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Die
Erfindung bezieht sich auf ein Implantat zur Stimulation von Nervenzellen.
Ferner bezieht sich die Erfindung auf ein das Implantat umfassendes Stimulationssystem
und ein Verfahren zur Stimulation von Nervenzellen.
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Zur
Behandlung neurologischer und psychiatrischer Erkrankungen werden
Elektroden im Nervensystem, insbesondere im Gehirn, implantiert.
Herkömmliche
Stimulationssysteme applizieren über
die Elektroden Stimulationssignale beispielsweise dauerhaft oder
bedarfsgesteuert. Bei der dauerhaften Stimulation erfolgt meist
keine Messung von Signalen, welche vom Nervensystem abgeleitet werden. Bei
der bedarfsgesteuerten Stimulationsform werden über im Nervensystem implantierte
Elektroden Messsignale aufgenommen, die eine Detektion krankhafter
Ereignisse ermöglichen
und deren Detektion eine Stimulation auslöst. Ziel sowohl der dauerhaften
als auch der bedarfsgesteuerten Stimulation ist es, krankhafte Symptome
dauerhaft bzw. bei deren Auftreten zu unterdrücken.
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Vor
diesem Hintergrund werden ein Implantat gemäß Anspruch 1, ein Stimulationssystem
gemäß Anspruch
18 sowie ein Verfahren gemäß Anspruch
22 angegeben. Vorteilhafte Weiterbildungen und Ausgestaltungen sind
in den Unteransprüchen angegeben.
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Gemäß einem
Aspekt der Erfindung umfasst ein Implantat eine Empfangseinheit,
eine Generatoreinheit und eine Stimulationseinheit. Die Empfangseinheit
empfängt
drahtlos Steuersignale, anhand welcher die Generatoreinheit Stimulationssignale
erzeugt. Die Stimulationssignale werden von der Stimulationseinheit
zur Stimulation von Nervenzellen verwendet.
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Das
Implantat kann gemäß einem
weiteren Aspekt der Erfindung Teil eines Stimulationssystems sein.
Das Stimulationssystem umfasst des Weiteren eine Steuervorrichtung
mit einer weiteren Generatoreinheit zum Erzeugen der Steuersignale
und eine Sendeeinheit zum drahtlosen Versenden der Steuersignale,
die anschließend
von der Empfangseinheit des Implantats empfangen werden. Das Implantat des
Stimulationssystems kann die Ausgestaltungen aufweisen, die in den
auf den Anspruch 1 rückbezogenen
Unteransprüchen
genannt sind.
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Ein
weiterer Aspekt der Erfindung betrifft ein Verfahren, bei dem Steuersignale
erzeugt, drahtlos versendet und empfangen werden. Anhand der empfangenen
Steuersignale werden Stimulationssignale erzeugt, mit denen Nervenzellen
stimuliert werden.
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Die
Erfindung wird nachfolgend in beispielhafter Weise unter Bezugnahme
auf die Zeichnungen näher
erläutert.
In diesen zeigen:
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1 eine
schematische Darstellung eines Implantats 10 als Ausführungsbeispiel
der Erfindung;
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2 eine
schematische Darstellung eines Stimulationssystems 20 als
weiteres Ausführungsbeispiel
der Erfindung;
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3 eine
schematische Darstellung eines Stimulationssystems 40 als
weiteres Ausführungsbeispiel
der Erfindung;
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4 eine
schematische Darstellung eines Stimulationssystems 70 als
weiteres Ausführungsbeispiel
der Erfindung;
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5 eine
schematische Darstellung einer Stimulations- und Messelektrode 100;
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6 eine
schematische Darstellung eines Pulszugs 110;
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7 eine
schematische Darstellung von Sequenzen 120 und 121 von
Pulszügen;
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8 eine
schematische Darstellung eines Schaltkreises 130 eines
Implantats als weiteres Ausführungsbeispiel
der Erfindung; und
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9 eine
schematische Darstellung eines Schaltkreises 150 eines
Implantats als weiteres Ausführungsbeispiel
der Erfindung.
