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Die Erfindung betrifft eine Rollendruckmaschine und ein Verfahren zum Betreiben dieser, und insbesondere eine modellgestützte neuronale Prädiktion bzw. Vorhersage des Gesamt-Schnittregisterfehlers in einer Rollendruckmaschine.
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Bei Rollendruckmaschinen, wie z. B. Illustrations-Druckmaschinen, ist es derzeit gängige Praxis einen Gesamt-Schnittregisterfehler einer einen Heftstrang umhüllenden Bahn an einem Messerzylinder eines Falzwerkes der Rollendruckmaschine mittels eines Sensors, wie z. B. einer Kamera, zu messen. Diese Messung bringt Kosten für Anschaffung und Wartung mit sich und beinhaltet das Problem, dass der Sensor aufgrund starker Schmutzbelastung und einem auftretenden Bahnflattern evtl. falsche Werte misst oder sogar zeitweise ganz ausfällt und damit die Maschinenverfügbarkeit herabgesetzt wird.
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Der Erfindung liegt die Aufgabe zugrunde, eine Rollendruckmaschine und ein Verfahren zum Betreiben dieser zu schaffen, womit im Produktionsbetrieb der Rollendruckmaschine eine ausreichend genaue Vorhersage des Gesamt-Schnittregisterfehlers, insbesondere des Gesamt-Schnittregisterfehlers einer einen Heftstrang umhüllenden Bahn an einem Messerzylinder eines Falzwerkes der Rollendruckmaschine, auf Dauer ohne Sensor möglich ist.
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Dies wird mit einem Verfahren gemäß Anspruch 1 und einer Rollendruckmaschine gemäß Anspruch 16 erreicht. Weiterbildungen der Erfindung sind in den jeweils abhängigen Ansprüchen definiert.
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Gemäß der Erfindung können Rollendruckmaschinen folgende Parameter aufweisen:
Prozessparameter sind einen Verarbeitungsprozess kennzeichnende, im Allgemeinen zeitlich konstante, voreinstellbare Parameter, und zwar Materialparameter, Produktionsparameter und Maschinenparameter.
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Materialparameter kennzeichnen Eigenschaften des Bedruckstoffs, wie z. B. seinen Elastizitätsmodul, seinen Querschnitt, seine Dichte etc.
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Produktionsparameter kennzeichnen für einen Druckauftrag vorzugebende Einstellungen der Druckmaschine, z. B. die Produktionsgeschwindigkeit, Voreilungen und Zugkraftprofil, Verteilung von Feuchtigkeit und Farbe etc.
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Maschinenparameter kennzeichnen den für einen Druckauftrag zu wählenden Aufbau der Maschine, wie z. B. die Art der Bahnführung, Zahl der Druckeinheiten, durch die Seitenzahl bedingte Einstellungen etc.
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Betriebsparameter sind die bei einem Verarbeitungsprozess in der Druckmaschine auftretenden, mannigfaltigen Störungen unterworfenen, zeitlich variablen physikalischen Prozessgrößen, insbesondere die für die Funktionsweise des erfindungsgemäßen Verfahrens notwendigen.
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Bahn-Betriebsparameter sind die an der Bedruckstoffbahn gemessenen Betriebsparameter.
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Klemmstellen-Betriebsparameter sind die an einer Klemmstelle gemessenen Betriebsparameter.
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Zielparameter ist der von einem lernfähigen System vorhergesagte Betriebsparameter, z. B. der Gesamt-Schnittregisterfehler. Es können auch mehrere Zielparameter vorliegen, insbesondere bei mehrbahnigem Betrieb.
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Kontrollparameter ist die für den Zielparameter gewählte Trainingsgröße, z. B. der offline vorgegebene Gesamt-Schnittregisterfehler eines mathematischen Bahnlaufmodells, die offline zur Verfügung gestellten Gesamt-Schnittregisterfehler früherer Produktionsprozesse oder der online gemessene Gesamt-Schnittregisterfehler einer laufenden Produktion. Es können auch mehrere Kontrollparameter vorliegen, insbesondere bei mehrbahnigem Betrieb.
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Trainingsparameter sind die aus den Betriebsparametern gewonnenen, dem lernfähigen System für das offline- oder das online-Training vorgegebenen Eingangsgrößen und die zum Training verwendeten Kontrollparameter.
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Erfindungsgemäß ist ein mathematisches Bahnlaufmodell in der Lage, das dynamische Verhalten einer Rollendruckmaschine bei der Änderung von Stellgrößen und der Einwirkung wichtiger Störgrößen, insbesondere bei Rollenwechsel-Vorgängen, so genau abzubilden, dass der am Messerzylinder gemessene Gesamt-Schnittregisterfehler über einen gewissen Zeitraum nach Auftreten der Störung mit guter Genauigkeit vorhergesagt werden kann. Die Langzeitgenauigkeit der Voraussage durch das Bahnlaufmodell allein ist allerdings infolge der nicht modellierbaren Störquellen beschränkt.
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Erfindungsgemäß wird daher das mathematische Bahnlaufmodell mit einem lernenden Verfahren kombiniert, um die Genauigkeit der Vorhersage zu erhöhen und für ein möglichst großes Spektrum von Anwendungen einen Sensor am Messerzylinder überflüssig werden zu lassen.
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Gemäß einem Aspekt der Erfindung wird bei einem Verfahren zum Betreiben einer Rollendruckmaschine ein lernfähiges System der Rollendruckmaschine auf Basis von vorbestimmten Rollendruckmaschinen-Betriebsparametern ohne Verarbeitung einer Bedruckstoffbahn trainiert, so dass eine Differenz zwischen einem auf den vorbestimmten Rollendruckmaschinen-Betriebsparametern basierenden Trainings-Kontrollparameter für die Rollendruckmaschine und einem mittels des lernfähigen Systems vorhergesagten Kontrollparameter für die Rollendruckmaschine minimiert wird, werden bei Verarbeitung einer Bedruckstoffbahn aktuelle Rollendruckmaschinen-Betriebsparameter ermittelt, wird von dem trainierten lernfähigen System auf Basis der aktuellen Rollendruckmaschinen-Betriebsparameter ein aktueller Kontrollparameter für die Rollendruckmaschine vorhergesagt, und wird ein Betrieb der Rollendruckmaschine auf Basis des vorhergesagten aktuellen Kontrollparameters gesteuert.
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Gemäß einem weiteren Aspekt der Erfindung wird bei einem Verfahren zum Betreiben einer Rollendruckmaschine ein lernfähiges System der Rollendruckmaschine:
- (a) auf Basis von vorgegebenen Rollendruckmaschinen-Betriebsparametern ohne Verarbeitung einer Bedruckstoffbahn offline trainiert, so dass eine Differenz zwischen einem auf den vorgegebenen Rollendruckmaschinen-Betriebsparametern basierenden Trainings-Kontrollparameter und einem mittels des lernfähigen Systems vorhergesagten Zielparameter minimiert wird,
- (b) werden bei Verarbeitung einer Bedruckstoffbahn online aktuelle Rollendruckmaschinen-Betriebsparameter ermittelt, die ebenfalls als Trainingsgrößen dienen, wobei der gemessene Kontrollparameter mit dem vorhergesagten Zielparameter verglichen und deren Differenz minimiert wird,
- (c) wird von dem fertig trainierten lernfähigen System auf Basis der aktuellen Rollendruckmaschinen-Betriebsparameter bei Verarbeitung der Bedruckstoffbahn ein aktueller Zielparameter für die Rollendruckmaschine vorhergesagt und ein Betrieb der Rollendruckmaschine auf Basis des vorhergesagten aktuellen Zielparameters gesteuert.
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Das erfindungsgemäße Verfahren kann dahingehend erweitert werden, insbesondere bei Mehrbahnenbetrieb, dass mit Hilfe des erweiterten lernfähigen Systems mehrere Zielparameter und entsprechend mehrere Kontrollparameter vorliegen, deren entsprechende Differenzen minimiert werden.
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Gemäß einer Ausführungsform des erfindungsgemäßen Verfahrens werden die an der verarbeiteten Bedruckstoffbahn messbaren Betriebsparameter (Bahn-Betriebsparameter) und an einer oder mehreren Klemmstellen messbaren Betriebsparameter (Klemmstellen-Betriebsparameter) als Trainingsparameter verwendet.
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Gemäß einer weiteren Ausführungsform des erfindungsgemäßen Verfahrens wird ferner eine an einer Klemmstelle aufgetretene Transportstörung der Bedruckstoffbahn, die auf Basis der Bahn- und Klemmstellen-Betriebsparameter rekonstruiert wird, als Trainingsparameter verwendet.
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Gemäß noch einer Ausführungsform des erfindungsgemäßen Verfahrens weist das Minimieren der Differenz zwischen Kontrollparameter und vorhergesagtem Zielparameter auf: Minimieren einer Differenz zwischen einem auf den Bahn- und Klemmstellen-Betriebsparametern und der daraus rekonstruierten Transportstörung basierenden Kontroll-Gesamt-Schnittregisterfehler und einem mittels des lernfähigen Systems vorhergesagten Ziel-Gesamt-Schnittregisterfehler.
