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Die
vorliegende Erfindung betrifft ein Verfahren und eine Vorrichtung
zum Bremsen eines mit einem Antiblockiersystem ausgerüsteten Fahrzeuges gemäß dem Oberbegriff
des Patentanspruches 1 bzw. des Patentanspruches 5.
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Verfahren
und Vorrichtung dieser Art sind aus der
DE 197 53 971 A1 bekannt.
Bei einem Fahrzeug, dessen Bremsanlage mit Antriebsschlupf- oder Fahrdynamikregler
ausgestattet ist, wird bei einem Auffahrunfall, insbesondere im
Stillstand und von hinten, eine automatische Bremsung mit sehr großer Bremskraft
an den Radbremsen eingeleitet, um das Fahrzeug sicher im Stillstand
zu halten oder schnell wieder in den Stillstand überführen zu können. Als Auslösekriterium
für diese
Bremsung wird ein Fahrzeugbeschleunigungssignal oder ein Unfallinformationssignal übermittelt,
die beispielsweise aus einem Airbag-Steuergerät, aus Raddrehzahlsignalen
oder von Pedaibetätigungssignalen
abgeleitet werden.
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Die
DE 198 58 292 A1 beschreibt
ein Sicherheitssystem für
ein Kraftfahrzeug mit einem Bremsassistenten, der zur Verminderung
der Unfallfolgen bei einem Heckaufprall eines Kraftfahrzeugs aus
der positiven Fahrzeuglängsbeschleunigung
ein Vergleichssignal ermittelt, dieses Vergleichssignal mit einem
Schwellwert vergleicht und in Abhängigkeit von diesem Vergleich
ein die Fahrzeugbremse auslösendes
Bremssignal erzeugt.
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Moderne
Fahrzeuge sind mit einem Antiblockiersystem (ABS) ausgerüstet, das
den vom Fahrer vorgegebenen Bremsdruck modifiziert, sobald an einem
oder mehreren Rädern
eine Blockiergefahr sensiert wird. Bei den meisten Systemen gilt
als ein Kriterium für
das Erkennen einer Blockiergefahr, daß die Verzögerung (–b) der Radumdrehungsgeschwindigkeit
einen vorgegebenen Schwellwert unterschreitet. Bei Straßenfahrzeugen
wird bei drohender Blockiergefahr der Bremsdruck so geregelt, daß ein Kompromiß zwischen
kürzest
möglichem
Bremsweg und ausreichender Seitenführungskraft eingegangen wird,
damit das Fahrzeug auch in kritischen Bremssituationen noch lenkbar
bleibt.
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Bei
einem Auffahrunfall ist die übliche
Situation, daß der
Fahrer des auffahrenden Fahrzeuges vor dem Unfall eine "Vollbremsung" macht, bei der das
ABS anspricht und den Bremsdruck so regelt, daß die Drehverzögerung der
Räder nahe
dem eingestellten Schwellwert (–b)
läuft.
Kommt es dann zum Auffahrunfall, erfährt das auffahrende Fahrzeug eine
zusätzliche
Verzögerung,
die sich auch auf die Drehverzögerung
der Räder
auswirkt. Die Raddrehzahlsensoren und die Auswertung deren Signale
ergibt dann einen weiteren massiven Anstieg der Radverzögerung,
was das ABS veranlaßt,
den Bremsdruck möglichst
rasch abzusenken. Bei den üblichen ABS-Ventilen
wird also das Einlaßventil
vollständig geschlossen
und das Auslaßventil
vollständig
geöff net.
