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Die Erfindung betrifft eine Gasdichtung zwischen einer Welle und einem Gehäuse, insbesondere für einen Abgasturbolader, mit einem ersten Rotor, welcher drehfest mit der Welle verbunden ist, und einem Stator, welcher mit dem Gehäuse verbunden ist, wobei zwischen dem ersten Rotor und dem Stator ein erster Spalt derart ausgebildet ist, dass ein aus mindestens einem Dichtgaszuführkanal zugeführtes Dichtgas durch diesen ersten Spalt strömt, gemäß dem Oberbegriff des Patentanspruchs 1.
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Gasdichtungen sind aus der Pumpentechnik bekannt. Es handelt sich vom prinzipiellen Aufbau her um eine Anordnung ähnlich einer Gleitringdichtung, allerdings berühren sich die Dichtflächen im Betrieb nicht, sondern „schwimmen“ auf einem Gaspolster. Bedingt durch das Funktionsprinzip tritt dabei ein leichter Gastransport auf, der Massenstrom ist aber durch die geringe Dicke das Gaspolsters (ca. 0,5 bis 4 µm) sehr klein. Ein Stator ist in einem Schiebesitz gehalten und wird von einer Anpressfeder gegen eine Fläche eines Rotors gedrückt. Der bewegliche Stator wird von einer Elastomerabdichtung (Balg oder O-Ring) abgedichtet. Das Gasdichtungsprinzip erfordert eine Zufuhr des Dichtungsgases von der Wellenseite her. Weiterhin ist immer eine federbelastete Fläche notwendig, um zum Einen ein Schließen der Dichtung im Stillstand und zum Anderen eine variable Spalthöhe im Betrieb (Gleichgewicht zur Anpresskraft der Feder) zu ermöglichen. Es ist nicht möglich, dieses System auf der Turbinenseite eines Abgasturboladers zu verwenden, da die dort auftretenden Temperaturen für die Elastomerabdichtung des systembedingten Schiebesitzes zu hoch sind. Werkstoffbedingt kann die Elastomerabdichtung nur bis ca. 200°C betriebssicher ausgeführt werden. Weiterhin würde als „Dichtungsgas“ auf der Turbinenseite nur Abgas zur Verfügung stehen, dessen Russgehalt die feinen 3D-Gasfördernuten auf der Oberfläche des Rotors zusetzen würde.
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Aus der
WO 2004/063535 A1 ist eine Dichtungsanordnung für ein Schmiersystem eines Abgasturboladers bekannt, wobei auf der Seite einer Turbine eine Welle des Abgasturboladers radial erweitert und mit Nuten versehen ist, in denen Dichtungsringe angeordnet sind. Ein Raum zwischen den Dichtungsringen wird mit Druckluft beaufschlagt, so dass ein Austritt von Schmiermittel über die Dichtungsringe in axialer Richtung wirksam vermieden ist. Die Dichtungsringe drehen mit der Welle des Abgasturboladers mit, so dass sich eine entsprechende Reibung zwischen den Dichtungsringen und einem Gehäuse des Abgasturboladers ergibt.
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Aus der
JP S59-70830 A ist ein Abgasturbolader bekannt, wobei sich eine Welle des Abgasturboladers in einem Gaslager dreht, bei dem Luft als Arbeitsfluid verwendet wird. Diese Luftlagerung der Welle ersetzt eine Öllagerung. Eine radiale Erweiterung der Welle ist auf der Turbinenseite in einem Gasaxiallager gelagert, welches eine axiale Position der Welle hält.
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Der Blowby-Anteil eines Turboladers an einem Gesamt-Blowby eines Motors aufgrund der beschränkten Wirksamkeit der Dichtung kann heute durchaus 30-50% betragen. Ähnliches gilt für den Ölverbrauch.
