Tolperison enthaltendes veterinärmedizinisches Präparat zur oralen Verabreichung bei der Behandlung von Säugetieren, wie Hunden mit deσe- nerativen, spinalen Symptomen
Die Erfindung betrifft ein veterinärmedizinisches Präparat zur oralen Verabreichung bei der Behandlung von Säugetieren, wie Hunden, mit de¬ generativen, spinalen Symptomen, sowie Verfahren zur Herstellung von veterinärmedizinischen Präparaten zur Behandlung spezifischer Krank¬ heitsbilder bei Säugetieren, wie Hunden, welche mit degenerativen, spinalen Symptomen einhergehen.
Es ist bekannt, dass bei Hunden altersabhängige, degenerative Veränderungen der spinalen Funktion und Morphologie in starker Abhän¬ gigkeit von der Rasse auftreten. Als besonders gefährdet gilt der Dachshund (Dackel oder Teckel), da es bei dieser Rasse besonders häu¬ fig zu massivem Rückenschmerz und zu sensorischen und motorischen Aus¬ fällen durch Austritt der Bandscheiben zwischen den Wirbelkörpern (Hansen Typ I) oder Kompression der Bandscheiben durch Verhärtung der Wirbelkörper (Hansen Typ II) kommt. Die dadurch im Extremfall entste¬ hende schmerzhafte Immobilisierung wird umgangssprachlich als „Dackel¬ lähmung" bezeichnet. Eine aktuelle Publikation schätzt die Prävalenz degenerativer Wirbelsäulenveränderungen in der dänischen Dackelpopula¬ tion auf 77% (J Vet Med A Physiol Pathol Clin Med. 2000; 47(5) : 283- 96) . Das ist ein Wert, der im Wesentlichen allgemeine Gültigkeit be¬ anspruchen kann. Solche Veränderungen kommen jedoch mit wechselnder Häufigkeit auch bei anderen Hunderassen vor. Generell werden diese • Pathologien heute als ein sich selbst perpetuierender Prozeß gesehen, der mit einer Schädigung des Annulus fibrosus der Bandscheibe beginnt. Die Veränderung des biomechanischen Belastungsmusters des Bandschei¬ benkerns und die verschlechterte Ernährungssituation leitet einen pa¬ thologischen Umbau ein. In genetisch nicht entsprechend prädisponier¬ ten Hunderassen ergibt sich dieser Prozeß meist an vereinzelten Band¬ scheiben als Reaktion auf lokale spinale Traumata; dieser Prozess ist progressiv und schreitet im Wesentlichen proportional zum Alter voran. In den genetisch prädisponierten (chondrodystrophoiden) Rassen setzt dieser degenerative Prozess jedoch schon innerhalb der ersten beiden Lebensjahre relativ gleichmäßig im gesamten Hals-, Brust- und Lenden¬ bereich ein und befindet sich am Ende des zweiten Lebensjahres bereits in einem radiologisch fortgeschrittenen Studium, auch wenn sich an den
betreffenden Tieren meist noch keine klinisch auffälligen Verhalten¬ spathologien zeigen (J Am Anim Hosp Assoc. 1998;34(2): 135-44) .
Eine weitere, insbesondere bei größeren Hunderassen, wie Dober¬ mann, Deutsche Dogge, Schäferhund auftretende degenerative Erkrankung der Wirbelsäule ist die zervikale Spondylomyelopathie. Diese ver¬ ursacht das „Wobbler-Syndrom", ein Begriff, unter dem mehrere ätiolo¬ gisch verschiedene Erkrankungen wegen ihrer sehr ähnlichen klinischen Symptomatik zusammengefasst werden. Das Leitsymptom ist eine an den Hinterläufen einsetzende Schwäche und Ataxie. In der Folge kommt es zu zunehmend unsicherem Gang, Schwierigkeiten beim Absetzen des Kotes, und einer steifen, abwärts geneigten Schonhaltung des Halses.