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Gemäß noch einer weiteren Ausführungsform des erfindungsgemäßen Verfahrens werden beim Ermitteln von aktuellen Rollendruckmaschinen-Betriebsparametern aktuelle Klemmstellen- und Bahn-Betriebsparameter gemessen und wird auf Basis dieser aktuellen Betriebsparameter eine an der Klemmstelle auftretende aktuelle Transportstörung der Bedruckstoffbahn rekonstruiert.
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Gemäß einer Ausführungsform des erfindungsgemäßen Verfahrens weist das Vorhersagen des aktuellen Zielparameters auf: Vorhersagen eines aktuellen Gesamt-Schnittregisterfehlers auf Basis der aktuellen Bahn- und Klemmstellen-Betriebsparameter und der aktuellen, rekonstruierten Transportstörung.
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Gemäß einer noch weiteren Ausführungsform des Verfahrens werden bei Einbahnbetrieb auch die Schnittregisterfehler der Einzelstränge eines Heftstrangs vorausgesagt.
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Gemäß einer noch weiteren Ausführungsform des erfindungsgemäßen Verfahrens weist das Vorhersagen von aktuellen Gesamt-Schnittregisterfehlern bei Mehrbahnenbetrieb auf: Vorhersagen der aktuellen Gesamtschnittregisterfehler aller Teilbahnen und Einzelstränge eines Heftstrangs auf Basis der aktuellen Betriebsparameter dieser Bahn und der betreffenden Klemmstelle und der aktuellen, rekonstruierten Transportstörung in dieser Bahn.
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Gemäß noch einer Ausführungsform des erfindungsgemäßen Verfahrens erfolgt das Steuern des Betriebes der Rollendruckmaschine auf Basis des vorhergesagten aktuellen Gesamt-Schnittregisterfehlers.
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Gemäß einer weiteren Ausführungsform des erfindungsgemäßen Verfahrens wird als Kontrollparameter der Gesamt-Schnittregisterfehler mittels eines mathematischen Modells bestimmt.
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In einer besonderen Ausprägung des erfindungsgemäßen Verfahrens können Einstellwerte der Parameter des mathematischen Modells aus den Prozessparametern abgeleitet werden.
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Gemäß noch einer weiteren Ausführungsform des erfindungsgemäßen Verfahrens wird als Kontrollparameter der Gesamt-Schnittregisterfehler von einem vorbestimmten Messwert, z. B. einer früheren Produktion, gebildet.
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Gemäß einer Ausführungsform des erfindungsgemäßen Verfahrens weist das Minimieren der Differenz zwischen Kontrollparameter und vorhergesagtem Zielparameter auf: Minimieren einer Differenz zwischen einem mittels des mathematischen Modells bestimmten Modell-Gesamt-Schnittregisterfehler und dem mittels des lernfähigen Systems vorhergesagten Gesamt-Schnittregisterfehler, und danach Minimieren einer Differenz zwischen einem aus früheren Produktionsläufen bestimmten Messwert-Gesamt-Schnittregisterfehler und dem mittels des lernfähigen Systems vorhergesagten Gesamt-Schnittregisterfehler.
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Gemäß einer weiteren Ausführungsform des erfindungsgemäßen Verfahrens weist das Minimieren der Differenz zwischen Kontrollparameter und vorhergesagtem Zielparameter auf: Minimieren einer Differenz zwischen einem aus früheren Produktionsläufen bestimmten Messwert-Gesamt-Schnittregisterfehler und dem mittels des lernfähigen Systems vorhergesagten Gesamt-Schnittregisterfehler.
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Gemäß noch einer Ausführungsform des erfindungsgemäßen Verfahrens wird beim Minimieren der Differenz zwischen dem Messwert-Gesamt-Schnittregisterfehler und dem mittels des lernfähigen Systems vorhergesagten Gesamt-Schnittregisterfehler dem lernfähigen System ein mittels des mathematischen Modells ermittelter Parameter als Eingangsgröße zugeführt.
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Gemäß einer weiteren Ausführungsform des erfindungsgemäßen Verfahrens werden beim Minimieren der Differenz zwischen dem Modell-Gesamt-Schnittregisterfehler und dem mittels des lernfähigen Systems vorhergesagten Gesamt-Schnittregisterfehler dem lernfähigen System Datensätze eines relevante Einflussgrößen früherer Produktionsläufen repräsentierenden Vektors als Trainings-Parameter zugeführt.
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Gemäß einer Ausführungsform des erfindungsgemäßen Verfahrens wird das vortrainierte lernfähige System mittels gemessener, aktueller Kontrollparameter bei Verarbeitung einer Bedruckstoffbahn weitertrainiert.
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Gemäß einer weiteren Ausführungsform des erfindungsgemäßen Verfahrens ist der von dem lernfähigen System vorhergesagte Gesamt-Schnittregisterfehler auf eine umhüllende Bahn eines Heftstrangs bezogen.
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Gemäß noch einer weiteren Ausführungsform des erfindungsgemäßen Verfahrens sind die von dem lernfähigen System vorhergesagten Gesamt-Schnittregisterfehler auf die durch die Umhüllende eingeschlossenen Einzelbahnen eines Heftstrangs bezogen.
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Bei den Ausführungsformen des erfindungsgemäßen Verfahrens kann es zwar bei Inbetriebnahme einer Rollendruckmaschine und während einer ausreichenden Zahl sich anschließender Produktionsläufe nach wie vor nötig sein, einen Sensor (z. B. eine Kamera) am Messerzylinder anzuordnen, jedoch kann der Sensor nach Abschluss des Lernvorgangs entfallen.
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Gemäß einer Ausführungsform des erfindungsgemäßen Verfahrens wird das mathematische Modell eingesetzt, um ein lernfähiges System, z. B. ein Künstliches Neuronales Netz (KNN), off-line vorzutrainieren. Einstellwerte gewisser Parameter des KNN können aus den Prozessparametern gewonnen werden. Das lernfähige System besitzt bevorzugt zum einen die Eigenschaft, diese Dynamik nachbilden können, und ist bevorzugt zum anderen in der Lage, durch ein weiteres Training die Auswirkung nicht modellierbarer Störgrößen auf den Gesamt-Schnittregisterfehler zu lernen. Nach abgeschlossenem Trainingsvorgang übernimmt das lernfähige System allein die Prädiktion des Gesamt-Schnittregisterfehlers.
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Gemäß einer anderen Ausführungsform des erfindungsgemäßen Verfahrens wird ein lernfähiges System unmittelbar in das mathematische Modell integriert, und zwar so, dass es bevorzugt kein eigenes Zeitverhalten aufweisen muss. Dieses wird bevorzugt ausschließlich durch das mathematische Modell abgedeckt, während das lernfähige System eine Korrektur des Langzeitverhaltens übernimmt, das als quasistationär anzusehen ist. Dadurch wird die Struktur des lernfähigen Systems einfacher als bei der vorgenannten Ausführungsform und die Trainingszeit herabgesetzt. Nach abgeschlossenem Trainingsvorgang übernehmen mathematisches Modell und lernfähiges System als eine lernfähige Gesamteinheit die Prädiktion des Gesamt-Schnittregisterfehlers.
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Gemäß einem zweiten Aspekt der Erfindung weist eine Rollendruckmaschine eine Steuervorrichtung zum Steuern des Betriebes der Rollendruckmaschine auf, wobei die Steuervorrichtung eingerichtet ist zur Ausführung eines Verfahrens gemäß einer, mehreren oder allen zuvor beschriebenen erfindungsgemäßen Ausführungsformen in jeder denkbaren Kombination.
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Gemäß einer Ausführungsform der erfindungsgemäßen Rollendruckmaschine ist das mathematische Modell in die Steuervorrichtung integriert, so dass die Steuervorrichtung eingerichtet ist, eine nicht rückwirkungsfreie Klemmstelle mit Hilfe eines sogenannten q-Modells nachzubilden und die speziellen Dehnungsverhältnisse in einer Bedruckstoffbahn vor einem Messerzylinder der Rollendruckmaschine zu berücksichtigen, in einer besonderen Ausprägungsform eine fünfte Klemmstelle durch zwei empirische Faktoren und sowie durch ein dynamisches Glied, dessen mathematisch bestimmbare Übertragungsfunktion von der Zeitkonstante des Bahnabschnitts (4–5) abhängt.
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Gemäß einer weiteren Ausführungsform der erfindungsgemäßen Rollendruckmaschine sind in die Steuervorrichtung das mathematische Modell in Form eines mathematischen Bahnlaufmodells und das lernfähige System, insbesondere in Form eines neuronalen Netzes, in Parallelschaltung zueinander integriert.
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Gemäß noch einer Ausführungsform der erfindungsgemäßen Rollendruckmaschine ist die Steuervorrichtung eingerichtet, das lernfähige System unter Nutzung einer a-priori-Information des mathematischen Modells off-line zu trainieren.
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Gemäß noch einer weiteren Ausführungsform der erfindungsgemäßen Rollendruckmaschine ist die Steuervorrichtung eingerichtet, das lernfähige System unter Nutzung bekannter Datensätze aus früheren Druckprozessen, dargestellt durch Vektoren von Trainingsparametern und/oder den Messwert-Gesamt-Schnittregisterfehler, zusätzlich off-line zu trainieren, insbesondere auch bei Mehrbahnenbetrieb.
