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Die
Erfindung betrifft ein Verfahren zum Betreiben eines Bremsassistenzsystems
in einem Fahrzeug nach dem Oberbegriff des Anspruchs 1.
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Im
alltäglichen
Verkehrsgeschehen werden üblicherweise
Normalbremsungen durchgeführt.
Bei einer Gefahrenbremsung kann darauf geschlossen werden, dass
sich ein Fahrzeuglenker in einer Situation befindet, die er als
kritisch bzw. unfallträchtig
betrachtet. Untersuchungen haben ergeben, dass der Fahrzeuglenker
in solchen kritischen Fahrsituationen sein Bremspedal zwar signifikant
stärker
betätigt
als bei der Normalbremsung, jedoch oft nur eine unzureichende Kraft
auf das Pedal ausübt.
Aus diesem Grund wurden Bremsassistenzsysteme entwickelt, um einen
Fahrzeuglenker bei Notbremsungen dahingehend zu unterstützen, seinen
Bremsweg zu verkürzen
und eine Kollision mit einem potentiellen Kollisionspartner zu vermeiden
oder zu vermindern. Durch das Bremsassistenzsystem wird bei Bedarf
ein automatischer Systemeingriff in die Bremsfunktion aktiviert.
Dadurch wird eine Bremskraft erzielt, die höher ist als die Bremskraft,
die bei normaler Betätigung des
Bremspedals hervorgerufen wird.
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Problematisch
bei den bekannten Bremsassistenzsystemen ist die Unterscheidung
zwischen einer Gefahrenbremsung und einer Normalbremsung, denn es
ist nur in kritischen Situationen ei ne Unterstützung beim Bremsvorgang erwünscht. Bei
der Normalbremsung können
durch einen systembedingten Eingriff sogar negative Folgen eintreten,
weil der Fahrzeuglenker beispielsweise irritiert wird und daraufhin
falsch reagiert, oder weil es aufgrund einer unnötigen Notbremsung zu Auffahrunfällen kommen kann.
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Aus
der Offenlegungsschrift
DE
101 60 278 A1 ist ein Verfahren zur Verbesserung der Bremsassistenzfunktion
offenbart, bei dem nach Maßgabe
eines erkannten Hinweises auf eine Notbremssituation eine Gaspedal-Motormoment-Kennlinie
veränderbar ist.
Diese Kennlinie zeigt einen Zusammenhang zwischen einem Betätigungsweg
des Gaspedals und einem daraus resultierenden Motormoment an.
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Der
Erfindung liegt die Aufgabe zugrunde, ein verbessertes Verfahren
zum Betreiben eines Bremsassistenzsystems anzugeben, bei dem eine
sichere Unterscheidbarkeit zwischen Fahrerwunsch und Notsituation
gewährleistet
ist.
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Die
Aufgabe wird erfindungsgemäß durch die
Merkmale des Anspruchs 1 gelöst.
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Bei
dem erfindungsgemäßen Verfahren
wird zur Unterscheidung zwischen einer Gefahrenbremsung und einer
Normalbremsung eine Schwelle für einen
Bremseingriff des Bremsassistenten wenigstens aus den Merkmalen
Bremsmoment und Bremsmomentgradient festgelegt. Die Schwelle kann
dabei als Schwellenwert oder als eine Schwellenwertkennlinie definiert
sein. Das Bremsmoment kann mittels einer Eindrücktiefe eines Bremspedals berechnet werden,
wobei die Eindrücktiefe
direkt am Hauptzylinder der Bremsanlage gemessen werden kann. Es ist
dabei von Vorteil, dass für
dieses Merkmal keine zusätzliche
Messeinrichtung am Bremspedal bereitgestellt werden muss. Der Bremsmomentgradient kann
mittels einer Bremspedalbetätigungsgeschwindigkeit
berechnet werden und bemisst die Schnelligkeit, mit der das Bremspedal
betätigt
wird. Vorteilhafterweise lassen sich mit dem erfindungsgemäßen Verfahren
Normalbremsungen von Gefahrenbremsungen unterscheiden, um den Fahrer
beispielsweise bei einer unfallträchtigen Situation durch eine
intelligente Bremskraftverstärkung
zu unterstützen. Eine
ständige
intelligente Bremskraftunterstützung würde zu einer
ständig
veränderten
Charakteristik der Bremse führen
und ein Bremsverhalten des Fahrzeuglenkers verändern. Aus diesem Grund darf
eine derartige Unterstützung
nur in solchen Situationen gewählt
werden, in denen der Fahrzeuglenker tatsächlich eine Gefahrenbremsung
durchführt.
