Beschreibung
Verfahren zur Vermeidung von Pumpstößen in einem Verdichter
Die Erfindung betrifft ein Verfahren zur Vermeidung von Pumpstößen in einem Verdichter, bei dem eine Mehrzahl von Kenngrößen des Verdichters während des Betriebs überwacht wird und ein Sollwertebereich für die Mehrzahl von Kenngrößen vor- gegeben ist, wobei bei Über- oder Unterschreitung einer Anzahl von Kenngrößen aus dem Sollwertebereich eine dem Pumpstoß entgegenwirkende Reaktion ausgelöst wird. Sie betrifft weiter einen Verdichter und eine Strömungsmaschine mit einem Verdichter und einer Steuereinrichtung, die dateneingangssei- tig mit einer Mehrzahl von Sensoren verbunden ist, die zur Erfassung von Kenngrößen während des Betriebs ausgebildet sind .
Verdichter, insbesondere von Gasturbinen, neigen bei bestimm- ten Betriebsbedingungen zum Pumpen. Wird der Gegendruck in Richtung Strömung zu groß, dann kann der Verdichter keine Luft mehr fördern und die Strömungsrichtung kehrt sich lokal oder sogar vollständig um. Bei lokalem Rückströmen bleibt ein Teil der Luft im Verdichter gefangen und rotiert mit den Schaufeln mit. Man spricht von einer rotierenden Ablösung der Strömung (rotating stall) . Dagegen strömt beim so genannte Verdichterpumpen (deep surge) das Medium vollständig zurück - es kommt zu einem vehementen Stoß entgegengesetzt zur Schub¬ richtung .
Beide aerodynamischen Effekte können schwerwiegende Folgen haben. Während rotierende Ablösungen durch starke Vibrationen zu Materialbrüchen führen können, droht bei einem Pumpstoß das spontane Abreißen ganzer Schaufeln. In jedem Fall wird die Luftströmung zur Brennkammer der Gasturbine unterbrochen, was zum Abschalten derselben führt.
Das Verdichterkennfeld, in dem typischerweise das Druckver¬ hältnis zwischen Eintritts- und Enddruck aufgetragen gegen die Fördermenge dargestellt ist, wird durch die Pumpgrenze in einen stabilen und einen instabilen Bereich geteilt. Pumpen tritt auf, wenn die Betriebspunkte des Verdichters durch Ver¬ minderung der Fördermenge (Durchsatz) oder durch Anstieg des Enddruckes (Förderhöhe) in den instabilen Bereich geraten.
Üblicherweise ist in der Steuerelektronik oder -Software ei- ner Steuereinrichtung der Strömungsmaschine ein Pumpgrenzabstand definiert, der im Betrieb bei Auslegungsbedingungen hinreichend weit von der Pumpgrenze entfernt ist. Unter rea¬ len Bedingungen, wie z. B. bei absinkender Netzfrequenz, hohen Umgebungstemperaturen und/oder -luftfeuchte, niedrigen Heizwerten der Brennstoffe, aber auch durch Alterung, Verschmutzung oder Beschädigung des Verdichters, kann es dazu kommen, dass die Pumpgrenze die Betriebskennlinie erreicht oder sogar unterschreitet. Dies führt dann zum sofortigen Pumpen des Verdichters.
Am Eintritt des Verdichters (Ansaugkonus) sind häufig ein oder mehrere als Differenzdruckschalter ausgestaltete Senso¬ ren installiert, die, sobald die Strömung durch den Verdichter beim Pumpen unterbrochen wird, einen gewissen Grenzwert unterschreiten und das sofortige Abschalten der Gasturbine durch Schließen der Brennstoffventile verursachen. Die Pump- schutzdruckschalter erkennen jedoch keine Annäherung an die Pumpgrenze, sondern verhindern nur das nochmalige Pumpen des Verdichters und gegebenenfalls die mechanische Schädigung des Verdichters durch das sofortige Unterbrechen der Brennstoff¬ zufuhr .
In einer Weiterentwicklung wird daher häufig auch ein Ver- dichterdruckverhältnisbegrenzungsregler eingesetzt. Ein der- artiger Regler betrachtet Kenngrößen des Verdichters (Druckverhältnis, Netzfrequenz, Vorleitschaufelstellung und Umgebungsbedingungen wie Temperatur und Luftfeuchte) und vergleicht diese mit zulässigen Werten aus einem verdichterspe-
zifischen Pumpgrenzkennfeld . Nähert sich der aktuelle Be¬ triebspunkt der Pumpgrenze an, d. h. bei Über- oder Unter¬ schreitung eines vorgegebenen Sollwertebereichs, wird eine dem Pumpstoß entgegenwirkende Reaktion ausgelöst.
