Beschreibung
Peptidakzeptor/tRNA-Hybridmolekül und seine Verwendung zur Herstellung von Codon-spezifisch arretierten Translationskomplexen
Die vorliegende Erfindung betrifft ein Peptidakzeptor/tRNA-Hybridmolekül sowie seine Verwendung als Substrat der in vitro Translation einer mRNA zur Bildung von Codon-spezifisch arretierten Translationskomplexen.
Die Herstellung einer Verknüpfung zwischen einem Peptid bzw. Protein (Phänotyp) und seiner kodierenden RNA (Genotyp) ist Voraussetzung für zahlreiche in vitro- Evolutionstechniken, wie z.B. die Ribosomen-Display- bzw. die Polysomen-Display- Technologie [Mattheakis et al., 1994; Mattheakis et al., 1996; Jermutus et al., 1998] oder die RNA-fusion-Display-Technologie [WO 98/31700; Roberts, 1999]. Aus einem Gemisch einer Vielzahl derartiger Genotyp-Phänotyp-Fusionen ist es möglich bestimmte Genotyp-Phänotyp-Fusionen aufgrund definierter Eigenschaften ihrer Polypeptidanteile von allen übrigen Fusionen abzutrennen (Selektion). Dies wird beispielsweise affinitätschromatographisch über direkte Bindung an ein immobilisiertes Zielmolekül (Target) erreicht. Die so aus dem ursprünglichen Gemisch selektierte Subpopulation von an das Zielmolekül bindenden Genotyp- Phänotyp-Fusionen (RNA-Protein-Fusionen) läßt sich unter Ausnutzung ihrer Nukleinsäureanteile über Polymerase-Ketten-Reaktion (PCR) amplifizieren und steht damit für eine erneute Selektionsrunde zur Verfügung [detailliert ausgeführt in WO 98/31700], Der Nukleinsäureanteii erlaubt weiterhin auch eine Identifizierung der Primärsequenz einzelner RNA-Protein-Fusionen, beispielsweise durch Sequenzierungs- oder Hybridiesierungstechniken.
Die an der Amplifikation Liganden-bindender Genotyp-Phänotyp-Fusionen beteiligten methodischen Schritte sind im folgenden angeführt: (a) Reverse Transkription der RNA, (b) Polymerase-Ketten-Reaktion (PCR) zur Amplifikation der cDNA unter Verwendung eines Primers, der gleichzeitig einen Promotor, sowie eine geeignete ribosomale Bindungsstelle einführt, (c) in vitro Transkription dieser cDNA
BESTATIGUNGSKOPIE
zur Herstellung einer kodierenden mRNA und (d) in vitro Translation der zuvor synthetisierten mRNA.
Als Voraussetzung für die Anwendung der oben angeführten in vitro Evolutionstechniken muß - zur Kopplung von Genotyp und Phänotyp - während des Translationsprozesses ein Auseinanderfallen des Polypeptid/mRNA-Komplexes verhindert werden, so daß entweder eine nicht-kovalente Polypeptid/mRNA-Fusion erhalten bleibt und/oder - aufgrund vorhergehender Modifikationen an der kodierenden mRNA - eine kovalente Polypeptid/mRNA-Fusion während des Translationsprozesses erreicht wird.
Beispiele für die in vitro Herstellung von nicht-kovalenten Polypeptid/mRNA- Fusionen ist die Polysomen-Display- und die Ribosomen-Display-Technologie [Kawasaki GH US 5658754; Mattheakis et al., 1994; Mattheakis et al., 1996; Hanes & Plückthuhn, 1997; Plückthuhn WO 98/48008]. Dabei wid durch die Verwendung einer Stopp-Codon freien mRNA ein Auseinanderfallen des Translationskomplexes (Peptid/Ribosomen/mRNA tRNA-Komplex) am Ende des Translationprozesses verhindert und der Peptid/Ribosomen/mRNA/tRNA-Komplex ggfs. durch Salzzugabe und Temperaturabsenkung zusätzlich stabilisiert.
Ein Beispiel für eine in vitro Evolutionstechnik, bei der es - während des Translationsprozesses - zur Ausbildung kovalenter Polypeptid/mRNA-Fusionen kommt, stellt die von Robert & Szostak (1997) beschriebene RNA-fusion-Display- Technologie dar. Voraussetzung für die Erzeugung von Genotyp/Phänotyp-Fusionen im Rahmen dieser Technologie ist das Vorhandensein einer kovalenten Modifikation am 3 '-Ende der kodierenden RNA in Form einer Puromycin-haltigen Linkerstruktur [Roberts & Szostak, 1997, WO 98/31700, DE 19646372, WO 98/16636]. Während des Translationsvorgangs stoppt bei Verwendung einer derart modifizierten RNA das Ribosom am 3'-Ende der RNA am Übergang zum Puromycin-haltigen Linker. Das über den Linker an die kodierende mRNA immobilisierte Puromycin kann dann in die A-Site des Ribosoms eintreten und die bis zu diesem Zeitpunkt translatierte Peptidkette in einem ribosomal katalysierten Reaktionsschritt übernehmen. Als Ergebnis eines solchen Vorganges entsteht eine kovalente Verknüpfung zwischen
J einem Peptid und seiner kodierenden mRNA, die über die Wirkung des Puromycins als Akzeptor der wachsenden Peptidkette erreicht wird. Dieser mRNA/Polypeptid- Komplex ist auch nach Abreinigung des Ribosoms über einen weiten Temperatur- und Salzkonzentrationsbereich stabil.
