System zur Errichtung von begrünbaren Stützbauwerken und Steilböschungen
[O001] Die Erfindung betrifft die Bauweise der kunststoffbewehrten Erde, ihre Anwendung bietet sich besonders dann an, wenn Stützbauwerke und Steilböschungen, basierend auf einem hohen Vorfertigungsgrad der Systemkomponenten, zügig und präzise und zugleich umweltschonend und naturintegriert errichtet werden sollen.
[O002] Geokunststoffbewehrte Stützbauwerke und Steilböschungen stellen Verbundkörper dar, die aus den Elementen Füllboden, Bewehrungen und Außenhaut gebildet werden. Als Füllboden wird ein scherfester, gut abgestufter und verdichtbarer
Kiessand verwendet. Die Bewehrungen, die vom Füllboden umschlossen sind, bestehen aus hochzugfesten Geokunststoffen, wobei vor allem Geogitter, Gewebe und Verbundstoffe verwendet werden. Den Abschluß des Bauwerks an der Luftseite bildet die sogenannte Außenhaut. Der Verbundkörper aus Füllboden und Bewehrungen bildet das eigentliche Tragsystem, das die Standsicherheit des Stützbauwerks gewährleistet. Die Außenhaut ist als Schutzsystem aufzufassen, das die Aufgabe hat, das Tragsystem vor den äußeren Einwirkungen zu schützen und so die langzeitliche Stabilität des Gesamtbauwerks zu sichern.
[O003] Die Geokunststoffbewehrungen werden horizontal in einem statisch erforderlichen vertikalen Abstand verlegt und an der Außenhaut um- und zurückgeschlagen. Dadurch entstehen dort sogenannte Polster oder Wülste, weshalb diese Bauweise auch als „Wulstbauweise" und die Konstruktion als „Polsterwände" bezeichnet werden. Zwischen den Bewehrungen wird der Füllboden eingebracht und verdichtet. In dem entstehenden Verbundkörper übernehmen die Bewehrungen die Zugkräfte aus dem aktiven Erddruck auf die Außenhaut und der Füllboden die im Bauwerk entstehenden Druck- und Schubspannungen. Die aus den Elementen Bewehrungen und Füllboden bestehende Polsterwand stellt somit das eigentliche Tragsystem der geokunststoffbewehrten Stützbauwerke dar.
[O004] Dieses Tragsystem liegt den meisten gegenwärtig angebotenen Bauweisen zugrunde; nur bei einigen Systemen enden die Geokunststoffbewehrungen ohne Umschlag an der Außenhaut. Da die Elemente Bewehrungen und Füllboden keine Biegespannungen aufnehmen können, sind während der Errichtung des Bauwerks
zwischenzeitlich biegesteife Konstruktionen notwendig, die auch als Stabilisatoren bezeichnet werden. Gegenwärtig werden vorrangig winkelförmig gebogene Drahtstützgitter als biegesteife Stabilisatoren verwendet, die in der Regel im Bauwerk verbleiben. Die Drahtstützgitter sichern gleichzeitig die Ebenheit der Außenhaut (vgl. EP 0 603 460 A1 ; DE 198 07 733 A1 ; DE 199 22 670 A1 ; DE 197 14766 A1 ; US 6,113,317).
[0005] Gegenwärtiger Stand der Technik bezüglich der Außenhaut sind demgemäß Systeme, bei denen zur Erfüllung dieser Funktionen zwischen dem Drahtstützgitter und den Geokunststoffbewehrungen eine kombinierte Erosions- und Begrünungsmatte, die vielfach bereits aus nachwachsenden Rohstoffen besteht, angeordnet wurde, in die das zur Begrünung notwendige Saatgut eingearbeitet ist. Diese Matte soll die Begrünung der Außenhaut sichern, aber Erosion und das Ausrieseln des Füllbodens verhindern. Außerdem muß für die dauerhafte Begrünung der Außenhaut noch Mutterboden vorgesehen werden, der im Regelfall hinter den Wülsten der Geokunststoffbewehrungen eingebracht wird.
