-
Die
vorliegende Erfindung betrifft blutlösliche Amylosederivate,
die zur Erhöhung des Aorta-Blutflusses, des arteriellen
Blutflusses, des kapillaren Blutflusses und zur Verringerung des
peripheren vaskulären Widerstandes, der Entwicklung der
Arteriosklerose und/oder Verringerung der Letalität im
hämorrhagischen Schock angewendet werden.
-
Geeignete
Amylosederivate sind hochmolekulare Hydroxyethyl-Amylose und Carboxymethyl-Amylose.
-
Die
vorliegende Erfindung umfasst auch geeignete pharmazeutische Zusammensetzungen
zur parenteralen Anwendung.
-
Es
ist bekannt, dass Plasmaersatzmittel wie zum Beispiel Hydroxyethylstärke-Lösungen
die gestörte Blutmikrozirkulation verbessern durch den
Hämodilutionseffekt (Blutverdünnungseffekt) [H.
Lutz, Plasmaersatzmittel, Georg Thieme Verlag Stuttgart, New York,
1980, Seite 17–19].
-
Die
Hämodilution führt zur Viskositätsverringerung
des Blutes und zur Desaggregation der Erythozyten und verbessert
somit den Blutfluss.
-
Diese
Verbesserung der Mikrozirkulation des Blutes ist bei allen Plasmaersatzmitteln
in unterschiedlichem Ausmaße bekannt, abhängig
von Struktur und Molekulargewichten der darin enthaltenen Polymere,
wie zum Beispiel neben Hydroxyethylstärke auch Gelatinederivate
und Dextrane.
-
In
den letzten Jahren haben sich zunehmend Hydroxyethylstärke-Lösungen
als Plasmaersatzmittel durchgesetzt aufgrund der hohen Effektivität
und der geringen Nebenwirkungsrate.
-
Die
im Handel erhältlichen Hydroxyethylstärke-Plasmaersatzlösungen
weisen unterschiedliche Molekulargewichte der Hydroxyethylstärke
und unterschiedliche mittlere Substitutionsgrade mit Hydroxyethylgruppen
der Anhydroglukose-Einheiten auf (molare Substitution MS).
-
Hydroxyethylstärken
als Plasmaersatzmittel sind überwiegend Hydroxyethylderivate
des Amylopektins, welches die verzweigte Komponente der Stärke
ist. Sie werden überwiegend aus wachsartiger Maisstärke
hergestellt, welche zu über 95% aus Amylopektin besteht.
-
Ebenfalls
im Handel sind Hydroxyethylstärke-Lösungen als
Plasmaersatzmittel, bei welchen die Hydroxyethylstärke-Komponente
aus Kartoffelstärke hergestellt wurde, einem Gemisch aus
ca. 25% Amylose und ca. 75% Amylopektin.
-
Amylose
ist die unverzweigte und lineare Komponente der Stärke.
-
Die
Molekulargewichte der als Plasmaexpander eingesetzten Hydroxyethylstärken
liegen zwischen 650 kD und 40 kD, die molaren Substitutionen bewegen
sich zwischen 0,7 und 0,4. Dosiert werden Plasmaersatzmittel auf
Hydroxyethylstärke-Basis in den meisten Fällen
als 6%-ige Lösungen, die mit Kochsalz isotonisiert sind,
in der Regel mit 30 g (500 ml pro intravenöser Applikation),
d. h. es handelt sich um relativ hohe Dosen die notwendig sind zur
Hämodilution.
-
Blutlösliche
Polymere können aber die Rheologie des Blutes über
einen anderen Mechanismus als den von den genannten Plasmaexpandern
verbessern, in einem Dosisbereich, der um Größenordnungen
niedriger liegt. So genügen schon Mengen zwischen 5 und
100 ppm dieser Verbindungen im Blut, um den Effekt auszuüben
[M. V. Kameneva et al., Biorheology 41 (2004), Seiten 53–64].
-
An
diese Polymere sind jedoch spezielle strukturelle Voraussetzungen
geknüpft, die sich aus dem vermuteten Mechanismus der Wirkung
ergeben. Die Verbindungen müssen nämlich im Sinne
des von Toms gefundenen Effektes (B. A. Toms in Proceedings
of the International Congress in Rheology (Holland 1948, North Holland,
Amsterdam, 1949) II.135 bis II.141) wirken, d. h. sie müssen
im turbulenten Bereich der Strömung den Strömungswiderstand
signifikant herabsetzen, wobei ihre Konzentrationen von 5–200
ppm ausreichen.
-
Für
Polyethylenglykol und Carboxymethylcellulose zum Beispiel sind der
Toms-Effekt beschrieben (Dynamics of polymeric Liquids,
2 nd Edition, Vol 1, Fluid Mechanics Ed. R. B. Bird et al., John
Wiley sons, Inc. (1987) Seiten 87–89).