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Die deutsche Offenlegungsschrift
DE 24 03 925 A offenbart eine Abdichtung für einen Wellenausgang nach Art eines Sperrluftsystems. Eine derartige Abdichtung basiert auf ineinandergreifenden Rotoren, die ein Kanalsystem, ähnlich einer Labyrinthdichtung, ausbilden. Die Weite derartiger Kanäle beträgt etwa 0,5 mm. Ein Hilfsfluid, wie Luft oder Stickstoff, wird mittels eines treibenden Druckes durch diese Kanäle gefördert und durch dafür vorgesehenen Kanäle abgeführt. Durch das Hilfsfluid wird verhindert, dass Fluide von einer Seite der Abdichtung auf die andere durchdringen können.
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Gegenüber den in Rede stehenden Gasdichtungen weisen derartige Sperrluftsysteme den Nachteil auf, dass eine große Menge eines Hilfsfluid zu und abgeführt werden müssen. Dieses Fluid muss gegebenenfalls mit einem bestimmten hinreichenden Druck extern bereitgestellt werden. Weiterhin können derartige Systeme keine axialen Kräfte aufnehmen.
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Die
DE 41 40 242 A1 offenbart ein ähnliches Abdichtungssystem, bei dem mittels einer Luftströmung (Sperrluft) eine Dichtwirkung erzeugt wird. Dort werden Luftpumpenflügel an einem Schwungrad zur Erzeugung der Luftströmung durch das Kanalsystem der Abdichtung genutzt.
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Die
DE 10 2008 014 684 A1 und die
US 4 355 850 A zeigen Abgas-Turbolader, welche axiale Luftlager aufweisen. Darüber hinaus zeigt die
DE 32 44 893 C2 ein axiales Gleitlager, bei dem unter Druck stehendes Öl als die Lagerkräfte übertragen das Medium durch einen zu für Kanal zugeführt wird.
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Der Erfindung liegt die Aufgabe zugrunde, eine Gasdichtung der o.g. Art hinsichtlich der Dichtigkeit zu verbessern und gleichzeitig hinsichtlich Herstellung und Montage zu vereinfachen.
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Diese Aufgabe wird erfindungsgemäß durch eine Gasdichtung der o.g. Art mit den in Anspruch 1 gekennzeichneten Merkmalen gelöst. Vorteilhafte Ausgestaltungen der Erfindung sind in den weiteren Ansprüchen beschrieben.
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Dazu ist es bei einer Gasdichtung der o.g. Art erfindungsgemäß vorgesehen, dass ein zweiter, drehfest mit der Welle verbundener Rotor vorgesehen ist, welcher derart angeordnet und ausgebildet ist, dass zwischen dem ersten Rotor und dem zweiten Rotor ein Raum ausgebildet ist, dessen Länge in axialer Richtung bezogen auf eine Längsachse der Welle größer ist als eine Dicke des Stators in axialer Richtung bezogen auf eine Längsachse der Welle, wobei der Stator in den Raum zwischen dem ersten und dem zweiten Rotor hinein ragt, so dass ein zweiter Spalt zwischen dem Stator und dem zweiten Rotor ausgebildet ist, wobei der Dichtgaszuführkanal in den Raum zwischen ersten Rotor, zweiten Rotor und Stator mündet.
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Dies hat den Vorteil, dass eine Dichtung mit geringen Reibverlusten für die Welle zur Verfügung steht, die keine Anpressfeder benötigt und gleichzeitig ein Axiallager für die Welle ausbildet, so dass zwei Funktionen, nämlich Dichtung und axiale Lagerung der Welle, in der Gasdichtung vereint sind.
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Eine Spaltmaßkontrolle für den Raum zwischen dem ersten und zweiten Rotor erzielt man dadurch, dass ein Distanzstück auf der Welle zwischen dem ersten Rotor und dem zweiten Rotor angeordnet ist.
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Eine besonders funktionssicher Abdichtung und axiale Führung der Welle gegenüber dem Gehäuse erzielt man erfindungsgemäß dadurch, dass der erste Rotor, der zweite Rotor und der Stator derart ausgebildet und angeordnet sind, dass ein Axialspiel der Welle 3 bis 12 µm beträgt.
