Vorrichtung und Verfahren zur elektrochemischen Mikrobearbeitung eines Werkstückes
Die Erfindung betrifft eine Vorrichtung und ein Verfahren zur elektrochemischen Mikro¬ bearbeitung eines Werkstückes mit einer Stiftelektrode.
Grundsätzlich ist es bekannt, die Mikrobearbeitung eines Werkstückes mittels spanender Verfahren (Fräsen, Schleifen etc.) , generierender Verfahren (Galvano-Formung, Laser¬ sintern etc.) und mittels abtragender Verfahren (EDM, ECM, Laserablation etc.) vorzu¬ nehmen. Hierbei sind die einzelnen Verfahren hinsichtlich ihrer industriellen Nutzbarkeit sehr unterschiedlich entwickelt.
Insbesondere bei spanenden Verfahren sind in Buntmetallen hochgenaue Mikrostruktu¬ ren unter der Nutzung von Diamantwerkzeugen möglich, wobei sogar Oberflächengüten von Ra bis 2 nm erzeugbar sind. Für die Bearbeitung von Eisenwerkstoffen sind Dia¬ mantwerkzeuge jedoch ungeeignet, da aufgrund der Affinität des Kohlenstoffes zu Eisen ein extensiver Werkzeugverschleiß auftritt.
Alternativ kommen Hartmetallwerkzeuge zum Einsatz, mit denen eine grundsätzliche Fertigung von Mikrostrukturen in Stahl zwar denkbar ist, jedoch ebenfalls mit hohen Werkzeugkosten verbunden ist und, aufgrund der Werkzeugerwärmung, zu hohem Ver¬ schleiß führt.
Daneben ist es bekannt, mittels Funkenerosion, wobei sowohl Draht- als auch Stiftelekt¬ roden verwendet werden, Mikrostrukturen anzufertigen, wobei jedoch, wie bei jeder Art von Funkenerosion, ein starker Elektrodenverschleiß auftritt.
Schließlich ist als weiteres Verfahren zur Oberflächenbehandlung von leitfähigen Werk¬ stoffen die elektrochemische Materialbearbeitung bekannt, wobei der Materialabtrag an einer anodisch gepolten Werkstückoberfläche unter Stromfluss durch ein Elektrolyt als Reaktionsmedium erfolgt. Hierbei erfolgt die elektrochemische Materialbearbeitung, wie dies beispielsweise aus der DE 199 00 173 C1 bekannt ist, durch das Einsenken einer Formelektrode mit einer Negativstruktur in das Werkstück.
Hierbei sind sowohl Werkstück wie auch die Formelektrode in einem Behälter angeord¬ net, der mit der Elektrolytflüssigkeit gefüllt ist, um darin durch Anlegen einer elektrischen Spannung die elektrochemische Materialbearbeitung durchzuführen.
Insbesondere für im Mikrobereich zu fertigende Oberflächenstrukturen erweist sich je¬ doch die Anwendung aller bekannten Verfahren als unvorteilhaft, da in dem Bearbei¬ tungsspalt zwischen dem Werkstück und der Elektrode eine Sättigung des Elektrolyten eintreten kann, was zu einer schlechten Reproduzierbarkeit des Abtragungsergebnisses und zu ungenau ausgeführten Oberflächenstrukturen im Mikrobereich führt.
Der Erfindung liegt daher die Aufgabe zugrunde, eine Vorrichtung und ein Verfahren zur Bearbeitung eines Werkstückes mit einer Stiftelektrode zu schaffen, mit der eine geomet¬ risch definierte Bearbeitung von insbesondere mikrostrukturierten Bauteilen mit verbes¬ serter Genauigkeit und Reproduzierbarkeit ermöglicht wird.
Für eine Vorrichtung zur elektrochemischen Mikrobearbeitung eines Werkstückes mit einer Stiftelektrode wird diese Aufgabe erfindungsgemäß dadurch gelöst, dass ein Elekt¬ rolytzuführkanal integral mit der Stiftelektrode ausgebildet ist, über den ein Elektrolyt zu einem freien Endabschnitt der Stiftelektrode zuführbar ist, der dem Werkstück während der Mikrobearbeitung gegenüberliegt.
Daneben wird diese Aufgabe für ein Verfahren zur elektrochemischen Mikrobearbeitung eines Werkstückes mit einer Stiftelektrode, insbesondere mittels einer solchen Vorrich¬ tung durch die Verfahrensschritte gelöst: Anordnen eines freien Endabschnittes der Stift¬ elektrode gegenüber dem zu mikrobearbeitenden Werkstück, Zuführen eines Elektrolyts zu dem freien Endabschnitt der Stiftelektrode durch einen integral mit der Stiftelektrode ausgebildeten Elektrolytzuführkanal und Mikrobearbeiten des Werkstückes während der fortgesetzten Zufuhr unverbrauchten Elektrolyts zu dem freien Endabschnitt.
