxide 30 bis 120 Minuten. Die ausgasenden Stickoxide werden bevorzugt über eine Denox-Anlage entsorgt.
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In einer weiteren Ausführungsform der Erfindung werden die Stickoxide und das Hydrogennitrit mittels Strippen in einer Kolonne entfernt. Dabei wird die zu strippende Säuremischung über den Kolonnenkopf dem Stripper zugegeben und im Gegenstrom von unten ein inertes Gas eingeblasen. Als Gase kommen dabei alle inerten Gase oder Gasmischungen in Frage, vorzugsweise werden aus Kostengründen Luft oder Stickstoff verwendet. Die Kolonne kann dabei mit oder ohne Zwischenböden ausgeführt sein. Die Kolonne kann dabei aus jedem für diese Säuren geeigneten Material bestehen, bevorzugt bestehen korrosionsrelevante Teile der Kolonne aus Kunststoff, besonders bevorzugt aus Polyvinylidenfluorid (PVDF) und/oder Perfluoralkoxylalkan (PFA). Die Kolonne kann unter Normaldruck oder auch bei einem Druck von 0,01 bis 20 bar, bevorzugt 2 bis 10 bar betrieben werden. Das Intertgas wird dabei in einer Menge zwischen 0,1 bis 1000 kg/Std., bevorzugt 20 bis 100 kg/Std. von unten durch das Kolonnenrohr geblasen. Die über den Kolonnenkopf ausgasenden Stickoxide müssen über ein Wäschersystem, bevorzugt eine katalytische Denox-Anlage entsorgt werden.
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In einer weiteren Ausführungsform der Erfindung werden die Stickoxide und das Hydrogennitrit mittels Umpumpen des Säuregemisches über eine Fallstrecke entfernt. Als Fallstrecke kann dabei beispielsweise ein einfaches Wehr dienen. In einem Entgasungsbehälter mit eingebauter Fallstrecke (Wehr) wird die Säuremischung dabei über längere Zeit, bevorzugt 10 bis 30 Stunden mittels einer Pumpe umgewälzt. Die Umwälzmenge liegt dabei von 1 bis 500 m3/Std, bevorzugt 20 bis 100 m3/Std. Bei der Konstruktion des Behälters ist zu beachten dass die Säure in dem Entgasungsbehälter eine Fallhöhe von 10 bis 500 cm, bevorzugt 20 bis 200 cm, im freien Fall überwindet und oberhalb des unteren Säurepegels wieder eintritt. Überraschenderweise wird durch den freien Fall genügend kinetische in die Säuremischung eingebracht um eine vollständige Entfernung von Hydrogennitrit entsprechend der Disproportionierungsgleichung (1) zu bewirken.
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Der Vorgang der quantitativen Entfernung von Stickoxiden und Hydrogennitrit kann in allen erfindungsgemäßen Ausführungsformen mittels eines handelsüblichen zusätzlich NOx-Messgeräts und einem eingebauten Photometer nach DIN EN 2677 verfolgt werden.
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Anhand der folgenden Beispiele soll die Erfindung näher erläutert werden.
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Beispiel 1:
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In einem Becherglas aus Kunststoff wurde ein Liter einer gebrauchten Ätzmischung mit folgender Zusammensetzung vorgelegt: 40 bis 60 Gew.-% HNO3, 1 bis 10 Gew.-% HF, 0,1 bis 15 Gew.-% H2SiF6, 0,1 bis 1 Gew.-% HNO2 und 14 bis 58,8 Gew.-% H2O. Ein Kunststoffrohr mit einem Durchmesser von 1 cm wurde in die gebrauchte, braun gefärbte HF/HNO3/HNO2/H2SiF6-Ätzmischung eingestellt. Über einen Kunststoffschlauch erfolgte ein Anschluss an eine Druckluftstation mit 1 bar Überdruck. Pro Minute wurde 1 g Luft durch das Kunststoffrohr geblasen. Nach einer Stunde war die Lösung farblos. Die photometrische Messung nach DIN EN 2677 und die Messung mittels IC-Verfahren zeigten, dass die Lösung keinerlei Stickoxide oder Hydrogennitrit mehr enthielt.
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Beispiel 2:
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In einem Vorratsbehälter aus Kunststoff (PVDF) wurde ein Liter einer gebrauchten Ätzmischung mit folgender Zusammensetzung vorgelegt: 40 bis 60 Gew.-% HNO3, 1 bis 10 Gew.-% HF, 0,1 bis 15 Gew.-% H2SiF6, 0,1 bis 1 Gew.-% HNO2 und 14 bis 58,8 Gew.-% H2O. Über einen Dosierhahn wurden pro Stunde 500 ml der braun gefärbten, gebrauchten Ätzlösung auf einen Kolonnenkopf aufgegeben. Die Stripperkolonne bestand aus einem 2,5 cm dicken Rohr aus PVDF mit einer Länge von 25 cm. Am Kolonnenboden wurden mit einem Druck von 1,5 bar 2 g Luft pro Minute in die Kolonne eingeblasen. Im oberen Teil des Rohres war die Säuremischung noch braun gefärbt. Am Austritt des Rohres war die Lösung farblos und frei von Stickoxiden und Hydrogennitrit. Das Ergebnis wurde mittels photometrischer Messung nach DIN EN 2677 und einer Messung mittels IC-Verfahren bestätigt.
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Beispiel 3:
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In einem Becken aus Kunststoff (PVDF) und einem eingebauten Wehr mit einer Fallhöhe von 20 cm wurden 10 Liter einer gebrauchten Ätzmischung mit folgender Zusammensetzung vorgelegt: 40 bis 60 Gew.-% HNO3, 1 bis 10 Gew.-% HF, 0,1 bis 15 Gew.-% H2SiF6, 0,1 bis 1 Gew.-% HNO2 und 14 bis 58,8 Gew.-% H2O. Die Säuremischung stürzte kontinuierlich für 60 Min. mit einer Fließgeschwindigkeit von 1 m3/Std. über das Wehr in den 20 cm tiefer gelegenen Teil des Beckens. Eine Pumpe mit gleicher Förderleistung hielt dabei das Niveau im oberen und unteren Beckenteil konstant. Nach einer Stunde war die Säuremischung farblos und frei von Stickoxiden und Hydrogennitrit. Das Ergebnis wurde mittels photometrischer Messung nach DIN EN 2677 und einer Messung mittels IC-Verfahren bestätigt.
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ZITATE ENTHALTEN IN DER BESCHREIBUNG
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Zitierte Patentliteratur
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- EP 1894887 [0007]
- JP 09302483 [0007]
- EP 0548504 [0007]
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Zitierte Nicht-Patentliteratur
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- ”Handbuch der Abwasser- und Recyclingtechnik für die metallverarbeitende Industrie” (Hartinger, Ludwig; Hanser Fachbuchverlag, ISBN 3446156151, 1991) [0008]
- ”wlb Wasser, Luft und Boden” (”Ozon gegen Stickoxide, Oxidationsmittel O3 verhindert das Entstehen nitroser Gase im Prozess”; Jenny, Rudolf; ISSN 0938-8303, Jg.: 49, Nr. 3/4, 2005, 80–82 (2 Seiten), Abb., Tab.) [0008]
- DIN EN 2677 [0020]
- DIN EN 2677 [0022]
- DIN EN 2677 [0023]
- DIN EN 2677 [0024]