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Gemäß noch einer Ausführungsform der erfindungsgemäßen Rollendruckmaschine ist die Steuervorrichtung eingerichtet, das vortrainierte lernfähige System mit Hilfe von gemessenen Trainingsparametern und des gemessenen Gesamt-Schnittregisterfehlers von aktuellen Produktionsprozessen on-line weiter zu trainieren.
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Gemäß einer Ausführungsform der erfindungsgemäßen Rollendruckmaschine ist das lernfähige System, insbesondere in Form eines neuronalen Netzes, in das mathematische Modell in Reihenschaltung integriert, wobei das mathematische Modell in Form eines mathematischen Bahnlaufmodells ausgebildet ist.
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Gemäß einer weiteren Ausführungsform der erfindungsgemäßen Rollendruckmaschine ist die Steuervorrichtung eingerichtet, das lernfähige System unter Nutzung bekannter Datensätze aus früheren Druckprozessen, dargestellt durch Vektoren von Trainingsparametern und/oder den Messwert-Gesamt-Schnittregisterfehler, off-line zu trainieren, insbesondere auch bei Mehrbahnenbetrieb.
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Gemäß noch einer Ausführungsform der erfindungsgemäßen Rollendruckmaschine ist die Steuervorrichtung eingerichtet, das vortrainierte lernfähige System unter Nutzung der Messwerte des Vektors on-line weiter zu trainieren.
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Gemäß einer Ausführungsform der erfindungsgemäßen Rollendruckmaschine ist die Steuervorrichtung eingerichtet, die Vorhersage des Gesamt-Schnittregisterfehlers allein durch das fertig trainierte lernfähige System durchzuführen und den Betrieb der Rollendruckmaschine mit minimiertem Gesamt-Schnittregisterfehler zu realisieren.
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Gemäß einer Ausführungsform der erfindungsgemäßen Rollendruckmaschine ist die Steuervorrichtung eingerichtet, im verallgemeinerten Fall des erfindungsgemäßen Verfahrens bei Vorliegen mehrerer Kontrollparameter und mehrerer Zielparameter, insbesondere bei Mehrbahnenbetrieb, das lernfähige System off-line und on-line zu trainieren und den Betrieb der Rollendruckmaschine mit minimierten Gesamt-Schnittregisterfehlern der Teilbahnen und Einzelstränge eines Heftstrangs zu realisieren.
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Im Folgenden wird die Erfindung anhand bevorzugter Ausführungsformen und unter Bezugnahme auf die beigefügten Figuren detaillierter beschrieben.
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1 zeigt ein stark vereinfachtes Schema einer Illustrations Rollendruckmaschine mit Einrichtung zur Rekonstruktion (REK) einer an der Klemmstelle 3 eintreffenden Transportstörung (z ~TE3)
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2 zeigt ein stark vereinfachtes Schema einer weiteren Illustrations-Rollendruckmaschine mit Einrichtung zur Rekonstruktion (REK) einer an der Klemmstelle 3 eintreffenden Transportstörung (z ~TE3) und einer Regelung zur Lagekorrektur des Messerzylinders (MZ).
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3 zeigt einen linearisierten Wirkungsplan einer Illustrations-Rollendruckmaschine gemäß der Erfindung.
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4 beschreibt ein Steuersystem und ein Verfahren gemäß einer ersten Ausführungsform der Erfindung.
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5 beschreibt ein Steuersystem und ein Verfahren gemäß einer zweiten Ausführungsform der Erfindung.
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Für die folgende Beschreibung gilt allgemein: Eine physikalische Größe g(x, t), die Funktion des Ortes x und der Zeit t ist, wird im Falle der Linearisierung von nichtlinearen Gleichungen dargestellt als Summe aus dem Wert g(x) der Größe im stationären Arbeitspunkt und einer kleinen Abweichung g ~(x, t) vom stationären Arbeitspunkt: g(x, t) = g(x) + g ~(x, t) (1.1)
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Ist g nur eine Funktion der Zeit, so gilt: g(t) = g + g ~(t) (1.2)
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Ferner werden nachstehend folgende Definitionen verwendet:
- Ae
- entspannter Querschnitt der Bahn
- E
- Elastizitätsmodul im Arbeitspunkt
- e
- Basis des natürlichen Logarithmus'
- F
- Bahnzugkraft
- Fn-1,n
- Änderung der Bahnzugkraft im Abschnitt (n – 1, n)
- s
- Laplace-Operator
- t
- Zeit
- T
- Zeitkonstante
- T0n
- Zeitkonstante zwischen Klemmstelle 0 und n
- T1n
- Zeitkonstante zwischen Klemmstelle 1 und n
- vcn
- Umfangsgeschwindigkeit der Klemmstelle n
- v
- mittlere Transportgeschwindigkeit der Bahn
- Y~*1n
- Teil-Schnittregisterfehler am Eingang der Klemmstelle n
- z~T
- Transportstörung
- z~TEn
- Transportstörung am Eingang der Klemmstelle n
- α5
- Istwert des Winkels von Klemmstelle 5
- α5w
- Sollwert des Winkels von Klemmstelle 5
- α~5V
- Vorsteuerungs-Zusatzsollwert
- ε
- Dehnung
- εn-1,n
- Stationärer Wert der Dehnung im Abschnitt (n – 1, n), ε n-1,n = ε Fn-1,n = F n-1,n/(A e E n-1,n)
- ε~Fn-1,n
- Kleine Änderung der zugspannungsabhängigen Dehnung im Abschnitt (n – 1, n), ε ~Fn-1,n = F ~n-1,n/(A e E n-1,n)
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Nun wird das Rekonstruktionsverfahren für eine Transportstörung beschrieben.
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1. Funktionsbeschreibung eines Rekonstruktionsverfahrens für eine Transportstörung
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1.1 Erste Variante des Rekonstruktionsverfahrens (Rekonstruktion der Transportstörung an einer Klemmstelle n)
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Zunächst wird unter Bezugnahme auf 1 eine erste Variante eines Verfahrens beschrieben, bei dem eine mit einer laufenden Bedruckstoffbahn transportierte, zu einem bestimmten Zeitpunkt an einer Klemmstelle einer Rollendruckmaschine durch Einlaufen der Bedruckstoffbahn in diese Klemmstelle eintreffende Gesamttransportstörung der Bedruckstoffbahn aus bestimmten, an einem Eingang der Klemmstelle zu diesem Zeitpunkt auftretenden, physikalischen Größen rekonstruiert wird, wobei stationäre Parameter in die Rekonstruktion mit eingehen. Dann wird unter Bezugnahme auf 2 eine Anwendungsmöglichkeit dargestellt.
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Grundlage der Rekonstruktion der genannten Störung, die kurz als „Transportstörung” (z ~T) bezeichnet werden soll, da sie mit der Bedruckstoffbahn transportiert wird, ist das linearisierte mathematische Modell der durchlaufenden elastischen Bedruckstoffbahn, speziell die mathematische Beschreibung für einen Teil-Schnittregisterfehler.
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Der am Eingang einer nicht druckenden Klemmstelle n gemessene Teil-Schnittregisterfehler
Y ~ * / 1n ist gegeben durch die im Bildbereich der Laplace-Transformation formulierte Beziehung:
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Diese Gleichung gilt unter der Voraussetzung gleich großer stationärer Elastizitätsmoduln (E-Moduln) E in den Bahnabschnitten (0 – 1) und (n – 1, n) sowie kraftschlüssigen Klemmstellen 1 und n.
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Im Falle einer druckenden Klemmstelle entfällt der letzte Term v ~cn(s)/v in der rechteckigen Klammer.
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In Gleichung (1.1.1) sind alle mit Tilde gekennzeichneten Variablen Funktionen des Laplace-Operators s, also in der Rücktransformierten von Gleichung (1.1.1) Zeitfunktionen, und zwar kleine Abweichungen von ihrem Wert im stationären Arbeitspunkt, der durch einen Querstrich gekennzeichnet ist. Der Laplace-Operator s wird im Folgenden aus Gründen der Übersichtlichkeit meist weggelassen.
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Im Einzelnen ist:
- Ae
- der entspannte Querschnitt der Bedruckstoffbahn
- E
- der stationäre Elastizitätsmodul der Bedruckstoffbahn
- (εn-1,n – ε01)
- die Differenz der stationären Dehnungen im Bahnabschnitt (n – 1, n) und (0, 1)
- F~n-1,n
- die Änderung der Bahnzugkraft im Bahnabschnitt (n – 1, n)
- F~01
- die Änderung der Bahnzugkraft im Bahnabschnitt (0, 1)
- s
- der Laplace-Operator
- T1n
- Zeitkonstante zwischen Klemmstelle 1 und n
- v~cn
- die Änderung der Umfangsgeschwindigkeit der Klemmstelle n
- Y~*1n
- die am Eingang der Klemmstelle n auftretende Änderung des Teil-Schnittregisterfehlers
- z~TEn
- die am Eingang der Klemmstelle n angelangte Änderung der Transportstörung z ~T bzw. klemmstellenbezogene Gesamttransportstörung
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Die Transportstörung bzw. klemmstellenbezogene Gesamttransportstörung z ~
TEn ist durch folgende Beziehung geeben:
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Darin ist z ~
TE0 die am Ausgang des Wickels (Klemmstelle 0, vgl.