Indem zur elektrochemischen Mikrobearbeitung eines Werkstückes eine Stiftelektrode eingesetzt wird, die einen integral mit der Stiftelektrode ausgebildeten Elektrolytzuführ¬ kanal aufweist, wird ein definierter Medien (Elektrolyt)- Austausch an der Bearbeitungs¬ stelle selbst sichergestellt, so dass insbesondere die Sättigung des Elektrolyts vermie¬ den wird und somit der lonenaustausch zwischen Elektrolyt und Anode im wesentlichen
unabhängig von den statischen Strömungsbedingungen in dem Bearbeitungsspalt er¬ möglicht wird.
Hierdurch wird die Reproduzierbarkeit des Ertragsergebnisses deutlich verbessert. Auch sind Strukturen mit hohen Aspektverhältnissen prozesssicher herstellbar. Insgesamt wird mittels der erfindungsgemäßen Vorrichtung und des erfindungsgemäßen Verfahrens die geometrisch definierte Bearbeitung von insbesondere mikrostrukturiertem Bauteilen mit¬ tels elektrochemischer, anodischer Werkstoffauflösung deutlich verbessert.
Hierbei ist es möglich, homogene Spülbedingungen selbst im Mikrobereich zu erzielen, was im Mikrobereich nicht einfach wie im Makrobereich durch hohe Spülgeschwindigkei¬ ten und -drücke aufgrund der veränderten Größenverhältnisse möglich ist.
Hierbei ist die Stiftelektrode vorzugsweise um eine Längsachse rotierbar ausgebildet. Die Stiftelektrode kann als isolierte oder unisolierte Stiftelektrode ausgebildet sein, die in einer Spindel oder einer anderen Drehvorrichtung aufgenommen und mit Spannung be¬ aufschlagt ist.
Vorzugsweise ist auch ein Elektrolytabführkanal integral mit der Stiftelektrode ausgebil¬ det, über den das dem freien Endabschnitt zugeführte Elektrolyt von dem freien Endab¬ schnitt der Stiftelektrode bzw. von einem Bearbeitungsspalt zwischen diesem Endab¬ schnitt und dem Werkstück wieder abführbar ist.
Gemäß einer bevorzugten Ausführungsform der erfindungsgemäßen Vorrichtung ist der Elektrolytzuführkanal und/oder der Elektrolytabführkanal parallel zur Längsachse der Stiftelektrode in dieser selbst ausgebildet, wobei die Längsachse vorzugsweise eine Mit¬ telachse des Elektrolytkanals bildet. Hierbei ist es jedoch auch denkbar, dass ein oder mehrere Kanäle in der Stiftelektrode ausgebildet sind.
Gemäß einer weiterhin bevorzugten Ausführungsform kann die integrierte Elektrolytzu¬ führung durch eine geeignete Gestaltung der äußeren Kontur und/oder der Oberflächen¬ struktur erfolgen. Hierbei ist der Elektrolytzuführkanal und/oder der Elektrolytabführkanal vorzugsweise als offener Kanal, insbesondere wendeiförmig an oder in einer äußeren Mantelfläche der Stiftelektrode ausgebildet.
Die Elektrolytzufuhr in dem Bearbeitungsspalt bzw. die Elektrolytabfuhr aus dem Bear¬ beitungsspalt erfolgt hierbei in Kombination mit einer Drehbewegung der Elektrode, wo¬ durch ein kontinuierlicher Medienaustausch und eine gleichmäßige lonenkonzentration während des Bearbeitungsvorgangs in dem Bearbeitungsspalt an dem freien Endab¬ schnitt der Stiftelektrode erfolgt. Ein gänzlich mit Elektrolyt gefüllter Reaktionsbehälter ist nicht mehr erforderlich.
Vorzugsweise ist bei dem abtragenden Verfahren die Vorrichtung so angeschlossen, dass die Stiftelektrode als Kathode und das Werkstück als Anode gepolt sind.
Die Stiftelektrode ist hierbei ein, vorzugsweise mit einer inneren Längsbohrung versehe¬ nes, herkömmliches Bohr- oder Fräswerkzeug, das über einen elektrisch leitenden Ar¬ beitsbereich verfügt, an dem der Elektrolytkanal endet und/oder beginnt.