Der Einsatz der oben genannten Polypeptid/mRNA-Fusions-Technologien ist in der Regel beschränkt auf die Verwendung Stopp-Codon freier RNAs. Bei Verwendung einer Stopp-Codon-haltigen RNA würde es nämlich durch die Release Factor- Wirkung während der Translation zu einer vorzeitigen Ablösung der translatierten Polypeptidkette vom Translationskomplex kommen (durch Stimulation der Hydrolyse der Esterverknüpfung zwischen der tRNA in der P-Site des Ribosoms und dem Carboxyl-Ende der Polypeptidkette), noch bevor es, z.B. im Falle einer Puromycin- modifizierten mRNA, zur Ausbildung einer kovalenten Verknüpfung zwischen dem Polypeptid und seiner kodierenden mRNA kommen kann.
Auch im Rahmen der Ribosomen- bzw. Polysomen-Display-Technologie würde das Vorhandensein eines Stopp-Codons innerhalb der RNA zum Auseinanderfallen des Translationskomplexes führen und damit die Bildung eines stabilen Ribosomen/mRNA tRNA/Peptid-Komplexes nicht zulassen.
Deshalb ist die Verwendung zellulärer mRNA für die Herstellung von Polypeptid/mRNA-Verknüpfungen in der Regel erst nach einer aufwendigen Entfernung des Stopp-Codons und des 3'-untranslatierten Bereiches der mRNA möglich. Die RNA-Fusion-Display-Technologie erfordert neben der Entfernung des Stopp-Codons und des 3'-untranslatierten Bereiches der mRNA außerdem als zusätzlichen Schritt die bereits beschriebene Modifikation des 3 '-Endes der RNA durch Anfügen des kovalent verknüpften Puromycin-haltigen Linkers. Eine Entfernung des 3'-untranslatierten Bereiches zellulärer mRNA von heterogener Länge, incl. des Stopp-Codons, kann dabei über mehrere methodische Ansätze erreicht werden [ beschrieben in WO 00/09737], wie z.B.
(a) durch eine gerichtete 3'- 5' Degradation der RNA mit Hilfe einer Exoribonuklease,
(b) durch eine gerichtete 3'- 5' Degradation mit Hilfe einer Exonuklease, wie z.B Exonuklease III bzw. Lambda-Exonuklease auf der Ebene der korrespondierenden cDNA,
(c) durch die Verwendung zufällig annealender Random-Primer während des Umschreibens zellulärer mRNA in korrespondierende cDNA, wobei es u.a. auch zur Bildung Stopp-Codon-freier RNA kommt.
Diese genannten methodischen Ansätze können jedoch nicht sicherstellen, daß es innerhalb einer komplexen Mischung verschiedener zellulärer mRNAs mit 3'- untranslatierten Bereichen unterschiedlicher Länge zu einer exakten Entfernung des 3'-UTR und des Stopp-Codons kommt, während gleichzeitig der kodierende Bereich der mRNA nahezu vollständig erhalten bleibt.
Die vorliegende Erfindung beschreibt nun eine Methode, die durch Einsatz einer speziell modifizierten tRNA bzw. eines speziell modifizierten tRNA-analogen Moleküls (im folgenden „Peptidakzeptor/tRNA-Hybridmolekül" genannt) während der in vitro Translation ein Auseinanderfallen des Translationskomplexes, auch bei der Verwendung einer unmodifizierten, Stopp-Codon und 3'-UTR-haltigen mRNA als Matrize des Translationsvorganges, verhindert. Die Erfindung ermöglicht damit die Herstellung von Codon-arretierten Translationskomplexen unabhängig von dem Vorhandensein eines Stopp-Codons in der kodierenden mRNA. Insbesondere kann hierbei auch das Stopp-Codon selbst zur Herstellung von Codon-arretierten, in diesem Falle Stopp-Codon-arretierten, Translationskomplexen verwendet werden. Die erhältlichen Codon-arretierten Translationskomplexe umfassen die kodierende mRNA, das translatierte Peptid, das Ribosom und das Peptidakzeptor/tRNA- Hybridmolekül. Bei Verwendung eines Peptidakzeptor/Suppressor-tRNA- Hybridmoleküls wird das durch einen Releasefaktor-abhängigen Terminationsprozess bewirkte Auseinanderfallen des Translationskomplexes verhindert, indem das Hybridmolekül kompetitiv das Eintreten des Releasefaktors in die A-Site des Ribosoms verhindert. Die erfindungsgemäßen Peptidakzeptor/tRNA- Hybridmoleküle zeichnen sich dadurch aus, daß sie zur Ermöglichung der Translation nicht zuvor an die zu translatierende mRNA kovalent gebunden werden müssen und an diese entsprechend auch nicht kovalent gebunden sind.
