-
Die Erfindung betrifft ein Verfahren sowie eine Anordnung zum Kalibrieren von Spektrometern, wie sie in der Chemometrie Verwendung finden. Spektrometer werden zur Untersuchung von Stoffen bzw. Messobjekten eingesetzt, wobei Spektralanteile unterschiedlicher Wellenlängen als spektrometrische Daten erfasst und untersucht werden. Die Spektralbereiche und entsprechenden Wellenlängen der Spektralanteile eines zu untersuchenden Stoffes können dabei über einen relativ großen Wellenlängenbereich variieren. Die Spektrometer erfassen die Spektralanteile unterschiedlicher Wellenlängen in Abhängigkeit von ihrer jeweiligen Intensität, woraus Rückschlüsse auf die Zusammensetzung des untersuchten Stoffes gezogen werden können.
-
Die vorliegende Erfindung befasst sich mit der Kalibrierung von derartigen Spektrometern. Im Stand der Technik ist es einerseits bekannt, eine Kalibrierung von Spektrometern oder Spektralapparaten durch mechanische Korrekturen und Verstellungen an dem Apparat bzw. der Vorrichtung selbst vorzunehmen. So ist beispielsweise in der
WO/2003/067 204 eine Kalibrierung von Echelle-Spektrometern offenbart, bei welcher durch Verstellung der Spaltbreite einer Zwischenspaltanordnung eine Kalibrierung eines Vorchromators auf seine Sollposition erfolgt.
-
Des Weiteren ist es im Stand der Technik bekannt, die Kalibrierung von gemessenen Spektren und dazugehörigen Stoffkonzentrationen des Messobjekts auf Ebene der spektrometrischen Daten durchzuführen: In der Chemometrie werden beispielsweise aus einer Vielzahl gemessener Spektralanteile die für das jeweilige Messobjekt physikalisch relevanten Spektralanteile ausgewählt, und mittels dieser Auswahl wird eine Kalibrierung der Spektrometervorrichtung vorgenommen. Die bekannten Kalibrierungsmethoden unter Auswahl relevanter Spektralanteile aus dem gesamten gemessenen Spektrum der spektrometrischen Daten benutzen dabei zumeist iterative Algorithmen, um Hauptkomponenten aus einer Matrix bestehend aus den Intensitäten der gemessenen Spektren zu berechnen. Beispielsweise wurden bisher im Rahmen der Kalibrierung von Spektrometern hierzu mathematische Verfahren wie das „Partial-Least-Squares-Verfahren“, kurz PLS-Verfahren, oder ähnliche derartige iterative Algorithmen eingesetzt. Diese Estimationsverfahren dienen dem Zweck einer Lösung des sogenannten Minimierungsproblems bei unterbestimmten Gleichungssystemen. Nachteilig bei den bekannten Verfahren zur Minimierung des gemessenen Datensatzes wie dem PLS-Verfahren ist jedoch, dass für die Auswahl von physikalisch jeweils relevanten Spektralanteilen aus der Gesamtheit von gemessenen Wellenlängen immer ein Rückgriff auf Expertenwissen notwendig ist. Nur eine Auswahl „von Hand“ durch Einschalten eines mit der spektrometrischen Messung befassten Fachmanns erlaubt es, mittels derartiger iterativer bekannter Algorithmen eine Kalibrierung von spektrometrischen Daten durchzuführen. Die bekannten Verfahren zur Kalibrierung sind daher kosten- und zeitintensiv und können in ihrer Kalibrierqualität je nach der Person des Experten variieren. Die bisher notwendige Einschaltung eines Experten bzw. Expertensystems beruht außerdem auf einer Schätzmethodik, die leicht zu Fehlern in der Kalibrierung der Daten führen kann.
-
Die
US 5 347 460 A offenbart ein automatisiertes Verfahren mit einem geschlossenem Regelkreis zur Überwachung und Steuerung von Halbleiterfertigungsprozessen. Dabei werden Daten eines optischen Emissionsspektrometers aus einer Plasmakammer statistisch analysiert und ein Mustermodell(basierend auf Markov-Zufallsfeldern wird in Kombination mit einer selektiven stochastischen Relaxationstechnik verwendet, um Gasspezies innerhalb der Kammer anhand der Messwerte des Spektrometers zu identifizieren. Die Wellenlängen- und Intensitätsinformationen werden verwendet, um die relativen Konzentrationen der identifizierten Gase in der Kammer genau abzuschätzen. Der Analyseansatz ermöglicht die Echtzeitüberwachung und -steuerung der physikalischen Prozesse innerhalb der Herstellungskammer.
-
H. Chen et al. beschreiben in der Veröffentlichung „Toward Bayesian chemometrics - A tutorial on some recent advances“, erschienen in ANALYTICA CHIMICA ACTA 602 (2007), 1-16, dass die Bayes'sche Statistik die Fähigkeit besitzt, domänenspezifische Informationen zu nutzen, um genauere und nützlichere Modelle zu erhalten und weiter zu verbessern. Der Artikel gibt einen Überblick über die Grundlagen der Bayes'schen Statistik und eine Anleitung zu den Fortschritten in Bayes'schen Methoden und deren Relevanz für die Lösung von Problemen in der Chemometrik.
-
Demgegenüber ist es die Aufgabe der vorliegenden Erfindung, ein Verfahren sowie eine Anordnung zum Kalibrieren von Spektrometern bzw. spektrometrischen Messdaten vorzuschlagen, welche gegenüber den bekannten Verfahren und Anordnungen weiter optimiert sind und gute Kalibrierergebnisse bei reduziertem Aufwand liefern. Außerdem soll die Kalibrierung von Spektrometern auf effektive und zuverlässige Art und Weise mit möglichst geringem Einfluss von Bedienpersonen auf die Kalibrierungsqualität durchführbar sein.
-
Diese Aufgabe wird erfindungsgemäß mit einem Verfahren mit den Schritten des Anspruchs 1 sowie mit einer Anordnung mit den Merkmalen des Anspruchs 7 gelöst. Vorteilhafte Weiterbildungen und Ausgestaltungen sind in den jeweiligen abhängigen Ansprüchen angegeben.