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Eine besonders gute Abdichtung erzielt man dadurch, dass der erste Rotor und/oder der zweite Rotor an einer dem Stator zugewandten Fläche mindestens eine Gasfördernut aufweist.
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Eine besonders einfache und funktionssichere Zuführung von Dichtgas an den ersten und zweiten Spalt erzielt man dadurch, dass mindestens ein Dichtgaszuführkanal durch den Stator und/oder mindestens ein Dichtgaszuführkanal durch die Welle verläuft.
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In einer bevorzugten Ausführungsform verbindet die Welle ein Turbinenrad und ein Verdichterrad eines Abgasturboladers miteinander, wobei die Rotoren und der Stator an einem turbinenseitigen Ende der Welle angeordnet sind.
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Eine besonders gute Lagerung der Welle, die gleichzeitig ein zusätzliches Axiallager einspart erzielt man dadurch, dass die Gasdichtung für die Welle als beidseitig wirkendes Axiallager ausgebildet ist.
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Die Erfindung wird im Folgenden anhand der Zeichnung näher erläutert. Diese zeigt in
- 1 eine bevorzugte Ausführungsform einer erfindungsgemäßen Gasdichtung am Beispiel einer Turbine eines Abgasturboladers in schematischer Schnittansicht und
- 2 eine vergrößerte Schnittansicht der Gasdichtung gemäß 1.
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In 1 ist beispielhaft anhand einer Turbine eines ansonsten nicht näher dargestellten Abgasturboladers eine bevorzugte Ausführungsform einer erfindungsgemäßen Gasdichtung dargestellt. Die Turbine umfasst ein Gehäuse 10, ein Turbinenrad 12 und eine Welle 14, welche das Turbinenrad 12 mit einem nicht dargestellten Verdichterrad des Abgasturboladers verbindet, so dass das Turbinenrad 12 über die Welle 14 das Verdichterrad antreibt. Ein erster Rotor 16 und ein zweiter Rotor 18 sind drehfest mit der Welle 14, beispielsweise mittels eines Presssitzes, verbunden. Am Gehäuse 10 ist ein Stator 20 angeordnet, welcher in einen Raum 22 zwischen den Rotoren 16 und 18 eingreift. Ein Dichtgaszuführkanal 24 verläuft durch des Gehäuse 10 sowie den Stator 20 und mündet in den Raum 22. Alternativ oder zusätzlich verläuft ein Dichtgaszuführkanal 26 durch die Welle 14 und mündet in den Raum 22.
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Wie aus 2 ersichtlich, ist eine Länge des Raumes 22 (entspricht einem Abstand von sich gegenüberstehenden und einander zugewandten Flächen 32, 36 der beiden Rotoren 16 und 18) in axialer Richtung 28 bezogen auf eine Längsachse 30 der Welle 14 größer als eine Dicke des Stators 20 in dieselbe axiale Richtung 28. Auf diese Weise entsteht zwischen einer ersten Fläche 32 des ersten Rotors 16 und dem Stator 20 ein erster Spalt 34 und zwischen einer zweiten Fläche 36 des zweiten Rotors 18 und dem Stator 20 ein zweiter Spalt 38. Durch den Dichtgaszuführkanal 24 bzw. 26 wird beispielsweise vom Verdichter Luft als Dichtgas 40 an den Raum 22 unter einem entsprechenden Druck zugeführt, so dass dieses Dichtgas 40 durch die Spalte 34, 38 strömend eine entsprechende Spaltbreite jeweils des ersten und zweiten Spaltes 34, 38 einstellt. Auf diese Weise wirken die Spalte 34, 38 als Dichtung gegen einen axialen Austritt eines fluiden Schmierstoffes für die Welle 14. Gleichzeitig erfüllen diese Spalte 34, 38 die Funktion eines Axiallagers für die Welle 14. Da die Dichtung und Lagerung auf einem Gaspolster erzeugt durch das Dichtgas in den Spalten 34, 38 beruht, sind Reibungsverluste im Bereich der Dichtung bzw. Lagerung mittels der erfindungsgemäßen Gasdichtung zu vernachlässigen.
