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Die Erfindung betrifft ein Lenksystem eines zweispurigen Kraftfahrzeugs nach Anspruch 1. Zum bekannten Stand der Technik wird unter anderem auf die
DE 102 56 694 A1 verwiesen, die eine Drahtlenkungs-Lenkvorrichtung mit betätigbarem Mechanismus zeigt, welcher eine mechanische Verbindung zwischen Lenkrad und Lenkgetriebe herstellt oder unterbricht, so dass dann ein steer-by-wire- System vorliegt. Zu nennen ist ferner die
DE 23 06 208 A mit einer biegsamen Welle zwischen einem am Lenkrad vorgesehenen Getriebe und dem Lenkgetriebe.
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In jüngerer Zeit ist eine zunehmende Elektrifizierung von Fahrzeug-Hilfskraftlenkungen zu beobachten. Dies ist im Wesentlichen auf zwei Ursachen zurückzuführen. Zum einen besitzen elektrische Lenkungen einen geringeren Energieverbrauch und liefern damit einen wesentlichen Beitrag zur Reduzierung von Kraftstoffverbrauch und CO2-Ausstoß. Ebenso bieten sie die Möglichkeit, das Lenkmoment am Lenkrad aktiv zu beeinflussen. Zum zweiten kann - sowohl bei elektrischen wie auch bei hydraulischen Lenkungen - durch in der Regel elektrisch betriebene Überlagerungsgetriebe eine Beeinflussung des Lenkwinkels an den Vorderrädern erreicht werden. Somit bietet eine vollelektrische Hilfskraftlenkung mit Überlagerungsgetriebe (vgl. 3) die Möglichkeit, sowohl das Lenkmoment wie auch den Lenkwinkel frei zu modifizieren.
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In dieser 3 ist als zumindest interner Stand der Technik ein Lenksystem mit einem vom Fahrer betätigten Lenkrad 1, an dessen Lenkspindel oder Lenksäule 2 sich eine Lenkzwischenwelle 3' anschließt, die in einem Überlagerungsgetriebe 4 mündet, dessen Ausgang mit einem Eingangselement 5a einer Zahnstangenlenkung 5 (im weiteren auch als Lenkgetriebe 5 bezeichnet) mit elektromotorischer Unterstützung verbunden ist, dargestellt. Die Zahnstange 5b dieser Zahnstangenlenkung 5 bzw. dieses Lenkgetriebes 5 betätigt über ihre beiden Enden wie bekannt Spurstangen 6a, 6b, die das linke lenkbare Vorder-Rad 7a bzw. das rechte lenkbare Vorder-Rad 7b des Kraftfahrzeugs einer seitlichen Verschiebung der Zahnstange 5b entsprechend einschlagen, d.h. lenken. Zusätzlich kann auf die Zahnstange 5b über ein Zwischengetriebe 8a die Abtriebswelle 8b eines Elektromotors 8c einwirken, wobei dieser Elektromotor als elektrischer Servomotor fungiert und derart angesteuert wird, dass die vom Fahrer an seinem Lenkrad 1 zum Einschlagen der lenkbaren Räder 7a, 7b aufzubringende Kraft reduziert wird, d.h. die genannten Elemente 8a, 8b, 8c bilden eine elektrische Servoeinrichtung 8 und zusammen mit dem Lenkgetriebe 5 eine elektrische Hilfskraftlenkung.
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Über das Überlagerungsgetriebe 4, das vorzugsweise als Planetengetriebe ausgebildet sein kann, kann ein von der Vorgabe des Fahrers unabhängiger zusätzlicher Lenkwinkel eingesteuert und somit an den lenkbaren Rädern 7a, 7b ein fahrerunabhängiger Lenkwinkel eingestellt werden. In Kombination mit einer vorzugsweise elektrischen Hilfskraftlenkung ist mit geeigneter Auslegung und Ansteuerung dieses Lenksystems die gleiche Funktionalität wie bei sog. entkoppelten Lenksystemen, die gemeinhin als Steer-by-Wire-Systeme bezeichnet werden und bei denen der Lenkstrang mechanisch „durchtrennt“ ist, darstellbar. Ein wesentlicher Vorteil der in 3 dargestellten Ausführungsform mit permanenter mechanischer Verbindung ist ein einfaches Sicherheitskonzept und die Beibehaltung eines weitgehend authentischen Lenkgefühls. Dabei spielt das authentische Lenkgefühl nur eine untergeordnete Rolle, da durch die Kombination von Überlagerungslenkung und geregelter Servounterstützung ein nahezu beliebiges Lenkgefühl darstellbar ist.