-
Nach der vorliegenden Erfindung wird zur Lösung der genannten Aufgabe ein Verfahren zum Kalibrieren eines Spektrometers für die Messung von Spektralanteilen eines Stoffes im Rahmen der Chemometrie, d. h. statistischmathematisch unterstützter Untersuchung von chemischen Messdaten, oder anderer chemometrischer Prozesse vorgeschlagen mit einer Spektrometervorrichtung zum Messen von Spektralanteilen des zu untersuchenden Stoffes sowie mit einer Kalibriereinheit, mittels welcher eine Kalibrierung der Spektrometervorrichtung und/oder der Messdaten auf Basis von gemessenen spektrometrischen Daten durchgeführt wird, wobei das Verfahren nach der Erfindung gekennzeichnet ist durch die Schritte:
- a) Messen einer Gesamtheit von Spektralanteilen X und/oder zugehöriger Stoffkonzentrationen eines zu untersuchenden Stoffes;
- b) Speichern der Gesamtheit der gemessenen Spektralanteile X in einem Speichermodul als spektrometrische Messdaten in Form eines mehrdimensionalen Koeffizientenvektors;
- c) automatisches Extrahieren aus der Gesamtheit der gemessenen Spektralanteile X von für den jeweiligen Messvorgang physikalisch relevanten Spektralanteilen Xrel über ein in der Kalibriereinheit hinterlegtes automatisiert ablaufendes iteratives Schätzverfahren;
- d) Kalibrieren der gemessenen spektrometrischen Messdaten für den untersuchten Stoff bzw. das Messobjekt auf Basis von in Schritt c) extrahierten, physikalisch für den zu untersuchenden Stoff relevanten Spektralanteilen Xrel der spektrometrischen Daten.
-
Durch das in Schritt c) vorgenommene Extrahieren bzw. Auswählen von jeweils nur physikalisch relevanten Spektralanteilen Xrel aus allen gemessenen Spektralanteilen X, welches erfindungsgemäß vollautomatisiert abläuft, ist für die Kalibrierung von gemessenen Spektren und entsprechenden Stoffkonzentrationen, beispielsweise im Rahmen von chemometrischen Datenanalysen, ein Rückgriff auf ein Expertenwissen nicht mehr erforderlich. Der Experte und sein Expertenwissen, das bisher bei bekannten derartigen Kalibrierverfahren für die Auswahl von relevanten Spektralanteilen erforderlich war, werden erfindungsgemäß durch ein automatisiert ablaufendes iteratives Schätzverfahren ersetzt, auf dessen Basis ein automatisches Extrahieren relevanter Spektralanteile Xrel möglich ist. Nur die relevanten extrahierten Spektralanteile Xrel finden Eingang in die anschließende Kalibrierung in Schritt d) der gemessenen spektrometrischen Daten oder der Spektrometervorrichtung. Auf diese Weise sind der Rechenaufwand und der Zeitaufwand für die Kalibrierung deutlich gegenüber den bisher bekannten Verfahren zur Kalibrierung reduziert. Insbesondere ist auch die Kalibrierqualität durch das erfindungsgemäße Verfahren nicht beeinträchtigt bzw. teilweise sogar noch erhöht gegenüber den Methoden aus dem Stand der Technik. Zumindest gleichbleibende Kalibriergenauigkeiten sind durch das automatisiert und ohne Rückgriff auf individuelle Experten ausführbare Kalibrierverfahren nach der Erfindung gewährleistet.
-
Bei spektrometrischen Messungen, beispielsweise im Rahmen der Chemometrik, führt die Anzahl von gemessenen Spektralanteilen und zugehörigen Stoffkonzentrationen regelmäßig zu einem mehrdimensionalen Koeffizientenvektor. Letzterer entspricht einem unterbestimmten Gleichungssystem, welches theoretisch zu unendlich vielen Lösungen führen würde. Daher war es bisher im Stand der Technik erforderlich, durch einen Experten die relevanten Wellenlängen bzw. Wellenlängenbereiche sozusagen „von Hand“ jeweils pro Messung auszuwählen.
-
Dies ist nach der Erfindung nun nicht mehr erforderlich, da automatisch, d. h. ohne Einschalten von Experten, eine genaue Schätzung der Relevanz von gemessenen Spektralanteilen durchgeführt wird: Durch das automatisiert ablaufende iterative Schätzverfahren, welches nach der Erfindung insbesondere, jedoch nicht ausschließlich, ein Verfahren auf der Basis der sogenannten Bayes'schen Inferenz sein kann, sind die jeweils für einen Messvorgang relevanten Spektralanteile Xrel automatisiert und mit relativ geringem Rechen- und damit Zeitaufwand ermittelbar. Mit dem erfindungsgemäßen neuen Kalibrierverfahren auf Basis einer Estimationsmethodik nach Bayes wird die physikalische Realität besser abgebildet, da nur für einen jeweiligen Stoff physikalisch relevante Spektralanteile in die Kalibrierung und weitere Datenanalysen eingehen, d. h. nur die bestimmten Wellenlängen, welche tatsächlich von einem jeweiligen Stoff absorbiert werden. Eine Auswahl der relevanten Wellenlängen bzw. Spektralanteile Xrel kann erfindungsgemäß ohne Rückgriff auf ansonsten bereitzustellendes Expertenwissen erfolgen, und zwar dies unter Beibehaltung oder sogar Verbesserung der Kalibrierqualität gegenüber den bisher bekannten derartigen Verfahren.
-
Darüber hinaus kann mit dem erfindungsgemäßen Kalibrierverfahren eine Datenbasis geschaffen werden, auf deren Grundlage spätere Messungen und Kalibrierungen viel schneller durchführbar sind als bisher. Der wesentliche Vorteil des erfindungsgemäßen Verfahrens liegt darin, dass bei der Kalibrierung eines Spektrometers automatisiert relevante Spektralanteile aus einer Vielzahl von tatsächlich gemessenen, jedoch teilweise unerheblichen oder uninteressanten Spektralanteilen extrahiert, d. h. ausgewählt werden können. Nicht zuletzt ermöglicht es das erfindungsgemäße Verfahren, Messungen viel schneller als bisher durchzuführen, da lediglich an ausgewählten Wellenlängen bzw. Bereichen von Wellenlängen (Spektralanteilbereichen) jeweils gemessen werden muss.