[0006] Die Tragsysteme (Bewehrung und Füllboden) haben sich in allen bekannten, namentlich durch die eingesetzten unterschiedlichen Geokunststoffe geprägten, Mo- difikationen praktisch bewährt. Die Nachteile des Standes der Technik werden vielmehr von den Unzulänglichkeiten der Außenhaut bestimmt, die allerdings nachhaltig auf das Gesamtsystem ausstrahlen.
[0007] Die übliche Ausbildung der Außenwand ist praktisch flächenförmig, also ohne wesentliche räumliche Strukturierung; zudem ist die Außenhaut direkt mit dem tragenden System verbunden. Der so erreichbare Schutz des Tragsystems vor Witterungseinflüssen, insbesondere vor Frost und der direkten UV-Strahlung des Sonnenlichtes, und vor unmittelbar schädigenden äußeren Einflüssen, wie Brand, Tierbefall, Vandalismus und anderen mechanischen Beschädigungen, entspricht nicht mehr den Anforderungen, die an die Standsicherheit und Gebrauchstauglichkeit des Gesamtsystems und seiner einzelnen Elemente unter statischen und insbesondere dynamischen Lasten - wie sie etwa für Stützbauwerke und Steilbösc ungen im Verkehrswegebau (Straßen, Autobahnen, Eisenbahntrassen) - zu stellen sind.
[0008] Der zur Begrünung notwendige Mutterboden kann bislang nur im statisch wirksamen Bereich innerhalb des Polsterumschlages eingebracht werden, wodurch eine Mischung mit dem Füllboden praktisch nicht vermeidbar ist. Infolge dessen ist - zumindest lokal - eine ausreichende Verdichtung des Füllbodens nicht gewährleistet.
[0009] Trotz der Vielzahl der Lösungsvorschläge ist der in der Praxis erreichte Vorfertigungsgrad der Außenhaut nach wie vor gering, so daß gerade hier immer noch ein hoher Anteil an manueller Arbeit notwendig ist. Zudem ist die variable Gestaltung der Außenhaut und damit die flexible Anpassung des geokunststoffbewehrten Bau- werks (Wandhöhe, Wandneigung) an örtliche, Gebäudeverhältnisse mit den bekannten Systemen unverhältnismäßig schwierig und aufwendig.
[0010] Aufgabe der Erfindung ist es, die Nachteile des Standes der Technik zu beseitigen. Es soll insbesondere ein wesentlich verbesserter Schutz des Tragsystems, vor allem der Bewehrungen aus Geokunststoffen, angegeben werden; gleichzeitig sollen bleibende Formänderungen infolge ungenügender Verdichtung des Füllbodens nachhaltig reduziert und somit die Voraussetzungen für den Einsatz in dynamisch belastenden Bereichen geschaffen werden.
[0011] Diese Aufgabe wird durch die Merkmale des Anspruches 1 gelöst. Zweckmäßige Ausgestaltungen ergeben sich aus den Merkmalen der Ansprüche 2 bis 13.
[0012] Nach Maßgabe der Erfindung ist ein System zur Errichtung von vollständig und langzeitlich beständig begrünten Stützbauwerken und Steilböschungen vorgese- hen, das aus tragenden, statische und/oder dynamische Lasten aufnehmenden und abtragenden Polsterwänden, die in bekannter Weise aus Bewehrungen aus hochfesten Geokunststoffen und einem verdichteten Füllboden, der die Bewehrungen umschließt, gebildet wird, und einer davon konstruktiv getrennten, räumlich strukturierten Außenhaut besteht. Erfindungswesentlich ist, daß die mit unverdichteten, begrü- nungsfähigen Böden gefüllte Außenhaut bei der Errichtung des Systems als temporäres Widerlager für die Geokunststoffbewehrungen dient und während der Verdichtung der einzelnen Füllbodenschichten den entstehenden Erddruck aufnimmt und ansonsten dauerhaft den Schutz der Polsterwände gewährleistet.