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Ein interessanter Effekt dieses Dichtprinzips ist eine extrem geringe Verlust- oder Reibleistung. Wird dieses System beispielsweise als Kurbelwellendichtring (schwungradseitig) verwendet, lassen sich bei 4.000 U/min ca. 100 Watt Reibleistung gegenüber einem herkömmlichen Radialwellendichtring einsparen. Weiterhin können diese Gasdichtungen große Druckdifferenzen beherrschen.
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Die erfindungsgemäße Gasdichtung reduziert Ölverluste sowie das Blowby um 90%. Gleichzeitig steigt der Turbinenwirkungsgrad um ca. 2% durch die geringe Verlustleistung gegenüber den üblicherweise verwendeten Kolbenringsystemen.
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Es stellt sich an der Dichtung ein Gleichgewicht zwischen Axialkraft und Dicke der Spalte 34, 38 ein. In der Regel muss die Anordnung dabei nur die Axialkraft der Anpressdichtung übernehmen. Bei der erfindungsgemäßen Gasdichtung wird das Prinzip des von einem Dichtgas durchströmten Spaltes nun beidseitig bzgl. des Stators 20 verwendet. Auf diese Weise kann auf eine Anpressfeder verzichtet werden. Der Stator 20 läuft dazu zwischen der ersten Flächen 32 und der zweiten Fläche 36, wobei keine interne Feder die Anpressung steuert. Im Betrieb stellt sich automatisch ein Gleichgewicht zwischen den äußeren Kräften und den aerodynamischen Kräften der beiden Luftspalte 34, 38 ein.
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Erfindungsgemäß ist ein Axialspiel von ca. 3 bis 12 µm. Dieses wird beispielsweise über ein Zwischenstück bzw. Distanzstück 42 oder die Bearbeitung eines der beiden Rotorteile 16,18 eingestellt. Um den Betrieb auf einer Turbinenseite eines Abgasturboladers zu ermöglichen und vor allem die Probleme mit rußbelastetem Dichtungsgas zu umgehen (in einer Anordnung wie auf der Verdichterseite müsste man Abgas als Dichtgas der Anordnung zuführen) wird Frischluft entweder aus der Umgebung, dem Motor oder vorzugsweise intern aus dem Verdichter radial über den Stator 20 bzw. alternativ oder zusätzlich über die Welle 14 des Turboladers der Gasdichtung zugeführt, wie insbesondere aus 2 ersichtlich.
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Im Betrieb stellen sich die beiden Axialspalte 34, 38 gemäß den äußeren Kräften ein. Der Spaltluftstrom hilft dabei, das Dichtsystem zu kühlen, wobei dabei die absolute Höhe dieses Luftstroms durch die Dichtspalte 34, 38 im Gegensatz zu den Leckagemengen bei bekannten Kolbenringdichtungen trotzdem noch vernachlässigbar klein bleibt. Durch den Wegfall von Elastomeren (keine Axialverschiebung von Komponenten notwendig) wird eine hohe Temperaturbeständigkeit der Bauteile der Gasdichtung erzielt. Die Gasdichtung wirkt gleichzeitig ohne weitere Zusätze als Axiallager in beiden Richtungen. In Kombination mit einer Gasdichtung auf der Verdichterseite entsteht ein optimal gas- und öldichter Abgasturbolader mit bestmöglichem Wirkungsgrad. Das Dichtsystem arbeitet verschleißfrei. Damit ist auch die Axiallagerung verscheißfrei. Es können abgasseitige Gegendrücke von mehr als 5 bar sicher abgedichtet werden, was insbesondere für Partikelfiltermotoren (hoher Abgasgegendruck bei beladenem Filter) bei transienten Betriebszuständen vorteilhaft ist. Ein zur Dichtung zusätzliches Axiallager kann entfallen, wodurch Kosten und Bauraum eingespart werden. Eine Beschränkung der Einbaulage des Abgasturbolader im Hinblick auf eine Leckage im Stillstand ist nicht mehr gegeben.