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Die
Erfindung betrifft ein Verfahren zur Vermehrung von menschlichen
oder tierischen Zellen, insbesondere von Gewebezellen.
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Zellen
aus menschlichem oder tierischem Gewebe werden bei zellbasierten
Therapien oder beim so genannten "Tissue Engineering" eingesetzt. Letzteres hat zum Ziel,
künstlich
Zellgewebe mit körperspezifischen
Eigenschaften zu erstellen. Anwendungsbereiche für das "Tissue Engineering" sind zum Beispiel die Implantatherstellung
(Generierung von künstlicher
Haut, funktionellen Gefäßen oder
Gewebesystemen wie Leber, Knorpel etc.), physiologische Untersuchungen
an "in vitro"-Gewebekulturen,
Kompatibilitätsuntersuchungen
an Biomaterialien, Verträglichkeitsprüfungen von
Medikamenten oder Toxizitätstests
für bestimmte
Substanzen.
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Bei
herkömmlichen
Verfahren zur Kultivierung von Gewebezellen erfolgt nach einer Biopsie
die eigentliche Vermehrung (Proliferation) der Zellen in Zellkulturflaschen.
Hierbei besteht das Problem, dass die bei der Biopsie entnommene
Zellmenge häufig
sehr gering ist und nicht ausreicht, um die erforderliche Animpfkonzentration
zu erreichen. Die Zellen wachsen dann nicht an und sterben ab.
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Wachsen
die Zellen dagegen an, lässt
sich in einer Kulturflasche die Zellzahl allerdings nur um den Faktor
10...20 steigern. Die Zellen müssen
daher anschließend
in einem mehrstufigen Prozess kultiviert werden. Adhärente Zellen
werden vor jedem neuen Kultivierungsschritt von der Gefäßoberfläche mittels
enzymatischer Behandlung abgelöst,
meist unter Verwendung von Trypsin. Hierbei kann es zu einer erheblichen
Beeinträchtigung
der Zellen kommen, etwa zum Absterben von Zellen auf Grund der Einwirkung
des Enzyms oder zu einer Veränderung
der zellphysiologischen Eigenschaften (Dedifferenzierung). Vielfach
lässt sich
dieser auch als "Passagieren" bezeichnete Vorgang
nur etwa 10 mal durchführen,
bevor die Zellen ihre phänotypischen
Eigenschaften dauerhaft verlieren. Zudem ist der hohe manuelle Aufwand
auf Grund des hohen Kontaminationsrisikos nachteilig.
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Aus
dem Stand der Technik ist auch die Kultivierung von Gewebezellen
auf Microcarriern bekannt. In Baker und Goodwin (1997), In Vitro
Cell. Dev. Biol.-Animal 33:358–365,
ist beispielsweise eine dreidimensionale Kultur von Chondrozyten
auf Microcarriern in einem "Rotating
Wall Vessel" (RWV)
beschrieben. Microcarrier und Zellen werden zum Medium zugegeben,
und es bilden sich im Verlauf der Zellkultur Microcarrier-Aggregate.
Parallel angesetzte Kontrollkulturen in Petrischalen zeigten nachteilige
Eigenschaften gegenüber
den RWV-Kulturen. Die Anzucht von Chondrozyten auf Microcarrier
ist auch in Malda et al. (2003), Tissue Engineering 9, 939–948, beschrieben.
Im Rahmen von Auswahltests zur Feststellung der Eignung von Microcarriern für die Expansion
von Chondrozyten wurden auf verschiedenen Microcarriern zunächst Chondrozyten
immobilisiert. Für
die eigentliche Zellkultur wurden die Zellen in Spinnerflaschen
auf den ausgewählten
Microcarriern immobilisiert, geerntet und in Zentrifugenröhrchen weiter
kultiviert, wobei verbrauchtes Medium regelmäßig ausgetauscht wurde. Für die Zellernte
wurden die Zellen durch Kollagenase abgelöst und anschließend ohne Microcarrier
in "Pellet"-Kulturen weiter
kultiviert.
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Aufgabe
der vorliegenden Erfindung ist es, ein Verfahren zur Vermehrung
von menschlichen oder tierischen Zellen, insbesondere von Gewebezellen
bereitzustellen, das relativ einfach anzuwenden ist und bei dem
auf eine periodisch wiederkehrende Ablösung der Zellen von der Gefäß- oder
Trägeroberfläche verzichtet werden
kann.