1), oder – genauer ausgedrückt – am Eingang seiner Ausgangsgleitzone austretende und in die Druckmaschine eingeleitete Transportstörung, die durch die Gleichung
beschrieben wird, mit der Querschnittsänderung A ~
eE0 und der E-Modul-Änderung E ~
E0. Diese Störung erscheint nach Ablauf der Totzeit T
0n am Eingang von Klemmstelle n und ist durch den Ausdruck
gegeben.
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Die in Gleichung (1.1.2) auftretende Totzeit T0n ist gegeben durch die Laufzeit eines Bahnpunktes von der Klemmstelle 0 bis zur Klemmstelle n: T0n = T01 + T12 + ...Ti–1,n + ...Tn-1,n (1.1.5a)
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Es gilt T0n = T01 + T1n (1.1.5b) mit T1n = T12 + ...Ti-1,i + ...Tn-1,n (1.1.5c)
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Eine Laufzeit bzw. Totzeit T
i-1,i in einem Bahnabschnitt (i – 1, i) ist durch die Länge I
i-1,i der freien Bedruckstoffbahn und die mittlere stationäre Transportgeschwindigkeit
v der Bedruckstoffbahn bestimmt:
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Laufzeit bzw. Totzeit und Zeitkonstante der Bahn sind also durch denselben Ausdruck Gl. (1.1.6) gegeben.
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Gleichung (1.1.1) wird nun nach der Gesamttransportstörung z ~
TEn aufgelöst. Man erhält zusammen mit Gleichung (1.1.2):
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Die Differenz der stationären Dehnungen
(ε n-1,n – ε 01) im Arbeitspunkt lässt sich in sehr guter Näherung durch die Voreilung der Klemmstelle n gegenüber der Klemmstelle 1 ausdrücken:
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Damit ergibt sich die zu Gleichung (1.1.7) äquivalente Beziehung:
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Diese Gleichung (1.1.9) sagt aus, dass die zum Zeitpunkt t = 0 vom Abwickler in die Druckmaschine eingeleitete Störung z ~TE0 zum Zeitpunkt t = T0n, wenn sie am Eingang der Klemmstelle n angekommen ist, mit Hilfe der in der Klammer stehenden, messbaren Größen Y ~ * / 1n , F ~n-1,n, F ~01 und v ~cn rekonstruiert werden kann. Dafür ist außerdem die Kenntnis der stationären Arbeitspunktgrößen v, W n1, A e und E notwendig. Für diese gelten die folgenden Überlegungen gemäß den folgenden Punkten 1. bis 4.:
- 1. Die mittlere Transportgeschwindigkeit v der Bedruckstoffbahn im Arbeitspunkt kann in guter Näherung mit der stationären Geschwindigkeit v 0 der virtuellen Leitachse in diesem Arbeitspunkt gleichgesetzt werden: v ≈ v 0 (1.1.10)
- 2. Die stationäre Voreilung W n1 wird am Leitstand vorgegeben und ist damit bekannt. In Gleichung (1.1.8) kann weiterhin in guter Näherung gesetzt werden: v c1 ≈ v 0 (1.1.11)
- Daraus ergibt sich:
- Beide Gleichungen (1.1.8) und (1.1.12) setzen voraus, dass die Klemmstellen 1 und n der Bedruckstoffbahn ihre Umfangsgeschwindigkeiten v c1 und v cn mit genügender Genauigkeit einprägen.
- 3. Der entspannte Querschnitt A e der Bedruckstoffbahn ist für eine verarbeitete Papiersorte bekannt oder kann gemessen werden.
- 4. Der Elastizitätsmodul E im stationären Arbeitspunkt ist die kritischste Größe in Gleichung (1.1.9). Bei der Ableitung von Gleichung (1.1.9) wurde angenommen, dass kleine Änderungen A ~e und E ~ von ihren stationären Werten A e und E vorliegen, wobei diese im Verlauf der gesamten Bedruckstoffbahn vom Abwickler bis zum Messerzylinder dieselben seien. Dies ist wegen des Eintrags von Fluid (z. B. Druckfarbe, Wasser, Silikon) und Wärme (z. B. im Falle eines Trockners) nicht der Fall. Während die folgende Beziehung A e(n-1),n ≈ A e01 (1.1.13) oft eine zulässige Näherung darstellt, sind unterschiedliche E-Moduln E n-1,n und E 01 anzusetzen: E n-1,n ≠ E 01 (1.1.14)
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Daher ist Gleichung (1.1.9), wie sich zeigen lässt, folgendermaßen zu modifizieren:
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Ferner ist statt Gleichung (1.1.4) ist zu setzen:
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In Gleichung (1.1.16) ist
E En der stationäre E-Modul am Eingang der Klemmstelle n. Bei ortsunabhängigem stationären E-Modul gilt
E En = E n-1,n. Hingegen muss für die zeitliche Änderung des E-Moduls der Zusammenhang E ~
En(t) ≠ E ~
n-1,n(x, t) beachtet werden, denn die E-Modul-Störung wird mit der Bedruckstoffbahn transportiert, ist also zeit- und ortsabhängig und tritt zu einem bestimmten Zeitpunkt t in die Klemmstelle n ein. Daher folgt bei ortsunabhängigem E-Modul in ausführlicher Schreibweise aus Gleichung (1.1.16):
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Statt Gleichung (1.1.3) muss formal geschrieben werden:
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In Gleichung (1.1.18) ist E –1,0 der mittlere E-Modul der Bedruckstoffbahn im Wickel und stellt den „Arbeitspunkt” dar, um den linearisiert wird, so dass für den gesamten E-Modul im Wickel gilt, wenn x die Ortskoordinate in Längsrichtung der Bedruckstoffbahn ist: E–1,0(x) = E –1,0 + E ~–1,0(x) (1.1.19)
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Die kleine Änderung E ~–1,0(x) wird bei der Abwicklung am Anfangspunkt der Ausgangs-Gleitzone als eingeleitete Störung E ~E0(t – T0n) wirksam.
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Eine wichtige Voraussetzung für die Gültigkeit der Gleichungen (1.1.17a) und (1.1.17b) für Bahnabschnitte mit ungleich großen E-Moduln ist, dass sich die relative Änderung
(A ~eE0(t)/A e0 + E ~E0(t)/E –1,0) beim Durchlauf der Bedruckstoffbahn bis zur Klemmstelle n nicht ändert, dass also Gleichung (1.1.2) auch bei Einwirkung des Druck-, Trocknungs- und Kühlungsprozess unverändert gilt:
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Die beiden stationären E-Moduln E n-1,n und E 01 sind z. B. mit Hilfe von Sprungantworten bei laufender Bedruckstoffbahn bei vertretbarem Aufwand an Makulatur einmalig identifizierbar, z. B. während der ersten Phase einer beginnenden Produktion. Ein ortsabhängiger stationärer E-Modul E n-1,n(x) kann eventuell durch seinen ortsunabhängigen Mittelwert E mittel / n-1,n ersetzt werden. Diese Startwerte bleiben während der gesamten Produktion mit einer Papiersorte konstant und bestimmen die Genauigkeit der fortlaufenden Rekonstruktion. Sie gewichten einen Einfluss der Kraftänderungen F ~n-1,n und F ~01.
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Die Anforderungen an die Genauigkeit sind nach dem Zweck der Rekonstruktion zu beurteilen. Diese wird oft dazu dienen, geschlossene Regelkreise, z. B. für Bahnzugkraft, Farb- und Schnittregister, nach dem Prinzip der Störungsaufschaltung vorzusteuern (vgl. 2). In diesem Fall sind die Genauigkeitsanforderungen geringer als bei Kraft- und Registerkorrekturen in offener Steuerkette.
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Wenn der Verlauf von Gesamttransportstörung z ~TEn für kurze Zeiten beim und nach dem Rollenwechsel wichtig ist, so kommt es auf eine gute dynamische Genauigkeit der Rekonstruktion an. Der Oberschwingungsgehalt des Signals Y ~ * / 1n soll dann möglichst klein sein, da es differenziert wird (Multiplikation mit s (vgl. Gleichungen (1.1.9) und (1.1.15)) und eine eventuell notwendige starke Tiefpassfilterung das Zeitverhalten der Rekonstruktion verfälschen würde. Bei Anwendung der Rekonstruktion zur Vorsteuerung eines Farb- oder Schnittregisterfehlers kürzt sich jedoch die Differentiation, also die Multiplikation mit s, infolge der Größe 1/s in Gleichung (1.1.1) vorteilhafterweise oft heraus.
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Kommt es dagegen auf die Langzeitgenauigkeit der Gesamttransportstörung z ~TEn an, um einen langsam sich ändernden E-Modul im Minutenbereich genau zu erfassen, sind möglichst exakte Startwerte wichtig.
