-
Verfahren zur Verhütung von plastischen Gelenken und Brüchen an metallischen,
vorzugsweise stählernen Bauteilen mit hoher, zeitweise auch plastischer Beanspruchung
Die Erfindung betrifft ein Verfahren zur Herstellung von metallischen, vorzugsweise
stählernen Bauteilen, die erfahrungsgemäß bis an die Elastizitäts-,grenze, zeitweise
sogar darüber hinaus, beansprucht werden, und bezweckt die Vermeidung sogenannter
»plastischer Gelenke« und damit die Entstehung von Rissen und Brüchen an diesen
Bauteilen.
-
Es ist bereits bekannt, bei hoch beanspruchten metallischen Bauteilen,
namentlich bei solchen, die einem häufigen Lastwechsel, z. B. einer Wechselbiegung,
unterliegen, die Oberfläche in an sich bekannter Weise mit örtlichen Druckstellen
zu versehen, um diese dadurch widerstandsfähiger gegen das Ansetzen von Dauerbrüchen
zu machen. Es konnte auch nachgewiesen werden, daß auf solche Weise oberflächlich
verdichtete Bauteile tatsächlich weniger rißempfindlich gegen Dauerbeanspruchung
sind, daß also eine größere Zahl von Lastwechseln bei der gleichen Beanspruchung
bis zur Entstehung eines Risses ausgehalten wird. Die Ursache wurde darin erblickt,
daß die Baustoffteile der Oberflächen durch das Drücken näher zusammengebracht und
so Fehlstellen oder Oberflächenbeschädigungen, z. B. Polierschrammen od. dgl., beseitigt
würden.
-
Weiter wurde bekannt, bei wechselnd beanspruchten Bauteilen in der
Nähe des gefährdeten Querschnitts sogenannte Entlastungskerben oder Entlastungsbohrungen
anzuordnen, um so eine Erhöhung der Dauerstandfestigkeit zu erzielen.
-
Die Erfindung geht von einer genauen Beobachtung des Geschehens bei
der Beanspruchung unlegierter Stähle an der Grenze zwischen elastischer und plastischer
Verformung und im daran anschließenden sogenannten Fließbereich aus und zieht daraus
bestimmte Folgerungen für die Vorbehandlung und die Formgebung der aus solchen Werkstoffen
zu fertigenden Bauteile.
-
Bekanntlich steigt bei den unlegierten Baustählen im Spannungs-Dehnungsschaubild
die Last zunächst gradlinig bis zur sogenannten Elastizitätsgrenze steil an. Innerhalb
des Bereichs dieser Beanspruchung geht die Dehnung bei Entlastung so gut wie vollkommen
zurück, d. h. die Belastung war vollkommen elastisch. Bei Erhöhung der Last
Über die Elastizitätsgrenze hinaus nimmt die Dehnung zunächst noch annähernd linear
zu, bis die sogenannte »obere Fließgrenze« des Werkstoffes, meist »Streckgrenze«
genannt, erreicht wird. Diese ist dadurch gekennzeichnet, daß in den meisten Fällen
unter ruckartigem Absinken der Last bis auf einen Wert, der als »untere Fließgrenze«
bezeichnet wird, die Dehnung bei nur geringen Lastschwankungen fortschreitend zunimmt,
der Werkstoff also fließt. In den Fällen, in welchen keine ausgeprägte Fließgrenze
erkennbar ist, wird als Streckgrenze diejenige Spannung bezeichnet, bei welcher
die bleibende Dehnung des Werkstoffes 0,21/o beträgt. Im allgemeinen liegt die obere
Fließgrenze der weichen Stähle bei etwa 0 , 1 1/o Dehnung, entsprechend 21
kg/qmm Belastung bei einem E-Modul von 21000 li:g/qmm.
-
Bei der Spannung, welche der unteren Fließgrenze entspricht, wird
der Werkstoff im Zugversuch unter nur geringen Lastschwankungen von ungefähr
0,1 bis etwa 3 ',OI/o plastisch gedehnt.
-
Von diesem sogenannten Fließvorgang wird innerhalb eines kurzen Zeitraumes
nacheinander der ganze Werkstoff ergriffen, bis der Versuchsstab über seine volle
Probelänge geflossen ist.
-
Erst bei etwa 3% Dehnung beginnt bei weichen Stählen und Raumtemperatur
wieder eine Lastzunahme bis zu einem Spannungs-Höchstwert, der sogenannten Trenn-
oder Reißfestigkeit, die beim Zugversuch mit einer starken Einschnürung des schwächsten
Querschnittsbereichs verbunden ist. Der Anstieg der Lastdehnungskurve von der Beendigung
des Fließens ab erfolgt jedoch nicht mehr linear, und die Beanspruchung des Werkstoffes
in diesem Bereich des Spannungs-Dehnungsdiagramms ist mit einer Verfestigung,
d. h. mit einer Erhöhung der Elastizitätsgrenze, verbunden, Bei einer Wiederholung
des Zugversuchs mit einem solchen bis über den Fließbereich gereckten Werkstoff
ist festzustellen, daß der elastische Bereich des Werkstoffes bis zu einer höheren
Spannung als ursprünglich hinaufführt und eine ausgeprägte Fließ- bzw. Streckgrenze
nicht mehr vorhanden ist, Die Spannungs-Dehnungslinie biegt vielmehr nach anfangs
steilem, geradlinigem Verlauf ohne Fließbereich
allmählich in den
Bereich zunehmender Dehnung um und endet mit der Trennfestigkeit.
