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In zunehmendem Maße gewinnen sogenannte 'Ionische Flüssigkeiten' (ILQ) sowohl wissenschaftliches als auch anwendungsbezogenes Interesse. Einige technische Prozesse arbeiten bereits damit [1–5].
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Als Ionische Flüssigkeiten ('ILQ') werden bisher Substanzen verstanden, die rein aus organischen Kationen und anorganischen (oder organischen) Anionen bestehen und die im Temperaturbereich von 0–100°C flüssig sind (die Grenzen variieren nach oben und unten).
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Sie zeichnen sich durch besondere Eigenschaften aus:
- – niedriger bis kaum merkbarer Dampfdruck,
- – i. d. R. hohe Temperaturstabilität,
- – praktisch kein Flammpunkt,
- – hohe Dielektrizitätskonstante und damit verbunden
- – hohes Lösevermögen für monomere und polymere Substanzen.
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Wegen dieser Eigenschaften werden sie oft als 'Green Solvents' mit hohem Innovationspotential bezeichnet, obwohl einige toxikologische Daten bzgl. ihrer ökologischen Anwendbarkeit erst erarbeitet werden müssen. Auch Recyclingsstrategien bedürfen noch vieler Entwicklungsarbeiten [6–8].
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Es sind, abhängig von der Struktur der Ionen, wasserlösliche (hydrophile) bzw. wasserunlösliche (hydrophobe) ILQ's bekannt. Die Wahl zwischen den beiden Klassen wird durch das Verwendungsprofil gegeben. Tab. 1 gibt prinzipielle Strukturmerkmale von ILQ's wieder: Tab. 1: Strukturprinzipien ionischer Flüssigkeiten.
Kationen (organisch)
Anionen (organisch)
Anionen (anorganisch)
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ILQ's ermöglichen:
neue Wege in organischen Synthesereaktionen (Katalyse, Enzymreaktionen, Substitutionsselektivität u. v. a),
neue Wege in der Galvanotechnik (Metalle sind aus ILQ's abscheidbar, die anderweitig nicht abscheidbar sind),
neue Trenntechniken für die Aufarbeitung chemischer Syntheseprodukte, Lösefähigkeiten für einige Polymere.
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Tab. 2 gibt hierzu Beispiele von potentiellen Applikationsfeldern von ILQ's an, die zum Teil in Erprobung sind bzw. die schon an Anwendungen – zumindest auf Laborebene – finden.
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Tabelle 2: Bisher bekannte Einsatzmöglichkeiten ionischer Flüssigkeiten.
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In der Regel liegen ILQ's bei niedrigen Temperaturen als Ionenpaar vor. Bei Temperaturerhöhung beginnen sie zu dissoziieren, was etwa durch einen deutlichen Anstieg der elektrischen Leitfähigkeit zu beobachten ist. Weitere Untersuchungen zu Eigenschaften von ILQ's und zu Applikationsmöglichkeiten entnehme man der stets wachsenden Literatur.
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Innerhalb der Textilbearbeitungs-/veredlungsindustrie sind nur wenige Ansätze zur Verwendung von ILQ's bekannt. Aus Forschungsarbeiten zum textilen Sektor bzw. Fasersektor ist bekannt, daß Cellulosen, bevorzugt solche von niedrigem Durchschnittspolymerisationsgrad, in ILQ-Systemen löslich sind, wobei nach Ausfällung aus solchen Lösungen Cellulose amorpher Form erhalten wird. Hierbei sind nicht alle Anionen der ILQ's einsetzbar. N-Butyl- und N-Allylmethylimidazoliumhalogenide sind wirksam [9, 10]. Ähnliches gilt für das Auflösen von Seidenfibroin und Keratin [11, 12]. Aus derartigen Lösungen lassen sich Filme und Fasern erarbeiten.
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In der
US 2006/0 090 271 A1 von Procter&Gamble werden ILQ's als Mittel zum 'partiellen Lösen' von Cellulosematerial aus textilen Waren beansprucht, um etwa Griff- oder Drapiereigenschaften u. v. a zu verändern [13]. In der genannten Schrift werden als 'beneficial agents' auch Farbstoffe aufgelistet. Hierbei sind Ausführungsbeispiele nicht angeführt. Da die nach der zitierten Patentschrift mit ILQ's partiell angelösten Faserstrukturen amorphisiert sind, ist davon auszugehen, dass sie Farbstoffe u. v. a. aufnehmen, ohne sie 'echt' (gegenüber Waschungen, Abrieb) zu binden.
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Als Textilfärbung ist solche Vorgehensweise jedoch nicht einzustufen, da partielles Lösen eine Faserschwächung hervorruft, da amorphe Außenschichten kaum abrieb- und waschfest sind und zudem keine Durchfärbung des Fasermaterials ermöglicht wird.