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In 1 ist
schematisch ein Implantat 10 als Ausführungsbeispiel der Erfindung
dargestellt. Das Implantat 10 weist eine Empfangseinheit 11,
eine Generatoreinheit 12 und eine Stimulationseinheit 13 auf. Während des
Betriebs des Implantats 10 empfängt die Empfangseinheit 11 drahtlos
Steuersignale. Mit den Steuersignalen wird die Generatoreinheit 12 gespeist,
die anhand der Steuersignale Stimulationssignale generiert. Die
Stimulationssignale werden von der Stimulationseinheit 13 zur
Stimulation von Nervenzellen, insbesondere von Hirnzellen, verwendet.
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In 2 ist
schematisch ein Stimulationssystem 20 als weiteres Ausführungsbeispiel
der Erfindung dargestellt. Das Stimulationssystem 20 umfasst
neben dem vorstehend beschriebenen Implantat 10 eine Steuervorrichtung 30.
Die Steuervorrichtung 30 besteht aus einer Generatoreinheit 31 zum Erzeugen
von Steuersignalen und einer Sendeeinheit 32, welche die
von der Generatoreinheit 32 erzeugten Steuersignale drahtlos
aussendet. Die ausgesendeten Steuersignale werden von der Empfangseinheit 11 empfangen
und wie oben erläutert weiterverarbeitet.
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In 3 ist
schematisch ein Stimulationssystem 40 gezeigt, das eine
Weiterbildung des in 2 dargestellten Stimulationssystems 20 darstellt. Sowohl
das Implantat 50 als auch die Steuervorrichtung 60 enthalten
eine Sende- und Empfangseinheit 51 bzw. 62, welche
einen bidirektionalen Datenaustausch zwischen dem Implantat 50 und
der Steuervorrichtung 60 ermöglichen. In die Stimulationseinheit 53 ist
ferner eine Messeinheit integriert, die Messsignale von Nervenzellverbänden, beispielsweise
deren neuronale Aktivität,
aufnimmt. Die Messsignale werden von der Sende- und Empfangseinheit 51 drahtlos
an die Sende- und Empfangseinheit 62 übertragen und anschließend in
der Generatoreinheit 61 weiterverarbeitet.
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In 4 ist
ein Stimulationssystem 70 während seines bestimmungsgemäßen Betriebs
dargestellt. Dazu ist ein Implantat 80 in den Kopf eines
Patienten implantiert worden. Das Implantat 80 besteht aus
einer Spule 81 als Sende- und Empfangseinheit, einer Generatoreinheit 82 und
einer Elektrode 83 als Stimulations- und Messeinheit, die
in das Gehirn eingepflanzt worden ist. Eine Steuervorrichtung 90 ist nicht
in den Patienten implantiert worden und ist wie ein Hörgerät abnehmbar
hinter dem Ohr des Patienten befestigt („behind the ear"; BTE). Die Steuervorrichtung 90 umfasst
eine Generatoreinheit 91 und eine als Sende- und Empfangseinheit
ausgelegte Spule 92. Die Spule 81 ist typischerweise
so implantiert, dass sie sich direkt unter der Haut des Patienten befindet.
Die Spule 92 wird von außerhalb in die Nähe der Spule 81 gebracht
oder direkt auf die Spule 81 aufgebracht. In letzterem
Fall befindet sich zwischen den beiden Spulen 81 und 92 nur
die Haut des Patienten. Die beiden Spulen 81 und 92 wirken
als Transformator, mittels dem durch Induktion hochfrequente Signale
und elektrische Leistung übertragen werden.
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Während die
Steuervorrichtung 90 einen wiederaufladbaren Akkumulator
oder vorzugsweise eine auswechselbare Batterie zur Bereitstellung
einer Versorgungsspannung enthält,
ist bei dem Implantat 80 typischerweise keine auswechselbare
Batterie vorgesehen, um häufige
Operationen des Patienten zum Auswechseln der Batterie zu vermeiden. Stattdessen
kann das Implantat 80 eine Energiespeichereinheit, beispielsweise
in Form eines Ladekondensators hoher Kapazität oder eines wiederaufladbaren
Akkumulators, enthalten. Der Akkumulator ist darauf angewiesen,
dass er in regelmäßigen Abständen aufgeladen
wird. Die dazu benötigte
Energie wird dem Akkumulator von außerhalb zugeführt, indem von
der Spule 92 mittels Induktion drahtlos Energie auf die
Spule 81 übertragen
wird. Batterien haben ein besseres Volumen-zu-Leistungs-Verhältnis und
werden momentan bei BTEs den Akkumulatoren bevorzugt.