Bei der zu verwendenden Peptidakzeptor-tRNA handelt es sich um ein Hybridmolekül, umfassend, insbesondere bestehend aus einer tRNA oder einer tRNA-analogen Einheit (im folgenden „tRNA" oder „tRNA-Einheit" genannt), einer kovalent verknüpften Peptidakzeptor-Einheit sowie gegebenenfalls einem Linker, der tRNA-Einheit und Peptidakzeptor-Einheit kovalent miteinander verknüpft. In Analogie zu Aufbau und Funktionsweise einer Aminoacyl-tRNA als Substrat des ribosomalen Translationsprozesses ist die tRNA-Einheit der Peptidakzeptor-tRNA verantwortlich für die Codon-spezifische Bindung der Peptidakzeptor-tRNA während der ribosomalen Proteinsynthese. Bei der tRNA-Einheit handelt es sich erfindungsgemäß vorzugsweise um eine natürlicherweise vorkommende tRNA, eine synthetisch hergestellte tRNA oder eine durch in wrro-Transkription hergestellte tRNA oder ein entsprechendes tRNA-Derivat. Ferner kann die Sequenz der tRNA- Einheit 3'-terminal um vorzugsweise bis zu 20, insbesondere um bis zu 10, 5 oder 3 Nukleotide, vor allem um ein Nukleotid, verkürzt oder um einige, vorzugsweise 1 oder 2 Nukleotide verlängert sein. Die Nukleotidsequenz kann von der Sequenzabfolge natürlicherweise vorkommender tRNAs abweichen. Die tRNA- Einheit kann neben natürlicherweise vorkommenden Nukleotiden auch natürlicherweise nicht vorkommende, künstlich synthetisierte Nukleotidanaloga umfassen. Die tRNA-Einheit kann außerdem modifiziert sein bzw. eine modifizierende Gruppe umfassen, beispielsweise mindestens eine fluorogene, chromogene, radioaktive oder photoreaktive Gruppe. Die mindestens eine modifizierende Gruppe hat vorzugsweise ein Molekulargewicht kleiner als 20 kDa, insbesondere kleiner als 10 kDa, besonders bevorzugt kleiner als 5 kDa, vor allem kleiner als 2 kDa. Die tRNA-Einheit umfaßt vorzugsweise nicht mehr als 140 Nukleotide, insbesondere nicht mehr als 120 Nukleotide, besonders bevorzugt nicht mehr als 100, vor allem nicht mehr als 80 Nukleotide.
Die Peptidakzeptor-Einheit des Peptidakzeptor/tRNA-Hybridmoleküls ist in Analogie zum Aminosäureanteil einer Aminoacyl-tRNA in der Lage die P-Site-tRNA- verankerte Peptidkette in einer Transpeptidasereaktion unter Ausbildung einer kovalenten Verknüpfung zu übernehmen. Bei der die Verknüpfung ausbildenden funktionellen Gruppe der Peptidakzeptor-Einheit des Peptidakzeptor/tRNA- Hybridmoleküls kann es sich beispielsweise um eine primäre Aminogruppe handeln,
die in der Lage ist, mit dem carboxyterminalen Ende der translatierten Peptidkette in der Transpeptidasereaktion unter Spaltung einer Carbonsäureesterbindung eine Säureamidbindung auszubilden. Bei der Peptidakzeptor-Einheit kann es sich beispielsweise um eine Aminosäure, ein Aminosäurederivat oder ein Aminosäure- Analogon oder um Puromycin, ein Puromycin-Derivat oder ein Puromycin-Analogon oder um eine andere organische Verbindung mit einer freien Aminogruppe handeln. Die Peptidakzeptor-Einheit ist mit der tRNA-Einheit des Peptidakzeptor/tRNA- Hybridmoleküls direkt oder über einen Linker kovalent verknüpft, wobei die kovalente Bindung vorzugsweise weder spontan, noch in einer ribosomal katalysierten Reaktion (z.B. nach Stimulation durch einen Release Faktor) während der in vitro Translation lysiert werden kann. Bei der kovalenten Bindung kann es sich beispielsweise um eine C-C-Bindung, eine Amidbindung, um eine Sulfidbindung oder um eine Disulfidbindung handeln.