Die tierärztliche Therapie bei den oben beschriebenen spinal- degenerativen Erkrankungen des Hundes besteht primär in einer chirurgischen Dekompression des betroffenen Bereiches der Wirbelsäule, wobei durch (Hemi-) laminektomie, „Fensterung" oder Resektion der betroffenen Bandscheibe (n) - neuerdings auch deren perkutane enzymatische Auflösung = Chondronukleolyse - und Fusion der benach¬ barten Wirbelkörper wieder ein stabiler und weitgehend schmerzfreier Zustand hergestellt wird. Die kurzfristige Erfolgsrate solcher Eingriffe wird in der Literatur mit ca. 80 - 90% angegeben; ein Wiederauftreten der Symptome ist jedoch häufig.
Im Gegensatz zum Hund zeigt die Hauskatze nur selten eine therapiewürdige chronisch-degenerative Bandscheibenproblematik. Erstaunlicherweise finden sich bei Nekropsien von Hauskatzen zwar häufig Bandscheibenvorfälle, jedoch bleiben diese in viel stärkerem Ausmaß als beim Hund klinisch irrelevant. Dennoch enthält die Literatur Berichte über Katzen, bei denen ein Diskus-Prolaps mit einer ausgeprägten neurologischen Symptomatik verbunden war (J Feline Med Surg. 2000; 2(4) : 207-12) . Ähnliche Beobachtungen wurden auch bei verschiedenen Arten von Großkatzen in Zoohaltung gemacht (J Zoo Wildl Med. 2000; 31(1) : 15-9) .
Obwohl die chirurgische Behandlung der erwähnten Erkrankungen eine hohe primäre Erfolgsquote hat, ist die für den Heilungserfolg erforderliche postoperative Ruhigstellung des Tieres ein erhebliches Problem. Bei präoperativ immobilen Hunden betrug in einer Studie die Zeit zwischen Operation und Erlangung des selbständigen Gehvermögens im Mittel 13 Tage (Vet Surg. 2002; 31(6) : 513-8). Über diesen Zeitraum hinweg muss das Tier ständig beaufsichtigt, gesäubert und so weit wie möglich ruhig gehalten werden. Eine Verkürzung dieser postoperativen
Rekonvaleszenz wäre daher eine große Erleichterung für das Tier und den Besitzer.
Eine konservative Therapie mit medikamentöser Unterstützung ist nach heutiger Lehre nur bei geringgradigen oder langsam progressiven Krankheitsbildern angezeigt. Schmerzmittel, klassische Muskelrelaxan- tien und/oder Glucokortikoide können die Symptomatik lindern, weisen jedoch eine Fülle von nachteiligen Nebenwirkungen auf: Benzodiazepine und adrenerge Substanzen sedieren das Tier weit über das erwünschte Ausmaß hinaus; nicht-steroidale Antirheumatika können gerade bei älteren Tieren mit bereits eingeschränkter Nierenfunktion fatale Folgen haben; Kortikoide können zu Wasserretention, kardiovaskulärer Symptomatik usw. führen. Hier wäre eine Alternative zu den genannten Medikamentenklassen ebenfalls ein wesentlicher Fortschritt in der konservativen Therapie, insbesondere wenn diese Arzneimittel vom Tierhalter verabreicht werden könnte.
Der Erfindung liegt die Aufgabe zugrunde, ein durch den Tierhalter oral verabreichbares veterinärmedizinisches Präparat für die Behandlung von Säugetieren, wie Hunden mit degenerativen, spinalen Symptomen bereit zu stellen. Dabei soll die Rekonvaleszenz nach chirurgischen Eingriffen zur Korrektur von Bandscheibenprotrusionen, Prolaps oder zervikaler Spondylomyelopathie signifikant verkürzt werden, wobei der Tierhalter dem Tier das Präparat über einen breiten, gewichtsbezogenen Dosisbereich über mehrere Tage hinweg ohne signifikante Nebenwirkungen verabreichen soll.