Hinsichtlich des erfmdungsgemäßen Verfahrens zur elektrochemischen Mikrobearbei- tung des Werkstückes wird vorzugsweise während der Mikrobearbeitung ein Spalt zwi¬ schen dem freien Endabschnitt der Stiftelektrode und dem Werkstück beibehalten, wobei der Spalt im wesentlichen fortwährend mit dem Elektrolyt gefüllt wird.
Hierdurch wird ein ständiger lonenaustausch zwischen Elektrolyt und Anode aufgrund einer gleichmäßigen lonenkonzentration während des gesamten Bearbeitungsvorganges gewährleistet. Weiterhin vorzugsweise wird während des Mikrobearbeitens fortwährend Elektrolyt aus dem Spalt abgefördert, insbesondere durch einen integral mit der Stift¬ elektrode ausgebildeten Elektrolytabführkanal, wie auch bereits hinsichtlich der vorzugs¬ weise eingesetzten erfindungsgemäßen Vorrichtung beschrieben wurde.
Gemäß eines weiteren Aspektes des erfindungsgemäßen Verfahrens wird als Stiftelekt¬ rode ein, vorzugsweise mit einer inneren Längsbohrung versehenes, herkömmliches Bohr- oder Fräswerkzeug verwendet, welches insbesondere in einer Drehspindel oder einer anderen Drehvorrichtung aufgenommen und angetrieben wird.
Weitere bevorzugte Ausführungsformen des erfindungsgemäßen Verfahrens und der erfindungsgemäßen Vorrichtung sind Gegenstand der jeweiligen Unteransprüche.
Im Folgenden wird die Erfindung anhand einer bevorzugten Ausführungsform mit weite¬ ren Details unter Bezugnahme auf die beigefügte Zeichnung näher erläutert. Hierin zeigt:
Fig. 1 eine Prinzipskizze einer Verfahrens- bzw. Vorrichtungsanordnung der Erfindung.
Eine prinzipielle Anordnung der erfindungsgemäßen Vorrichtung 1 zur elektrochemi¬ schen Mikrobearbeitung eines Werkstückes W mit einer Stiftelektrode 2 ist in Fig. 1 dar¬ gestellt.
Die Stiftelektrode ist im Wesentlichen in Form einer um ihre Längsachse rotationssym¬ metrischen, langgestreckten Einheit ausgebildet. Hierbei ist die Stiftelektrode an einem maschinenseitigen Ende in eine Spindel oder eine andere Drehvorrichtung eingespannt, so dass sie um ihre Längsachse L zumindest in einer Vorzugsrichtung n, wie in Fig. 1 gezeigt, mit unterschiedlichen, gewünschten Drehgeschwindigkeiten rotierbar ist.
An ihrem werkstückseitigen Ende weist die Stiftelektrode 2 einen freien Endabschnitt 5 auf, zwischen dem und dem Werkstück W ein Bearbeitungsspalt 7 liegt. Zumindest in einem Bereich einer Mantelfläche 6 der Stiftelektrode 2 zwischen dem freien Endab¬ schnitt 5 und ihrem maschinenseitigen Ende ist in der in Fig. 1 dargestellten Ausfüh¬ rungsform eine geeignete Gestaltung der äußeren Kontur und/oder der Oberflächen¬ struktur auf der Mantelfläche 6 aufgebracht oder in diese eingearbeitet.
Vorzugsweise ist in die Mantelfläche 6 ein wendeiförmiger, offener Elektrolytkanal einge¬ arbeitet, über den im Zusammenhang mit der Drehbewegung n der Stiftelektrode 2 um ihre Längsachse L eine kontinuierliche Elektrolytzufuhr in den Spalt 7 oder Elektrolytab¬ fuhr aus dem Spalt 7 gewährleistet werden kann.
Alternativ oder zusätzlich zu dem an der Außenseite der Stiftelektrode 2 ausgebildeten Elektrolytkanal 4a, 4b kann auch innerhalb (der äußeren Oberfläche) der Stiftelektrode 2 ein Elektrolytkanal, vorzugsweise in einer Längsbohrung, parallel zur Längsachse L aus¬ gebildet sein. Ein solcher Elektrolytkanal kann als Elektrolytzuführkanal 3a oder als E-
Iθktrolytabführkanal 3b vorgesehen sein. Auch ist es denkbar, mehr als nur einen Kanal innerhalb der Stiftelektrode 2 vorzusehen.
Entsprechend ist es ebenso denkbar, den an der Außenseite der Stiftelektrode integral mit dieser ausgebildeten Elektrolytkanal als Elektrolytzuführkanal 4a oder als Elektrolyt¬ abführkanal 4b auszubilden, um so die Funktion des inneren Kanals zu ersetzen oder zu ergänzen. Entsprechend der gewünschten Drehrichtung n wird hierbei der äußere, wen¬ deiförmige Kanal als rechts- oder linksgängige Wendel ausgebildet.