-
Im
Tierversuch sind z. B. Polyacrylamide und Polyethylenglykole erfolgreich
eingesetzt worden zur Verbesserung der Rheologie des Blutes (siehe
Literatur Kameneva et al.).
-
PCT/US 2006/007066 beansprucht
Hyaluronsäure für diesen Indikationsbereich, wobei
die mechanische Stabilität des Polymers und die Eigenschaft,
eine körpereigene Substanz zu sein, die besondere Erfindungshöhe
ausmachen.
-
Den
genannten Polymeren ist gemeinsam, dass sie einen linearen molekularen
Aufbau besitzen, welches eine wesentliche Voraussetzung für den
Toms Effekt ist und auch ein sehr hohes Molekulargewicht, in der
Regel über 600 kD bis zu 7.000 kD.
-
Eine
Verzweigung ansonsten linearer Moleküle mit kurzen Seitenketten
können den Effekt verbessern (Deshmukh et. al.,
Drag Reduction Effectiveness, Shear Stability and Biodegradation
Resistance of Guargum-Based Graft Copolymers, Journal of Applied
Polymers Science, Vol. 33, 1963–1975 (1987)).
-
Langketten-verzweigte,
hochmolekulare Moleküle wie zum Beispiel Hydroxyethyl-Amylopektin sind
nicht in der Lage den Toms-Effekt auszuüben.
-
In
Hydroxyethylstärke-Lösungen, die als Plasmaexpander
eingesetzt werden mit einem nominellen Molekulargewicht von 450
kD und einem mittleren Substitutionsgrad MS von 0,7 sind ca. 10 Gew.-%
der molekularen Verteilung im Bereich von 2–4 Millionen
D.
-
Das
bedeutet, dass bei ihrer Applikation als Plasmaexpander eine relativ
hohe Konzentration (rechnerisch ca. 6.000 ppm bezogen auf Hydroxyethylstärke)
dieser hochmolekularen Fraktion zwar ausreichend sein sollte zur
Ausübung des Toms Effekts, eine Verbesserung der Mikrozirkulation über den
Effekt der einfachen Hämodilution hinaus ist jedoch in
der Literatur zum Einsatz dieser Präparate bislang nicht
beschrieben.
-
Aus
toxikologischen und Stabilitätsgründen sind die
hochmolekularen Polyethylenglykole und die Polyacrylamide sowie
andere Polymere nicht geeignet zur Anwendung am Menschen.
-
Hyaluronsäure
ist zwar, wie in
PCT/US 2006/007066 beschrieben,
eine endogene Substanz, jedoch im Blut nur, wenn überhaupt,
in geringen Konzentrationen vorhanden, da sie aus dem Blutkreislauf innerhalb
von Minuten entfernt wird (
Wohlrab, W., Neubert, R., Wohlrab
J. (Herausgeber: Hyaluronsäure und Haut in Trends, Clin,
Exp. Dermatol, Aachen, Shaker, 2004, Vol. 3, Seite 27).
-
Hyaluronsäure
ist wesentlich für die Rheologie der Synovialflüssigkeit,
des Kammerwassers des Auges und der Lymphflüssigkeit.
-
Auch
ihre Anwesenheit im Bindegewebe und in der extrazellulären
Matrix ist von großer physiologischer Bedeutung für
die Gewebespannung (Turgor).
-
Es
gibt auch Hinweise, dass die Hyaluronsäure eine Bedeutung
als molekularer Effektor der Signaltransduktion hat und Bedeutung
bei der Zytokininbildung bzw. als Zellschalter aufweist. In diesem Sinne
sind Nebenwirkungen bei der intravenösen Applikation nicht
auszuschießen. Es wird sogar ausdrücklich davor
gewarnt, Hyaluronsäure-Präparate intravenös
zu verabreichen, da die Gefahr eines Gefäßverschlusses
besteht (Hyaluronsäure und Haut, W. Wohlrab et
al., Editors Shaker Verlag Aachen, (2004) Seite 39). Hyaluronsäure
ist darüber hinaus nicht hitzesterilisierbar in wässriger
Lösung, da es dabei hydrolytisch abbaut und das Molekulargewicht abnimmt.
Entsprechende pharmazeutische Präparationen können
daher nicht hitzesterilisiert werden, ohne dass ein Abbau stattfindet.
Dieses ist ein gravierender pharmazeutischer Nachteil von Hyaluronsäure-Lösungen.
-
Darüber
hinaus sind Hyaluronsäure-Lösungen im betreffenden
Molekulargewichtsbereich nicht ohne mechanische Degradation steril
filtrierbar, was ebenfalls ein gravierender pharmazeutischer Nachteil
ist.