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Textiles Färben erfordert in Anpassung an die (chemischen und strukturellen) Eigenschaften des Fasermaterials die Verwendung unterschiedlicher Farbstoffklassen und unterschiedlicher Färbeverfahren [14–16]. Zusätzlich sind bisher Zusätze zum Färbebad notwendig, die etwa als pH-Wert-Regulatoren, als Egalisierhilfsmittel, als Färbebeschleuniger, als Netz- und Entschäummittel wirken sollen.
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Die existierende Textilfärberei ist stark von Abwasserproblemen aus Restfärbeflotten und aus Waschlösungen belastet [17], so dass Alternativwege erarbeitet werden müssen, die Abwasserbelastung aus Färbe- und Waschprozessen zu mindern.
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Aus der
DE 10 2005 032 798 A1 ist ein Mittel zum Färben keratinischer Fasern bekannt, bei dem als Medium eine ionische Flüssigkeit in Abmischung mit Wasser eingesetzt wird. Die Zumischung erheblicher Mengen an Wasser beeinträchtigt die speziellen Dipoleigenschaften der ionischen Flüssigkeit.
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Aus der
US 6 048 388 A ist die Verwendung von Tinten zur oberflächlichen Farbgebung unter Zusatz von ionischen Flüssigkeiten bekannt. Auch hier werden die ionischen Flüssigkeiten mit erheblichen Mengen Wasser verdünnt.
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Gegenstand der Erfindung ist ein Verfahren zum Färben von Synthese- und cellulosischen Fasern in ionischen Flüssigkeiten als Färbemedium gemäß Anspruch 1. Bevorzugte Ausführungsformen sind Gegenstand der Unteransprüche.
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Die nachstehend beschriebene Erfindung zum Einsatz von ILQ's als Färbemedium eröffnet diesbezüglich neue Verfahrenswege, da die eingesetzten ILQ's durchaus recyclingfähig sind und somit nicht im Abwasser als TOC-Verursacher enthalten sein müssen. Zudem sind Färbungen in ILQ-Systemen möglich, die ohne den Einsatz weiterer Stell- und Hilfsmittel durchführbar sind und demnach Abwasserfrachten mindern.
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Die vorliegende Erfindung zeigt nun ein Verfahren auf, unter Zuhilfenahme von ILQ's als Färbemedium neue Färbeverfahren, -technologien zu gestalten, die ökologische Vorteile in Aussicht stellen.
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Unerwartet bzgl. der bekannten ILQ-Eigenschaften und demnach Neuheit ist, dass mit ILQ-Acetaten auch cellulosische Waren (CO) ohne Faserlösung- bzw. -schädigung voll, d. h. über den gesamten Querschnitt, mit Farbstoffen unterschiedlicher Klassen färbbar sind. Besonders hervorzuheben ist hierbei für CO-Waren, dass Reaktivfarbstoffe ohne weitere Zusätze in ILQ-Systemen kovalent an die Faser anbinden.
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Ein weitere Neuheit liegt darin, dass ILQ's als Färbemedien das Färben von Synthetics wie Polyethylenterephthalat (PETP) mit Dispersionsfarbstoffen u. ä. bei Temperaturen über
100°C, der druckfreien Grenze von wasserbasierten Färbungen, als druckbehälterfreies Verfahren ermöglichen.
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Die nachfolgenden Beispiele illustrieren das neue Verfahren.
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1. Ausführungsbeispiel
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1,4 g PETP-Gewebe werden in Lösung von 4 g Ethylmethylimidazoliumchlorid, enthaltend 40 mg Serilenrot® 2BL 200% in imprägniert. Die Probe wird 10 Min. bei 60°C temperiert und dann 45 Minuten bei 130°C fixiert. Nach Auswaschen mit Wasser und mit Aceton erhält man ein deutlich rot gefärbtes Material (ILQ-1). Die Farbmetrik- und Waschechheitsdaten sind in den Tabn. 3 und 4 registriert.
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2. Ausführungsbeispiel
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CO-Testgewebe (1,5 g) wird mit einer Lösung von 4 g Methylimidazoliumacetat, enthaltend 120 mg des Bisreaktivfarbstoffs Intracronrot® imprägniert und 1 h bei 90°C temperiert.
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Nach Auswaschen mit Wasser und mit Aceton erhält man ein deutlich rosa gefärbtes Material (ILQ-17). Die Farbmetrik- und Waschechheitsdaten sind in den Tabn. 3 und 4 registriert. Zusätzlich erweist sich die Färbung als stabil gegenüber Dimeythylformamid von 110°C, so dass die chemische Anbindung des Reaktivfarbstoffs gesichert ist.