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Nach Erörterung der Überlegungen gemäß den obigen Punkten 1. bis 4. betreffen weitere Überlegungen die Möglichkeit, Gleichung (1.1.15) zu vereinfachen. Liegt bei einer Rollendruckmaschine eine genügend schnelle Regelung der Einlaufzugkraft F01 so darf gesetzt werden: F ~01 ≈ 0 (1.1.21)
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Dann reduziert sich Gleichung (1.1.15) auf:
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Damit müssen nur drei veränderliche Größen
Y ~ * / 1n , F ~
n-1,n und v ~
cn, gemessen werden, und nur der E-Modul
E n-1,n ist zu identifizieren. Darf auch v ~
cn ≈ 0 gesetzt werden, wenn die Klemmstelle n nur sehr kleine Bewegungen ausführt, oder ist im Falle einer druckenden Klemmstelle v ~
cn ≡ 0, so vereinfacht sich Gleichung (1.1.17) weiter zu:
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Dann genügt die Messung von nur zwei Größen. Wiederum ist nur der E-Modul E n-1,n zu identifizieren.
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1.2 Zweite Variante des Rekonstruktionsverfahrens (Rekonstruktion der Transportstörung an einer Klemmstelle 3)
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Nun wird eine zweite Variante des Rekonstruktionsverfahrens zum Rekonstruieren einer Transportstörung z ~TE3, beschrieben.
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Es wird als Beispiel für die Rekonstruktion einer Transportstörung das stark vereinfachte Schema einer Illustrations-Druckmaschine nach 1 zugrunde gelegt. Die Bedruckstoffbahn bzw. Papierbahn wird vom Abwickler W abgewickelt und über die Tänzerwalze TW der Klemmstelle 1 zugeführt, in der alle Druckwerke zusammengefasst sind.
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Die Bedruckstoffbahn läuft anschließend über den Trockner T und die Kühleinheit KE zur vollbreiten Zugwalze ZWE der Wendeinheit. Dort wird die Bedruckstoffbahn im Allgemeinen in Längsrichtung in Stränge geschnitten, die anschließend gewendet und parallel versetzt werden können und als Strangbündel in der Trichterzugwalze TR gesammelt werden. Die an dieser Klemmstelle gestrichelt gezeichnete Anpresswalze deutet an, dass es sich um Anpressrollen handelt, die nicht die ganze Walzenbreite bedecken. Von dort wird das Strangbündel dem Trichter und über weitere Transportstellen dem Messerzylinder zugeführt, der das Strangbündel in Querrichtung in Exemplare vorgeschriebener Länge schneidet. Mit REK ist die Rekonstruktionseinheit bzw. Steuervorrichtung bezeichnet, der die notwendigen Messgrößen zur Berechnung der Transportstörung z ~TE3 zugeführt werden und die alle notwendigen stationären Parameter der Papierbahn enthält (vgl. Gleichung (1.2.1) weiter unten).
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Die Rekonstruktionseinheit REK kann in Form von Software und/oder Hardware ausgebildet sein. Die Rekonstruktionseinheit REK kann separat von einer übergeordneten Steuervorrichtung für die Rollendruckmaschine, wie dem Leitstand der Rollendruckmaschine, ausgebildet sein oder kann in diese integriert sein.
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In 1 ist eine physikalische Größe x, z. B. die Kraft F23, als Gesamtgröße eingetragen, die sich aus dem stationären Anteil x , also z. B. F 23, und den instationären Änderungen x ~, also z. B. F ~23, additiv zusammensetzt (vgl. Gleichungen (1.1) und (1.2)). Eine Ausnahme bildet die Transportstörung z ~TE3, die im Zuge der mathematischen Linearisierung nur als (kleine) Änderung gemäß Gleichung (1.1.4) und (1.1.16) definiert ist.
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Für die Rekonstruktion der bei einem Rollenwechsel eingeleiteten Transportstörung ist es im Falle des Beispiels von
1 vorteilhaft, die vollbreite Zugwalze der Wendeeinheit, also die Klemmstelle 3, zu wählen. Für n = 3 ergibt sich aus den Gleichungen (1.1.1.5), (1.1.22) und (1.1.23):
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Aus Gleichung (1.1.17a) ergibt sich:
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Die Messung der Bahnzugkraft F01 erfolgt an der trockenen Bedruckstoffbahn vor den Druckwerken mit Hilfe des Sensors SF01. Die Messung der Bahnzugkraft F23 erfolgt durch den Sensor SF23 und ist infolge des dort fixierten Druckbildes ebenfalls unproblematisch. Die Änderung der Umfangsgeschwindigkeit v ~c3, deren Messung symbolisch durch den Sensor Sv3 dargestellt ist, ist aus der bekannten zeitlichen Drehzahländerung des zugeordneten Antriebsmotors einfach berechenbar. Die Messung der Änderung des Teil-Schnittregisterfehlers Y ~ * / 13 erfolgt berührungslos mit dem Sensor SY3. Die mittlere stationäre Transportgeschwindigkeit v der Bedruckstoffbahn ist nach Gleichung (1.1.10) bekannt. Für die stationären E-Moduln gelten die Erklärungen gemäß der ersten Variante des Rekonstruktionsverfahrens.
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Die zum Zeitpunkt t aus den Messgrößen rekonstruierte Größe z ~
TE3(t) gibt an, welchen Wert z ~
TE0 zum Zeitpunkt (t – T
03) hatte. Eine Rekonstruktion von z ~
TE3 nach Gleichung (1.2.1), (1.2.2) oder (1.2.3), beginnend mit einem Rollenwechsel, macht die kontinuierlichen Veränderungen A ~
eE3(t) des Querschnitts und E ~
E3(t) des E-Moduls am Eingang der Klemmstelle 3 beim Rollenwechsel selbst und während der folgenden Abwicklung sichtbar. Nach Abklingen der Auswirkung der nur kurzzeitigen Querschnittsänderung ist unter der Voraussetzung, dass die laufenden Querschnittsänderungen im Fortdruck klein gegen die des E-Moduls sind, nach Gleichung (1.2.4):
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Dann zeigt z ~TE3 im Wesentlichen die relative Änderung des E-Moduls.
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Es muss berücksichtigt werden, dass in die Größe z ~TE3 der Druckprozess, die Trocknung und die Kühlung eingegangen sind, also die aus dem Wickel zum Zeitpunkt (t – T03) in die Bedruckstoffbahn eingeleitete E-Modul-Änderung E ~E0 nach Gleichung (1.1.3) nicht identisch mit der identifizierten E ~E3 ist, also gilt: E ~E3(t) ≠ E ~E0(t – T03) (1.2.6)
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Jedoch ist nach den Darlegungen in Bezug auf die erste Variante des Rekonstruktionsverfahrens trotz Trocknung und Kühlung eine hohe Korrelation zwischen den im Wickel gespeicherten relativen Änderungen des Querschnitts und des E-Moduls und den an der Klemmstelle 3 wirksam werdenden zu erwarten. Im Falle von Zeitungsdruckmaschinen, die ohne einen Trockner ausgeführt sind, entfallen die Effekte infolge von Trocknung und Kühlung.
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Aus dem zeitlichen Verlauf der rekonstruierten Größe z ~TE3 lässt sich der ursprüngliche, im Wickel gespeicherte örtliche Verlauf der E-Modul-Änderung in Längsrichtung der Bedruckstoffbahn berechnen, der bei der Abwicklung freigeworden ist. Unter der Voraussetzung, dass die hier zugrunde liegende elastische Bedruckstoffbahn die reale Papierbahn im aufgewickelten Zustand hinreichend zutreffend beschreibt, lassen sich daraus Aussagen zur Beschaffenheit des Wickels ableiten.
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Ähnliche Anwendungsbeispiele lassen sich auch für andere Arten von Rotationsdruckmaschinen finden.
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1.3 Dritte Variante des Rekonstruktionsverfahrens (Rekonstruktion und Prädiktion)
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Nun wird eine dritte Variante des Rekonstruktionsverfahrens zur Rekonstruktion einer Transportstörung z ~TE3 und eine Störungsaufschaltung beschrieben.
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Ein weites Feld von Anwendungen des Verfahrens der Rekonstruktion liegt in der Möglichkeit der Voraussage (Prädiktion) von Bahnkraftänderungen und von Farbregister- sowie Schnittregisterfehlern, insbesondere des Gesamt-Schnittregisterfehlers am Messer, nach einem Rollenwechsel. Dadurch wird es möglich, rechtzeitig Korrekturmaßnahmen einzuleiten, sei es zur Maschinenführung in offener Steuerkette oder zur Korrektur von geschlossenen Zugkraft- und Registerregelkreisen nach dem Prinzip der Störungsaufschaltung.
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2 zeigt als Beispiel die Aufschaltung der rekonstruierten Transportstörung z ~TE3 auf den Schnittregister-Regelkreis am Messerzylinder. Der Gesamt-Schnittregisterfehler wird am Messerzylinder durch den Sensor Sy5 gemessen und liefert den Istwert Y15, der am Eingang des Registerreglers Ry mit dem Sollwert Y15w verglichen wird. Die Ausgangsgröße des Registerreglers liefert den Sollwert α5w für den Winkelregelkreis des Messerzylinders. Aus der Ausgangsgröße z ~TE3 der Rekonstruktionseinheit REK wird mit Hilfe der Vorsteuereinheit, die ein dynamisches Streckenmodell enthält, ein Vorsteuer-Zusatz-Sollwert α ~5V abgeleitet, der dem Eingang des Winkelreglers des Antriebs der Klemmstelle 5 zugeführt wird.