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Die
Steuervorrichtung 90 kann an ein Monitoring-System angeschlossen
werden, zu welchem die von der Elektrode 83 aufgenommenen
Messsignale telemetrisch übertragen
werden. Mittels des Monitoring-Systems kann ein Arzt den Erfolg
der Stimulation und den Verlauf der Erkrankung anhand der gemessenen
neuronalen Aktivität
und deren Reaktion auf Stimulation verfolgen. Die Überwachung
der neuronalen Aktivität
ermöglicht
ferner die Modifizierung der Stimulationsparameter in Abhängigkeit
von der gemessenen neuronalen Aktivität.
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Das
in 4 gezeigte Stimulationssystem 70 weist
eine Elektrode 83 zur Stimulation und zur Messung der neuronalen
Aktivität
auf. Alternativ kann auch mehr als eine Elektrode vorgesehen sein, wobei
die Elektroden im Gehirn an unterschiedlichen Stellen eingepflanzt
werden. Ein möglicher
Aufbau einer derartigen Stimulations- und Messelektrode 100 ist
in 5 dargestellt. Die Elektrode 100 besteht
aus einem isolierten Elektrodenschaft 101 und mindestens
einer, beispielsweise mehr als drei oder mehr als zehn Stimulationskontaktflächen 102,
die in den Elektrodenschaft 101 eingebracht worden sind. Die
Stimulationskontaktflächen 102 sind
aus eifern elektrisch leitfähigen
Material, beispielsweise einem Metall, gefertigt und befinden sich
nach der Implantation in direktem elektrischen Kontakt mit dem Nervengewebe.
Jede der Stimulationskontaktflächen 102 kann über eine
eigene Zuleitung 103 angesteuert werden bzw. es können über die
Zuleitungen 103 die aufgenommenen Messsignale abgeführt werden. Neben
den Stimulationskontaktflächen 102 weist
die Elektrode 100 eine Referenzelektrode 104 auf,
deren Oberfläche
typischerweise größer als
die der Stimulationskontaktflächen 102 ist.
Die Referenzelektrode 104 wird bei der Stimulation des
Nervengewebes zur Erzeugung eines Referenzpotentials eingesetzt.
Alternativ kann auch eine der Stimulationskontaktflächen 102 zu
diesem Zweck verwendet werden.
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Im
Folgenden werden die Funktionsweisen der in den 1 bis 4 gezeigten
Implantate und Stimulationssysteme sowie die mit diesen Geräten erzielbaren
Ergebnisse erläutert.
Die hier vorgestellten Geräte
sind dazu entwickelt worden, neurologische und psychiatrische Erkrankungen
durch Reizung mit elektrischen Signalen zu behandeln. Bei Patienten
mit neurologischen oder psychiatrischen Erkrankungen, wie z. B.
Morbus Parkinson, essentiellem Tremor, Dystonie, Epilepsie, Tremor
infolge von Multipler Sklerose sowie anderen pathologischen Tremores,
Depression, Zwangserkrankungen, Tourette-Syndrom, Dysfunktionen
nach Schlaganfall oder Tinnitus, sind Nervenzellenverbände in umschriebenen
Bereichen des Gehirns, z. B. des Thalamus und der Basalganglien,
krankhaft aktiv, beispielsweise übersteigert
synchron. In diesem Fall bildet eine große Anzahl von Neuronen synchron
Aktionspotentiale aus, d. h., die beteiligten Neuronen feuern übermäßig synchron.
Beim gesunden Patienten feuern die Neuronen in diesen Hirngebieten
qualitativ anders, z. B. auf unkorrelierte Weise.
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Bei
den hier beschriebenen Implantaten und Stimulationssystemen geht
es nicht darum, durch dauerhafte oder bedarfsgesteuerte Reizung
der Hirnzellen Symptome zu unterdrücken. Vielmehr werden durch
zeitweise Reizung (z. B. über
ein bis sechs oder auch bis zu zwölf Stunden) mit geeigneten
Stimulationsarten die Nervenzellverbände so umgebaut, dass diese
im Laufe der Behandlung die Neigung, krankhafte Aktivität zu generieren,
lang anhaltend oder sogar dauerhaft verlernen.