-
Nach einer vorteilhaften Ausgestaltung des erfindungsgemäßen Verfahrens werden in Schritt c) die automatisch extrahierten bzw. ausgewählten relevanten Spektralanteile Xrel in einem Speichermodul zusammen mit Daten hinsichtlich des untersuchten Stoffes für eine spätere Verwendung in nachfolgenden Messungen und/oder Kalibriervorgängen mit der Spektrometervorrichtung gespeichert. Die Daten hinsichtlich des untersuchten Stoffes sind beispielsweise die jeweils zugeordneten Stoffkonzentrationen in den relevanten Spektralanteilen Xrel . Weitere Daten können die Stoffzusammensetzung, die Stoffbeschreibung oder aus anderen Untersuchungen und Analysen resultierende Informationen hinsichtlich des untersuchten Stoffes sein. Durch Speichern nur der relevanten Spektralanteile Xrel zusammen mit den entsprechenden Stoffdaten wird eine Art lernendes Expertenwissen als Datei im System aufgebaut und regelmäßig gespeichert. Dadurch werden die Qualität und die Aussagefähigkeit von Messergebnissen des Spektrometers zunehmend besser, je mehr Messungen und Kalibriervorgänge nach der Erfindung durchgeführt worden sind.
-
Nach einer weiteren vorteilhaften Ausgestaltung des erfindungsgemäßen Verfahrens werden die Schritte a) bis d) oder mindestens die Schritte b) bis d) nach jeder Messung mit der Spektrometervorrichtung wiederholt und automatisch durchgeführt. Auf diese Weise ist jede Messung und damit jedes Messergebnis des Spektrometers in der Qualität weiter optimiert. Die automatisch nach jeder Messung durchgeführte Kalibrierung mittels der erfindungsgemäßen Verfahrensschritte b) bis d) erlaubt es, die Qualität der Messergebnisse und die Kalibrierqualität jeweils unabhängig von dem Messobjekt und dem zu untersuchenden Stoff mindestens beizubehalten. Die Qualität der Ergebnisse wird sogar gegenüber den bisher bekannten Verfahren weiter verbessert, und zwar dies nach jedem Messvorgang.
-
Nach einer diesbezüglichen weiteren alternativen Ausgestaltung des erfindungsgemäßen Verfahrens werden die Schritte b) bis d) zur Kalibrierung des Spektrometers bzw. der spektrometrischen Daten in vorgegebenen Zeitabständen durchgeführt. Die periodische Durchführung des Kalibriervorgangs nach der Erfindung hat den Vorteil, dass die Messungen schneller durchgeführt werden können, da nicht bei jeder Messung eine Kalibrierung und eine Berechnung von relevanten extrahierten Spektralanteilen Xrel durchgeführt werden müssen.
-
Nach einer weiteren vorteilhaften Ausgestaltung des erfindungsgemäßen Verfahrens werden relevante Spektralanteile Xrel eines zu untersuchenden Stoffes in Schritt c) durch ein in der Kalibriereinheit hinterlegtes iteratives Schätzverfahren nach Bayes automatisch extrahiert, d. h. ohne Zwischenschaltung eines Experten. Über das iterative Schätzverfahren nach Bayes oder eine sogenannte Bayes'sche Estimationstechnik, wie sie dem Fachmann aus Fachpublikationen auch als „Bayesian Inference“ im Zusammenhang mit anderen Fragestellungen bekannt ist, werden nach der Erfindung während der Iteration in Schritt c) gegen null tendierende Koeffizientenwerte des mehrdimensionalen Koeffizientenvektors (gemessene Spektralanteile/zugehörige Stoffkonzentrationen) vor einer anschließenden Regressionsanalyse entfernt. Das Schätzverfahren nach Bayes bzw. die Bayes'sche Inferenz hat erfindungsgemäß den Vorteil, dass ein unterbestimmtes Gleichungssystem des zu schätzenden Koeffizientenvektors aus einer Messung mittels einer weitestgehend zufälligen Annahme einer bestimmten Wahrscheinlichkeitsverteilung in eine als „dünn besetzt“ bezeichnete Lösung des Koeffizientenvektors übertragen wird. Durch die Extrahierung bzw. Entfernung von in der Iteration gegen null tendierenden bestimmten Koeffizienten bleiben nur diejenigen Werte des Koeffizientenvektors übrig, welche für die Regressionsanalyse im eigentlichen Sinne relevant sind. Der Rechenaufwand und der Zeitaufwand zur Durchführung der automatischen Kalibrierung werden dadurch erfindungsgemäß stark reduziert. Die Aussagefähigkeit und Kalibrierqualität jedoch werden nicht beeinträchtigt, da das automatisiert ermittelte Ergebnis auf Basis der Bayes'schen Methodik bzw. der Bayes'schen Inferenz auf gefestigten statistischen Annahmen beruht. Untersuchungen haben gezeigt, dass mit dieser Methodik eine bessere Aussagequalität in den Schätzwerten erreichbar ist, welche zur Erhöhung der Kalibrierqualität und zur Verbesserung der Messergebnisse von Spektrometern mit den erfindungsgemäß angegebenen Schritten eingesetzt werden.
-
Nach einer weiteren vorteilhaften Weiterbildung des erfindungsgemäßen Verfahrens werden eine Funktionsfähigkeit und/oder ein Alterungszustand von Komponenten der Spektrometervorrichtung auf Basis von gespeicherten extrahierten spektrometrischen Daten sowie aktuell gemessenen extrahierten spektrometrischen Daten und/oder anhand von Referenzdaten diagnostiziert. Mit einer solchen Diagnose der Funktionsfähigkeit oder des Alterungszustandes von Komponenten ist es erfindungsgemäß möglich, frühzeitig einen notwendigen Austausch von Komponenten der Spektrometervorrichtung beispielsweise vorherzusehen. Das Auftreten von Fehlern aufgrund von nichterkannten Fehl- oder Minderfunktionen in den Komponenten der Spektrometervorrichtung wird so durch die Erfindung vorteilhafterweise vermieden.