Ein Linker wird zur Verknüpfung der Peptidakzeptor-Einheit und der tRNA-Einheit vorzugsweise dann eingesetzt, wenn die tRNA-Einheit 3'-terminal verkürzt ist. Bei dem Linker handelt es sich vorzugsweise um eine organische Verbindung, beispielsweise um eine Kohlenwasserstoffkette oder um eine Polyethylengruppe.
Sowohl die Peptidakzeptor-Einheit wie auch der gegebenenfalls vorhandene Linker können gegebenenfalls durch mindestens eine Gruppe modifiziert sein bzw. mindestens eine modifizierende Gruppe umfassen, wobei es sich bei der mindestens einen modifizierenden Gruppe um eine fluorogene, chromogene, radioaktive oder photoreaktive Gruppe handeln kann und das Molekulargewicht der mindestens einen modifizierenden Gruppe vorzugsweise kleiner als 10 kDa, insbesondere kleiner als 5 kDa, besonders bevorzugt kleiner als 2 kDa, vor allem kleiner als 1 kDa ist.
Eine besonders bevorzugte Ausführungsform des Peptidakzeptor/tRNA- Hybridmoleküls ist eine Puromycin-beladene tRNA (Puromycin-tRNA), wobei die tRNA 3'-terminal bevorzugt um ein Nukleotid vekürzt ist, so dass nach Anknüpfung des Puromycins die natürlicherweise anzutreffende Nukleotid-Anzahl der tRNA vorliegt (vgl. Abb. 1 und 2). Bei Puromycin handelt es sich um ein von Streptomyceten produziertes Antibiotikum mit translationsinhibierender Wirkung
[Nathans & Neidle, 1963]. Aufgrund seiner auffälligen strukturellen Homologie zu dem 3'-Ende einer Aminoacyl-beladenen tRNA (der homologe Bereich umfaßt das letzte 3'-terminale Nukleotid der tRNA mit daran geknüpfter Aminosäure, vgl. Abb. 2) besitzt Puromycin die Eigenschaft, sequenzunabhängig sowohl den prokaryotischen wie auch den eukaryotischen Translationsprozeß vorzeitig zu terminieren. Puromycin lagert sich unabhängig von der Kodierung der mRNA in die A-Site des Ribosoms und übernimmt mit seiner primären Aminogruppe die bis dahin gebildete Polypeptidkette von der P-Site-tRNA. Dabei entstehen C-terminal verkürzte Peptidfragmente heterogener Länge, die alle über eine carboxyterminale Puromycin- Modifikation verfügen. Erfindungsgemäß kann nun durch die Verknüpfung des Puromycins mit einer tRNA, insbesondere einer Suppressor-tRNA, die Wirkung des Puromycin-Anteils als Peptidakzeptor abhängig von der mRNA-Kodierung gesteuert werden. Im Falle der Verknüpfung mit einer Suppressor-tRNA kommt es Stopp- Codon-abhängig anstelle der translationsterminierenden Wirkung eines Release Faktors zu einer Einlagerung dieses Hybridmoleküls in die A-Site des Ribosoms, so daß die Puromycin-Einheit des Hybridmoleküls in der Lage ist, die Polypeptidkette von der P-Site-tRNA in einer Transpeptidase-Reaktion zu übernehmen. Ein Überlesen und damit eine fortschreitende Verlängerung der Polypeptidkette im Translationsprozeß ist hierbei nicht möglich, weil dies durch die Säureamidbindung zwischen dem Nukleotidteil und dem Aminoacyl-homologen Teil des Puromycinanteils der Puromycin-Suppressor-tRNA verhindert wird (vgl. Abb. 2). Im Endzustand dieses Vorgangs erhält man ein über dem Stopp-Codon der kodierenden mRNA arretiertes Ribosom mit einem an der Puromycin-Suppressor- tRNA verankerten Polypeptid voller Länge.
Eine solche Struktur ist nun Voraussetzung und Grundlage z.B. für folgende
Anwendungen:
(1.) Ein erfindungsgemäßer Stopp-Codon-spezifisch verankerter
Translationskomplex läßt sich, analog der methodischen Schritte, wie sie in WO
00/09737 dargestellt sind, für eine gezielte Entfernung des 3'-untranslatierten
Bereiches der sich im Komplex befindenden mRNA nutzen (Abb. 4):
(1.1.) Durch eine gerichtete Degradation der RNA mit Hilfe einer 3'->5'-
Exoribonuklease kann die mRNA von ihrem 3'-Ende in 5'-Richtung bis zu dem
Bereich entfernt werden, der durch den anliegenden, Stopp-Codon-spezifisch- verankerten Translationskomplex geschützt wird.