[0013] Die Außenhaut besteht aus einer Vielzahl von Segmenten, die jeweils aus austauschbaren Frontelementen, einseitig konkav gekrümmten Rückwandelementen, an denen sich die runden Wülste der Polsterwände anlehnen und pro Frontelement mindestens zwei zueinander beabstandete Abstandselemente, an denen die Front- und Rückwandelemente befestigt sind, zusammensetzt. Die so gebildete räumliche Struktur schafft kastenförmige Hohlräume, in denen die begrünbaren Böden oder- in Bereichen, wo das nicht sinnvoll ist - auch Baustoffe wie Steine u. ä. eingebracht werden.
[0014] Die Abstandselemente, die in mittels Erdnägeln fixierten Profilen geführt werden, sind mit den Front- und Rückwandelementen über ein Stecksystem verbunden. Durch die Verwendung von Paßstücken zwischen den Frontelementen und den Abstandshaltern ist die Einstellung unterschiedlicher Neigungen und Krümmungen der Außenhaut möglich.
[0015] Erfindungsgemäß entsprechen die Segmente der Außenhaut in ihren vertikalen Abmessungen der Dicke der eingebauten, verdichteten Schichten des Füllbodens; die Außenhaut ist also schichtförmig aufgebaut. Da die bisherigen Erfahru ngen mit Polsterwänden besagen, daß Füllbodenschichten von 40 cm Dicke ausreichend verdichtet werden können und ein vertikaler Abstand der Bewehrungslagen von gleichfalls 40 cm zu einer günstigen mechanischen Beanspruchung der Geokunst- stoffe führt, werden die Segmente der Außenhaut bevorzugt mit dieser Höhe bemessen; dem folgend wird das horizontale Systemmaß - vorrangig aus statischen Gründen - mit ungefähr 80 cm festgelegt.
[0016] Bevorzugt ist das Frontelement in diesen Abmessungen eine biegesteife Gitterstruktur, die zudem vorteilhafterweise eine verfestigte Begrünungsstruktur enthält. Besonders eine solche Gitterstruktur sichert, gepaart mit einer treppenförmig versetzten Anordnung der Schichten der Außenhaut, deren vollständige und beständige Begrünung. Denn damit gelingt es in hervorragender Weise, Niederschlagswasser in den Bereich fixierten Saatgutes zu führen und dort zu speichern; gleichzeitig wird die Erosion der Außenhaut durch abfließendes Wasser und ein Ausrieseln des Füllbodens verhindert. Andererseits ist die erforderliche Luft- und Wasserdurchlässigkeit des Systems sicher gewährleistet.
[0017] Um das Gesamtsystem möglichst umweltschonend zu gestalten, ist das Frontelement - ebenso wie der Abstandshalter - vorzugsweise aus Kunststoff hergestellt, der einen möglichst großen Anteil von nachwachsenden Rohstoffen, z. B. in Form von Naturfasern, enthält. Dabei sind die Werkstoffkomponenten so strukturiert, daß eine ausreichende chemische Beständigkeit gegenüber Inhaltsstoffen des Bodens und möglichen Belastungen durch Tausalze und andere Enteisungsmittel gewährleistet ist.
[0018] Die Rückwandelemente sind vorzugsweise gänzlich aus verrottbaren Material, namentlich aus natürlichen Faserstrukturen, gestaltet. Diese Elemente sind an den Abstandselementen angelehnt; letzte sind hierzu einseitig konkav gewölbt ausgebildet. An der Seite, wo die Frontelemente angelehnt und befestigt sind, sind die Abstandselemente mit einem Neigungswinkel von 55° bis 70° linienförmig gestaltet.