-
Die Erfindung betrifft auch eine Anordnung zum Kalibrieren eines Spektrometers nach Anspruch 7. Danach wird durch die Erfindung eine Kalibrieranordnung für Spektrometer beispielsweise zur Verwendung in der Chemometrie oder bei chemometrischen Prozessen vorgeschlagen, welche im Rahmen der Messung von Spektralanteilen eines zu untersuchenden Stoffes verwendet wird und insbesondere, jedoch nicht ausschließlich, aufweist: eine Spektrometervorrichtung für die Messung von Spektralanteilen X des zu untersuchenden Stoffes, eine Kalibriereinheit zur Kalibrierung der Spektrometervorrichtung sowie ein Speichermodul zur Speicherung von gemessenen und/oder berechneten bzw. ausgewerteten spektrometrischen Daten, wobei die Kalibrieranordnung dadurch gekennzeichnet ist, dass ein Auswahlmodul in der Kalibriereinheit vorgesehen ist, über welches auf Basis eines mathematischen Iterationsverfahrens jeweils physikalisch relevante Spektralanteile Xrel einer Messung eines Stoffes automatisch extrahierbar bzw. auswählbar sind, und dass das Auswahlmodul mit dem Speichermodul und der Spektrometervorrichtung verbunden ist. Die Kalibrieranordnung nach der Erfindung ermöglicht durch das automatisiert funktionierende Auswahlmodul in der Kalibriereinheit auf Basis eines neuen mathematischen Iterationsverfahrens die vollständig automatische Durchführung des Kalibriervorgangs ohne einen Rückgriff auf im Stand der Technik bei bisherigen derartigen Kalibriereinrichtungen notwendiges externes Expertenwissen.
-
Durch das spezifisch vorgesehene und mit der Kalibriereinheit verbundene Auswahlmodul, in welchem die mathematisch-statistische Extrahierung von lediglich relevanten Spektralanteilen Xrel automatisch durchgeführt wird, kann eine genauere Kalibrierung von Spektrometern auf Basis von gemessenen Daten selbst bzw. eine Kalibrierung der Messergebnisse durchgeführt werden. Die Kalibrierqualität ist dabei gleichbleibend gut bzw. noch weiter verbessert gegenüber den bisher bekannten Kalibriermethoden im Stand der Technik. Das Auswahlmodul bedient sich dabei eines besonders angepassten mathematisch-statistischen Algorithmus, welcher eine automatische Auswahl bzw. ein automatisches Extrahieren von relevanten Spektralanteilen der jeweils gemessenen spektrometrischen Daten ermöglicht. Der im Auswahlmodul abgelegte iterative Schätzvorgang oder Schätzalgorithmus kann dabei verschiedene Formen und Ausgestaltungen aufweisen, welche beispielsweise auf anderen, nicht mit dem Gebiet der vorliegenden Erfindung verwandten Gebieten wie der Ökonometrie oder der Statistik neuerdings entwickelt wurden. Wesentlich für die erfindungsgemäße Kalibrieranordnung ist jedoch nicht die spezielle Art des verwendeten Schätzalgorithmus, sondern dass die Form und Funktion des Auswahlmoduls derart realisiert sind, dass ein automatisiertes Auswählen von relevanten Spektralanteilen und ein Zusammenwirken mit dem Spektrometer sowie der zugehörigen Kalibriereinheit der Kalibrieranordnung ermöglicht werden.
-
Nach einer vorteilhaften Ausgestaltung der erfindungsgemäßen Anordnung ist das Auswahlmodul mit dem Speichermodul und/oder mit der Spektrometervorrichtung mittels bidirektionaler Datenleitungen verbunden. Dies hat den Vorteil, dass ein schneller Austausch zwischen den Komponenten der Anordnung ohne Zeitverlust möglich ist. Die spezifisch für jede Messung ausgewählten bzw. extrahierten relevanten Spektralanteile Xrel können ohne Verzögerung der Kalibriereinheit zum Kalibrieren von Messdaten zugeführt werden. Gleichermaßen kann durch die bidirektionale Funktionalität der Datenleitungen eine Übertragung von relevanten spektrometrischen Daten an die Spektrometereinrichtung selbst und von der Spektrometereinrichtung zurück in Form von neuen gemessenen Spektralanteilen eines neuen Messvorgangs direkt und zeitgleich über die Datenleitungen erfolgen. Alternativ kann die erfindungsgemäße Anordnung auch über andere Kommunikationswege zwischen den einzelnen Komponenten verfügen. Beispielsweise ist auch eine kabellose Datenübertragung über Funknetze, Internet oder dergleichen denkbar. In diesem Fall können die Kalibriereinheit und das Auswahlmodul auch räumlich getrennt von der eigentlichen Spektrometervorrichtung platziert werden. Dies hat beispielsweise auch den Vorteil, dass eine einzige Kalibriereinheit mit zugehörigem, erfindungsgemäß automatisiert funktionierendem Auswahlmodul für eine Mehrzahl von Spektrometervorrichtungen gleichermaßen eingesetzt werden kann. Im Hinblick auf die Anzahl von Elementen und Komponenten der Kalibrieranordnung nach der Erfindung und deren Platzierung - beispielsweise integriert oder separiert - sind vielzählige Varianten denkbar, ohne den Rahmen der vorliegenden Erfindung zu verlassen, wie sie in den Ansprüchen definiert ist.
-
Nach einer weiteren vorteilhaften Ausgestaltung der erfindungsgemäßen Anordnung ist das mathematische Iterationsverfahren zur Schätzung und Auswahl von physikalisch relevanten spektrometrischen Daten einer Messung im Auswahlmodul als ein Programm hinterlegt, welches automatisch nach jeder Messung in der Kalibriereinheit ausgeführt wird. Das Programm mit dem mathematischen Algorithmus zum Extrahieren von relevanten Spektralanteilen ist hierzu beispielsweise mit einem Programmcode realisiert, der jeweils in Antwort auf aus einer Messung der Spektrometereinrichtung empfangene spektrometrische Daten automatisch mit der Kalibrierung nach der erfindungsgemäßen Methodik startet.