Ab dem Moment des Aufpralls wird die Bremse durch das ABS außer Kraft
gesetzt mit der Folge, daß beim
auffahrenden Fahrzeug sowie bei dem Fahrzeug, auf das aufgefahren
wird, im wesentlichen nur noch die plastische Verformung (Knautschzonen)
sowie die physikalischen Gesetze des elastischen Stoßes dafür sorgen,
daß das
auffahrende Fahrzeug zum Stillstand kommt. Dementsprechend sind
die Verformungen an den Fahrzeugen recht groß und die Schwere des Unfalls
nimmt zu (Personen- und Sachschäden),
da der Anteil der Bremse an der Verzögerung des auffahrenden Fahrzeuges
fehlt. Auch werden bei einem Auffahrunfall am Ende eines Verkehrsstaus
meist mehrere schon zum Stehen gekommene Fahrzeuge noch ineinander
geschoben.
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Aufgabe
der Erfindung ist es, Verfahren und Vorrichtung der eingangs genannten
Art dahingehend zu verbessern, daß die Unfallfolgen bei einem Auffahrunfall
gemildert werden.
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Diese
Aufgabe wird für
das Verfahren durch die Merkmale des Anspruches 1 und für die Vorrichtung
durch die Merkmale des Anspruches 5 gelöst. Vorteilhafte Ausgestaltungen
und Weiterbildungen der Erfindung sind den Unteransprüchen zu
entnehmen.
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Der
Erfindung liegt die Idee zugrunde, bei einem Auffahrunfall am auffahrenden
Fahrzeug das ABS abzuschalten. Es steht dann im Normalfall der volle
Bremsdruck zur Verfügung,
wobei ein Blockieren der Räder
in Kauf genommen wird. Die Bremswirkung blockierender Räder ist
aber immer noch besser als die von im wesentlichen ungebremsten
Rädern,
wobei ein Verlust der Seitenführungskraft
ab dem Moment des Aufpralls ohne weiteres hingenommen werden kann,
da Lenkbewegungen dann die Unfallfolgen ohnehin nicht mehr abmildern
können.
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Das
Erkennen eines Auffahrunfalls bzw. eines Zusammenstoßes erfolgt
durch Sensoren, die bei modernen Fahrzeugen ohnehin vorhanden sind, wie
z. B. einem Airbag-Auslösesensor,
einem Abstandssensor, der den Abstand zum vorausfahrenden Fahrzeug
ermittelt oder einen Beschleunigungssensor, der die Beschleunigung
(Verzöge rung)
des Fahrzeuges mißt.
Die von den Sensoren gelieferten Daten können über einen Fahrzeuginformationsbus (CAN-Bus)
der ABS-Regelvorrichtung zugeführt
werden. Durch Auswerten dieser Daten kann erkannt werden, daß ein Unfall
eingetreten ist oder unmittelbar bevorsteht. Letzteres kann durch
Abstandssensoren in Verbindung mit den Raddrehzahlsensoren, aus
denen die translatorische Fahrzeuggeschwindigkeit ableitbar ist,
bestimmt werden. Kriterien für
das Abschalten der ABS-Funktion sind somit:
- 1.
Gleichzeitige Blockierneigung aller Räder und
- 2. Sensieren eines Unfalls (oder eines unmittelbar bevorstehenden
Unfalls).
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Im
folgenden wird die Erfindung im Zusammenhang mit der Zeichnung ausführlicher
erläutert. Es
zeigt:
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1 ein
Flußdiagramm
des erfindungsgemäßen Verfahrens;
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2 ein
Diagramm der Fahrzeuggeschwindigkeit, des Bremsdruckes und der Radverzögerung in
Abhängigkeit
von der Zeit zur Erläuterung
der Wirkungsweise der Erfindung; und
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3 eine
Prinzipskizze einer Vorrichtung nach der Erfindung.