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Überraschenderweise
bewirken die hier beschriebenen Implantate und Stimulationssysteme selbst
bei schwer betroffenen Par kinsonpatienten mit ausgeprägter Akinese
bzw. ausgeprägten on-off-Fluktuationen,
bei denen die Standard-Hochfrequenz-Stimulation auch nachts dauerhaft appliziert
werden muss, lang anhaltende therapeutische Effekte nach nur vergleichsweise
kurzer Stimulation während
z. B. wenigen Stunden tagsüber.
Die therapeutischen Effekte halten anschließend mehrere Tage oder sogar
noch länger
an, wobei im Laufe der Behandlung ein akkumulierender Effekt der
therapeutischen Wirkung auftritt, sodass die Länge der benötigten Stimulationsintervalle
sogar noch weiter gesenkt werden kann.
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Aufgrund
der lang anhaltenden therapeutischen Effekte muss keine Dauerstimulation
durchgeführt
werden. Bei Dauerstimulationen kann es durch den hohen Ladungseintrag
und die damit verbundene Stimulation von umgebendem Gewebe zu Nebenwirkungen
kommen, die für
den Patienten sehr belastend sein können. Zudem stört die dauerhafte
Reizung die physiologische (normale) Informationsverarbeitung, da
die stimulierten Nervenzellverbände nicht „frei und
ungestört" arbeiten können, sondern permanent
in ihrer Entladungsdynamik vom Stimulator beeinflusst werden. Eine
dauerhafte Stimulation ist z. B. bei Parkinsonpatienten, die mit
tiefer Hirnstimulation behandelt werden und zur Akinese neigen, selbst
nachts nötig,
da die Patienten sich sonst nicht mehr bewegen und von einer Seite
auf die andere drehen können
und somit bewegungsunfähig
an das Bett gefesselt sind. Dies betrifft die große Gruppe
der Parkinsonpatienten mit Akinese und Rigor sowie insbesondere
die Parkinsonpatienten mit on-off-Fluktuationen, bei denen Phasen
mit unkontrollierten Überbewegungen
und Phasen mit verminderter Beweglichkeit oder sogar einem Einfrieren
(freezing) einander abwechseln.
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Ein
weiterer Vorteil der Erfindung besteht darin, dass auf eine bedarfsgesteuerte
Stimulation verzichtet werden kann. Typischerweise sollen bei der bedarfsgesteuerten
Stimulation eine oder mehrere Arten krankhafter Ereignisse in den
abgeleiteten Messsignalen detektiert werden. Sobald derartige Er eignisse
detektiert werden, verabreicht der Stimulator Reize, welche entweder
stereotyp oder angepasst an die jeweilige Art des Ereignisses oder
dessen Ausprägungsgrad
sind. Dies setzt essentiell voraus, dass die Detektion krankhafter
Ereignisse funktioniert. Tatsächlich
aber ist die Detektion der pathologischen Ereignisse zum Teil schwierig.
Noch schwieriger oder – z.
B. im Fall der Epilepsien – sogar
momentan noch unmöglich
ist es, das Auftreten der pathologischen Ereignisse vorherzusagen.
Letzteres würde
es dem Stimulator ermöglichen,
mit einem gewissen zeitlichen Vorlauf und damit eventuell effizienter
zu stimulieren. Auch bei bedarfsgesteuerter Stimulation können Nebenwirkungen
auftreten, vor allem wenn infolge ungenügender Detektion (zu hohe Rate
an falsch positiven Ereignissen) z. B. zu häufig stimuliert wird.
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Vorteil
der hier beschriebenen Implantate ist des Weiteren ihre vergleichsweise
geringe Größe, die
darauf zurückzuführen ist,
dass es sich um Halbimplantate handelt, bei denen ein Teil des Geräts, nämlich die
Steuervorrichtung nicht implantiert wird. Ein kleineres Implantat
verursacht ein kleineres Infektionsrisiko und ist für den Patienten
optisch (kosmetisch) und/oder bzgl. der Eigenwahrnehmung weniger
störend.
Kleinere Implantate bergen außerdem im
Fall eines Sturzes oder Unfalls ein geringeres Verletzungsrisiko.