-
Nach einer weiteren vorteilhaften Ausgestaltung der erfindungsgemäßen Anordnung basiert der mathematische Iterationsalgorithmus im Auswahlmodul, welcher zur Auswahl von physikalisch für eine Messung jeweils relevanten extrahierten Spektralanteilen Xrel benutzt wird, auf einem Verfahren nach der sogenannten Bayes'schen Inferenz. Unter Bayes'scher Inferenz sind im Rahmen der vorliegenden Erfindung all diejenigen Verfahren, Algorithmen und mathematisch-statistischen Methodiken zu verstehen, welche auf den Mathematiker Thomas Bayes zurückgehen und welche eine als „dunn besetzt“ bezeichnete Lösung eines ansonsten unterbestimmten Gleichungssystems ermitteln lassen, indem anfangs eine bestimmte Wahrscheinlichkeitsverteilung in gesuchten Vektorwerten zugrundegelegt wird, wie beispielsweise die Gauß-Verteilung. Ein Beispiel für einen solchen Algorithmus auf Grundlage der Bayes'schen Inferenz wird weiter unten in der Beschreibung eines Ausführungsbeispiels gegeben werden.
-
Nach einer weiteren vorteilhaften Ausgestaltung der erfindungsgemäßen Anordnung ist ein Speichermodul vorgesehen, in welchem spektrometrische Referenzdaten zu gemessenen Stoffen sowie jeweils relevante extrahierte Spektralanteile Xrel von aktuellen Messungen gespeichert und speicherbar sind. Mit Hilfe der gespeicherten spektrometrischen Referenzdaten zu verschiedenen Stoffen ist die erfindungsgemäße Kalibrieranordnung in der Lage, eine Kontrolle der Messergebnisse und der Kalibrierung im Sinne einer sogenannten Crossvalidierung vorzunehmen. Die gespeicherten Referenzdaten zu Spektralanteilen von verschiedenen Stoffen können ebenfalls auf Grundlage des erfindungsgemäßen Verfahrens ermittelt worden sein oder aber mit Hilfe von klassischen Kalibriermethoden für Spektrometereinrichtungen, wie beispielsweise dem sogenannten Partial-Least-Squares-Verfahren, kurz PLS-Verfahren, oder dem NIPALS-Algorithmus.
-
Nach einer weiteren vorteilhaften Ausgestaltung der erfindungsgemäßen Kalibrieranordnung ist eine Recheneinrichtung vorhanden, mittels welcher über einen Vergleich zwischen gespeicherten spektrometrischen Referenzdaten und aktuellen Messdaten Kalibriersignale erzeugbar sind, welche als Input in die Kalibriereinheit der Spektrometervorrichtung automatisiert zur Kalibrierung eingegeben werden können. Die Recheneinrichtung ist dabei spezifisch auf ein automatisiertes Abgleichen, Speichern und Weitergeben der jeweils notwendigen spektrometrischen Daten angepasst. Die Anpassung kann in Form eines Programms oder aber über fest installierte Operationen zwischen elektronischen Bauteilen ausgeführt sein. Wesentlich für die vorliegende Erfindung ist, dass eine Kalibrierung auf Basis von mit iterativen mathematischen Methoden geschätzten und auf die relevanten Werte reduzierten Messdaten automatisch durchführbar ist, so dass das Einschalten eines Experten und der Einfluss von individuell beispielsweise abweichendem Expertenwissen keinen negativen Einfluss auf die Kalibrierqualität und damit die Messergebnisse bei Messungen mit der Spektrometereinrichtung haben.
-
Weitere Vorteile, Merkmale und Ausgestaltungen der vorliegenden Erfindung sind der nachfolgenden Beschreibung eines bevorzugten Ausführungsbeispiels im Zusammenhang mit den beigefügten Zeichnungen zu entnehmen. In den Zeichnungen zeigen:
- 1 ein Ausführungsbeispiel einer erfindungsgemäßen Kalibrieranordnung für eine Spektrometervorrichtung;
- 2a ein Messdiagramm einer spektrometrischen Messung anhand einer Weinprobe mit dem erfindungsgemäßen Verfahren; und
- 2b ein zu der Messung nach 2a gehörendes Validierungsdiagramm von mit dem erfindungsgemäßen Verfahren gemessenen und prädizierten Messwerten im Vergleich zu mit einem Verfahren nach dem Stand der Technik gemessenen und prädizierten Messwerten.
-
1 der Zeichnung zeigt ein Ausführungsbeispiel einer erfindungsgemäßen Kalibrieranordnung 10 einer Spektrometervorrichtung 1 als schematisches Blockdiagramm. Die Anordnung 10 zum Kalibrieren der Spektrometervorrichtung 1 nach diesem Ausführungsbeispiel weist als Hauptbestandteile mindestens eine Spektrometervorrichtung 1 auf, welche zum Messen eines Stoffes 4 bzw. Messobjekts und der zugehörigen Wellenlängen sowie ihren Intensitäten vorgesehen ist. Die Spektrometervorrichtung 1 kann eine Spektrometervorrichtung beliebiger Art sein. Es handelt sich erfindungsgemäß insbesondere um Spektrometervorrichtungen, wie sie in der Chemometrik und bei chemometrischen Datenanalysen herkömmlich Verwendung finden. Erfindungsgemäß ist zum Kalibrieren der spektrometrischen Daten, d. h. der zu messenden Spektralanteile X und der zugehörigen Stoffkonzentrationen des Stoffes 4, eine Kalibriereinheit 2 vorgesehen, welche zum automatisierten Kalibrieren der Daten bzw. der Spektrometervorrichtung 1 mit einem neuartigen Verfahren betrieben wird.