-
An Bauteilen, die häufigem Lastwechsel unterliegen und bis in den
plastischen Bereich beansprucht werden, wurde nun beobachtet, daß sie zunächst im
gefährdeten Ouerschnitt zu fließen beginnen. Von diesem Augenblick an werden die
weniger beanspruchten Nachbarquerschnitte nicht mehr weitergedelint, sondern die
weitere Dehnung beschränkt sich allein auf den schmalen Bereich des gefährdeten
Querschnitts und schreitet hier so lange fort, bis das Fließvermögen des Werkstoffes
an dieser Stelle völlig erschöpft, der Werkstoff hier also von z. B. 0,1 bis 3,0%
gedehnt ist. Bei noch weiterer Lastzunahine wird der Werkstoff an dieser Stelle
verfestigt, und benachbarte, bislang noch nicht geflossene Querschnitte werden bis
über ihre Fließgrenze beansprucht und beginnen damit zu fließen. Damit wiederholt
sich für diese Ouerschnitte der vorher beschriebene Vorgang, bis wi-ederum diese
Ouerschnitte in ihrem Fließvermögen erschöpft sijd. Diese Erscheinung erklärt das
Entstehen mehrerer Risse in der Umgebung des gefährdeten Ouerschnitts bei genügend
fortgeschrittenem Lastwichsel. Die Korrosionsgefahr ist an diesen bereits geflossenen
Werkstoff-Ouerschnitten besonders groß, was sich durch die itarke Abhängigkeit der
Korrosionswechselfestigkeit von der Spannung, durch das Aufreißen der als Schutzschicht
wirkenden Walz-bzw. Preßhaut sowie durch das Potentialgefällezwischen gerecktem
und nicht gerecktem Werkstoff erklärt.
-
Hier setzt nun die Erfindung ein, indem sie vorschlägt, zur Herstellung
von metallischen, vorzugsweise stählernen Bauteilen, bei denen die Gefahr plastischer
Verformungen gegeben ist, unlegierte Stähle zu verwenden, die im Ganzen oder über
den Bereich der zu erwartenden Höchstbeanspruchung einer möglichst gleichmäßigen
Kaltverformung von mindestens 3% unterworfen wurden. Diese Kaltverformung und damit
die Beseitigung des Fließbereichs kann in an sich bekannter Weise durch Schmieden,
Pressen, Ziehen od. dgl. vorgenommen werden und soll vorzugsweise auf den unmittelbar
an den Beginn der Verfestigung anschließenden Bereich (etwa 3 bis 61/o) beschränkt
bleiben, in welchem die Rekristallisations-Temperattir am höchsten liegt.
-
Bei auf Wechselbiegung beanspruchten Bauteilen kann erfindungsgernäß
die Kaltverformung auch erst nach beendeter Ausforniting des Bauteiles lediglich
oberflächlich durchgeführt werden, -weil hier die Außenfasern stets die höchstbeanspruchten
sind, bei denen also die Gefahr des Fließens besonders gegeben ist. Dabei darf aber,
im Gegensatz zu dein früher üblichen sogenannten »Oberflächendrüclzeii«, bei welchem
örtlich unkontrollierte, meist viel zu starke Verformungsgrade zur Anwendung gelangten,
die Kaltverformung nicht zu hoch getrieben werden, da andernfalls die Außenfaser,
auf deren Standfestigkeit es ankommt, eine Verfestigung erfährt, die zwar bei Raumtemperatur
standhält, bei der Betriebstemperatur aber zum Teil verlorengeht und unter Umst#iiden
zu Grobkornbildung führt.
-
In weiterer Ausbildung der Erfindung wird vorgeschlagen, insbesondere
bei auf Wechselbiegung beanspruchten Bauteilen die Ausbildung plastischer Gelenke
dadurch zu vermeiden, daß die der Wechselbiegung unterliegenden, aus Werkstoffen
mit 3 bis vorzugsweise 6% Kaltverformung bestehenden Bauteilbereiche ihrer
Beanspruchungsart entsprechend so geformt werden, daß die wechselnde Dehnung bzw.
Kürzung der Außenfaser sich über den höchstbeanspruchten Teil der freien Biegelänge
annähernd gleichmäßig erstreckt. Dieser Vorschlag zielt darauf ab, durch geeignete
Foringebung der gefährdeten Baustoffteile SpannungIsspitzen zu vermeiden, die Dehnung
also auf einen möglichst großen Bereich zu verteilen, dadurch die prozentuale Höchstdehnung
der Außenfaser herabzusetzen und die Stützwirkung der inneren Fasern so hoch wie
möglich zu halten. Durch die geineilisame Anwendung beider -Merkmale,
d. h. der Vermeidung bzw. Aus schaltung der Fließgrenze durch gelenkte Kaltverforniung
und einer möglichst »spannungsgleichen« Gestaltung, wird die Riß- und damit Bruchgefahr
des Bauteiles in einem bisher nicht für möglich gehaltenen Maße vermindert.
-
Endlich wird erfindungsgemäß vorgeschlagen, besonders riß- und abzehrgefährdete
Bauteile oder Bauteilbereiche, insbesondere bei Hinterkessein von Dampflokomotiven,
aus einem unlegierten Stahl herzustellen, der nach einer möglichst gleichmäßigen
Kaltverformung in den Grenzen von 3 bis etwa 6% keinen Fließbereich mehr
aufweist, und diese Teile mit den angrenzenden, weniger beanspruchten Bauteilen
oder Bauteilbereichen aus nicht kaltverformtein Stahl durch Schweißung zu verbinden.