-
Es
bestand daher die Notwendigkeit, ein lineares, hochmolekulares Polymer
zu finden, welches
- a) stabil ist und in wässriger
Lösung hitzesterilisierbar
- b) im Blut abbaubar und eine ausreichende Halbwertszeit besitzt
und
- c) physiologisch und toxikologisch unbedenklich ist.
-
Überraschenderweise
haben wir gefunden, dass Hydroxyethyl-Amylose ein geeignetes Molekül ist,
das die oben genannten Voraussetzungen erfüllt.
-
Sie
kann ohne weiteres in Wasser gelöst werden und nach Isotonisierung,
zum Beispiel mit Kochsalz oder anderen physiologisch akzeptablen Elektrolyten,
und pH-Wert-Einstellung auf 5–6 nach Sterilfiltration und
Abfüllung in geeignete Infusionsbehältnisse hitzesterilisiert
werden bei 121°C über mindestens 15 Minuten.
-
Im
Gegensatz zu Amylose-Lösungen sind die erfindungsgemäßen
Hydroxyethyl-Amylose-Lösungen lagerstabil und retrogradieren
nicht.
-
Als
lineares Stärkehydroxyethyl-Derivat ist es – wie
die hochverzweigten Hydroxyethyl-Amylopektine, welche bereits langjährig
als Plasmaexpander eingesetzt werden – toxikologisch unbedenklich.
-
Als
lineares, flexibles Molekül erfüllt es die Voraussetzung
zur Ausübung des Toms-Effektes im Blut.
-
Zumindest
im Bereich der Blutströmung im Aorten-Wurzelbereich ist
dort zu Beginn der Austreibungsphase des Herzens Turbulenz gegeben,
d. h. eine Reynoldszahl > 2000
erreicht und ein Toms-Effekt von Hydroxyethyl-Amylose physiologisch
wahrscheinlich.
-
Nach
Kameneva (Literaturzitat siehe oben) sind jedoch auch andere Mechanismen
möglich zur Verbesserung der Blutrheologie, die nicht als
Voraussetzung auf turbulenter Strömung basieren. Sicherlich
ist im Kapillarbereich die Strömung laminar.
-
Hydroxyethyl-Amylose
wird durch die Serum-α-Amylase langsam abgebaut zu kleineren
Molekülen, die dann über die Niere eliminiert
werden.
-
Bezüglich
der biologischen Halbwertszeit muss deshalb der Substitutionsgrad
MS so eingestellt sein, dass einerseits eine ausreichend lange Wirkung,
zum Beispiel über 8 Stunden, erreicht wird, andererseits
aber auch grundsätzlich der Abbau durch α-Amylase
stattfinden kann, so dass die Substanz innerhalb von medizinisch
vertretbarer Zeit komplett ausgeschieden wird. Wir haben gefunden, dass
Hydroxyethyl-Amylose mit einem MS von 0,9 bis 1,8 diese Anforderungen
erfüllt.
-
Hydroxyethyl-Amylose
muss zur Ausübung des geforderten Effektes ein Molekulargewicht
vorzugsweise über 600.000 Dalton aufweisen.
-
Amylose
weist in Stärken ein wesentlich niedrigeres Molekulargewicht
in der Regel auf als das begleitende Amylopectin.
-
Das
relativ höchste Molekulargewicht weist Kartoffelstärke-Amylose
auf ist somit am besten geeignet.
-
Es
sind jedoch Amylosen anderer Pflanzen wie zum Beispiel Mais geeignet,
sofern sie ein ausreichend hohes Molekulargewicht > 600 kD aufweisen.
-
Weiterhin
ist es auch vorteilhaft das reduzierende Kettenende der Amylose
vor der Umsetzung zum Hydroxyethyl-Derivat zu reduzieren, zum Beispiel
in alkalischer Lösung mit Natriumborhydrid, um die Degradation
während der Umsetzung zur Hydroxyethylstärke als
Nebenreaktion zu vermeiden.
-
Hydroxyethyl-Amylosen
mit reduziertem Kettenende können dann auch im Blut mit
Aminofunktion zum Beispiel von Proteinen nicht mehr im Sinne der Bildung
von Schiffbasen bzw. der entsprechenden Amadoriumlagerungsprodukte
reagieren.
-
Als
erfindungsgemäße Substanzen kommen ebenfalls in
Frage Carboxymethyl-Amylosen.
-
Ganz
bevorzugt sind aber Hydroxyethyl-Amylosen mit einem Molekulargewicht > 600.000 in einem Bereich
von MS zwischen 1,0 und 1,4.