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Durch
Platzierung des Implantats z. B. im Mastoiden können die Stimulationselektroden
entlang der starren Schädeloberfläche verlegt
werden, d. h. sie durchlaufen nicht den beweglichen Nackenbereich
wie bei Brustimplantaten. Die damit verbundenen Vorteile sind eine
verbesserte Einheilung, eine mechanische Entlastung der Elektrodenzuleitungen und
eine geringere Wahrscheinlichkeit eines operativen Eingriffs zur
Nachjustierung der Elektroden.
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Ein
mit halb implantierbaren Stimulationssystemen üblicherweise verbundener Nachteil
wird durch die lang anhaltenden therapeutischen Effekte der erfindungsgemäßen Implantate
be hoben. Da die erfindungsgemäßen Geräte infolge
ihrer guten Stimulationswirkung nachts nicht getragen werden müssen, kann
es zu keiner Dislokationen der Antenne während der Nacht kommen.
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Ein
lang anhaltender therapeutischer Umbau von Nervenzellverbänden – mit dem
damit verbundenen Wegbleiben der Symptome – wird dadurch erreicht, dass
so stimuliert wird, dass die Rate synaptischer Koinzidenzen, d.
h. die Häufigkeit,
mit der über Synapsen
verbundene Nervenzellen gleichzeitig Aktionspotentiale oder Bursts
(Gruppen von Aktionspotentialen) generieren, vermindert wird. Hierdurch
verlernen die betroffenen Nervenzellverbände überraschenderweise die Tendenz
zur Ausprägung
der pathologischen Aktivität.
Dabei werden krankhaft starke synaptische Verbindungen vermindert,
und es bilden sich physiologische (gesunde) Muster der synaptischen
Verschaltung der Neuronen wieder aus.
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Diese
lang anhaltende Wirkung tritt überraschenderweise
auch ein, wenn die Stimulation nicht unmittelbar wirksam ist. D.
h. unter Stimulation verschwinden die Symptome nicht unbedingt sofort;
vielmehr klingen sie nach z. B. einer halben Stunde Stimulation
langsam und zunehmend ab und bleiben dann auch nach Ausschalten
des Stimulators für
längere
Zeit oder sogar dauerhaft weg.
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Um
diesen Effekt zu erzielen, müssen
Stimulationstechniken verwendet werden, welche bewirken, dass die
stimulierten Nervenzellverbände
nicht mehr gleichzeitig feuern (d. h. Aktionspotentiale oder Bursts
generieren) können.
Hierzu werden über
die Stimulationskontaktflächen
in der nachfolgend beschriebenen Weise Reize an das Hirngewebe appliziert.
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Damit
möglichst
effizient, aber dennoch sicher, d. h. ohne Gewebeschädigung,
das Feuern der Nervenzellen in der Umgebung der jeweiligen Stimulationskontaktfläche ausgelöst wird,
werden kurze Pulszüge
(anstatt langer Einzelreize) verwendet.
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Diese
Pulszüge
bestehen aus 1 bis 20, vorzugsweise 2 bis 10, elektrischen ladunsgbalancierten Einzelpulsen.
Beispielhaft ist ein solcher Pulszug 110, der aus drei
Einzelpulsen 111 besteht, in 6 gezeigt.
Die Einzelpulse 111 werden mit einer Frequenz f oberhalb
von 100 Hz wiederholt. Die Einzelpulse 111 sind Strompulse,
die sich aus einem anfänglichen
Pulsanteil 112 und einem sich daran anschließenden,
in entgegengesetzter Richtung fließenden Pulsanteil 113 zusammensetzen.
Die Dauer 114 des Pulsanteils 112 liegt im Bereich
zwischen 40 μs
und 400 μs,
insbesondere im Bereich zwischen 60 μs und 120 μs und insbesondere zwischen
60 μs und 100 μs. Die Amplitude 115 des
Pulsanteils 112 liegt im Bereich zwischen 0 mA und 10 mA,
insbesondere zwischen 2 mA und 5 mA. Die Amplitude des Pulsanteils 113 ist
geringer als die Amplitude 115 des Pulsanteils 112.
Dafür ist
die Dauer des Pulsanteils 113 länger als die des Pulsanteils 112.
Die Pulsanteile 112 und 113 sind idealerweise
so dimensioniert, dass die Ladung, welche durch sie übertragen
wird, bei beiden Pulsanteilen gleich groß ist, d. h. die in 6 schraffiert
eingezeichneten Flächen
sind gleich groß. Im
Ergebnis wird dadurch durch einen Einzelpuls 111 genauso
viel Ladung in das Hirngewebe eingebracht, wie aus dem Hirngewebe
entnommen wird.