(1.2.) In einer Reversen Transkriptase-Reaktioή läßt sich mit Hilfe eines am 3'-Ende der mRNA hybridisierenden Primers (z.B. ein Poly-A-Tail spezifischer Oligo-(dT)- Primer) die mRNA von ihrem 3'-Ende her in 5'-Richtung soweit in ein partielles mRNA/cDNA-Hybrid überführen, bis die Aktivität der Polymerase durch die Blockade des auf der mRNA aufsitzenden, Stopp-Codon-spezifisch verankerten Translationskomplexes stoppt. Durch anschließende Behandlung der RNA mit einer Doppelstrang-RNA/DNA-abhängigen RNAse (wie z.B. RNase H) läßt sich spezifisch das zuvor revers transkribierte 3 '-Ende der RNA entfernen.
In beiden Fällen ist das Ergebnis einer solchen Behandlung eine mRNA, deren 3'- untranslatierter Bereich fast vollständig bis in die Nähe des Stopp-Codons entfernt ist. Die Größe des verbleibenden Anteils des 3'-UTRs wird dabei durch den Sequenzabschnitt der RNA bestimmt, der durch den angelagerten, Stopp-Codon- spezifisch verankerten Translationskomplex „geschützt" ist. Diese Restsequenz des 3'-UTRs incl. des Stopp-Codons läßt sich anschließend durch Verknüpfung folgender methodischer Schritte [vgl. WO 00/09737] aus der mRNA entfernen: (a) Ankopplung eines RNA-Adaptors (dadurch erfolgt die Einführung einer Primer- Bindestelle und einer Erkennungssequenz für ein Typ IIS-Restriktionsenzym); (b) Reverse Transkription der RNA unter Verwendung eines Adaptor-komplementären Primers und Zweitstrangsynthese; (c) Schneiden dieser doppelsträngigen DNA stromauf vom Stopp-Codon durch Inkubation mit einem Typ IIS-Restriktionsenzym (Erkennungssequenz wurde zuvor durch Ankopplung des RNA-Adaptors in die Sequenz eingeführt) (vgl. Abb. 4). Dadurch wird eine Entfernung sowohl des Stopp- Codons als auch des 3'-UTR-Restes auf korrespondierender DNA-Ebene ermöglicht. Anschließend kann die DNA durch in vitro Transkription wieder in RNA überführt werden und steht damit für verschiedene in vitro (oben genannte) oder in vivo Genotyp/Phänotyp-Kopplungstechniken (z.B. Phage-Display, Yeast-Display) in geeigneter Form zur Verfügung.
(2.) Ein erfindungsgemäßer Stopp-Codon-spezifisch verankerter
Translationskomplex enthält neben dem synthetisierten Polypeptid voller Länge auch
die kodierende RNA und stellt damit eine stabile Phänotyp/Genotyp-Verknüpfung dar, wie sie auch Grundlage für die Polysomen-Display und die Ribosomen-Display- Technologie ist. Durch die hier beschriebene alternative Kopplungsstrategie, die auf der Verwendung einer Akzeptor-Suppressor-tRNA (z.B. Puromycin-Suppressor- tRNA) während des Translationsvorganges basiert, ist aber im Gegensatz zur Polysomen- bzw. Ribosomen-Display-Technologie auch die direkte Nutzung Stopp- Codon- und 3'UTR-haltiger mRNA möglich. Auf eine aufwendige Umarbeitung der mRNA zur Entfernung des Stopp-Codons, sowie des 3'-UTRs vor Einsatz in den in vitro Translationsschritt kann deshalb verzichtet werden.
Durch eine weitere Modifikation im Bereich der Anticodon-Schleife läßt sich das Peptidakzeptor/tRNA-Hybridmolekül zusätzlich so verändern, daß es zur Herstellung einer kovalenten Verknüpfung zwischen dem Peptidakzeptor/tRNA-Hybridmolekül und der translatierten mRNA während des Translationsvorganges geeignet ist. Bei der Modifikation handelt es sich dabei beispielsweise um eine photoreaktive Gruppe (z.B. Wybutin), die in der Lage ist, nach Bestrahlung mit Licht geeigneter Wellenlänge eine kovalente Verknüpfung zur mRNA, die während des Translationsvorganges abgelesen wird, auszubilden [Hanna, 1989; Steiner et al., 1984]. Die aktivierende Bestrahlung kann sowohl während als auch nach Beendigung des Translationsvorganges erfolgen. Die photoreaktive Form des Peptidakzeptor/tRNA-Hybridmoleküls ist also in der Lage, zwei kovalente Verknüpfungen auszubilden: Eine erste Verknüpfung über die primäre Aminogruppe des Akzeptoranteils mit der translatierten Polypeptidkette und eine zweite Verknüpfung über die photoreaktive Gruppe der tRNA-Hälfte mit der kodierenden mRNA. Damit fungiert die photoreaktive Form des Peptidakzeptor/tRNA- Hybridmoleküls als ein kovalent verknüpfendes Bindeglied zwischen kodierendem Genotyp und kodiertem Phänotyp, wobei als kodierender Genotyp eine unmodifizierte mRNA Verwendung finden kann und eine vorhergehende aufwendige Entfernung des 3'-UTRs und / oder des Stopp-Codons, oder eine Modifizierung des 3'-Endes der RNA durch eine Anlagerung eines Puromycin-Linkers damit überflüssig ist. Nach kovalenter Verknüpfung der Peptid-beladenen Peptidakzeptor/tRNA-Einheit mit der mRNA mittels der photoreaktiven Gruppe kann das Ribosom in einer dem Fachmann bekannten Weise entfernt werden, so dass man eine Verbindung
(Hybridmolekül) erhält, bei der mRNA (Genotyp) und das von ihr kodierte Polypeptid (Phänotyp) über ein erfindungsgemäßes Peptidakzeptor/tRNA-Hybridmolekül kovalent miteinander verknüpft sind. Das so erhaltene Hybridmolekül aus Genotyp und Phänotyp kann beispielsweise, wie zuvor für den arretierten Translationskomplex beschrieben, zur Degradation des 3'-untranslatierten Bereiches der mRNA verwendet werden oder kann für in vitro Evolutionsexperimente genutzt werden, wie sie beispielsweise in WO 98/31700 beschrieben werden.