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3. Ausführungsbeispiel (Mischgewebe)
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Auf 1,8 g CO/PETP-Mischgewebe (50/50) wird eine Färbeflotte bestehend aus 2,5 g Allylmethylimidazolimchlorid und 100 mg Teratopblau sowie 100 mg Siriuslichtblau mit einem Messer aufgestrichen. Die erreichte Flottenaufnahme beträgt 105%. Die Probe wird
4 h bei 130°C fixiert. Man erhält ein nahezu schwarzes Material (ILQ-10). Die Farbmetrik- und Waschechtheitsdaten sind in den Tabn. 3 und 4 registriert.
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4. Ausführungsbeispiel
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1,5 g nicht gereinigtes PETP-Gewebe wird mit einer Flotte aus 6 g Piperidiniumacetat und 60 mg Teratoporange bei 110°C beaufschlagt und anschließend bei 130°C fixiert. Man erhält nach Waschungen ein orangebraunes Gewebe (ILQ-27). Die Farbmetrik- und Waschechheitsdaten sind in den Tabn. 3 und 4 registriert.
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In weiteren Beispielen wird i. d. R. für CO eine Färbezeit von 30 Min. bei 90°C und für PETP eine Färbezeit von 1 h bei 130°C eingehalten. Farbstoffe wurden in 10 Gew.-% Lösungen im ILQ-Medium angeboten. Die Flottenaufnahme der mit Färbeflotten bei Raumtemperatur imprägnierten Waren wurde auf 100–200% eingestellt.
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Die die Muster charakterisierenden, weitergehenden Resultate sind den Tabellen 3 und 4 zu entnehmen. Farbmetrikdaten der erreichten Färbungen finden sich als K/S-Diagramme in der
für PETP-Färbungen und in
für Baumwollfärbungen. Tabelle 3: Farbdifferenzen nach CIE Lab von in ILQ gefärbten Textilien gegenüber Original (Beleuchtung D65/10); AMIM Allylmethylimidazoliumchlorid; Et-Melm-Cl Ethylmethylimidazoliumchlorid; MIMAC Methylimidazoliumacetat; PIPAC Piperidiniumacetat.
Code | Material | ILQ | Farbstoff | Farbabstand dE |
ILQ-16 | CO | MIMAC | SirBlau | 61,8 |
ILQ-17 | CO | MIMAC | IntRot | 40,7 |
ILQ-19 | CO | MIMAC | SirBlau | 66,3 |
ILQ-1 | PETP | EtMelm-Cl | SerRot | 78,3 |
ILQ-11 | PETP | AMIM | TerBlau | 66,8 |
ILQ-20 | PETP | MIMAC | TerBlau | 42.1 |
ILQ-27 | PETP | PIPAC | TerOr | 37,2 |
ILQ-24 | PAC | MIMAC | MBlau | 36,8 |
ILQ-26 | PA66 | MIMAC | IsGrün | 31,6 |
ILQ-10 | PETP/CO (1:1) | AMIM-Chlorid | TerVio | 73,6 |
- SirBlau:
- Siriuslichtblau® BRR 182% (Direktfarbstoff, Bayer)
- IntRot:
- Intracronrot® BF-3RM (Bisreaktiver Farbstoff, Yorkshire), C. I, Reactive Red 195
- SerRot:
- Serilenrot® 2BL 200% (Dispersionsfarbstoff, Yorkshire), C. I. Dispers Red 60
- TerBlau:
- Teratopblau® (Dispersionsfarbstoff, Ciba)
- TerOr:
- Teratoporange® (Dispersionsfarbstoff, Ciba)
- TerVio:
- Teratopviolett® BL150% (Dispersionsfarbstoff, Ciba)
- MBlau:
- Malachitgrün (kationischer Farbstoff, Fluka)
- IsGrün:
- Isolan Gruen® S-GL (Metallkomplexfarbstoff, Bayer)
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Tab. 4 gibt exemplarisch erreichte Waschechtheiten für Färbungen aus ILQ-Medien wieder (nach DIN EN ISO 105-C01 bis C06); Farbstoffbezeichnungen wie Tab. 3. Tab. 4: Waschechtheiten für Musterfärbungen mit Hilfe von ILQ's.
Proben-Code (Faserart) | Behandlung | Farbtonänderung | Echtheitszahl vs. CO | Echtheitszahl vs. PETP |
ILQ-1 (PETP) | EtMelm-Cl, Ser-Rot | 4–5, heller | 4–5 | 4–5 |
ILQ-5 (PETP) | AMIM-Cl TerOr | 3, heller | 3 | 4–5 |
ILQ-6 (PETP) | AMIM-Cl, TerBlau | 3, heller | 4–5 | 4–5 |
ILQ-10 (CO/PETP) | AMIM-Cl, Ter-Vio + SirBlau | 3, heller | 2 | 4 |
ILQ-11 (PETP) | AMIM-Cl, TerVio | 4, heller | 4–5 | 4–5 |
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Literatur
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- [1] NN.:
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Biological effects of imidazolium ionic liquids with varying chain length in acute Vibrio fischeri and WST-1 cell viability assay,
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