DE10051438B4

DE10051438B4 - Tibiale Komponente einer Knieendoprothese mit dreidimensional faserverstärkter Struktur und Verfahren zur Herstellung

Info

Publication number: DE10051438B4
Application number: DE2000151438
Authority: DE
Inventors: Karl Prof. Dr.-Ing. Schulte; Lars Dipl.-Ing. Birken; Artur Dipl.-Chem. Poeppel; Erich Prof. Dr.sc.techn. Schneider
Original assignee: Tutech Innovation GmbH
Current assignee: Ip Verwertungs 82031 Gruenwald De GmbH
Priority date: 2000-10-17
Filing date: 2000-10-17
Publication date: 2006-11-09
Anticipated expiration: 2020-10-18
Also published as: DE10051438A1

Abstract

Tibiale Komponente aus faserverstärktem Kunststoff, dadurch gekennzeichnet, dass an der Oberfläche der Komponente eine dreidimensional strukturierte Faseranordnung vorliegt und dass die Faserverstärkung oder eine gerichtete Porosität so in der Komponente angeordnet ist, dass entlang der Faserverstärkung bzw. der gerichteten Porosität unter Einwirkung einer Normalkraft auf die Komponente in Richtung der Flächennormalen der Komponente eine Auspressung von Schmiermedium stattfindet, das in tiefer gelegenen Schichten der Komponente speicherbar ist.

Description

Die Erfindung betrifft eine tibiale Komponente aus faserverstärktem Kunstoff sowie ein Verfahren zum Herstellen einer solchen Komponente.
Die Implantation einer künstlichen Knieendoprothese stellt heute bei der Diagnose irreversibler und schwerwiegender Gelenkschäden einen Routineeingriff dar. Ziel der Operation ist Schmerzfreiheit und Wiederherstellung der Mobilität für den Patienten. Dem behandelnden Arzt stehen eine Vielzahl unterschiedlicher Baumuster zur Verfügung. Der größte Anteil, heute verwendeter Baumuster ist hinsichtlich des werkstofflichen Aufbaus gleich (1): die am distalen Oberschenkelende zu befestigende femorale Kondyle wird aus einer metallischen Legierung gefertigt. Am proximalen Unterschenkelende wird der tibiale Teil der Prothese befestigt, der sich aus einem metallischen und einem polymeren Teil zusammensetzt. Der metallische Teil besteht häufig aus einem Schaft mit angegossener Platte, auf dieser Platte wird das polymere Tibiaplateau form- oder kraftschlüssig befestigt. Das polymere Plateau besteht in der Regel aus Polyethylen mit ultrahohem Molekulargewicht (UHMWPE). Die Relativbewegung der beiden Gelenkpartner zueinander erfolgt als Roll-Gleitprozess des gerundeten femoralen Teils auf dem flach ausgebildeten polymeren Plateau.
Es ist bekannt, daß die Einsatzdauer heutiger Knieendoprothesen insbesondere durch Verschleiß des polymeren Teils der Prothese limitiert ist. Die Verschleißerscheinungen auf Explantaten zeigen, daß verschiedene Verschleißmechanismen wirksam sind. Primär sind die Vorgänge des

• Ermüdungsverschleißes infolge auf dem tibialen Plateau wandernder, lokaler Spannungsüberhöhungen,
• Abrasivverschleißes infolge spanender Wirkung der Rauhigkeiten des femoralen Teils gegenüber dem tibialen Plateau und des
• Adhäsivverschleißes durch lokal hohe Adäsivkräfte zwischen den Reibpartnern, die zur Auslösung von Partikeln aus den Oberflächen führen,