Nachteilig ist bei beiden genannten Verfahren jedoch, dass sie keine Alterung, massive Verschmutzung oder Schädigung des Verdichters berücksichtigen und so bei zunehmender Laufzeit der Strömungsmaschine ein Pumpen des Verdichters nicht mehr zuverlässig verhindern können.
Weiter ist es beispielsweise aus der US 2009/0055071 AI be¬ kannt, Drucksensoren und/oder Mikrophone in einen Raum stromauf der Brenner anzuordnen, welche die Zustände der verdich- teten Luft im Raum erfassen. Deren Signale werden dann zur Analyse eines bevorstehenden Pump-Ereignisses ausgewertet. Ebenso schlägt die EP2375081 A2 vor, Stoßwellen und andere akustische Erscheinungen der verdichteten Luft zur Pumpvorhersage zu verwenden. Auch hier werden Mikrophone oder ähnli- che Drucksensoren eingesetzt. Nachteilig ist jedoch, dass derartige Sensoren bei höheren Umgebungstemperaturen nur eine begrenzte Lebensdauer aufweisen.
Der Erfindung liegt daher die Aufgabe zugrunde, ein Verfahren zur Vermeidung von Pumpstößen in einem Verdichter, einen Verdichter bzw. eine Strömungsmaschine anzugeben, welche auch bei vergleichsweise hoher Laufleistung ein Pumpen des Verdichters zuverlässig verhindern. Bezüglich des Verfahrens wird die Aufgabe erfindungsgemäß da¬ durch gelöst, dass die Mehrzahl von Kenngrößen eine dem Drehklang des Verdichters zugeordnete Kenngröße umfasst.
Die Erfindung geht dabei von der Überlegung aus, dass für ei- ne auch bei höherer Laufleistung der Strömungsmaschine zuverlässige Vermeidung von Pumpstößen nicht ausschließlich auf vorab festgelegte Kennfelder und regelbare Betriebsgrößen zu¬ rückgegriffen werden sollte, sondern vielmehr aktuelle, zur
präventiven Erkennung eines drohenden Pumpstoßes geeignete Messgrößen verwendet werden sollten. Eine prädiktive Erkennung wäre möglich, wenn durch entsprechende Messungen bereits eine Annäherung an die Pumpgrenze in Form des rotating stall, d. h. der rotierenden Strömungsablösung erkannt werden könnte. Hierbei wurde erkannt, dass eine derartige Strömungsablö¬ sung Schwingungen in den Verdichterstufen erzeugt, die zu erhöhten Druckpulsationen und weiteren Schwingungen führen. Diese Druckpulsationen und Schwingungen verändern den Dreh- klang des Verdichters, so dass eine Änderung des Drehklangs entsprechend ein drohendes Pumpen prädiktiv anzeigt. Daher sollte eine dem Drehklang des Verdichters zugeordnete Kenn¬ größe gemessen und zur Vermeidung von Pumpstößen verwendet werden .
Zur Erkennung einer Veränderung des Drehklangs können vielfältige Kenngrößen und vielfältige Sensoren zur Anwendung kommen, die in der Lage sind, Schwingungen im Verdichter anzuzeigen. So können beispielsweise hochdynamische Drucksenso- ren verwendet werden, mit denen die beschriebenen Druckpulsa¬ tionen detektiert werden können. Allerdings ist hier nachtei¬ lig, dass derartige Drucksensoren nicht langzeitstabil und nicht für alle Betriebsbedingungen der Strömungsmaschine (erhöhte Verschmutzung, Feuchtigkeit, erhöhtes Brummen, Verdich- terwaschen, etc.) geeignet sind. Daher ist vorteilhafterweise die gemessene, dem Drehklang des Verdichters zugeordnete Kenngröße eine Schwingungsamplitude und oder -frequenz eines Bauteils der Strömungsmaschine. Die Druckpulsationen übertra¬ gen sich nämlich auch auf die Bauteile der Strömungsmaschine. Somit ist der Drehklang über die mechanischen Schwingungen entsprechender Bauteile der Gasturbine ermittelbar. Dabei sind die dafür geeigneten Sensoren und Geber unempfindlicher gegen die genannten Betriebsbedingungen und damit langlebiger .