Weiters soll sich das veterinärmedizinische Präparat zur Behandlung von Hunden mit Bandscheibenprotrusionen, Prolaps oder zervikaler Spondylomyelopathie mit dem Ziel eignen, diese Symptomatik bis zur Durchführung eines entsprechenden chirurgischen Eingriffes zu verringern, wobei wiederum ein Präparat anzustreben ist, das über einen breiten gewichtsbezogenen Dosisbereich über mehrere Tage hinweg ohne signifikante Nebenwirkungen vom Tierhalter verabreicht werden kann.
■ Weiters soll sich das veterinärmedizinische Präparat zur medikamentösen Therapie von Hunden eignen, die als Folge relativ leichter unterschiedlicher Formen von Bandscheibenschäden im Wesentlichen nur Schmerzsymptomatik ohne motorische oder sonstige neurologische Ausfälle zeigen. Da hier eine Dauertherapie erforderlich ist, ist es auch hier von entscheidender Bedeutung ein Präparat
anzustreben, das über einen breiten gewichtsbezogenen Dosisbereich über mehrere Tage hinweg ohne signifikante Nebenwirkungen vom Tierhalter verabreicht werden kann. Eine wichtige Zielsetzung ist dabei das Vermeiden von Nebenwirkungen sowie eine erleichterte Verabreichung des veterinärmedizinischen Präparates durch den Tierhalter.
Erfindungsgemäß enthält das veterinärmedizinische Präparat der eingangs genannten Art als Wirkstoff 2, 4' Dimethyl-3-piperidino- propiophenon (Tolperison) , sowie zumindest einen für die Veterinär¬ medizin üblichen Zusatzstoff. Weitere Ausgestaltungen dieses erfin¬ dungsgemäßen veterinärmedizinischen Präparates sind gemäß Unteransprüche offenbart.
Die Erfindung betrifft weiters die Verwendung von Tolperison zur Herstellung eines veterinärmedizinischen Präparates zur oralen Verabreichung bei der Behandlung von Säugetieren, wie Hunden mit degenerativen, spinalen Symptomen. Die Erfindung betrifft weiters die Verwendung von Tolperison zur Herstellung eines veterinärmedizinischen Präparates zur Mobilisierung und Erhöhung der allgemeinen Rekonvaleszenz bei Säugetieren, wie Hunden nach chirurgischen Eingriffen zur Korrektur von Bandscheibenprotrusionen, Prolaps oder zervikaler Spondylomyelopathie.
Weiters betrifft die Erfindung die Verwendung von Tolperison zur Herstellung eines veterinärmedizinischen Präparates zur Behandlung von Säugetieren, wie Hunden, die für einen chirurgischen Eingriff zur Korrektur von Bandscheibenprotrusionen, Prolaps oder zervikaler Spondylomyelopathie unmittelbar vorgesehen sind.
Ebenso betrifft die Erfindung die Verwendung von Tolperison zur Herstellung eines veterinärmedizinischen Präparates zur langfristigen Behandlung von Hunden mit geringfügigen, schmerzhaften Formen von Bandscheibenbeschädigungen, welche einen chirurgischen Eingriff unmittelbar nicht erforderlich machen.
Weitere Ausgestaltungen der vorgenannten erfindungsgemäßen Verwendungsformen sind gemäß Unteransprüche offenbart.
Überraschenderweise wurde festgestellt, dass sich alle drei beschriebenen Aufgaben durch bestimmte Zubereitungen von (RS)- 2, 4' Dimethyl-3-piperidinopropiophenon (Tolperison) in hervorragender Weise lösen lassen.