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1 zeigt
das Ablaufschema bzw. das Flußdiagramm
des Verfahrens nach der Erfindung. In einem ersten Schritt (Block 1)
wird überprüft, ob eine Bremsanforderung
des Fahrers vorliegt. Dies kann durch einen Sensor erfaßt werden,
der den Bremsdruck in einer Bremsleitung mißt, durch den Bremslichtschalter
oder sonstige Sensoren. Im nächsten Schritt
(Block 2) wird überprüft, ob ein
oder mehrere Räder
eine Blockierneigung zeigen. Dies erfolgt durch eine Auswerteschaltung
des ABS, üblicherweise
in Zusammenwirken mit Raddrehzahlsensoren. Wird eine Blockierneigung
festgestellt, so wird in einem weiteren Schritt (Block 3) überprüft, ob diese
an allen Rädern
vorliegt oder nicht. Liegt nicht an allen Rädern gleichzeitig eine Blockierneigung
vor, so wird die normale ABS-Regelung durchgeführt (Block 4). Zeigen
dagegen alle Räder
eine Blockierneigung, so wird in einem weiteren Schritt (Block 5) überprüft, ob noch
ein Ab stand zum Vordermann vorliegt oder nicht, was beispielsweise
durch den Sensor für
das Auslösen
des Airbags, einen Abstandsensor oder einen Verzögerungssensor für die Fahrzeugverzögerung festgestellt
wird. Zeigen diese Sensoren an, daß noch ein Abstand zum Vordermann
vorliegt, so wird ebenfalls die normale ABS-Regelung (Block 4) durchgeführt. Ist
kein Abstand mehr vorhanden, d. h. liegt bereits eine Berührung mit
dem Vordermann oder dem Hindernis vor, oder stellt der Abstandssensor
fest, daß der
Abstand bei Null liegt oder wenigen Zentimetern, so wird das ABS
abgeschaltet bzw. deaktiviert und der volle vom Fahrer angesteuerte Bremsdruck
zu allen Bremsen geleitet.
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2 zeigt
den zeitlichen Verlauf der Fahrzeuggeschwindigkeit bzw. Radumdrehungsgeschwindigkeit,
des Bremsdruckes und der Radverzögerung.
Zum Zeitpunkt t0 fährt
das Fahrzeug ungebremst mit einer Geschwindigkeit v1. Zum Zeitpunkt t1
leitet der Fahrer eine Bremsung ein. Der Bremsdruck steigt relativ
rasch bis zum Zeitpunkt t2 an, die Räder werden stark verzögert bis
zum Schwellwert –b1.
Die ABS-Regelung setzt ein und hält
die Radverzögerung
nahe dem Wert –b1
im wesentlichen konstant. Die geringen Regelabweichungen sind zur Vereinfachung
der Darstellungen nicht abgebildet. Der Bremsdruck ist – abgesehen
von ABS-Regelspielen – im
wesentlichen konstant, die Fahrzeuggeschwindigkeit nimmt linear
ab. Ohne einen Unfall würde
das Fahrzeug zum Zeitpunkt t7 zum Stehen kommen.
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Es
sei nun angenommen, daß zum
Zeitpunkt t3 ein Unfall stattfindet, d. h. die erste Berührung zwischen
dem betrachteten Fahrzeug und einem anderen Fahrzeug oder einem
Hindernis. Durch den Aufprall wird das betrachtete Fahrzeug stark
verzögert, was
sich auch unmittelbar auf die Radverzögerung auswirkt, die somit
gegenüber
dem bisherigen Wert –b1
bis zum Zeitpunkt t4 stark abfällt.
Ohne die Erfindung würde
das ABS ansprechen und den Bremsdruck möglichst rasch absenken (Kurve
pABS). Zum Zeitpunkt t5 sei angenommen, daß der Bremsdruck durch den
ABS-Einsatz vollständig
auf Null abgesunken ist. Zu diesem Zeitpunkt liegt die Fahrzeugverzögerung noch
weiterhin unter dem Wert –b1
und steigt erst wieder relativ sprunghaft zum Zeitpunkt t6 an, wenn
das Fahrzeug zum Stehen gekommen ist. Mit ABS würde also im Zeitraum zwischen
t3 und t5 eine verminderte und im Zeitraum t5 bis t6 überhaupt
keine Bremswirkung vorhanden sein, da das –b1-Kriterium für das ABS
erfüllt
ist. Nach der Erfindung wird dagegen im Zeitraum zwischen t3 und
t4 erstens erkannt, daß ein
Unfall vorliegt und zweitens, daß alle Räder eine unzulässig hohe
Verzögerung
aufweisen. Das ABS wird dann abgeschaltet und der Bremsdruck (Kurve
p1) bis zum Zeitpunkt t6 in der vom Fahrer eingesteuerten (vollen)
Höhe gehalten,
so daß auch
die Bremsen weiterhin einen Beitrag zur Verzögerung des Fahrzeuges leisten.