Vorteilhafterweise ist mit den entsprechenden Sensoren versehene Bauteil die Welle und/oder das Gehäuse der Turbine und/oder des Verdichters. Anhand der Gehäuse- und/oder Wel-
lenschwingungen von Turbine und/oder Verdichter lässt sich der Drehklang gerade hinsichtlich einer drohenden Annäherung an die Pumpgrenze besonders gut bestimmen. Vorteilhafterweise umfassen die verwendeten Kenngrößen weiterhin die Wellendrehzahl, den Verdichterenddruck und/oder die Vorleitschaufelstellung . Dadurch lässt sich die prädik- tive Erkennung des Pumpens weiter verbessern, da der Drehklang mit Hilfe dieser zusätzlichen Kenngrößen beispielsweise in einem speziell für die Messung bereitgestellten Computer mit speziellen Auswertealgorithmen besonders gut bestimmen lässt .
In besonders vorteilhafter Ausgestaltung umfasst die dem Pumpstoß entgegenwirkende Reaktion eine Absenkung des Soll¬ werts der Turbinenaustrittstemperatur und/oder eine Reduktion des Brennstoffmassenstroms . Im Rahmen der Regelung der Strö¬ mungsmaschine hat eine Absenkung des Sollwerts der Turbinen¬ austrittstemperatur zur Folge, dass die verstellbaren Vor- leitschaufeln des Verdichters geöffnet werden. Dadurch vergrößert sich der Abstand zur Pumpgrenze. Durch eine Reduktion des Brennstoffmassenstroms wird schnellstmöglich der Verdich¬ terenddruck und damit das Verdichterdruckverhältnis redu¬ ziert. Als weitere Maßnahme kann z. B. durch das Anti-Icing- Ventil des Verdichters am Verdichterende Luft entnommen wer¬ den. Verbessernd kann dann die Luftentnahme über das Anti- Icing-Ventil wieder am Verdichtereintritt eingeführt werden. Dadurch wird ebenfalls das Verdichterdruckverhältnis redu¬ ziert .
Vorteilhafterweise ist eine Strömungsmaschine mit einem Ver¬ dichter und einer Steuereinrichtung zum Durchführen des beschriebenen Verfahrens ausgebildet. Bezüglich der Strömungsmaschine mit einem Verdichter und ei¬ ner Steuereinrichtung, die dateneingangsseitig mit einer Mehrzahl von Sensoren verbunden ist, die zur Erfassung von Kenngrößen während des Betriebs ausgebildet sind, wird die
Aufgabe dadurch gelöst, dass einer der Sensoren zur Erfassung einer dem Drehklang des Verdichters zugeordneten Kenngröße ausgebildet ist. Vorteilhafterweise ist der jeweilige Sensor dabei ein Schwin¬ gungssensor. Dieser ist vorteilhafterweise als Vibrometer ausgestaltet. Besonders vorteilhaft sind hier Vibrometer, die auf piezoelektrischer Basis Beschleunigungen messen, wie beispielsweise das piezoelektrische Accelerometer CA 901 der Firma Meggitt. Dieses ist besonders langlebig und robust ge¬ genüber hohen Temperaturen, Verschmutzungen und bei Verdichterwäschen .
In vorteilhafter Ausgestaltung ist der jeweilige Sensor der Welle und/oder dem Gehäuse der Turbine und/oder des Verdichters zugeordnet. Dabei sind vorteilhafterweise entsprechende Sensoren an mehreren Stellen am Umfang des Verdichters angebracht, idealerweise in Klingelbohrungen außen, d. h. nicht im Strömungspfad.
Eine Kraftwerksanlage umfasst vorteilhafterweise eine be¬ schriebene Strömungsmaschine.
Die mit der Erfindung erzielten Vorteile bestehen insbesonde- re darin, dass durch die gezielte Messung des Drehklangs des Verdichters einer Strömungsmaschine eine Annäherung an die Pumpgrenze oder ein rotating stall erkennen lässt, bevor ein tatsächliches Pumpen auftritt. Dies lässt sich besonders ein¬ fach durch entsprechende Schwingungsgeber erreichen, die Druckänderungen von sich drehenden Verdichterlaufschaufeln einer Stufe messen. Mit Hilfe von anderen Gebern (Wellendrehzahl, Verdichterenddruck, Vorleitschaufelstellung) lässt sich der Drehklang des Verdichters in einer Steuereinrichtung wie z. B. einem Computer mit speziellen Auswertealgorithmen be- stimmen. Dies ermöglicht es auch, Fremdkörper zu detektieren, die zu Schäden des Verdichterströmungspfades und dessen Tei¬ len führen können. Derartige Fremdkörper führen nämlich auch
zu einer Veränderung des Drehklangs. Folgeschäden an Bauteilen stromab des Verdichters können so vermieden werden.