a) Konstruktiv wird eine hohe Konformität der Gelenkpartner zur Verringerung der Spannungen angestrebt (2a, b). Die gewünschte translatorische Beweglichkeit wird teilweise durch die Einführung einer zusätzlichen Gleitflächen (an der Unterseite des Tibiaplateaus) erzielt (2c). Es ist bekannt, daß eine der anatomischen Form nachempfundene Prothesengestaltung dem Patienten ein gutes Gangbild ermöglicht. Optimierungsansätze dieser dem anatomischen Vorbild nachempfundenen Bauform sind daher insbesondere bei der Werkstoffwahl möglich.
b) Werkstofftechnisch wird insbesondere die Optimierung der Prozesstechnolgie des verwendeten UHMWPEs angestrebt. Die derzeit erkannten Ursachen für Strukturschwächung sind der Sterilisationsprozess durch Gammastrahlung in Anwesenheit von Sauerstoff und die längere Lagerung sterilisierter Bauteile an Luft. Diese Schädigungsmechanismen werden durch Sterilsierung unter inerter Atmosphäre oder Gassterilisierungsverfahren und Lagerung in mit Inertgas gefüllter Verpackung reduziert. Eine weitere Strukturfestigkeitserhöhung wird durch eine Nachvernetzung des Polyethylens durch Gamma- oder Elektronenstrahlung erreicht. Diese Verfahren werden bislang in der Hüftendoprothetik genutzt.

Aus DE 197 50 121 C1 ist es bekannt, in die Oberfläche einer tibialen Komponente makroskopische Vertiefungen einzuarbeiten, um Reservoire für Synovialflüssgkeit bereitzustellen. Diese Oberflächengestaltung hat den Nachteil, dass eine schnelle Verdrängung der Synovialflüssigkeit unter den hohen Hertz'schen Spannungszuständen erfolgt und somit auch diese Oberflächenmodifikation im spezifischen Fall des nicht-konformen Kniegelenks keine entscheidenden Vorteile erzielt. Darüber hinaus bleiben diese Vertiefungen aufgrund von Verformungs- und Verschleißvorgängen nicht über die gewünschte Lebenszeit der Prothese erhalten.

Aus DE 40 06 714 A1 und DD 227 328 A1 sind tibiale Komponenten aus faserverstärktem Polyethylen bekannt. Diese tibialen Komponenten weisen erhöhte Elastizitätsmodule auf und bergen somit den Nachteil, dass durch erhöhte Hertz'sche Spannungen im Kontaktbereich eine erhöhte Beanspruchung des Materials verursacht wird, die durch die verbesserten mechanischen Eigenschaften aufgrund der Faserverstärkung nicht kompensiert werden können.

Der im Patentanspruch angegebenen Erfindung liegt das Problem zugrunde, daß die Oberflächen der beiden Reibpartner eine hohe Resistenz gegenüber Abrasiv- und Adäsivverschleißmechanismen aufweisen sollten. Eine geringe Rauhtiefe, insbesondere des härteren Reibpartners verringert die Wirksamkeit abrasiver Mechanismen.

Hohe Oberflächengüten auf beiden Reiboberflächen verstärken jedoch adhäsive Verschleißmechanismen da sich die effektive Kontaktfläche erhöht und durch erleichterte Fluidverdrängung die Ausbildung eines effektiven Schmierspaltes erschwert wird.

Dieses Problem wird durch die im Patentanspruch aufgeführten Merkmale gelöst.

Die mit der Erfindung erzielten Vorteile liegen in der Möglichkeit, durch die Einbringung einer gerichteten Faserstruktur in den polymeren Reibpartner eine Oberflächenstruktur zu erzielen, welche die Ausbildung eines stabilen Schmierfilms durch zwei Mechanismen begünstigt:

1.) Durch das Einbringen einer Faserverstärkung mit 3D-Struktur in die Reibfläche der Komponente sind Werkstoffe unterschiedlicher Verschleißfestigkeit und Elastizität in der Oberfläche der Komponente vorhanden (4). Unter der mechanischen Belastung im Einsatz und durch einen lokal unterschiedlichen Verschleiß kann sich so eine zeitlich stabile Oberflächenstruktur der Komponente ausbilden¹, die durch das Vorhandensein kleiner Schmiertaschen gekennzeichnet ist. Diese Schmiertaschen können die vollständige Verdrängung der Synovialflüssigkeit unter statischer Last verhindern.
2.) Durch die Wirksamkeit kapillarer Kräfte entlang einer Faserverstärkung bzw entlang gerichteter Porösitäten im Sinne einer "hohlen Faserverstärkung" (4) kann ein aus der Histomorphometrie des humanen Gelenkknorpels bekannter Effekt auf einen synthetischen Werkstoff übertragen werden. Dieser "squeeze-out" genannte Effekt besteht in einer in Richtung der Flächennormalen stattfindenden Auspressung von in tiefer gelegenen Schichten des Reibpartners gespeichertem Schmiermedium unter Einwirkung einer Normalkraft auf den Reibkörper.