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Als weiterer Stand der Technik sind noch die folgenden Schriften zu nennen: Die
EP 1 053 927 A1 zeigt eine elektrische und mechanische Kfz-Lenkeinrichtung. Die
DE 197 37 144 A1 zeigt eine weitere Kabel-Lenkvorrichtung mit einer günstigen Anordnung des am Lenkrad angeordneten Kabeltriebs. Die
DE 199 26 534 A1 zeigt (ähnlich der eingangs genannten
DE 102 56 694 A1 eine mechanische Notlauffunktion für ein steer-by-wire-System. Die
DE 10 2004 026 067 A1 zeigt hiermit Vergleichbares, während die
DE 103 52 229 A1 allgemein eine biegsame Welle zwischen Lenkrad und Lenkgetriebe beschreibt.
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In einem vorgegebenen Fahrzeugkonzept sind in der Regel die Lage des Lenkgetriebes und des Lenkrades festgelegt. Eine nötige mechanische Verbindung zwischen diesen Bauelementen kann nur auf nahezu direktem Weg erfolgen. Daraus ergibt sich eine nur gering variierbare Lage der Lenkzwischenwelle. Dort kann es allerdings zu einer Reihe von Bauraum-Konflikten, bspw. mit dem Abgassystem des Antriebsmotors, kommen, die zu erhöhtem Entwicklungsaufwand und einer eingeschränkter Gestaltungsfreiheit führen. Hier müssen teils teure und technisch nicht optimale Kompromisse eingegangen werden. Auch für eine Unterscheidung zwischen Rechtslenker-Fahrzeugen und Linkslenker-Fahrzeugen müssen oft aufgrund der veränderten Lage der Lenkzwischenwelle zahlreiche Bauteile verändert werden, was zu zusätzlichen Varianten und damit erhöhtem Entwicklungs- und Montageaufwand führt.
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Eine Abhilfe für diese Problematik schafft eine bekannte zwischen dem Lenkrad bzw. einer Lenksäule desselben und dem Lenkgetriebe vorgesehene biegsame Welle oder ein entsprechendes flexibles Kabel. Diese(s) kann somit entsprechend dem zur Verfügung stehenden Freiraum verlegt werden. Wenngleich bei vielen bekannten Anordnungen diese biegsame Welle nur als sog. mechanische Rückfallebene fungiert, d.h. durch Schließen einer geeignet im mechanischen Lenkstrang angeordneten Kupplung nur dann ein Drehmoment vom Lenkrad zum Lenkgetriebe übertragen muss, wenn ein Fehler im parallel vorgesehenen Steer-by-Wire-System auftritt, so muss diese biegsame Welle dennoch auf ein entsprechend hohes zu übertragendes Drehmoment ausgelegt sein, d.h. dieses sog. flexible Kabel muss betragsmäßig relativ hohe Drehmomente sicher übertragen können.
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Flexible Kabel oder biegsame Wellen bzw. allgemein flexible Übertragungselemente, die dieser Anforderung genügen, sind jedoch relativ aufwändig. Hier soll die vorliegende Erfindung mit einer besonders vorteilhaften kompakten Anordnung Abhilfe schaffen (=Aufgabe der vorliegenden Erfindung).
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Diese Aufgabe ist durch ein Lenksystem gemäß dem Anspruch 1 gelöst, wobei der Anspruch 1 auch die Erfindung definiert. Bei dem Lenksystem ist insbesondere zwischen dem flexiblen Übertragungselement und dem Eingangselement ein Überlagerungsgetriebe vorgesehen ist, welches ein die Wirkung des Untersetzungsgetriebes zumindest im wesentlichen aufhebendes Übersetzungsgetriebe enthält.