(3.) Eine weitere Anwendungsmöglichkeit von erfindungsgemäßen Peptidakzeptor/tRNA-Hybridmolekülen besteht in ihrer Verwendung zur Herstellung von Codon-spezifisch terminierten und gleichzeitig markierten Polypeptiden bzw. Proteinen und Proteinfragmenten. Die Codon-Spezifität wird dabei über den verwendeten tRNA-Anteil (speziell über die Sequenz des Anticodons) der Peptidakzeptor-tRNA während des Translationsvorganges vermittelt. Die Codon- Spezifität der verwendeten Peptidakzeptor-tRNA bestimmt zugleich auch die Länge des während des Translationsvorganges entstehenden Polypeptids bzw. Proteinfragments. Die Verwendung von Stopp-Codon spezifischen Akzeptor- Suppressor-tRNAs im Translationsprozeß führt hierbei zur Entstehung C-terminal markierter Proteine voller Länge.
Aufgrund ihrer besonderen Eigenschaften sind die zuvor genannten erfindungsgemäßen Peptidakzeptor/tRNA-Hybridmoleküle sowie die unter Verwendung dieser erhältichen Genotpy/Phänotyp-Hybridmoleküle und arretierten Translationskomplexe besonders gut für in wϊro-Evolutionsexperimente geeignet, wie sie beispielsweise in WO 98/31700 beschrieben werden.
Durch die Peptidakzeptor/tRNA-Hybridmoleküle wird zugleich Codon-abhängig eine einheitliche C-terminale Markierung in die entstehenden Protein bzw. Polypeptidfragmente eingeführt. Diese einheitliche C-terminale Modifikation läßt sich beispielsweise mit Hilfe von Akzeptor-spezifischen Antikörpern immunologisch detektieren (beispielsweise unter Verwendung von Puromycin-spezifischen Antikörpern), oder unter Ausnutzung der anhängenden Nukleinsäure über Hybridisierungsereignisse nachweisen. Bei Verwendung von radioaktiv oder mit
chromogenen oder fluorogenen Molekülen markierten Peptidakzeptor/tRNA- Hybridmolekülen lässt sich die Markierung entsprechend durch Nachweis der Radioaktivität beziehungsweise spektroskopisch oder spektrometrisch nachweisen. Eine solche C-terminale Modifikation ermöglicht auch eine unkomplizierte und rasch durchführbare Immobilisierung der modifizierten Polypeptide, z.B. an einer Matrix, die spezifisch für den Peptidakzeptor- oder den tRNA-Teil des Peptidakzeptor/tRNA- Hybridmoleküls ist.
Hierbei ist insbesondere eine Immobilisierung an einer Matrix, die mit einer Nukleinsäure oder einem Nukleinsäurederivat beladen ist, unter Ausnutzung komplementärer Basenpaarungen zu dem tRNA-Teil möglich. Bei der genannten Matrix kann es sich erfindungsgemäß auch um einen Nukleinsäure-beladenen Chip handeln.
Eine weitere Nachweismöglichkeit modifizierter Peptide mit anhängender Nukleinsäure besteht in der Amplifikation des Nukleinsäureanteils nach reverser Transkription und Polymerase-Ketten-Reaktion (PCR).