-
Die Kalibriereinheit 2 ist hier über Datenleitungen 7 mit der Spektrometervorrichtung 1 verbunden. Die Kalibriereinheit 2 weist ein Auswahlmodul 5 zum automatischen Extrahieren von relevanten Spektralanteilen Xrel aus den gemessenen spektrometrischen Daten X auf. Die jeweils für die Messung eines spezifischen Stoffes 4 physikalisch relevanten Spektralanteile Xrel werden durch das Auswahlmodul 5 erfindungsgemäß automatisch ermittelt, d. h. aus den gesamten Messdaten X ohne Zutun eines Experten extrahiert. Zu diesem Zweck bedient sich bei diesem Ausführungsbeispiel das Auswahlmodul 5 der Kalibriereinheit 2 einer mathematisch-statistischen Methodik, welche als sogenannte Bayes'sche Inferenz bekannt ist. Diese ist in Form eines Algorithmus bei dem gezeigten Ausführungsbeispiel als ein Programmmodul im Auswahlmodul 5 hinterlegt. Das Auswahlmodul 5 ermittelt selbsttätig aus den gemessenen Spektralanteilen X die für den jeweiligen Messvorgang und das jeweilige Messobjekt bzw. Stoff 4 relevanten spektrometrischen Daten Xrel , welche anschließend in einem Speichermodul 3 gespeichert werden. Als physikalisch relevante Spektralanteile werden im Rahmen der vorliegenden Beschreibung diejenigen Spektren bzw. Wellenlängen angesehen, in welchen der jeweilige Stoff Licht absorbiert. Lediglich diese als relevant im Auswahlmodul 5 beurteilten Spektralanteile Xrel werden anschließend zum Kalibrieren der Spektrometeranordnung 10 verwendet. Bei dem gezeigten Ausführungsbeispiel der Erfindung ist noch eine Recheneinrichtung 6 vorhanden, welche als eine Schnittstelle Mensch/Maschine die Eingabe von Programmen und/oder zusätzlichen Daten erlaubt. Mit der erfindungsgemäßen Anordnung 10 zum Kalibrieren der Spektrometervorrichtung 1 ist ein vollständig automatisiertes Kalibrieren bei reduziertem Rechen- und Zeitaufwand möglich, ohne dass ein Rückgriff auf bisher im Stand der Technik notwendiges Expertenwissen und entsprechende Fachleute erforderlich ist. Die Qualität der Kalibrierung wird dennoch beibehalten bzw. gegenüber den bisher bekannten Verfahren noch erhöht. Mit der speziellen Auswahlmethodik im Auswahlmodul 5 auf Grundlage einer Bayes'schen Inferenz und eines entsprechenden Algorithmus bzw. Programmverfahrens werden aus den ursprünglichen gemessenen Spektralanteilen X die bei fortlaufender Iteration gegen null tendierenden Werte automatisch herausgenommen, so dass nur relevante Spektralanteile Xrel übrig bleiben. Die hinter dem Auswahlmodul 5 stehende erfindungsgemäße Methodik wird im Folgenden anhand eines Beispiels mit Verweis auf entsprechende mathematische Grundlagen beschrieben. Die Anwendung und die Umsetzung der mathematisch-statistischen Methode nach Bayes im Rahmen der Kalibrieranordnung 10 nach 1 können dabei auf verschiedene Art und Weise erfolgen, wobei eine entsprechende Anpassung für den erfindungsgemäßen Anwendungsfall, nämlich eine Kalibrierung einer Spektrometervorrichtung, jeweils vorgenommen wird.
-
In der Chemometrie und zur Kalibrierung von mit Spektrometervorrichtungen gemessenen Spektren sowie dazugehörigen Stoffkonzentrationen wurde bisher im Stand der Technik notwendigerweise auf Expertenwissen zurückgegriffen. Experten waren notwendig zum Auswählen von relevanten Messdaten aus einer Vielzahl von gemessenen Werten der Stoffkonzentrationen bzw. Spektralanteile. Anhand von Spektrometerdiagrammen konnte der Experte jeweils die relevanten Spektralanteile bzw. Bereiche von Spektren auswählen und auf dieser Grundlage eine Kalibrierung der Vorrichtung und der Messergebnisse sozusagen „von Hand“ vornehmen.
-
Daneben war es im Stand der Technik bekannt, sich ergänzend zum Expertenwissen sogenannter mathematisch-statistischer Verfahren zu bedienen. Beispielsweise wurde in der Chemometrie zur Kalibrierung von gemessenen Spektren bisher ein Partial-Least-Squares-Verfahren, kurz PLS-Verfahren, verwendet. Bevor auf die erfindungsgemäße Methodik zur Auswahl von relevanten spektrometrischen Messdaten eingegangen wird, wird zum besseren Verständnis die im Stand der Technik bisher verwendete Methodik nach dem PLS-Verfahren zur Kalibrierung von gemessenen Spektren erläutert.
-
Bei der Kalibrierung von spektrometrischen Daten liegen die Daten zunächst als ein lineares Gleichungssystem vor:
-
-
Dieses lineare Gleichungssystem muss gelöst werden, wobei die Matrix X zeilenweise die am Messobjekt bzw. dem Stoff 4 gemessenen Spektren enthält. Die Matrix X hat die Dimension N*M, wobei N die Anzahl von gemessenen Spektren bzw. Spektralanteilen ist und M die Anzahl der gemessenen Wellenlängen bezeichnet. Die Stoffkonzentrationen, mit denen im Rahmen der Kalibrierung eines Spektrometers kalibriert wird, sind im N-dimensionalen Vektor y zusammengefasst. Das Ziel im Vorgehen zur Erreichung einer Kalibrierung ist es nun, den N-dimensionalen Koeffizientenvektor w so zu schätzen, dass der quadratische Fehler minimiert wird. Es handelt sich somit um eine Art mathematisches Minimierungsproblem, das mit folgender Gleichung (2) ausgedrückt werden kann.
-
-
Dabei besteht normalerweise bei spektrometrischen Messungen jedoch das Problem, dass die Anzahl von gemessenen Wellenlängen M viel größer ist als die Anzahl von gemessenen Spektren N. Dies bedeutet, dass die Anzahl von zu lösenden Gleichungen kleiner ist als die Anzahl von zu schätzenden Wertepaar-Koeffizienten. Das obige Gleichungssystem (2) ist somit mathematisch unterbestimmt und hat im Prinzip unendlich viele Lösungen. Das im Stand der Technik bekannte PLS- (Partial-Least-Squares-)Verfahren löst dieses Problem durch eine Faktorisierung der Matrix X in sogenannte Hauptkomponenten.