Dies ist durch die gestrichelte Linie p1 angedeutet, wobei p1 höher sein kann
als p im Zeitraum t2 bis t3, da keine ABS-Regelung mehr stattfindet.
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3 zeigt
eine Prinzipskizze der Vorrichtung nach der Erfindung. Auf ein erstes
stehendes Fahrzeug 10 ist ein zweites Fahrzeug 11 aufgefahren.
Ein drittes Fahrzeug 12 nähert sich dem Fahrzeug 11 mit
der Geschwindigkeit v3. Das Fahrzeug 12 ist
mit verschiedenen Sensoren ausgestattet, die selbstverständlich nicht
kumulativ sondern auch nur alternativ vorhanden sein können. Zu
diesen Sensoren zählen:
Im
Frontbereich zwei Abstandssensoren 13 und 13, die
beispielsweise Funk- oder Ultraschallsignale 15 aussenden
und den Abstand zum Fahrzeug 11 ermitteln. Die Abstandssensoren 13 und 13' sind über elektrische
Leitungen 14 mit einer zentralen Steuereinheit 16 verbunden.
Im vorderen Bereich des Fahrzeuges 12, beispielsweise an
der Stoßstange
oder im vorderen Bereich des Motorraumes ist ein Crash-Sensor 17 vorgesehen,
der ebenfalls an die zentrale Steuereinheit 16 angeschlossen
ist und bei hinreichend starkem Aufprall ein Signal zur Auslösung eines
im Fahrzeug vorgesehenen Airbags liefert. Auch dessen Signal kann
alternativ oder kumulativ zu den Ausgangssignalen der Sensoren 13 und 13' zur Erkennung
des Unfalles ausgewertet werden. Schließlich ist ein Beschleunigungssensor 18 dargestellt,
der eine Längsbeschleunigung
bzw. Längsverzögerung des
Fahrzeuges sensiert und ebenfalls ein Signal an die zentrale Steuereinheit 16 abgibt.
Liegt der von diesem Sensor gemessene absolute Wert der Fahrzeugverzögerung betragsmäßig über einem vorgegebenen
Grenzwert, so ist auch dies ein hinreichend sicheres Signal für das Erkennen
eines Unfalls. Zusätzlich
sind die bei den üblichen
ABS-Systemen verwendeten Raddreh zahisensoren 19, 20, 21, 22 gezeigt,
die die Radgeschwindigkeit messen und über elektrische Leitungen 23, 24, 25 bzw. 26 an
die zentrale Steuereinheit 16 liefern, die daraus für jedes Rad
ein Verzögerungssignal
ermittelt. Im Falle eines Aufpralls werden die Signale aller Räder einen
vorgegebenen Verzögerungswert
(–b1) überschritten
haben, was in Kombination mit dem Signal eines oder mehrerer der
Sensoren 13, 13', 17 und/oder 18 zum erfindungsgemäßen Abschalten
der Blockierschutzeinrichtung führt.
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Mit
der Erfindung werden somit die Unfallfolgen gemildert, da ab dem
Moment des Aufpralls auf ein vorausfahrendes oder stehendes Fahrzeug
oder ein sonstiges Hindernis die Bremswirkung der Räder erhalten
bleibt, was bei normaler ABS-Funktion nicht der Fall wäre.