Es ist denkbar, an dem freien Endabschnitt 5 der Stiftelektrode 2 einen ebenen oder ei¬ nen einer gewünschten zu fertigenden Oberflächenstruktur angepassten Kopfabschnitt auszubilden. Jede geometrische Form oder Gestaltung ist hierbei denkbar.
Gemäß der vorliegenden Erfindung ist es ebenso denkbar, ein handelsübliches Werk¬ zeug zu Bohr- und Fräsbearbeitung für den Mikrobereich zu nutzen bzw. verwenden und mit diesem auf elektrochemische Art und Weise zu bohren und/oder zu fräsen, wobei die Elektrolytzu- bzw. -abfuhr über bereits herkömmliche an dem Werkzeug versehene För¬ derwendeln an dessen Außenkontur erfolgt oder durch zusätzlich speziell in das Werk¬ zeug eingebrachte oder daran aufgebrachte Kanäle.
Selbstverständlich ist es nicht erforderlich, dass die Stiftelektrode über ihre gesamte Länge einen konstanten Außendurchmesser aufweist. Ein vom freien Endabschnitt 5 zu dem maschinenseitigen Ende der Stiftelektrode 2 hin ansteigender oder abfallender Durchmesser oder mehrere Kombinationen mit wechselnden Durchmessern sind selbst¬ verständlich denkbar.
Spezielle Strukturierungen am Umfang der Elektrode bzw. an ihrer Mantelfläche 6 sind ebenso denkbar, um mit der sich drehenden Stiftelektrode gewisse Konturen an dem Werkstück auszubilden. Zu diesem Zwecke kann die Stiftelektrode, wie in Fig. 1 darge¬ stellt, beispielsweise über das Koordinationssystem einer herkömmlichen CNC-Fräse beliebig in allen Koordinatenrichtungen X, Y, Z jeweils oder in koordinierter Form verfah¬ ren werden.
Spülgeschwindigkeit, Fließrichtung und -stärke durch die Elektrolytkanäle der Stiftelekt¬ rode in den Bearbeitungsspalt 7 sind ebenso wie Drehrichtung und Vortrieb beliebig vari¬ ierbar bzw. programmgesteuert durchführbar.
Als Elektrolyt wird vorzugsweise eine neutrale Salzlösung verwendet, die einen einfa¬ chen Umgang in der Handhabung und kaum anspruchsvolle chemische Umgebungsbe¬ dingungen erfordern. Es ist jedoch auch jeder andere Elektrolyt verwendbar.
Die Stiftelektrode 2 kann aus einem leitenden oder nicht leitenden Material gefertigt sein und als isolierte oder unisolierte Elektrode in die Spindel oder die Drehvorrichtung auf¬ genommen sein. Hierbei weist die Stiftelektrode 2 jedoch zumindest an dem Endab¬ schnitt, in dessen Bereich die Bearbeitung erfolgen soll, einen elektrisch leitenden Be¬ reich auf, der als Anode geschaltet ist, und über den die Spannung an den Elektrolyt ü- bertragen wird.
Es ist denkbar, Elektroden mit unterschiedlichen Beschichtungen einzusetzen. Auch die Nutzung von Standardwerkzeugen als Elektroden ist denkbar, da aufgrund des elektro¬ chemischen Verfahrens und der im wesentlichen kontaktfreien Bearbeitung zwischen Elektrode und Werkstück so gut wie kein Verschleiß an der Elektrode auftritt. Hierzu trägt auch die kontinuierliche Spülung des Bearbeitungsspaltes durch das Elektrolyt bei, was auch einen kühlenden Effekt innehat.
Selbstverständlich ist auch die Kombination von ECM und spanender Bearbeitung mit dem gleichen Werkzeugsystem bzw. -antrieb denkbar. Durch den kontinuierlichen Me¬ dienaustausch erfolgt ein kontinuierlicher lonenaustausch im Arbeitsspalt, was zum kon¬ stanten Abtragergebnissen und somit zu einer zuverlässigen Gestaltung einer Mikro- oberflächenstruktur führt.
Zwar ist es denkbar, das beschriebene System zur elektrochemischen Mikroüberarbei- tung eines Werkstückes mit einer Stiftelektrode auch im Makrobereich einzusetzen, je¬ doch wird die beschriebene Anordnung vorzugsweise zur Mikrostrukturierung und Mikro- oberflächengestaltung von Werkstücken, insbesondere schwer zerspanbaren Werkstof¬ fen zur Erzeugung von Formstrukturen von bis zu < 100 μm eingesetzt.