-
Bei der Kalibrieriung werden dann nur wenige Hauptkomponenten genutzt, wodurch das oben genannte Minimierungsproblem in diesem dann eingeschränkten Raum eindeutig lösbar wird. Ein Beispiel für einen im Stand der Technik verwendeten iterativen Algorithmus zur Berechnung der PLS-Lösung ist der sogenannte NIPALS-Algorithmus (Abk. von engl. non-linear iterative partial least squares). Der Nachteil dieser bisher im Stand der Technik bekannten Verfahren (PLS bzw. NIPALS) ist jedoch, dass eine automatisierte Auswahl von relevanten Wellenlängen bzw. Spektralanteilen einer Messung mittels einer Spektrometervorrichtung unter Beibehaltung der Kalibrierqualität nicht möglich ist. Das heißt, wenn der Wellenlängenbereich bei einer solchen Messung und Kalibrierung nach dem Stand der Technik nicht von Hand durch einen Experten eingeschränkt wird, ist das Ergebnis einer PLS-Kalibrierung im vorliegenden Anwendungsfall auf Spektrometervorrichtungen stets ein vollbesetzter Koeffizientenvektor w, dessen Einträge alle ungleich null sind, und somit müssen bei der Kalibrierung in der Kalibriereinheit stets die Spektralanteile aller Wellenlängen berücksichtigt werden. Dies führt zu einem hohen Rechenaufwand und zu einer langen Kalibrierungsdauer. Der größte Nachteil dieser Methode nach dem Stand der Technik ist jedoch, dass eine automatisierte Durchführung der Kalibrierung, d. h. eine Kalibrierung ohne Rückgriff auf einen Experten mit seinem entsprechenden Fachwissen, mit diesen bekannten Kalibriermethoden nicht möglich ist.
-
Die vorliegende Erfindung löst dieses Problem auf folgende Art und Weise:
- Um einen Koeffizientenvektor w zu finden, bei dem die Einträge, die mit den irrelevanten Wellenlängen korrespondieren, verschwinden, wird in einem spezifisch angepassten Auswahlmodul 5 der Kalibriereinheit 2 (vgl. 1) eine neuartige Methodik verwendet: Nur die Einträge in dem Koeffizientenvektor w, welche relevante Wellenlängen betreffen, werden beibehalten. Anders gesagt werden die Einträge, die mit den im untersuchten jeweiligen Fall irrelevanten Wellenlängen korrespondieren, aus dem Vektor eliminiert. Mathematisch bedeutet dies, dass nur die Einträge in dem Koeffizientenvektor w, die mit den relevanten Wellenlängen korrespondieren, ungleich null sein sollen. Eine solche Lösung wird als „dünn besetzt“ (engl. sparse) bezeichnet.
- Erfindungsgemäß wird dies in dem Auswahlmodul 5 der Kalibrieranordnung 10 mit der Methodik der sogenannten Bayes'schen Inferenz nach dem Mathematiker Thomas Bayes gelöst. Dabei wird angenommen, dass der gesuchte Koeffizientenvektor w durch eine bestimmte Wahrscheinlichkeitsverteilung p generiert wurde.
-
Das erfindungsgemäße Auswahlkriterium kann beispielsweise auf folgenden mathematischen Annahmen und Verfahrensschritten beruhen: Es wird angenommen, dass der Koeffizientenvektor W durch eine generalisierte Gauß-Verteilung statistisch bestimmt ist:
mit t Î [0,1]. Mit w
i sind die jeweiligen Einträge von spektrometrischen Daten einer Messung mit der Spektrometervorrichtung
1, die in dem Koeffizientenvektor W abgebildet sind, bezeichnet. Diese Annahme entspricht einer neuartigen Modifizierung des oben genannten Minimierungsproblems in der Form
[0046] mit einem kleinen Parameter I, der bestimmt, inwieweit die Länge des Koeffizientenvektors W strafend in die zu minimierende Funktion eingeht. Die Lösung dieses Problems (Gleichung (4)) ist in jedem Fall dünn besetzt für t Î [0,1], d. h. es handelt sich um eine dünnbesetzte Lösung.
-
Die latenten Parameter in der hier angenommenen Wahrscheinlichkeitsverteilung p, auf die hier nicht weiter eingegangen werden soll, können durch iterative Verfahren auf Basis der sogenannten Bayes'schen Inferenz nach der vorliegenden Erfindung geschätzt werden. Zu den Grundlagen von solchen iterativen Verfahren in anderen Bereichen als dem der vorliegenden Erfindung kann auf folgende wissenschaftliche Artikel verwiesen werden:
D. P. Wipf, R. R. Ramirez, J. A. Palmer, S. Makeig, and B. D. Rao, „Analysis of Empirical Bayesian Methods for Neuroelectromagnetic Source Localization". Advances in Neural Information Processing Systems 19 (NIPS 2006), MIT Press, 2007; M. E. Tipping, „Sparse Bayesian learning and the relevance vector machine". Journal of Machine Learning Research 1, MIT Press, 2001.