Durch Verwendung eines mit einem Fluoreszenzfarbstoff, einem Chromophor oder einer radioaktiven Gruppe gekoppelten Peptidakzeptor/tRNA-Hybridmoleküls im Translationsprozeß ergibt sich die Möglichkeit zur Codon-spezifischen Markierung von Proteinen bzw. Proteinfragmenten an ihrem C-terminalen Ende. Die markierende Gruppe sollte in diesem Falle bevorzugt über den Peptidakzeptor-Teil des Moleküls oder über 3 '-terminal gelegene Nukleotide des tRNA-Anteils des Moleküls kovalent gekoppelt sein. Handelt es sich bei diesem tRNA-Anteil beispielsweise um eine Suppressor-tRNA läßt sich im Translationsprozeß eine spezifische Markierung von translatierten Proteinen am natürlichen C-Terminus erreichen.
In Folge eines RNase-Verdaus oder einer Inkubation bei basischem pH, ist es anschließend möglich, den tRNA-Anteil des C-terminal modifizierten Polypeptids teilweise oder vollständig abzubauen. Dadurch erhält man ein Polypeptid voller Länge, das C-terminal eine relativ kleine Modifikation in Form eines peptidisch verknüpften Peptidakzeptors oder Peptidakzeptor-Derivats (z.B. mit anhängendem
Fluoreszenzfarbstoff) aufweist. Diese Modifikation beeinflußt die physikalischchemischen Eigenschaften des Polypeptids, beispielsweise im Falle eines angekoppelten Puromycins oder Puromycin-Derivats als Peptidakzeptor, nur geringfügig, so daß gängige Proteinanalysemethoden, wie z.B. elektrophoretische (2-D-Gelelektrophorese), oder chromatographische, als Trennmethode auch weiterhin Anwendung finden können. Auch komplexe mRNA-Gemische, wie das Transkriptom einer Zelle, lassen sich auf diese Weise durch die in v/fro-Translation in Anwesenheit von markierten, beispielsweise fluoreszenzmarkierten, Peptidakzeptor/tRNA-Hybridmolekülen in korrespondierende Gemische markierter Polypeptide überführen und anschließend analysieren.
Für die Analyse unterschiedlicher Transkriptome bzw. ihrer korrespondierenden Gemische fluoreszenzmarkierter Polypeptide können dabei unterscheidbare Fluoreszenzfarbstoffe verwendet werden: So kann zur Analyse des Transkriptoms einer Zellinie vor Behandlung mit einem Wirkstoff oder mit einer zu testenden Substanz eine Markierung der korrespondierenden Translationsprodukte beispielsweise mit Hilfe eines bestimmten Fluoreszenzfarbstoffs (z.B. Floureszenzfarbstoff „Rot") erfolgen. Dagegen kann zur Analyse des Transkriptoms der Zellinie nach Behandlung mit dem Wirkstoff ein anderer Fluoreszenzfarbstoff (z.B. Floureszenzfarbstoff „Grün") für die Markierung der korrespondierenden Translationsprodukte verwendet werden. Über die anhängenden, unterscheidbaren Fluoreszenzfarbstoffe lassen sich die Translationsprodukte stets eindeutig dem ursprünglichen Transkriptom zuordnen. Deshalb können die markierten Translationsprodukte mehrerer Transkriptome parallel mit Hilfe gängiger Trennverfahren analysiert werden. So ist es beispielsweise möglich, die markierten Translationsprodukte parallel im Gemisch über 2-dimensionale (2-D)- Gelelektrophorese aufzutrennen. Die im selben Gel aufgetrennten Peptide lassen sich nach Fluoreszenz-Scanning über die spezifisch detektierbaren Fluoreszenzfarbstoffe eindeutig dem ursprünglich kodierenden Transkriptom zuordnen. Dies ermöglicht einen direkten Vergleich zwischen den Translationsprodukt-Gemischen, die ausgehend von unterschiedlichen Transkriptomen hergestellt wurden, hinsichtlich ihrer qualitativen und quantitaiven Zusammensetzung. Soweit Ladung und Masse der verwendeten
Fluoreszenzfarbstoffe vergleichbar sind, werden nämlich gleiche Peptide, Peptidfragmente bzw. Proteine, unabhängig von ihrem kodierenden Transkriptom, auch gleichermaßen über die 2-D-Gelelektrophorese aufgetrennt. Dieser methodische Ansatz erlaubt einen Vergleich (quantitativen und qualitativen) der Translationsprodukte nicht nur von zwei, sondern von mehreren Transkriptomen über ein und dasselbe 2-D-Gel.