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Die
in 6 dargestellte Rechteckform der Einzelpulse 111 stellt
eine ideale Form dar. Je nach der Güte der die Einzelpulse 111 erzeugenden
Elektronik wird von der idealen Rechteckform abgewichen.
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Die
Pulszüge
werden über
die einzelnen Stimulationskontaktflächen so appliziert, dass die
zeitliche Differenz zwischen aufeinanderfolgenden Reizungen (an
unterschiedlichen Kontaktstellen) innerhalb einer Abfolge von Reizungen
möglichst
groß ist, und
insbesondere Reizungen an verschiedenen Kontaktstellen vermieden
werden. Dies kann u. a. auf folgende Weisen realisiert werden:
- a) Die zeitliche Differenz zwischen jeweils
zwei aufeinanderfolgenden Reizungen durch Pulszüge (an unterschiedlichen Kontaktstellen)
ist konstant. Als vollständige
Sequenz wird eine Abfolge von Reizungen verstanden, bei der nacheinander
alle Kontaktstellen mit einem Pulszug gereizt werden. Als unvollständige Sequenz
wird eine Abfolge von Reizungen verstanden, bei der nacheinander nicht
alle Kontaktstellen mit einem Pulszug gereizt werden; es wird also
mindestens eine Kontaktstelle ausgespart. Als redundante Sequenz
wird eine Abfolge von Reizungen mit Pulszügen verstanden, bei der innerhalb
einer Abfolge mindestens eine Kontaktstelle mindestens zweimal (aber
nicht hintereinander) gereizt wird.
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Eine
Sequenz von Pulszügen
kann im einfachsten Fall periodisch verabreicht werden, z. B. mit einer
Frequenz im Bereich der pathologischen Frequenz, mit welcher die
Neuronen krankheitsbedingt in bestimmten Bereichen des Gehirns synchron
feuern, oder aber im Bereich eines ganzzahligen Vielfachen der pathologischen
Frequenz. Die Sequenz kann dabei so getaktet sein, dass die Abfolge
der Reizungen mittels Pulszügen
zeitlich eine mittlere Periode der krankhaften Aktivität überdeckt.
Bei der periodischen Verabreichung einer Sequenz soll, um eine möglichst
ausgeprägte
Wirkung zu erzielen, von einer Sequenz zur nächsten die Reihenfolge der
Aktivierung der einzelnen Kontaktstellen variiert werden. In 7 ist
dies beispielhaft dargestellt. Bei zehn Stimulationskontaktflächen wird
zwischen Zeitpunkten t1 und t10 in
einer ersten Sequenz 120 die Reihenfolge der Stimulationskontaktflächen 5-1-10-8-6-2-9-4-3-7
gewählt
und in einer zweiten Sequenz 121 die Reihenfolge 2-6-5-7-10-4-1-3-9-8. Zwischen
zwei Sequenzen können
beispielsweise auch Pausen der Länge
von einer oder bis zu 10 Sequenzen eingehalten werden.
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Jede
der Sequenzen von Pulszügen
kann beispielsweise während
der mittleren Periodendauer der pathologischen Frequenz fPF appliziert werden, d. h. aufeinander folgende
Pulszug-Sequenzen
werden mit einer Frequenz im Bereich der pathologi schen Frequenz
fPF appliziert. Falls innerhalb einer Pulszug-Sequenz N Kontaktflächen angesteuert
werden, so werden zeitlich direkt aufeinander folgende Pulszüge mit einer
Frequenz im Bereich von N·fPF appliziert. Anstelle der pathologischen
Frequenz fPF können auch kleine ganzzahlige
Vielfache, z. B. das Doppelte, Dreifache oder Vierfache, der pathologischen
Frequenz fPF gewählt werden. Die pathologische
Frequenz beim Morbus Parkinson liegt bei ca. 5 Hz (bzw. im Bereich
von 4,5 Hz bis 5,5 Hz). Bei Parkinsonpatienten mit Akinese liegt
die pathologische Frequenz fPF im Bereich
von 10 Hz bis 30 Hz.