Mit Hilfe der Erfindung lässt
sich eine Gefahrenbremsung frühzeitig
von einer Normalbremsung unterscheiden, so dass der Nutzen für den Fahrzeuglenker
möglichst groß bleibt.
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Günstige Ausgestaltungen
und Vorteile der Erfindung sind der Beschreibung sowie den weiteren Ansprüchen zu
entnehmen.
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Der
aus dem Bremsmoment und dem Bremsmomentgradienten berechnete Faktor
kann günstigerweise
für verschiedene
Fahrsituationen anhand einer Trajektorie erfasst werden. Bei der
Erfassung der Trajektorien können
Fahrsituationen simuliert werden, die ein Innenstadt-Szenario nachstellen, wobei
das Fahrzeug eine Geschwindigkeit von etwa 50 bis 70 km/h fährt. Ebenso
können
gefährliche
Situationen nachgestellt werden, die zu Gefahrenbremsungen veranlassen.
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Zwischen
den Trajektorien, die Gefahrenbremsungen anzeigen und den Trajektorien,
die Normalbremsungen anzeigen, lässt
sich eine Schwelle erfassen, die in dem Koordinatensystem anhand
einer durch wenige Punkte festgelegten Trennlinie wiedergegeben
wird. Bevorzugt kann in dem Koordinatensystem je nach Position der
Trajektorien zur Trennlinie festgestellt werden, ob es sich um eine
Gefahrenbremsung oder um eine Nor malbremsung handelt. Das so erfasste
Koordinatensystem kann während
der Fahrt beispielsweise von einer entsprechenden Steuerung ausgewertet
werden. Bei Vorliegen einer Gefahrenbremsung kann günstigerweise eine
automatische Bremskraftunterstützung
aktiviert werden. Dies kann durch bekannte Methoden zur Beaufschlagung
der Radbremsen mit Bremsdruck oder Bremskraft erfolgen, beispielsweise
durch einen Aufbau des Bremsdrucks in der Bremsanlage oder durch Vorbefüllung eines
(hydraulischen) Bremssystems. Im Auslösefall kann der Bremsdruck
dadurch wesentlich schneller aufgebaut werden, und die Ansprechzeiten
lassen sich dadurch günstigerweise verkürzen.
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Das
Bremsverhalten des Fahrzeuglenkers kann sich in Abhängigkeit
von der gefahrenen Geschwindigkeit ändern. Die Schwelle zur Unterscheidung
zwischen Gefahren- und Notbremsung kann somit von einer Geschwindigkeit
des Fahrzeugs abhängen.
Bevorzugt kann daher die die Schwelle anzeigende Trennlinie zwischen
den Normalbremsung und Gefahrenbremsung anzeigenden Trajektorien
innerhalb des Koordinatensystems verändert werden, indem die die
Trennlinie definierenden Punkte geschwindigkeitsabhängig verschoben
werden.
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Vorzugsweise
werden Koordinaten, die die Schwelle oder alternativ die Trajektorien
definieren, mit einem Skalierungsfaktor gewichtet, wobei der Skalierungsfaktor
in Abhängigkeit
einer vorgenommenen Fahrsituationsbewertung vorgegeben wird. So
lässt sich
die Empfindlichkeit des Verfahrens in Situationen erhöhen, in
denen erkannt worden ist, dass ein Unfall mit Sicherheit unmittelbar
bevorsteht und nicht mehr verhindert werden kann. Damit erreicht man,
dass in solchen gefährlichen
Situationen bereits eine leichte Bremsbetätigung als Gefahrenbremsung
identifiziert wird.
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Ferner
ist nach dem Bremsverhalten des jeweiligen Fahrzeuglenkers zu differenzieren,
das bei einem sportlichen Fahrer anders ist als bei einem defensiven
Fahrer. Besonders bevorzugt kann mittels einer Auswertung der Trajektorien
während
der Fahrt der Schwellenwert an einen Fahrstil des Fahrzeuglenkers
angepasst werden. Es können
hierfür
die die Trennlinie definierenden Punkte innerhalb des Koordinatensystems
so verschoben werden, dass die Trajektorien aller Bremsungen, die
hinreichend sicher als Normalbremsungen gelten, in einem solchen
Bereich zu der Trennlinie liegen, der den Normalbremsungen zugeordnet
wird. Das Koordinatensystem lässt
sich somit vorteilhafterweise adaptiv an die jeweils gefahrene Geschwindigkeit
und an den Fahrstil anpassen. Dadurch können Fehlinterpretationen weitgehend
ausgeschlossen werden, und es erfolgt nur dann eine intelligente
Bremskraftverstärkung, wenn
tatsächlich
eine Notbremsung vorliegt.