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Der Winkelregelkreis wird zusätzlich zum Grundsollwert α5w durch den Zusatzsollwert α ~5V zu jedem Zeitpunkt so geführt, dass der Einfluss von Querschnitts- und E-Moduländerungen auf den Gesamt-Schnittregisterfehler Y15 durch eine Winkelanpassung schon weitgehend kompensiert wird, insbesondere bei und nach einem Rollenwechsel, so dass der Registerregler nur noch Restfehler beseitigen muss. Dadurch werden die Auslenkungen der Schnittlinie aus ihrer Solllage kleiner als ohne die Aufschaltung der Transportstörung z ~TE3.
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Derartige Aufschaltungen lassen sich auch bei vor dem Messer befindlichen Kraft- und Registerregelungen durchführen. Ähnliche Anwendungsbeispiele lassen sich auch für andere Arten von Rotationsdruckmaschinen finden.
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1.4 Vierte Variante des Rekonstruktionsverfahrens (Mehrfachrekonstruktion)
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Nun wird eine vierte Variante des Verfahrens zur Rekonstruktion einer Transportstörung z ~TE3, insbesondere Mehrfachrekonstruktionen, beschrieben.
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Die allgemeine Rekonstruktionsgleichung (1.1.15) lässt sich nicht nur auf eine Klemmstelle, im obigen Beispiel die Klemmstelle 3, sondern zusätzlich auch auf weitere kraftschlüssige Klemmstellen vor oder nach der Klemmstelle 3 anwenden.
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In einem System aus z Klemmstellen gilt zwischen zwei beliebigen, aufeinander folgenden Klemmstellen n und n + i mit i = 1, 2, ..., z gemäß Gleichung (1.1.2):
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Im Falle n = 3 und i = 2 gilt beispielsweise:
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Liegen die gemessenen Zeitverläufe von z ~TEn und z ~TE,n+i vor und wird z ~TE,n+i um die Zeit Tn,n+i nach links verschoben, so müssen die Kurven deckungsgleich sein. Ist dies nicht der Fall, so liegen Messungenauigkeiten oder unbekannte, mit der Bedruckstoffbahn transportierte, prozessbedingte Einflüsse vor, die eine Prozessanalyse ermöglichen.
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Sind allein Messungenauigkeiten die Ursache, so kann insbesondere bei i = 1 eine Mittelwertbildung die Rekonstruktionsgenauigkeit verbessern:
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Dazu ist die Messreihe von z ~TE,n+1 um die Totzeit Tn,n+i nach links zu verschieben, so dass die Koordinaten-Anfangspunkte von z ~TE,n+1 und z ~TE,n zusammenfallen.
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Bei Bahnabschnitten mit unterschiedlichen E-Moduln lassen sich, wenn als Beispiel die Klemmstellen 2 und 3 gewählt werden, für den Fall, dass unbekannte Prozesseinflüsse ausgeschlossen werden können, vereinfachend für F ~
01 ≈ 0 aus Gleichung (1.1.22) folgende Beziehungen finden:
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Die eingeleitete Störung z ~
TE0 ist in beiden Fällen identisch. Also gilt:
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Liegen die zeitabhängigen Messreihen für z ~TE2 und z ~TE3 vor, und wird jene von z ~TE3 um die Totzeit T23 nach links verschoben, so lässt sich z. B. bei bekanntem E-Modul E 23 der E-Modul E 12 berechnen.
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Rekonstruktionen können bei mehrbahnigem Betrieb einer Rollendruckmaschine, d. h. bei der Verarbeitung der Bedruckstoffbahnen mehrerer Rollenwechsler in einer einzigen Maschine, dazu dienen, bei einem Rollenwechsel in der zugehörigen Bedruckstoffbahn Korrekturmaßnahmen in Zugkraft- und Registerfehlern einzuleiten und die Auswirkungen des Rollenwechsels auf die anderen Bedruckstoffbahnen und Stränge zu reduzieren.
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2. Neuronale Prädiktion des Gesamt-Schnittregisterfehlers
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Nun werden unter Bezugnahme auf die 3 bis 5 Ausführungsformen eines erfindungsgemäßen Verfahrens und Steuersystems zum Betreiben einer Rollendruckmaschine beschrieben, wobei eine modellgestützte neuronale Prädiktion bzw. Vorhersage des Gesamt-Schnittregisterfehlers in der Rollendruckmaschine ermöglicht wird.
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Für eine Kurzdarstellung zweier Ausführungsformen des Verfahrens und Steuersystems zur Vorhersage des Gesamt-Schnittregisterfehlers wird ein 6-Walzen-System mit dem für kleine Änderungen aller Variablen (Kennzeichnung durch Tilde) aus ihrem stationären Arbeitspunkt (Kennzeichnung durch Querstrich) gültigen, linearisierten Wirkungsplan nach 3 zugrunde gelegt, das für die Beschreibung einer Druckmaschine mit einer vollbreiten Bahn, die in mehrere Stränge aufgeteilt wird, geeignet ist. Die Stränge werden an einer Klemmstelle 5 zusammengeführt. Dort erfolgt die Messung der Teil-Schnittregisterfehler jedes Strangs. Diese können mit geeigneten Stellgliedern nach Maßgabe der Schnittlage der späteren Umhüllenden des Heftstrangs korrigiert werden. Die Messung des Gesamt-Schnittregisterfehlers findet unmittelbar an einem Messerzylinder MZ statt.
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Liegt ein Zwei- oder Mehrbahnenbetrieb vor, so werden auch deren Stränge an der Klemmstelle 5 zusammengeführt und nach Maßgabe der Schnittlage der späteren Umhüllenden des vollständigen Heftstrangs in ihren Teil-Schnittregisterfehlern korrigiert.
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Das 6-Walzen-System von 3 kann in den einzelnen Bahnabschnitten durch Leitwalzen erweitert, und diese können im Wirkungsplan abgebildet werden. Das so erweiterte mathematische Bahnlaufmodell ist dann auch in der Lage, das dynamische Verhalten von Beschleunigungsvorgängen (Hochfahren und Bremsen der Druckmaschine) annähernd zu beschreiben, wenn diese im Hinblick auf die dem Wirkungsplan zugrunde liegende Linearisierung der dynamischen Gleichungen um einen stationären Arbeitspunkt langsam genug erfolgen.
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2.1 Funktionsbeschreibung einer ersten Ausführungsform (Verfahren 1)
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Die Struktur des Verfahrens 1 zeigt 4. Die Grundidee des Verfahrens besteht darin, in einem ersten Schritt das – möglichst gut optimierte – mathematische Modell zur Generierung des Kontrollparameters Y ~16M für den Zielparameter Ŷ15N dem von einem lernfähigen System prädizierten Gesamt-Schnittregisterfehler, vorzusehen. Von Y ~16M wird Y ~16N subtrahiert. Diese Differenz ist der Fehler e1 zwischen dem Kontrollparameter Y ~16M und dem prädizierten Zielparameter Y ~16N e1 = Y ~16M – Y ~16N (2.1.1) des Prozesses. Für den lernenden Prädiktorteil kommen lernfähige Systeme und Verfahren in Frage, die sich vor allem mit neuronalen Techniken realisieren lassen (siehe [7] – Gupta, M. M.; Sinha, N. K.: Intelligent Control Systems. New York: The Institute of Electrical and Electronics Engineers, Inc. 1996). Im Folgenden wird eine Lösung mit einem Künstlichen Neuronalen Netz (KNN, engl. Artifical Neural Net, ANN) beschrieben (vgl. ([9] – Nauck, D.; Klawonn, F., Kruse, R.: Neuronale Netze und Fuzzy-Systeme. Braunschweig/Wiesbaden, Vieweg-Verlag 1996) und ([6] – Bose, B.K.: Neural Network Applications in Power Electronics and Motor Drives – An Introduction and Perspective. IEEE Trans. on Industrial Electronics, Vol. 54, No. 1, Febr. 2007, pp. 14–33).
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Der Lernvorgang erfolgt mit Hilfe des Lernalgorithmus' LA, vgl. 4. Dieser hat zur Aufgabe, den Fehler e2 zwischen dem am Prozess messbaren Gesamt-Schnittregisterfehler Y ~16P und dem prädizierten Y ~16N zu minimieren, also e2 = Y ~16P – Y ~16N → Min, (2.1.2) indem die Netzparameter lernend verändert werden.
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Die Rollendruckmaschine, vorzugsweise eine Illustrations-Druckmaschine, wird kurz als Prozess bezeichnet. Dieser weist die Prozessparameter P1, P2 und P3 auf, die vorstehend bereits erklärt sind, und zwar
- P1
- Materialparameter des Bedruckstoffs
- P2
- Produktionsparameter
- P3
- Maschinenparameter
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An der Klemmstelle 1 und i gemessene Bahn- und Klemmstellen-Betriebsparameter sind:
- F~01
- Änderung der Einlauf-Bahnzugkraft
- F~i-1,i
- Änderung der Bahnzugkraft im Abschnitt (i – 1, i)
- v~ci/v
- Voreilungsänderung
- Y~*1i
- Teil-Schnittregisterfehler
-
Aus diesen Betriebsparametern wird die Transportstörung z ~TEi rekonstruiert, wie in der vorhergehenden Beschreibung unter Bezugnahme auf die 1 und 2 unter der Bezeichnung z ~TEn beschrieben, vgl. z. B. Gleichung (1.1.15). Ist die Einlaufkraft F01 konstant, so ist F ~01 = 0 und diese Größe für die Rekonstruktion nicht notwendig.