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Um
eine noch stärkere
Wirkung zu erzielen, können
vollständige,
unvollständige
und redundante Sequenzen mit jeweils variierender Reihenfolge der Stimulationskontaktflächen verabreicht
werden. Um den benötigten
Reizstrom noch weiter zu senken, können beim aufeinander folgenden
Verabreichen von vollständigen,
unvollständigen
und redundanten Sequenzen mit jeweils variierender Reihenfolge der Stimulationskontaktflächen auch
Pausen zwischengeschaltet werden, deren Dauern ein ganzzahliges Vielfaches,
aber maximal Zehnfaches der Dauer einer Sequenz betragen.
- b) Statt einer konstanten Zeitdifferenz zwischen aufeinanderfolgenden
Reizungen mit Pulszügen (an
unterschiedlichen Kontaktstellen) werden zur Ansteuerung der Pulszug-Reizungen
an den unterschiedlichen Kontaktstellen unkorrelierte Zufallsprozesse
verwendet, wobei nur solche Zufallsereignisse zugelassen werden,
bei denen die Zeitdifferenzen aufeinanderfolgender Pulszug-Reizungen
einen als Parameter einstellbaren Mindestwert von z. B. 20 ms nicht
unterschreiten. Zufallsereignisse, welche diesen Mindestwert unterschreiten,
werden von der Generatoreinheit erkannt und nicht als Trigger für eine Reizung
verwendet.
- c) Die Stimulation erfolgt wie unter b), nur werden statt Zufallsprozessen
chaotische Prozesse verwendet.
- d) In einer weniger bevorzugten Variante werden über eine
Untergruppe der Stimulationskontaktflächen dauerhaft Pulszüge mit einer
Frequenz f größer als
50 Hz und bevorzugt größer als
100 Hz appliziert.
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In
den 8 und 9 sind zwei Schaltkreise 130 und 150 als
mögliche
Implementierungen des erfindungsgemäßen Implantats gezeigt. Der
in 8 gezeigte Schaltkreis 130 ist als reines
Empfangssystem ausgelegt. Den Eingang des Schaltkreises 130 bildet
eine Spule 131, in deren Nähe sich während des Betriebs des Implantats
die Spule der außerhalb des
Körpers
befindlichen Steuervorrichtung befindet. Die beiden Spulen wirken
als Transformator, mittels dem durch Induktion hochfrequente Signale
und elektrische Leistung von der Steuervorrichtung auf die Spule 131 übertragen
werden. Der Spule 131 kann optional ein Aufwärtstransformator 132 nachgeschaltet
sein. Die von der Spule 131 aufgenommene Leistung wird über eine
als Gleichrichter wirkende Diode 133 einer Energiespeichereinheit 134 zugeführt und
dort gespeichert. Die Energiespeichereinheit 134 kann beispielsweise
als Ladekondensator mit einer hohen Kapazität oder als wiederaufladbarer
Akkumulator realisiert sein. Die von der Energiespeichereinheit 134 bereitgestellte
Spannung wird von einem Spannungsregelkreis 135 abgegriffen,
der diese ungeregelte Spannung auf einen für den Betrieb des Schaltkreises 130 benötigten Versorgungsspannungswert
regelt. Insbesondere wird mit der Versorgungsspannung ein integrierter
Schaltkreis 136 betrieben, in den – wie aus 8 ersichtlich
ist – ein großer Teil
der Bauelemente des Schaltkreises 130 integriert ist. Als
Alternative dazu könnten
die Bauelemente auch auf mehrere integrierte Schaltkreise verteilt
sein.
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Die
von der Spule 131 empfangenen hochfrequenten Signale, welche
die übertragenen
Informationen enthalten, werden von Bauelementen auf dem integrierten
Schaltkreis 136 weiterverarbeitet. Dazu ist der Ausgang
des Aufwärtstransformators 132 über einen
Koppelkondensator 137 mit einem Eingang eines De modulators 138 verbunden.
Der Demodulator 138 dient der Wiedergewinnung der Information,
die zuvor in der Steuervorrichtung auf eine Trägerfrequenz aufmoduliert wurde.
Bei der Demodulation werden der oder die informationstragenden Parameter,
z. B. die Frequenz, Phase, Amplitude oder das Tastverhältnis, des
modulierten Trägers ausgewertet.
Die demodulierten Daten werden einer Einheit 139 zur Clock-and-Data-Recovery zugeführt, die
den demodulierten Daten einen in dem integrierten Schaltkreis 136 generierten
Referenztakt aufprägt.