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Erfindungsgemäß erfolgt
die Lösung
der gestellten Aufgabe dadurch, dass man einen Träger mit
Nährmedium überschichtet,
den Träger
mit lebenden menschlichen oder tierischen Zellen in Verbindung bringt,
den Zellen gestattet, sich an den Träger anzuheften und sich zu
vermehren, und sukzessive weitere Träger zugibt, so dass eine weitere
Vermehrung der Zellen auf den sukzessive zugegebenen Trägern erfolgt,
die sich an den/die bereits bewachsenen Träger anlagern.
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Das
erfindungsgemäße Verfahren
bietet den Vorteil, dass ausgehend von Gewebebiopsien mit nur wenigen
Zellen ein Zellwachstum auf Trägern
erreicht werden kann, ohne dass eine Vermehrung in Zellkulturflaschen
erforderlich wird, die regelmäßig zu einer
Dedifferenzierung der Zellen führt.
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Darüber hinaus
wird durch das erfindungsgemäße Verfahren
das Kontaminationsrisiko weiter herabgesetzt.
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Als
Träger
hat sich vor allem ein so genannter "Microcarrier" bewährt.
Unter "Microcarriern" versteht man Partikel
in der Größenordnung
von 100...200 μm,
die eine das Anheften von Zellen fördernde Oberfläche (z.
B. Kollagen) besitzen. "Microcarrier" sind beispielsweise
unter der Bezeichnung Cytodex bei der Firma Amersham Pharmacia Biotech
Europe GmbH erhältlich.
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Nach
einer besonderen Ausgestaltung der Erfindung ist vorgesehen, dass
die Vermehrung der Zellen in einem Kulturgefäß erfolgt, in dem sich die
Träger
infolge der Schwerkraft aneinanderlagern können. Hierbei sollten sich
die Träger
nicht oder nur in wenigen Schichten überlagern, damit eine ausreichende
Sauerstoffversorgung für
alle Träger
gewährleistet
ist. Geeignete Kulturgefäße hierfür sind beispielsweise
Uhrgläser
oder solche Gefäße, deren
Boden eine leichte Wölbung
zur Ansammlung der Träger
aufweist.
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Gemäß einer
weiteren Ausgestaltung der Erfindung werden die lebenden Zellen
durch minimal invasive Biopsie gewonnen und in einer Konzentration
von durchschnittlich 5...20 Zellen pro Träger eingesetzt.
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Vorzugsweise
werden die Zellen in einer Konzentration von durchschnittlich 10
Zellen pro Träger
eingesetzt.
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Besonders
gute Anzuchtbedingungen werden dadurch erreicht, dass die Menge
des eingesetzten Nährmediums
so gewählt
ist, dass von außen über das
Nährmedium
ausreichend Sauerstoff zu den Zellen diffundieren kann. Die Nährmediumschicht
sollte daher möglichst
dünn sein,
aber den Zellen auch noch so viel Substrat zur Verfügung stellen,
dass eine Vermehrung der Zellen möglich ist.
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Nach
einer anderen Ausgestaltung der Erfindung kann eine Ablösung der
Zellen von den Trägern
erst unmittelbar vor weiteren Anwendungen der Zellen erfolgen. Wenn
sich eine ausreichende Menge an Zellen gebildet hat, werden die
Zellen durch eine einmalige, schonende enzymatische Behandlung,
beispielsweise mittels Collagenase, von den Microcarriern abgelöst. Die
Zellen stehen dann zum Beispiel für die Züchtung eines künstlichen
Gewebes, eine zellbasierte Therapie, physiologische Untersuchungen,
Verträglichkeitsprüfungen von
Medikamenten, Toxizitätstests
und dergleichen zur Verfügung.
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Das
erfindungsgemäße Verfahren
eignet sich zur Herstellung von Knorpelgewebe sowie zur Vermehrung
von Stammzellen.
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1 soll
das erfindungsgemäße Verfahren
verdeutlichen: Microcarrier werden zusammen mit frisch aus einer
Biopsie stammenden Zellen in Nährmedium
inkubiert. Ein Uhrglas sorgt dafür,
dass sich die Microcarrier zusammenlagern und insofern eine nur
geringe Zellmenge ausreicht, um eine ausreichend hohe Zellkonzentration
in dem Nährmedium
zu erreichen. Wenn die Zellen auf den Microcarriern angewachsen
sind und sich vermehrt haben, erfolgt eine sukzessive Weitervermehrung
der Zellen auf neu hinzu gegebenen Microcarriern, bis die gewünschte Zellmenge
insgesamt erreicht ist. Die so hergestellte Microcarrier-Zell-Suspension
kann anschließend
in einen Bioreaktor oder Schüttelkolben überführt werden.