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Auf Basis einer geregelten Servolenkung, die entweder elektrisch oder hydraulisch oder elektrohydraulisch ausgeführt sein kann, ist die mechanische Verbindung zwischen dem Lenkrad des Fahrers und dem Lenkgetriebe soweit modifiziert, dass sie sehr flexibel im Vorderbau des Kraftfahrzeugs angeordnet werden kann. Über eine geregelte Servolenkung, bspw. bzw. vorzugsweise eine elektromotorische Servolenkung ist nämlich am Lenkrad einfach ein gewünschtes Lenkgefühl darstellbar, so dass die mechanische Verbindung zwischen dem Lenkrad und dem Lenkgetriebe nur noch als solche fungieren muss, hingegen für die getreue Wiedergabe oder Weiterleitung eines authentischen Lenkgefühls an das Lenkrad nicht weiter benötigt wird. Die dann biegsam ausgeführte Lenkzwischenwelle bzw. allgemein das entsprechende sog. flexible Übertragungselement, für welche(s) verschiedene Ausführungen wie bspw. flexible biegsame Welle, Seilzug oder Bowdenzug mit Wickelkörper oder Zahnriemen möglich sind, gestattet deutlich größere Freiheitsgrade bei der Verlegung im Fzg.-Vorderbau. Um dabei eine geeignete Dimensionierung (hinsichtlich der Höhe des zu übertragenden Drehmoments) dieses flexiblen Übertragungselements zu erreichen, wird nun ein Untersetzungsgetriebe zwischen dem Lenkrad bzw. einer an dieses angekoppelten starren Lenksäule und dem flexiblen Übertragungselement vorgeschlagen. Dieses Untersetzungsgetriebe ist dabei so ausgelegt, dass vom Lenkrad aus betrachtet die Zahl der Umdrehungen des flexiblen Übertragungselements nennenswert erhöht wird, wodurch das durch dieses flexible Übertragungselement zu übertragende Drehmoment nennenswert herabgesetzt wird. Dies gestattet eine leichte und kostengünstige Gestaltung des flexiblen Übertragungselements.
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Mit einer sog. „Rück-Übersetzung“ in die Verdrehgeschwindigkeit bzw. in den Verdrehwinkel des Lenkrades vor Einleitung in das Lenkgetriebe in einem zwischen dem flexiblen Übertragungselement und dem Lenkgetriebe vorgesehenen Übersetzungsgetriebe, das die Wirkung des genannten Untersetzungsgetriebes zumindest im wesentlichen aufhebt, kann ein standardmäßiges Lenkgetriebe, welches auf unveränderte Lenkradvorgaben hin ausgelegt ist, vorgesehen werden. Eine solche „Rück-Übersetzung“ ist erfindungsgemäß in einem Überlagerungsgetriebe integriert, welches zwischen dem flexiblen Übertragungselement und dem Eingangselement des Lenkgetriebes vorgesehen ist. Mit einem solchen Überlagerungsgetriebe kann nicht nur der an den lenkbaren Rädern umgesetzte Lenkwinkel unabhängig von der Vorgabe des Fahrers (an seinem Lenkrad) eingestellt werden, sondern es kann im Zusammenwirken mit einer geregelten Servounterstützung am Lenkrad dann auch ein nahezu beliebiges Lenkgefühl dargestellt werden. Im übrigen kann bei Vorsehen sowohl eines genannten Untersetzungsgetriebes als auch eines „rück-übersetzenden“ Übersetzungsgetriebes eines der beiden Getriebe mit einer variablen Übersetzung ausgeführt werden, da sich die vom flexiblen Übertragungselement zu übertragende Kraft mit dem Lenkwinkel ändert. Das Übersetzungsverhältnis würde sich dann in Abhängigkeit vom Lenkwinkel ändern. Dies reduziert den Kraftaufwand bei reduziertem Lenkwinkel-Bedarf.