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Mit
dem erfindungsgemäßen Verfahren
lässt sich
vorteilhafterweise eine Gefahrenbremsung frühzeitig von einer Normalbremsung
unterscheiden, so dass der Nutzen für den Fahrer möglichst
groß bleibt.
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Im
Folgenden wird die Erfindung anhand einer Zeichnung näher erläutert. Die
Zeichnung, die Beschreibung und die Ansprüche enthalten zahlreiche Merkmale
in Kombination, die der Fachmann zweckmäßigerweise auch einzeln betrachten
und zu sinnvollen weiteren Kombinationen zusammenfassen wird.
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Dabei
zeigt die einzige Figur ein Diagramm zur Veranschaulichung des erfindungsgemäßen Verfahrens,
welches das Ergebnis einer Versuchsreihe wiedergibt. Ein derartiges
Diagramm kann jedoch auch während
der Fahrt aufgezeichnet und durch eine Steuereinheit ausgewertet
werden, die dann entsprechende Signale an ein Bremsassistenzsystem
abgibt.
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Das
Diagramm zeigt ein Koordinatensystem, wobei die Abszisse einen Wert
für ein
Bremsmoment 11 und die Ordinate einen Wert für einen
Bremsmomentgradienten 12 angibt. Das Bremsmoment 11 wird
mittels einer Eindrücktiefe
eines Bremspedals und der Bremsmomentgradient 12 mittels
einer Bremspedalbetätigungsgeschwindigkeit
berechnet. Der aus dem Bremsmoment 11 und dem Bremsmomentgradienten 12 berechnete
Faktor ist in der Figur grafisch anhand von Trajektorien 13, 14 erfasst.
Bei jeder Bremsung entsteht ein anderer Verlauf der Trajektorien 13, 14,
die in dem Diagramm wiedergegeben sind. Die durchgezogenen Linien
sind Darstellungen von Trajektorien 13, wie sie bei Normalbremsungen
entstehen. Der Fahrzeuglenker befindet sich dabei in keiner kritischen
Fahrsituation und fährt
mit einer Geschwindigkeit von etwa 50 bis 70 km/h, wie sie im regelmäßigen Straßenverkehr üblich ist.
Es wird mit den Trajektorien 13, von welcher der Einfachheit
halber nur einige mit einem Bezugszeichen beziffert sind, ein übliches
Innenstadt-Szenario
wiedergegeben.
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Die
Trajektorien 14 sind in gestrichelten Linien eingezeichnet,
die im gleichen Geschwindigkeitsbereich eine Gefahrenbremsung wiedergibt.
Zur Erfassung der Trajektorien 14 wurden in einem Versuch gefährliche
Situationen simuliert und eine jeweilige Bremsreaktion von Probanden
aufgezeichnet. Auch hier sind aus Gründen der Übersichtlichkeit nur einige
der Trajektorien 14 mit einem Bezugszeichen versehen.
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Aus
dem sich ergebenden Verlauf der Trajektorien 13, 14 lässt sich
eine Trennlinie 18 konstruieren, die das in der Figur dargestellte
Diagramm in zwei Bereiche 20, 21 teilt. Alle Trajektorien
beginnen notwendigerweise in einem Ursprung 19 des Koordinatensystems.
Bremsungen, deren Trajektorien 14 die Trennlinie 18 überqueren,
werden als Gefahrenbremsungen klas sifiziert und liegen im Bereich 21 des
Koordinatensystems. Bremsungen, deren Trajektorien 13 näher beim
Ursprung 19 des Koordinatensystems als die Trajektorien 14 liegen,
werden als Normalbremsungen eingestuft und liegen im Bereich 20 des
Diagramms. Auf diese Weise kann zur Unterscheidung zwischen einer
Gefahrenbremsung und einer Normalbremsung eine Schwelle 10 für einen wenigstens
aus den Merkmalen Bremsmoment 11 und Bremsmomentgradient 12 berechneten
Faktor festgelegt werden. Die Schwelle 10 wird dann anhand
der durch wenige Punkte 15, 16, 17 festgelegten
Trennlinie 18 zwischen Gefahrenbremsungen anzeigende Trajektorien 13 und
Normalbremsungen anzeigende Trajektorien 14 erfasst.