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Beispiele
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1. Vermehrung von Chondrozyten eines Göttinger "Mini-Pig"
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Zu
Beginn wurden 3 mg des Microcarriers Cytodex 3 (Amersham Pharmacia
Biotech), der sich in Vorversuchen als günstig für die Proliferation von Schweine-Chondrozyten
erwiesen hatte, in ein zuvor silikonisiertes Uhrglas gegeben, in
PBS (Phosphate Buffered Saline) hydratisiert und anschließend autoklaviert.
Danach wurde das PBS verworfen und die Microcarrier mit 1 mL Nährmedium
gespült.
Die weitere Kultivierung erfolgte für 10 Tage mit 1 mL Nährmedium
im Brutschrank (37°C,
5% CO2). Des Weiteren wurden 10 ng/mL des
Wachstumsfaktors bFGF (basic Fibroblast Growth Factor) zugegeben.
Das offene Uhrglas mit der Zellkultur befand sich dabei in einer
Petrischale, die teilweise mit Wasser gefüllt war. Alle 2–3 Tage
wurde das Medium gewechselt und 10 ng/mL bFGF zugegeben. Vorversuche
hatten gezeigt, dass etwa 2 Tage nach Zugabe von bFGF die Mitose
der Zellen einsetzt, die von einer Abrundung der Zellen begleitet
wird und somit ein Wandern der Zellen auf neu zugegebene Microcarrier
begünstigt.
Am Ende dieses ersten Proliferationszyklus (nach 10 Tagen) wurden
30 mg Cytodex 3 zu gegeben (10-fache Menge bezogen auf den ersten
Vermehrungszyklus), die ebenfalls vorab hydratisiert und autoklaviert
worden waren. Des Weiteren wurden 10 mL Kultivierungsmedium zugegeben.
Nach der Zugabe wurde die Petrischale leicht geschüttelt, um
eine Durchmischung von neuen, unbesiedelten Microcarriern und besiedelten
Microcarriern zu erzielen. Die weitere Kultivierung erfolgte wiederum
im Brutschrank, wobei alle 2–3 Tage
das Medium gewechselt und 10 ng/mL bFGF zugegeben wurden.
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Der
dritte Proliferationszyklus wurde dann zweigeteilt. Zum einen wurde
die Kultivierung der Microcarrier in einem konischen Suspensionsreaktor,
zum anderen in einem nicht bewegten Erlenmyerkolben durchgeführt. Am
Ende der Kultivierung wurden die besiedelten Microcarrier geerntet
und die Zellen mittels einer Collagenase von den Microcarriern getrennt.
Kultivierungs-Periode | 1. | 2. | 3. |
Reaktor | Uhrglas | Uhrglas | Kolben | Konisch |
Microcarrier
(mg Cytodex 3) | 3 | 30 | 267 | 267 |
Medium
(mL) | 1 | 10 | 100 | 100 |
Versuchsdauer
(h) | 250 | 250 | 300 | 300 |
Animpfzellzahl/(Zellen
mL) | 5·104 | - | 5,7·104 | 6·104 |
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Am
Ende der 2. Kultivierungsperiode wurden ca. 6·106 Zellen
geerntet. Gegenüber
der eingesetzten Menge von 5·104 Zellen bedeutet dies eine Steigerung um
den Faktor 120 in 20 Tagen. Am Ende des Versuches konnten aus dem
konischen Reaktor ca. 6·107 Zellen geerntet werden, aus dem Erlenmeyerkolben
ca. 4·107 Zellen. Somit ergibt sich bezogen auf die
eingesetzte Menge von 5·104 Zellen eine Steigerung um ca. den Faktor
1.000 in 30 Tagen.
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Um über eine
herkömmliche
Flaschenkultur (T 75-Flaschen, T 175-Flaschen) zu vergleichbar hohen Zellerträgen zu gelangen, wären mindestens
zwei zusätzliche
Passagierungsschritte erforderlich.
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2. Vermehrung von humanen
Chondrozyten auf Microcarriern
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Ziel
dieses Versuches war die Vermehrung von humanen Chondrozyten auf
Microcarriern in einem konischen Suspensionsreaktor mit einem Volumen
von 100 mL. Das verwendete Nährmedium
entsprach dem bei der Vermehrung von Schweinechondrozyten verwendeten
Medium.
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Ausgehend
von 5,8·104 Zellen/mL stieg die Zellzahl in einem Zeitraum
von 325 Stunden auf 4,88·105 Zellen/mL an.
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Der
Versuch belegt, dass das erfindungsgemäße Verfahren auch zur Microcarrier-Kultivierung
von humanen Chondrozyten gut geeignet ist.