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Die Größen F ~i-1,i, v ~ci/v und z ~TEi sind Eingangsgrößen des mathematischen Modells. Bei komplizierteren Systemen als 3 treten ggf. weitere Geschwindigkeitsänderungen sowie Lageänderungen von Stellwalzen hinzu. Das mathematische Modell erhält weiterhin die Prozessparameter P1, P2 und P3, aus denen Voreinstellungen für die am gewählten Arbeitspunkt konstanten Modellparameter abgeleitet werden. Ausgangsgröße des mathematischen Modells ist der Kontrollparameter Y ~16M.
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Das KNN erhält dieselben dynamischen Eingangsgrößen F ~
i-1,i,
v ~ci/v und z ~
TEi wie das mathematische Modell, aber zusätzlich auch einen Vektor
von möglichst wenigen, für die zusätzliche Korrektur von Y ~
16M signifikanten, im mathematischen Modell nicht erfassbaren Einflussgrößen.
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Das Training des KNN erfolgt in zwei Phasen: a) off-line und b) on-line. Anschließend folgt die Prädiktionsphase c).
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a) Off-line-Training
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Beim Off-line-Training ist der aktuelle Produktionsprozess mit Bedruckstoffbahn abgekoppelt. An seine Stelle treten vorhandene, typische Datensätze von früheren Produktionsprozessen. Beim Off-line-Training in der Schalterstellung
S1 = S2 = 1, S3 = S4 = S5 = 0 (2.1.3) (S
i = 0 ☐ Kontakt geöffnet, S
i = 1 ☐ Kontakt geschlossen) wird mittels der vorhandenen, typischen Datensätze von früheren Produktionsprozessen und der Vorgabe
das Netz so trainiert, dass
e1,off-line = Y ~16M – Y ~16N → Min (2.1.4) wird, das Netz also nahezu die Ergebnisse des mathematischen Modells liefert, das vorher bestmöglich optimiert worden war. Damit ist bereits eine Grundeinstellung des Netzes gefunden. Auf einen möglichst großen Amplitudenbereich der Trainingsdaten ist zu achten.
-
Das KNN muss das Zeitverhalten des dynamischen mathematischen Modells nachbilden und aus diesem Grunde ein rückgekoppeltes Netz (recurrent ANN) sein.
-
Falls aus früheren Produktionsläufen bewährte Datensätze mit
in Form von Werteverläufen Y ~
16P,soll vorliegen, wird mit dieser Vorgabe unter der Schalterstellung
S2 = S5 = 1, S1 = S3 = S4 = 0 (2.1.5) das KNN off-line weiter trainiert, bis der Fehler innerhalb eines vorgegebenen Toleranzbandes liegt. Auf eine möglichst große Variantenvielfalt der Trainingsdaten ist zu achten.
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b) On-line-Training
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Beim On-line-Training ist der aktuelle Produktionsprozess mit Bedruckstoffbahn angekoppelt. Das mathematische Modell ist abgetrennt, und das Netz wird mit der Schalterstellung S2 = S3 = 1, S1 = S4 = S5 = 0 (2.1.6) nach Maßgabe des laufenden Produktionsprozesses nachtrainiert. Kontrollgröße ist der am aktuellen Produktionsprozess gemessene Gesamt-Schnittregisterfehler Y ~16P. Dieses On-line-Training erfolgt erstmalig bei der Inbetriebnahme der Druckmaschine und wird bei realen Produktionsläufen so lange fortgesetzt, bis alle häufig vorkommenden Papier- und Produktionsvarianten erfasst worden sind.
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c) Prädiktionsbetrieb
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Darf der Lernvorgang als beendet angesehen werden, übernimmt das fertig trainierte KNN allein, d. h. ohne weiteres Lernen, mit der Schalterstellung S4 = 1, S1 = S2 = S3 = S5 = 0 (2.1.7) nach Maßgabe des prädizierten Gesamt-Schnittregisterfehlers Y ~16N ≈ Y ~16P die Vorgabe der Korrektur der gesteuerten Lage des Messerzylinders MZ oder die Vorsteuerung eines entsprechenden Lage-Regelkreises in der Weise, dass der am Messer auftretende Gesamt-Schnittregisterfehler zu einem Minimum wird.
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2.2 Funktionsbeschreibung einer zweiten Ausführungsform (Verfahren 2)
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Bei diesem einfacheren Verfahren wird, falls das lernende System in Form eines KNN realisiert wird, ein mehrschichtiges, nicht rückgekoppeltes KNN (feedforward ANN) nach 5 eingesetzt, das kein eigenes Zeitverhalten aufweist. Dieses wird Bestandteil des mathematischen Modells nach 3, das damit zu einem lernfähigen mathematischen Bahnlaufmodell erweitert wird.
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In 5 ist Y ~16M der vom lernfähigen mathematischen Bahnlaufmodell prädizierte Gesamt-Schnittregisterfehler und im fertig trainierten Zustand für die Korrektur der Lage des Messerzylinders maßgebend. Im Verfahren 1 nach 4 hingegen war dies Y ~16N, während Y ~16M nach 4 nur zum Off-line-Training diente. Die Größe Y ~16P in 5 ist entweder der für das Off-line-Training verwendete, in Form von Messreihen von früheren Produktionsprozessen vorliegende, Gesamt-Schnittregisterfehler oder der für das On-line-Training verwendete, am aktuellen Produktionsprozess gemessene, Gesamt-Schnittregisterfehler. Die Eingangsgröße des zugehörigen Prozessintegrators wird x ~16P genannt und ist am Prozess nicht messbar.
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Bisherige Simulationsergebnisse haben gezeigt, dass sich Y ~
16M und Y ~
16P, die Ausgänge der beiden, diese Schnittregisterfehler liefernden Integratoren, für schnelle dynamische Vorgänge, z. B. bei einem Rollenwechsel, qualitativ nicht wesentlich unterscheiden. Für die Ableitung der Grundform des Verfahrens wird daher angenommen, dass auch die Eingänge der Integratoren, und zwar im Modell („Modellintegrator”)
und im Prozess („Prozessintegrator”)
dynamisch sehr ähnlich sind. Dann wird ein KNN vor den Modellintegrator geschaltet, das den Fehler
e3 = x ~*16P – x ~16M (2.2.3) mit Hilfe eines geeigneten Algorithmus' MIN (Minimierungsalgorithmus) minimiert und dessen Gewichtsfaktoren mit Hilfe eines Lernverfahrens LA (Lernalgorithmus) eingestellt werden. Das KNN braucht wegen der verhältnismäßig geringen dynamischen Abweichungen der Größen x ~
16M und x ~*
16P voneinander keine Prozessdynamik nachzubilden, im Gegensatz zu dem Netz von Verfahren 1.
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Das Eingangssignal x ~
16M = x ~
AN wird, falls notwendig, einem Hochpass (HP in
5) entnommen, der den im Eingangssignal
(vgl.
3) enthaltenen, durch Modellungenauigkeiten verursachten Gleichanteil herausfiltert, falls ein solcher vorhanden ist. Das dynamische Verhalten des Hochpasses und des Differenziergliedes von Gleichung (2.2.2) können erforderlichenfalls an einander angeglichen werden, um dynamisch möglichst ähnliche Signale x ~
16M und x ~*
16P zu gewährleisten.
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Die Struktur in 5 zeigt nun, dass bei der Annahme von Integratoren, die in guter Näherung gleiches Verhalten aufweisen, statt des Fehlers gemäß Gleichung (2.2.3) auch der Fehler e4 = Y ~16P – Y ~16M (2.2.5) (gestrichelt in 5) verwendet werden kann, womit das Differenzierglied entfällt und die Struktur vereinfacht wird. Den Fehler e3 nach Gleichung (2.2.3) anstatt e4 nach Gleichung (2.2.5) zu minimieren, hat den Vorteil, dass ein etwa vorhandener Gleichanteil im Signal x ~16M noch nicht aufintegriert ist und außerdem e3 dynamisch schneller als e4 zur Verfügung steht. Die vorteilhafteste Variante muss experimentell ermittelt werden.
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Das KNN erhält ähnlich wie gemäß 4 Vorinformationen (in 5 nicht gezeichnet), die aus den Prozessparametern P1, P2 und P3 (vgl. 4) abgeleitet werden. Das Training des KNN erfolgt in zwei Phasen: a) off-line und b) on-line.
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a) Off-line-Training
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Das KNN wird off-line mit Hilfe bekannter Datensätze von früheren Druckprozessen vortrainiert. Der Kontrollparameter wird Y ~16P,soll genannt, Zielparameter ist Y ~16M. Das mathematische Modell erhält wie in 4 die Größen F ~i-1,i, v ~ci/v, falls notwendig auch F ~01, und die rekonstruierte Transportstörung z ~TEi (wie gemäß 1 und 2 in Bezug auf z ~TEn beschrieben). Daraus werden v ~ m / E6/v und z ~TE6 berechnet und dem KNN, evtl. über den Hochpass HP (vgl. 5) zugeführt. Das KNN minimiert entweder den Fehler e3,soll = x ~*16P,soll – x ~16M (2.2.6) wobei x ~*16P,soll aus dem bekannten Werteverlauf von Y ~16P,soll durch gewichtete Differentiation (Muliplikation mit s/v, vgl. 5) gebildet wird, oder es minimiert unmittelbar den Fehler e4,soll = Y ~16P,soll – Y ~16M (2.2.7)
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Die vorteilhafteste Variante ist experimentell zu ermitteln.