Es ist bekannt, daß Polyethylene gute Biokompatibilität aufweisen. Derzeit werden unterschiedliche Polyethylensorten als Implantatwerkstoffe verwendet. Stand der Technik ist weiterhin ein Verfahren zur Herstellung eines mit Polyolefinfasern verstärkten Polyethylens ("Eigenfaserverstärkung")¹. Der in der Erfindung beschriebene Materialaufbau kann durch unterschiedliche Prozesstechniken erreicht werden.

1.) Herstellung einer gewebten oder gewirkten Faserlagenstruktur aus Polyolefinfasern. Verarbeitung der Faserlage mit einem bekannten Verfahren durch Tränken in Matrixpulversuspension und Heisspressen
2.) Herstellung einer Kapillarstruktur (gerichtete Porosität). Die Faserverstärkung wird dabei während des Herstellungsprozesses durch geeignete Temperaturwahl (T_Process > T_m(Faser)) ausgeschmolzen und so ein der Faserverstärkung entsprechender Hohlraum erzeugt. Die Größe der Kapillaren kann durch den Durchmesser des Fasermaterials eingestellt werden. Materialreinheit wird durch gleichen chemischen Aufbau der Komponenten gegeben. Der erforderliche Unterschied hinsichtlich Schmeltemperatur der Matrix und der Faser (T_{m Faser} < T_m
Matrix) wird durch unterschiedliche Moekulargewichte erreicht.

Literatur

1. Junge, E. Spannungsanalyse in faserverstärkten tibialen Komponenten nicht-konformer Knieendoprothesen mittels FE-Methode. Diplomarbeit, AB Biomechanik, TUHH, 1999.
2. von Lacroix F, Werwer M, Schulte K. Solution impregantion of polyethylene fibre/polyethylene matrix composites. Composites 1998; 29A:371-6.

Claims

Tibiale Komponente aus faserverstärktem Kunststoff, dadurch gekennzeichnet, dass an der Oberfläche der Komponente eine dreidimensional strukturierte Faseranordnung vorliegt und dass die Faserverstärkung oder eine gerichtete Porosität so in der Komponente angeordnet ist, dass entlang der Faserverstärkung bzw. der gerichteten Porosität unter Einwirkung einer Normalkraft auf die Komponente in Richtung der Flächennormalen der Komponente eine Auspressung von Schmiermedium stattfindet, das in tiefer gelegenen Schichten der Komponente speicherbar ist.
Tibiale Komponente nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass die Geometrie der Komponente der anatomischen Form nachempfunden ist.
Tibiale Komponente nach Anspruch 1 oder 2, dadurch gekennzeichnet, dass die Komponente aus einem mit Polyolefinfasern verstärkten Polyethylen besteht.
Tibiale Komponente nach einem der vorhergehenden Ansprüche, mit einer gerichteten Porosität, dadurch gekennzeichnet, dass die gerichtete Porosität normal zur Oberfläche ausgerichtet ist.
Verfahren zum Herstellen einer tibialen Komponente nach Anspruch 4, bei dem in eine Matrix eine Faserverstärkung eingebracht wird, dadurch gekennzeichnet, dass die Schmelztemperatur der Faser niedriger ist als die Schmelztemperatur der Matrix und dass die Faser während des Herstellungsprozesses ausgeschmolzen wird, um eine Kapillarstruktur herzustellen.
Verfahren nach Anspruch 5, dadurch gekennzeichnet, dass der Unterschied der Schmelztemperatur von Faser und Matrix durch unterschiedliche Molekulargewichte von Faser und Matrix erreicht wird.