-
Um
den Effekt der Verbesserung der Blutrheologie durch Hämodilution
zu erreichen und gleichzeitig einen Effekt der Verbesserung der
Rheologie durch den Toms Effekt, sind auch Kombinationen von Plasmaexpandern
auf Hydroxyethlystärkebasis mit den erfindungsgemäßen
Substanzen möglich, da sie unterschiedliche Mechanismen
zur Verbesserung der Rheologie ausnützen. Bevorzugt ist
eine Kombination von Hydroxyethylstärke mit einem mittleren Molekulargewicht
von 130 kD und einem Substitutionsgrad MS von 0,4 mit den erfindungsgemäßen Substanzen.
-
Beispiele
-
Beispiel 1
-
Herstellung von Hydroxyethyl-Amylose
-
25
g Amylose aus Kartoffelstärke (Sigma) werden in 90 mL entionisiertem
Wasser suspendiert und der Ansatz mit Argon begast. Danach wird
die Amylose mit 100 mL 1 N Natronlauge in Lösung gebracht
durch Rühren und 66 mg Natriumborhydrid zugegeben und 3
Stunden bei Raumtemperatur weitergerührt.
-
Der
Ansatz wird danach unter Argonschutz auf 70°C erhitzt und
dann 31 mL 10 N Natronlauge zugegeben. Unmittelbar danach werden
47,5 mL Chlorethanol über 2,5 Stunden zugetropft und der
pH mit 10 N Natronlauge (60 mL) über den Zeitraum konstant
gehalten.
-
Der
Ansatz wird weitere 2,5 Stunden gerührt und danach abgekühlt
und der pH-Wert mit 10 N Salzsäure auf pH 2 gebracht.
-
Es
erfolgt Filtration über Glasfaser-Vorfilter und 5 μm
Membranfilter.
-
Die
Reinigung erfolgt durch Ultrafiltration bei Raumtemperatur bis zu
pH 4 des Ansatzes, danach bei 60°C über eine Membran
des nominellen cut offs von 30 kD.
-
Das
gefriergetrocknete Produkt weist ein mittleres Molekulargewicht
Mw von 672 kD und einen Substitutionsgrad MS von 1,4 auf.
-
Beispiel 2
-
α-Amylaseabbau von Hydroxyethyl-Amylose
-
Hydroxyethyl-Amylose
aus Beispiel 1 wird in Phosphatpuffer nach Sörensen, pH
7,2, zu einer einprozentigen Lösung gelöst und
die Lösung 24 Stunden bei 37°C mit 2,5 U α-Amylase
aus Schweinepankreas (Roche) behandelt.
-
Das
Ausgangs-Molekulargewicht reduziert sich auf 621 kD.
-
Beispiel 3
-
Ein
analog Beispiel 1 hergestelltes Muster Hydroxyethyl-Amylose mit
einem Molekulargewicht von 722 kD und einem Substitutionsgrad von
MS 1,05 wird enzymatisch entsprechend Beispiel 2 dem α-Amylaseabbau
unterworfen. Das Molekulargewicht Mw reduziert sich dabei auf 379
kD.
-
ZITATE ENTHALTEN IN DER BESCHREIBUNG
-
Diese Liste
der vom Anmelder aufgeführten Dokumente wurde automatisiert
erzeugt und ist ausschließlich zur besseren Information
des Lesers aufgenommen. Die Liste ist nicht Bestandteil der deutschen
Patent- bzw. Gebrauchsmusteranmeldung. Das DPMA übernimmt
keinerlei Haftung für etwaige Fehler oder Auslassungen.
-
Zitierte Patentliteratur
-
- - US 2006/007066 [0017, 0024]
-
Zitierte Nicht-Patentliteratur
-
- - H. Lutz, Plasmaersatzmittel,
Georg Thieme Verlag Stuttgart, New York, 1980, Seite 17–19 [0004]
- - M. V. Kameneva et al., Biorheology 41 (2004), Seiten 53–64 [0013]
- - B. A. Toms in Proceedings of the International Congress in
Rheology (Holland 1948, North Holland, Amsterdam, 1949) II.135 bis
II.141 [0014]
- - Dynamics of polymeric Liquids, 2 nd Edition, Vol 1, Fluid
Mechanics Ed. R. B. Bird et al., John Wiley sons, Inc. (1987) Seiten
87–89 [0015]
- - Deshmukh et. al., Drag Reduction Effectiveness, Shear Stability
and Biodegradation Resistance of Guargum-Based Graft Copolymers,
Journal of Applied Polymers Science, Vol. 33, 1963–1975 (1987) [0019]
- - Wohlrab, W., Neubert, R., Wohlrab J. (Herausgeber: Hyaluronsäure
und Haut in Trends, Clin, Exp. Dermatol, Aachen, Shaker, 2004, Vol.
3, Seite 27 [0024]
- - Hyaluronsäure und Haut, W. Wohlrab et al., Editors
Shaker Verlag Aachen, (2004) Seite 39 [0027]