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Lässt sich eine befriedigende Fehlerminimierung noch nicht erreichen, so wird ein Vektor
aus weiteren, signifikanten Prozessgrößen hinzugefügt und das KNN off-line weiter trainiert, bis der Fehler innerhalb eines vorgegebenen Toleranzbandes liegt.
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b) On-line-Training
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Das KNN wird bei laufendem Produktionsprozess in der Struktur von
5 on-line nachtrainiert, gegebenenfalls wieder unter Einführung eines Vektors
aus weiteren, signifikanten Prozessgrößen.
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c) Prädiktionsbetrieb
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Ist der Trainingsvorgang abgeschlossen, so übernimmt das lernfähige mathematische Modell mit dem fertig trainierten KNN die Prädiktion des Gesamt-Schnittregisterfehlers nach Maßgabe des prädizierten Gesamt-Schnittregisterfehlers Y ~16M ≈ Y ~16P (2.2.8) die Vorgabe der Korrektur der gesteuerten Lage des Messerzylinders MZ oder die Vorsteuerung eines entsprechenden Lage-Regelkreises in der Weise, dass der am Messer auftretende Gesamt-Schnittregisterfehler zu einem Minimum wird.
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2.3 Mehrbahnenbetrieb
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Der Mehrbahnenbetrieb wird am Beispiel von zwei Bahnen A und B erklärt. Von der Bahn A wie von der Bahn B werden die entsprechenden Größen F ~i-1,i, v ~ci/v, falls notwendig auch F ~01, gemessen und daraus die Transportstörung z ~TEi an der betreffenden Klemmstelle i rekonstruiert. Bahn A bilde die Umhüllende des vollständigen Heftstrangs. Am Messerzylinder MZ ist im Trainingsbetrieb allein der Gesamt-Schnittregisterfehler Y ~ A / 16P der Umhüllenden messbar. Es sind zwei Störungsfälle zu unterscheiden:
-
a) Störungsfall 1
-
Tritt in der Bahn B, z. B. infolge eines Rollenwechsels, eine Störung auf, so hat diese wegen der durchlaufenden Dehnungsänderung einen Schnittregisterfehler
Y ~ B / 16P zur Folge. Wegen der infolge von Reibung vorhandenen Verkopplung von Bahn B mit Bahn A wird auch ein Fehler
Y ~ A / 16P hervorgerufen, der am Messerzylinder MZ messbar ist und daher off-line und on-line trainiert werden kann. Der Fehler
Y ~ B / 16P ist nicht messbar. Durch eine Off-line-Vermessung geschnittener Exemplare oder eine Online-Vermessung besonders präparierter Bahnen reduzierter Breite können Erfahrungswerte gesammelt werden. Diese können in Off-line-Trainingswerte umgesetzt und in die entsprechenden Vektoren
einbezogen werden.
-
b) Störungsfall 2
-
Tritt in der Bahn A, z. B. infolge eines Rollenwechsels, eine Störung auf, so hat diese einen Schnittregisterfehler
Y ~ A / 16P zur Folge, der messbar und daher off-line und on-line trainierbar ist. Durch die Kopplung beider Bahnen wird auch ein nicht messbarer Fehler
Y ~ B / 16P hervorgerufen. Durch eine Off-line-Vermessung geschnittener Exemplare oder eine On-line-Vermessung besonders präparierter Bahnen reduzierter Breite können wie im vorigen Fall Erfahrungswerte gesammelt werden. Diese können in Off-line-Trainingswerte umgesetzt und in die entsprechenden Vektoren
einbezogen werden.
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In einer verallgemeinerten Ausprägung der Verfahren 1 und 2, insbesondere für Mehrbahnenbetrieb erfolgt also nicht nur die Prädiktion des Gesamt-Schnittregisterfehlers der Umhüllenden des Heftstrangs, sondern auch der in diesem eingeschlossenen, am Messerzylinder nicht messbaren Einzelstränge mit dem Ziel, eine optimierte Schnittlage aller geschnittenen Stränge zu erzielen.
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Das mathematische Modell, das Künstliche Neuronales Netz KNN, der Lernalgorithmus LA und der Minimieralgorithmus MIN (vgl. 4 und 5), ggf. das Differenzierglied und der Hochpass HP (vgl. 5), können gemeinsam mit der Rekonstruktionseinheit REK in eine übergeordnete Steuervorrichtung der Rollendruckmaschine, wie den Leitstand der Rollendruckmaschine, integriert sein oder auch jeweils in eine separate Steuervorrichtung integriert sein. Jede Steuervorrichtung kann z. B. in Form von Software und/oder Hardware ausgebildet sein.
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Literaturverzeichnis
-
- [1] Brandenburg, G.; Tröndle, H.-P.: Das Verhalten durchlaufender elastischer Stoffbahnen bei ortsabhängiger Verteilung von Elastizitätsmodul, Querschnitt und Dichte. Siemens Forschungs- und Entwicklungsberichte 4 (1975) Nr. 6, S. 359–367
- [2] Brandenburg, G.; Tröndle, H.-P.: Dynamik des Längsregisters bei Rollenrotationsdruckmaschinen. Siemens Forschungs- und Entwicklungsberichte 5 (1976) Nr. 1, S. 17–20 und Nr. 2, S. 65–71
- [3] Brandenburg, G.: Verallgemeinertes Prozeßmodell für Fertigungsanlagen mit durchlaufenden Bahnen und Anwendung auf Antrieb und Registerregelung bei Rotationsdruckmaschinen. Fortschrittberichte der VDI Zeitschriften, Reihe 1, Nr. 46. Düsseldorf, VDI-Verlag 1976
- [4] Brandenburg, G.: Prozeßmodelle für durchlaufende elastische Bahnen in kontinuierlichen Fertigungsanlagen. VDI-Berichte Nr. 276, 1977, S 241–256
- [5] Brandenburg, G.; Geißenberger, S.; Klemm, A.: Entkoppelte Regelung von Bahnzugkraft und Schnittregisterfehlern bei Rollendruckmaschinen mit elektronischer Welle. VDI/VDE Tagung Elektrisch-mechanische Antriebssysteme, Fulda 2004, S. 273–285
- [6] Bose, B. K.: Neural Network Applications in Power Electronics and Motor Drives – An Introduction and Perspective. IEEE Trans. on Industrial Electronics, Vol. 54, No. 1, Febr. 2007, pp. 14–33
- [7] Gupta, M. M.; Sinha, N. K.: Intelligent Control Systems. New York: The Institute of Electrical and Electronics Engineers, Inc. 1996
- [9] Nauck, D.; Klawonn, F., Kruse, R.: Neuronale Netze und Fuzzy-Systeme. Braunschweig/Wiesbaden, Vieweg-Verlag 1996
-
Bezugszeichenliste
-
- DE
- Druckeinheiten
- KE
- Kühleinheit
- KNN
- Künstliches Neuronales Netz
- LA
- Lernalgorithmus
- MIN
- Minimieralgorithmus
- MZ
- Messerzylinder
- REK
- Rekonstruktionseinheit
- Rα
- Winkelregler für Messerzylinder
- RY
- Regler für Gesamt-Schnittregisterfehler Y15
- S1
- Schalter
- S2
- Schalter
- S3
- Schalter
- S4
- Schalter
- S5
- Schalter
- SF01
- Sensor für Bahnzugkraft F01
- SF23
- Sensor für Bahnzugkraft F23
- Sv3
- Sensor für Umfangsgeschwindigkeit vc3
- Sα5
- Sensor für Winkel α5
- SY3
- Sensor für Teil-Schnittregisterfehler Y * / 13
- SY5
- Sensor für Gesamt-Schnittregisterfehler Y15
- VE
- Vorsteuereinheit
- T
- Trockner
- TW
- Tänzerwalze
- TR
- Trichterwalze
- W
- Abwickler
- WE
- Wendeeinheit
- WE/1
- Zugwalze 1 der Wendeeinheit
- WE/2
- Zugwalze 2 der Wendeeinheit
- ZWE
- vollbreite Zugwalze der Wendeeinheit
-
ZITATE ENTHALTEN IN DER BESCHREIBUNG
-
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-
Zitierte Nicht-Patentliteratur
-
- Gupta, M. M.; Sinha, N. K.: Intelligent Control Systems. New York: The Institute of Electrical and Electronics Engineers, Inc. 1996 [0128]
- Nauck, D.; Klawonn, F., Kruse, R.: Neuronale Netze und Fuzzy-Systeme. Braunschweig/Wiesbaden, Vieweg-Verlag 1996 [0128]
- Bose, B.K.: Neural Network Applications in Power Electronics and Motor Drives – An Introduction and Perspective. IEEE Trans. on Industrial Electronics, Vol. 54, No. 1, Febr. 2007, pp. 14–33 [0128]