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Eine weitere Verbesserung des vom Fahrer empfundenen Lenkgefühls ist erzielbar, wenn das System um einen sog. Lenkrad-Steller erweitert wird. Dieser besteht (üblicherweise) aus einer Sensor-Einheit, aufweisend einen Lenkmoment-Sensor und Lenkwinkel-Sensor zur Fahrerwunsch-Erfassung, sowie aus einer Aktuator-Einheit, bspw. in Form eines Elektromotors zur Einstellung des vom Fahrer gewünschten Lenkwinkels sowie eines entsprechenden Lenkmoments am Lenkrad, das also eine Rückmeldung über den jeweiligen Fahrzustand gibt. Durch seine direkte Nähe zum Lenkrad bzw. Fahrer kann mit diesem Lenkrad-Steller die Rückmeldung des Fahrzustandes in für den Fahrer höherer Güte erzeugt werden. Ein solcher Lenkrad-Steller kann an einem erfindungsgemäßen Lenksystem mit einem Überlagerungsgetriebe vorgesehen sein. Die genannte Fahrzustands-Rückmeldung wird vorzugsweise aus einer Fahrzustandserkennung abgeleitet, d.h. aus den mit geeigneten Sensoren festgestellten fahrdynamischen Größen des Fahrzeugs.
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Besonders bevorzugt fungiert ein Elektromotor als Servoeinrichtung, dessen Abtriebswelle einen Eingang des Lenkgetriebes bildet, so dass die Spurstangen durch geeignete Ansteuerung des Elektromotors verlagerbar sind, da sich - wie eingangs erwähnt - eine elektromotorische Servolenkung durch geringen Energieverbrauch auszeichnet.
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Verschiedene Ausführungsbeispiele sind ebenso prinzipiell wie die bereits erläuterte 3 unter Verwendung gleicher Bezugsziffern für gleiche Bauelemente in den beigefügten 1 und 2 dargestellt.
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In 1 ist im Unterschied zur bereits erläuterten 3 anstelle der sog. Lenkzwischenwelle 3' ein flexibles Übertragungselement 3 bspw. in Form einer biegsamen Welle vorgesehen, die mit ihren beiden Enden jeweils in einem weiteren Getriebe 9 bzw. 10 mündet. Dabei ist zwischen der Lenksäule 2 des Lenkrads 1 und dem flexiblen Übertragungselement 3 ein Untersetzungsgetriebe 9 zur Reduzierung des vom flexiblen Übertragungselement 3 zu übertragenden Drehmoments vorgesehen, das also eine Drehbewegung des Lenkrads 1 bzw. der Lenksäule 2 ins Schnelle übersetzt. Eine entsprechende „Rück-Übersetzung“, die die Wirkung des Untersetzungsgetriebes 9 aufhebt bzw. rückgängig macht, erfolgt in einem Übersetzungsgetriebe 10, das hier zwischen dem anderen Ende des flexiblen Übertragungselements 3 und dem Eingang des Überlagerungsgetriebes 4 figürlich dargestellt ist, tatsächlich jedoch im Überlagerungsgetriebe 4 integriert ist.
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Das Ausführungsbeispiel nach 2 enthält zusätzlich in der Lenksäule 2 einen sog. Lenkrad-Steller 11, der aus einer Sensor-Einheit und einer Aktuator-Einheit besteht. Während mit letzterer, bspw. in Form eines Elektromotors ein zum Fahrzustand und Lenkwinkel passendes Lenkmoment am Lenkrad 1 eingestellt werden kann, weist die Sensor-Einheit einen Lenkmoment-Sensor und einen Lenkwinkel-Sensor zur Erfassung des Fahrerwunsches auf.
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Ein erfindungsgemäßes Lenksystem zeichnet sich nicht nur durch einen erheblich reduzierten Aufwand bezüglich der geometrischen Integration in den Vorderbau eines Kraftfahrzeugs aus, sondern auch durch geringen Aufwand insbesondere hinsichtlich Gewicht und Kosten für das genannte flexible Übertragungselement. Dabei wird durch die deutliche Modularisierung des Lenksystems die Integrierbarkeit in neue Fahrzeug-Konzepte erleichtert. Vorteilhafterweise ergibt sich eine verbesserte Rückmeldung des Fahrzustandes an den Fahrer und eine verbesserte aktive und passive Sicherheit bei erhöhter Systemverfügbarkeit.