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Es
wurde festgestellt, dass sich das Bremsverhalten des Fahrzeuglenkers
in Abhängigkeit
von der gefahrenen Geschwindigkeit ändert. Deshalb werden die die
Trennlinie 18 definierenden Punkte 15, 16, 17 geschwindigkeitsabhängig verschoben. Auf
diese Weise lässt
sich während
der Fahrt eine an die aktuell gefahrene Geschwindigkeit des Fahrzeugs
angepasste Trennlinie 18' erzeugen,
die bei einer höheren
Geschwindigkeit in dem vom Ursprung 19 entfernteren Bereich 21 liegen,
wobei die Punkte 15', 16', 17' gegenüber den
die ursprüngliche
Trennlinie 18 festlegenden Punkten 15, 16, 17 verschoben sind.
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Vorteilhafterweise
werden die die Punkte 16, 17, 18 definierenden
Koordinaten oder alternativ die die Trajektorien 13, 14 definierenden
Koordinaten mit einem Skalierungsfaktor α gewichtet. Je nach Größe des Skalierungsfaktors α werden die
Trennlinie 18 bzw. die Trajektorien 13, 14 „aufgebläht" oder näher an den
Ursprung „gedrückt". Damit lässt sich
die Empfindlichkeit des Verfahrens in Abhängigkeit der Fahrsituation
adaptiv einstellen. Die Fahrsituation wird dabei anhand von Sensorsignalen
einer Umfeldsensorik hinsichtlich der Unfall trächtigkeit bewertet. Die Bewertung
erfolgt beispielsweise anhand der mit der Umfeldsensorik ermittelten
Relativgeschwindigkeit zwischen dem Fahrzeug und einem potentiellen
Kollisionsobjekt, dem Abstand zwischen dem Fahrzeug und dem Kollisionsobjekt,
der Beschleunigung des Fahrzeugs und der abgeschätzten Beschleunigung des Kollisionsobjekts.
Beispielsweise kann anhand dieser Größen die Zeit, die bis zu einer vorausgesagten
Kollision voraussichtlich noch verstreichen wird, ermittelt und
mit einer abgeschätzten, dem
Fahrer maximal verbleibenden Zeit bis zur Einleitung einer kollisionsvermeidenden
Vollbremsung und/oder eines kollisionsvermeidenden Ausweichmanövers verglichen
werden. In die Bewertung kann weiterhin eine Aussage über die
Qualität
der Sensorsignale oder der hieraus ermittelten Größen mit
einfließen.
Wenn die Fahrsituation als besonders kritisch bewertet wird, wenn
also die Situationsbewertung ergibt, dass ein Unfall mit hoher Sicherheit
unmittelbar bevorsteht und nicht mehr verhindert werden kann, dann
kann die Empfindlichkeit des Verfahrens durch Variation des Skalierungsfaktors α erhöht werden,
so dass bereits eine leichte Bremsbetätigung als Gefahrenbremsung
identifiziert wird.
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Mittels
einer Auswertung der Trajektorien 13, 14 kann
während
der Fahrt die Schwelle 10 an einen Fahrstil des Fahrzeuglenkers
angepasst werden. Beispielsweise kann durch eine Online-Analyse mit Hilfe
von statistischen Methoden erfasst werden, ob der Fahrstil des Fahrzeuglenkers
sportlich oder defensiv ist. Je nachdem können dann die Punkte 15, 16, 17 in
dem Diagramm so an den Fahrstil angepasst werden, dass die Trajektorien 13, 14 aller Bremsungen,
die hinreichend sicher den Normalbremsungen zugeordnet werden können, auch im
Bereich 20 des Koordinatensystems liegen, deren Trajektorien 13 als
Normalbremsung einstuft sind.
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Mit
Hilfe des Koordinatensystems lässt
sich je nach Position der Trajektorien 13, 14 zur
Trennlinie 18 auf einfache Art und Weise feststellen somit,
ob es sich um eine Gefahrenbremsung oder um eine Normalbremsung
handelt. Bei Vorliegen einer Gefahrenbremsung wird eine automatische
Bremskraftunterstützung
aktiviert, wobei beispielsweise die Radbremsen mit Bremsdruck oder
Bremskraft beaufschlagt werden. Dadurch wird der Bremsweg in einer Gefahrensituation
verkürzt,
wodurch das Bremsassistenzsystem sicherer wird.