[0019] Die spezielle Formgebung der Rückwand der Außenhaut verringert - durch die Verbesserung des Kraftflusses in den Geokunststoffbewehrungen - das Maß vertikaler und horizontaler Formänderungen des Tragsystems wesentlich. Langzeitversuche zeigen, daß durch die erfindungsgemäße Gestaltung der Außenhaut und ihre vollständige Trennung vom statischen System (Polsterwand) die Voraussetzung für den Einsatz der Bauweise der kunststoffbewehrten Erde in dynamisch belasteten Bereichen geschaffen sind. Neben der Erfüllung der Anforderungen an die Langlebigkeit eines solchen Bauwerkes - also Frost- und UV-Beständigkeit sowie Beständigkeit gegenüber schädigenden äußeren Einflüssen -, sind die Bedingungen für die Begrünung deutlich verbessert. Dazu trägt auch bei, daß durch die strikte Trennung von Füll- und Kulturboden letzter locker eingebracht werden kann. Schließlich ermöglichen die erfindungsgemäßen Segmente der Außenhaut deren variable Gestaltung hinsichtlich Neigung, Höhe und Linienführung, wobei die Möglichkeit besteht, diese bei Beschädigung ohne Beeinträchtigung der Standsicherheit des Tragsystems auszuwechseln.
[0020] Die Erfindung wird nachfolgend anhand schematischer Darstellungen weiter erläutert. Hierzu zeigen
- Fig. 1 den Aufbau des erfindungsgemäßen Systems zur Errichtung von Stützbauwerken und Steilböschungen, insbesondere die Außenhaut
- Fig. 2 die bevorzugte Geometrie der Abstandselemente, die zur Bildung der räumli- chen Struktur der Außenhaut verwendet werden.
[0021] Die Segmente der Außenhaut 1 setzen sich in beschriebener Weise aus den Frontelementen 2, den Rückwandelementen 3 und den Abstandselementen 7 zusammen. In den Frontelementen 2 sind (nicht dargestellte) verfestigte Begrünungs- Strukturen integriert. Die Wülste 4 der aus dem Geokunststoff 5 und dem verdichteten Füllboden 6 bestehenden Polsterelemente sind an der konkaven Seite der Abstandselemente 7, die in mittels Erdnägel 8 fixierten U-Schienen 9 geführt werden, angelehnt. Durch die Frontelemente 2, die Rückwandelemente 3 und den Abstandselementen 7 wird der kastenförmige Hohlraum 10 gebildet, in dem vorzugsweise Mutterboden mit Saatgut und Naturstoffen, der die notwendige Feuchtigkeit für die Begrünung der Außenhaut 1 speichert, locker eingebracht ist. Für die dauerhafte vollständige Begrünung ist wesentlich, daß die Außenhaut 1 treppenartig ausgebildet ist, da nur so, besonders bei sehr steilen Wänden, ausreichend Wasser in die einzelnen Schichten des Bauwerkes gelangen kann. Hierzu trägt bei, daß die gitterartigen Frontelemente 2 selbst räumlich strukturiert - etwa wie ein Abstreichrost oder ein Rasengitterelement - sind und infolge ihrer Neigung der Begrünungsstruktur und dem eingebrachten Mutterboden gleichfalls Niederschlagswasser zuführen; zudem werden so Erosionen der Außenhaut vermieden.
[0022] Die Geometrie der Abstandselemente 7 kann durchaus gegenüber der in Fig. 2 gezeigten (bevorzugten) Ausführung variiert sein; in jedem Fall wird damit erfindungsgemäß verhindert, daß die statisch wirksamen Geokunststoffbewehrungen wie bislang nachteilig direkt hinter den Erosions- und Begrünungsmaterialen angeordnet sind.
Liste der verwendeten Bezugszeichen
1 Außenhaut
2 Frontelement
3 Rückwandelement
4 Wulst
5 Geokunststoff
6 verdichteter Füllboden
7 Abstandselement
8 Erdnagel
9 U-Schiene
10 kastenförmiger Hohlraum