-
Strebt die Wahrscheinlichkeit für einen bestimmten Koeffizienten des Koeffizientenvektors w während der Iteration im erfindungsgemäßen Auswahlmodul 5 gegen null, wird der entsprechende Eintrag in dem Koeffizientenvektor w entfernt. Das heißt, es werden nur relevante Spektralanteile Xrel aus der Gesamtheit von gemessenen Spektralanteilen X extrahiert. Nach der Konvergenz bleiben durch das erfindungsgemäße Verfahren lediglich die Einträge übrig, die für die Regression relevant sind. Durch den erfindungsgemäßen Rückgriff auf sogenannte Bayes'sche Inferenzmethodiken bei der Auswahl von physikalisch jeweils relevanten Messwerten im Auswahlmodul 5 kann die Kalibrierung einer Spektrometervorrichtung 1 nun vollständig automatisiert durchgeführt werden. Ein Rückgriff auf das bisher unabdingbar notwendige Expertenwissen ist mit der Erfindung nicht mehr erforderlich. Darüber hinaus werden durch die Reduzierung des Koeffizientenvektors auf relevante Messdaten die Messung und Kalibrierung viel schneller, da lediglich an ausgewählten Wellenlängen bzw. Wellenlängenbereichen erneut gemessen werden muss. Nicht zuletzt wird durch das erfindungsgemäße Kalibrierverfahren und die erfindungsgemäße Anordnung zum Kalibrieren die Kalibrierqualität noch verbessert. Auch sind weitere Anwendungen des erfindungsgemäßen Verfahrens denkbar, wie z. B. eine Nutzung des Verfahrens zu diagnostischen Zwecken: Stellt man z. B. fest, dass sich in ausgewählten Wellenlängen oder Wellenlängenbereichen starke Veränderungen gegenüber der letzten Kalibrierung einstellen, kann dies als ein Hinweis für die Alterung von bestimmten Komponenten oder Bauteilen der Spektrometervorrichtung 1 bzw. der Spektrometeranordnung 10 nach der Erfindung verwendet werden.
-
Die 2a zeigt ein Messdiagramm mit spektrometrischen Daten zur Veranschaulichung des erfindungsgemäßen Kalibrierverfahrens. In der 2b ist zu Zwecken der Validierung der Wirksamkeit und Funktionsfähigkeit des erfindungsgemäßen Kalibrierverfahrens eine Crossvalidierung dargestellt, wobei mit dem erfindungsgemäßen Verfahren gemessene Werte (sparse Bayesian) im Vergleich zu mit einem Stand-der-Technik-Verfahren (NIPALS) gemessenen Werten aufgetragen sind.
-
Bei dem in der 2a dargestellten Messdiagramm von spektrometrischen Daten sind auf der Abszisse Wellenlängen und auf der Ordinate Stoffkonzentrationen aufgetragen. Es sind bei diesem Beispiel einer Messung und Kalibrierung mit dem erfindungsgemäßen Kalibrierverfahren 14 Rohspektren zu erkennen, welche bei der Messung einer Weinprobe als Messobjekt bzw. Stoff 4 mittels der Spektrometervorrichtung 1 entstanden sind. Die Messgröße ist der Alkoholgehalt der verschiedenen Proben des Weins. Die mit r bezeichneten Linien bezeichnen die Wellenlängen, welche durch das beschriebene Kalibrierverfahren automatisiert im Auswahlmodul 5 ausgewählt wurden. Von insgesamt 87 Wellenlängen dieser Messung einer Weinprobe durch das Spektrometer 1 wurden hier 15 Wellenlängen bzw. Spektralanteile als relevant detektiert, d. h. als physikalisch relevant zu erachtende Spektralanteile Xrel für den vorliegend betrachteten Messvorgang am Wein. Der Anteil von 15:87 Wellenlängen entspricht einem Anteil von 17,24 %. Durch diese als „dünn besetzt“ bezeichnete Lösung kann eine spätere Messung auch in entsprechend reduzierter Zeit durchgeführt werden, d. h. nur 17,24 % der ursprünglichen Zeit einer Messung sind erforderlich, da lediglich an diesen ausgewählten Wellenlängen erneut mit der Spektrometervorrichtung 1 gemessen werden muss.
-
Der in der 2b gezeigte Vergleich des erfindungsgemäßen Kalibrierverfahrens auf Basis einer Bayes'schen Inferenz oder ähnlichen Verfahren mit traditionellen Verfahren nach dem Stand der Technik (hier NIPALS-Algorithmus) verdeutlicht ebenfalls die Vorteilhaftigkeit und Wirksamkeit der erfindungsgemäßen Methodik zur Erhöhung der Kalibrierqualität: Auf der Ordinate ist der prädizierte Alkoholgehalt in % jeweils angegeben. Auf der Abszisse ist der gemessene Alkoholgehalt in % angegeben. Die mit dem erfindungsgemäßen Verfahren gemessenen Messwerte sind mit * („Stern“ = Bayes) bezeichnet, wohingegen die mit dem traditionellen NIPALS-Verfahren ermittelten Werte mit „Punkt“ (= NIPALS) aufgetragen wurden. Es wurde stets eine Kalibrierung mit beiden Verfahren mit 13 der 14 ausgewählten Spektren bei 5 Hauptkomponenten durchgeführt. Die Voraussage bzw. Prädizierung wurde auf dem ausgelassenen Spektrum durchgeführt. Je näher die Punkte (sparse Bayesian) bzw. Sterne (NIPALS) an der Geraden liegen, desto besser ist die Voraussage. Der durchschnittliche Fehler bei dieser sogenannten Crossvalidierung beträgt mit dem neuen, erfindungsgemäßen Verfahren, dem sogenannten „Sparse-Bayesian-Kalibrierverfahren“, 0,4924 % und bei der klassischen Kalibrierung nach dem Stand-der-Technik-NIPALS-Verfahren 0,7243 %. Das heißt, dass in diesem Fall die Prädiktion sogar mit dem erfindungsgemäßen Verfahren genauer ist, obwohl hier die in 2a dargestellte Untermenge von Wellenlängen verwendet wurde. Diese Gegenüberstellung des erfindungsgemäßen Verfahrens mit dem Verfahren nach dem Stand der Technik zeigt, dass das erfindungsgemäße Verfahren zu einer Verbesserung in der Kalibrierqualität führt, abgesehen von der deutlichen Reduzierung der erforderlichen Zeit für Messungen und Kalibriervorgänge.
-
Bezugszeichenliste
-
- 1
- Spektrometervorrichtung
- 2
- Kalibriereinheit
- 3
- Speichermodul
- 4
- Messobjekt bzw. untersuchter Stoff
- 5
- Auswahlmodul
- 6
- Recheneinrichtung
- 7
- Datenleitungen
- X
- Gesamtheit von gemessenen Spektralanteilen
- Xrel
- extrahierte, physikalisch relevante Spektralanteile einer Messung von spektrometrischen Daten