Als besonders geeignet zur Erzielung des erwünschten therapeutischen Effektes stellten sich orale Formulierungen heraus, die im Vergleich zu normalen Filmtabletten zu erhöhter Gesamtexposition hinsichtlich der R(-)-Form des Tolperison führen, während die Exposition in Bezug auf die S(+)-Form weiter reduziert wird. Derartige Formulierungen, die in der österreichischen Anmeldung A386/2004 beschrieben sind, setzen zwischen 150 und 300 mg Tolperison HCl in mehr oder weniger verzögerter Form und über längere Zeit hinweg frei und sind für größere Hunde ab 15 kg Körpergewicht anwendbar. Für kleinere Hunde mit 7,5 - 15 kg Körpergewicht (z.B. Dackel) lässt sich erfindungsgemäß die folgende, ebenfalls auf A386/2004 basierende retardierte Tablette mit langsamer und gleichmäßiger Abgaberate des Wirkstoffes vorteilhaft einsetzen:
Tolperison wird mit einer Granulierl ung aus Eudragit RS, gel t in Butanon, granuliert. Anschlie" end werden Eudragit L und Eudragit S zugegeben und nach homogenem Vermischen in einem Schnellmischer getrocknet. Das erhaltene Granulat wird mit Tablettierhilfsstoffen homogen vermischt, und mit den liehen, dem Stand der Technik entsprechenden Einrichtungen zu Tabletten mit einem Durchmesser von 5 mm verpresst. Die Tabletten werden sodann mittels einer L ung aus Eudragit RS, Farbstoff und sonstigen Hilfsstoffen in Butanon mit einem retardierenden 9berzug versehen ( efilmt .
Tolperison Hydrochlorid 75, 00 mg
Eudragit RS 2,90 mg
Eudragit L 5,25 mg
Eudragit S 5,25 mg
Aerosil 0, 90 mg
Stearinsäure 0,90 mg
Glyceroldibenat 3,75 mg
Eisenoxidfarbstoff 0,32 mg
Titandioxid 1,57 mg
Talkum 3,54 mg
Dimenthylpolysiloxan 0,02 mg
Magnesiumsterat 0,13 mg
Diese Formulierung setzt innerhalb von 3 Stunden nach der Einnahme ca. 50% des Wirkstoffes frei und 80% innerhalb von etwa 7,5 Stunden, sodass mit 2x t licher Gabe das Auslangen gefunden wird. Durch ihre geringe Gr e und ihren neutralen Geschmack nimmt das Tier die Tabletten gut mit dem Futter auf.
Es konnte in einer Studie gezeigt werden, dass oral verabreichtes Tolperison bei Hunden mit Rückenschmerz und pathologischen Veränderun¬ gen der Bandscheiben bzw. Wirbelkörper eine deutliche Erhöhung der Mobilität, eine Verminderung von Schonhaltungen und eine allgemeine Appetenzsteigerung bewirkt. Diese Beobachtungen wurden bei Dosen ge¬ macht, die bezogen auf das Körpergewicht ein Mehrfaches der für die Verwendung am Menschen empfohlenen Dosen betrugen, ohne dass nennens¬ werte Nebenwirkungen auftraten. Eine derartige Anwendung von Tolperison ist in der veterinärmedizinischen Literatur nicht beschrie¬ ben. Weiterhin wurden Hinweise darauf gewonnen, dass Tolperison in der erfindungsgemäßen Anwendung eine unmittelbar protektive bzw. regener¬ ative Wirkung auf die die Rückenmuskulatur enervierenden Nervenbahnen hat.
Die im Rahmen der Studie ermittelten Ergebnisse sind auch darauf zurückzuführen, dass therapeutische Effekte nicht nur bei Tolperison in racemischer Form, sondern insbesondere dann, wenn Tolperison als Isomerengemisch eingesetzt wurde, vorausgesetzt, dass dieses die R(-)- Form in angereichertem Ausmaß enthielt, erzielt wurden.
Weitere vorteilhafte Effekte konnten auch dadurch bewirkt werden, dass die Formulierung derart aufgebaut ist, dass eine verzögerte Wirk¬ stofffreisetzung bewirkt wird, sodass auch eine länger andauernde The¬ rapie ohne etwaige unerwünschte Nebenwirkungen durchgeführt werden kann.