Die Erfindung wird anhand einer Zeichnung näher erläutert. Darin zeigt die Figur schematisch einen Schnitt durch die obere Hälfte eines Verdichters einer Gasturbine.
Die in der FIG ausschnittsweise dargestellte Strömungsmaschi¬ ne 1 ist als Gasturbine ausgestaltet. Von der Gasturbine ist lediglich der Verdichter 2 gezeigt. Der Verdichter 2 umfasst an einem Gehäuse 4 befestigte und somit feststehende Leit¬ schaufeln 6, die sich in einem Strömungskanal 8 zwischen Verdichtereintritt 10 und Verdichteraustritt 12 befinden. Die in Strömungsrichtung der Luft erste Leitschaufel 6 ist als ver- stellbare Vorleitschaufel 14 ausgestaltet. Dadurch kann die Luftzufuhr in den Strömungskanal 8 geregelt und gedrosselt werden .
In Strömungsrichtung der Luft hinter jeder Leitschaufel 6, 14 sind jeweils an einer Welle 16 Laufschaufeln 18 angeordnet.
Die Laufschaufeln 18 und die Leitschaufeln 6, 14 sind jeweils sternförmig in Kränzen im Strömungskanal 8 angeordnet. Ein Kranz aus Leitschaufeln 6, 14 bildet zusammen mit dem in Strömungsrichtung nachfolgenden Kranz aus Laufschaufeln 18 jeweils eine Stufe des Verdichters 2.
Zur frühzeitigen Erkennung eines drohenden Pumpens sind im Verdichter 2 eine Vielzahl von nicht im Detail dargestellte Sensoren angeordnet. Insbesondere sind als piezoelektrische Beschleunigungssensoren ausgestaltete Schwingungssensoren 20 in jeweils 90°-winklig angebrachten Klingelbohrungen angebracht, die mechanische Schwingungen detektieren und damit ein Bild des Drehklangs des Verdichters 2 ermöglichen. Der Drehklang wird mittels eines Auswertealgorithmus 22 er¬ mittelt, der als Software auf einer nicht näher dargestellten Steuereinrichtung, z. B. einem Computer implementiert ist. In den Auswertealgorithmus gehen dabei neben den Schwingungs-
daten der Schwingungssensoren 20 die Daten weiterer entsprechender Geber bzw. Sensoren ein. Dazu zählen die Wellendrehzahl, das Verdichterdruckverhältnis zwischen Verdichterein¬ tritt 10 und Verdichteraustritt 12, die Vorleitschaufelstel- lung, die Wellenschwingung und die Gehäuseschwingung an Verdichter und Turbine.
Ändert sich aufgrund der Annäherung an die Pumpgrenze der Drehklang oder die Schwingungsform der vorhandenen Schwin- gungsmessgeräte, sendet der Computer Signale (binäre oder analoge) , um entsprechende Reaktionen durchzuführen, die ein Pumpen verhindern.
Die Reaktionen umfassen das Öffnen des Anti-Icing-Ventils 24, das Absenken der Turbinenaustrittstemperatur 26 und die Reduzierung der Brennstoffmenge 28. Weitere Maßnahmen können auch vorgesehen sein. Die Reaktionen können bedarfsgerecht abhängig von den vom Auswertealgorithmus 22 ermittelten Ergebnis¬ sen ausgelöst werden. So können beispielsweise nur einzelne der genannten Reaktionen erfolgen oder aber eine Mehrzahl. Weiterhin können Meldungen an Betriebspersonal 30 erfolgen.
Sollte ein Fremdkörper durch den Strömungskanal 8 des Verdichters 2 fliegen, lässt sich dies durch die Drehklangände- rung ebenfalls feststellen. Fremdkörpereinschläge lösen eben¬ falls Meldungen an die Betriebsleittechnik oder an das Betriebspersonal 30 aus. Die Betriebsleittechnik oder das Personal kann dann über die zu ergreifenden Maßnahmen entscheiden, z. B. Abfahren und Befundung des Verdichters 2 oder der Strömungsmaschine 1. Fremdkörpereinschläge, die zu Sekundär¬ schäden führen, oder Schädigungen von Verdichterbauteilen verursachen können, können - sofern sie nicht spontan auftreten - so detektiert und gemeldet werden. Spontan auftretende, starke Schädigungen führen hingegen zu automatischen Maßnah- men bei FOD 32 (Foreign Object Detection) wie dem Abschalten der Gasturbine.