In einem Decoder 140 werden die Daten anschließend decodiert,
sodass an dem Ausgang des Decoders 140 die Steuerdaten
vorliegen, die von der Steuervorrichtung zur Steuerung des Implantats
vorgesehen wurden. Die Steuerdaten können in einem RAM (Random Access
Memory) 141 zwischengespeichert werden und von dort von
einem Generator 142 ausgelesen werden. Der Generator 142 erzeugt die
Pulszüge,
die von den Stimulationskontaktflächen auf das Hirngewebe appliziert
werden. Beispielsweise kann der Generator 142 Zugriff auf
bestimmte Grundformen von Pulszügen
haben, die z. B. ebenfalls in dem RAM 141 abgelegt sind.
In diesem Fall brauchen die von der Steuervorrichtung übertragenen
Steuerdaten lediglich Parameter enthalten, anhand derer sich die
endgültige
Ausgestaltung der von dem Generator 142 erzeugten Pulszüge ablesen lässt. Beispielsweise
betreffen diese Parameter die Amplitude, Dauer und Frequenz der
Pulszüge
sowie die Reihenfolge, in welcher die Pulszüge über die einzelnen Stimulationskontaktflächen appliziert
werden.
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Von
dem Generator 142 werden die Pulszüge jeweils in einen bestimmten
Kanal einer Mehrzahl von Kanälen
CH1 bis CHn eingespeist,
welche wiederum jeweils mit einer der Stimulations kontaktflächen in
Verbindung stehen. Vor der eigentlichen Stimulation werden die von
dem Generator 142 ausgegebenen digitalen Daten in Digital/Analog-Wandlern 143 in
analoge Spannungswerte und anschließend mit Hilfe von Spannungs-Strom-Wandlern 144 in
Stimulationsströme
umgewandelt. Von den Ausgängen der
Spannungs-Strom-Wandler 144 führt jeweils ein der Pegelkontrolle
dienender Rückkoppelpfad 145 zu einem
Summationspunkt 146, der vor den zugehörigen Digital/Analog-Wandler 143 geschaltet
ist. Ferner ist zwischen die Ausgänge der Spannungs-Strom-Wandler 144 und
die zugehörigen
Stimulationskontaktflächen
jeweils ein Kondensator 147 geschaltet. Durch die in die
Signalpfade der Stimulationssignale geschalteten Kondensatoren 147 wird verhindert,
dass unbeabsichtigt zu viel Ladung auf das Hirngewebe des Patienten übertragen
wird.
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Der
in 9 dargestellte Schaltkreis 150 entspricht
in weiten Teilen dem in 8 gezeigten Schaltkreis 130.
Identische Bauelemente sind daher mit denselben Bezugszeichen versehen.
Im Unterschied zu dem Schaltkreis 130 können mit dem Schaltkreis 150 Messsignale über die
Stimulationskontaktflächen
aufgenommen werden und an die Steuervorrichtung übertragen werden. Zu diesem Zweck
ist jeder der Kanäle
CH1 bis CHn mit
einem Filter 151 und einem nachgeschalteten Analog/Digital-Wandler 152 verbunden.
Die von den Analog/Digital-Wandlern 152 digitalisierten
Messsignale werden einer Einheit 153 zur Datenreduktion
und Protokollgenerierung und anschließend einem Modulator 154 zugeführt. Der
Modulator 154 steuert einen Transistor 155, der
mit seiner Drain-Source-Strecke
in einen aus einem Widerstand 156 und dem Transformator 132 gebildeten
Schwingkreis geschaltet ist, über
seine Gate-Elektrode an. Mittels dieser Ansteuerung des Transistors 155 kann
der Modulator 154 die von dem Schwingkreis erzeugten Signale
modulieren, bevor sie über
die Spule 131 zu der Steuervorrichtung übertragen werden.
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In
den Schaltkreisen 130 und 150 werden zur drahtlosen Übertragung
von Signalen Transformatoren verwendet. Die Erfindung ist allerdings
nicht auf derartige Transformatoren als Sende- und Empfangssysteme beschränkt. Es
können
auch andere Arten von Sendern und Empfängern zum drahtlosen Datenaustausch
zwischen der Steuervorrichtung und dem Implantat eingesetzt werden.