Wird anstelle einer Suppressor-tRNA eine andere Codon-spezifische tRNA als Bestandteil des Peptidakzeptor/tRNA-Hybridmoleküls während der Translation eingesetzt und liegt diese im Gemisch mit der natürlichen Codon-spezifischen, Aminosäure-beladenen tRNA vor, wird eine bestimmte mRNA, soweit sie an definierten Positionen innerhalb ihrer kodierenden Sequenz dieses Codon ein- oder mehrmals aufweist, während der Translation in ein Peptid charakteristischer Länge oder ein Peptidgemisch aus Peptiden von charakteristischer Länge überführt. Anzahl und Länge der entstehenden Peptide ist aufgrund der Codon-Sequenz ihrer kodierenden mRNA vorhersagbar. Umgekehrt ist es möglich, einem so erzeugten Gemisch aus Peptiden mit jeweils charakteristischer Länge (z.B. detektierbar nach Gelanalyse in Form eines Fragmentmusters), evtl. in Kombination mit weiteren physikalisch-chemischen Charakteristika (z.B. Isolelektrischer Punkt, nach Bestimmung über 2-D-Gelelektrophorese) eine bestimmte kodierende Sequenz zuzuordnen. Dies geschieht durch den Vergleich des experimentell zu beobachtenden Ergebnisses mit den aus Sequenzen ableitbaren Ergebnissen - i.d.R. mit Hilfe einer computergestützten Analyse.
Die Herstellung von Codon-arretierten Translationskomplexen mittels der erfindungsgemäßen Peptidakzeptor/tRNA-Hybridmoleküle läßt sich in vitro beispielsweise unter Verwendung von unterschiedlichen translationskompetenten Lysaten erreichen, beispielsweise mit Reticulozytenlysat aus Kaninchen, E. coli- Extrakten, bspw. E. coli S30-Extrakt, einem Lysat aus Hefezellen oder einem Extrakt aus Weizenkeimen.
Erfindungsgemäß werden hierbei bevorzugt weitere Modifikationen der Zelllysate bzw. ihrer Ursprungszellen durchgeführt, die zu einer Inaktivierung der Release Faktor-Aktivität führen, beispielsweise
1.) Inaktivierungen in Folge einer Abreinigung der Release Faktoren aus dem Lysat, 2.) Inaktivierungen in Folge einer inaktivierenden Liganden-Bindung (z.B. Anbindung eines Antikörpers) oder 3.) Inaktivierungen in Folge der Verwendung von induzierbar inaktivierbaren
Mutanten des Release Faktors (z.B. durch Temperaturshift inaktivierbare ts-
Mutante des Release-Faktors bzw. der Release Faktoren).
Abbildungen
Abb. 1 : Schematische Übersicht über den Aufbau eines Peptidakzeptor-tRNA- Hybridmoleküls.
Abb. 2: Schematische Übersicht über die strukturelle Analogie zwischen Puromycin, Puromycin-Suppressor-tRNA und einer Tyrosin-beladenen tRNA (obere Bildhälfte), sowie über die Wirkung von Puromycin (untere Bildhälfte, links) bzw. von Puromycin- Suppressor-tRNA (untere Bildhälfte, rechts).
Abb. 3: Schematische Übersicht über den Verlauf einer in vitro Selektion unter Nutzung von nicht-kovalenten Fusionen aus mRNA/Puromycin-Suppressor- tRNA/Polypeptid/Ribosom-Komplexen, die sich durch Translation in Gegenwart von Puromycin-Suppressor-tRNA herstellen lassen.
Abb. 4: Schematische Übersicht über den Ablauf der Methoden zur Erzeugung einer 3'-UTR- und Stopp-Codon-freien mRNA.
1A) Mit Hilfe einer 3'->5'-Exoribonuklease läßt sich an einem Stopp-Codon- spezifisch arretierten Translationskomplex der 3'-UTR-Bereich der kodierenden RNA von seinem 3'-Ende bis in die Nähe des Stopp-Codons abbauen. 1 B) Der in 3'-Richtung vom Ribosomenkomplex (Stopp-Codon-spezifisch arretiert) gelegene Bereich der kodierenden RNA läßt sich beispielsweise durch Reverse Transkriptase in ein DNA/RNA-Hybrid überführen. Anschließend kann dieser RNA- Bereich z.B. mit Hilfe von RNase H degradiert werden.
Abb. 5: Herstellung von Puromycin-Suppressor-tRNA.
A) Schematische Übersicht über die erforderlichen methodischen Schritte zur Herstellung der Puromycin-Suppressor-tRNA.
B) Analyse des T4-RNA-Ligase-Reaktionsansatzes über ein 10%iges Harnstoff- TBE-Polyacrylamidgel vor (Spur 1) bzw. nach (Spur 2) Zugabe der T4-RNA- Ligase und 45-minütiger Inkubation bei 16°C. Die aufgetrennten RNAs wurden duch UV-Shadowing sichtbar gemacht. Wie dargestellt, läßt sich in Folge der erfolgreichen Kopplung von 5'-Phosphat-rC-rC-Puromycin an Suppressor-tRNA(- 3) ein Größen-Shift der tRNA im Gel nachweisen.
Im folgenden werden einige Ausführungsformen der Erfindung beispielhaft erläutert.
Ausführungsbeispiele
Herstellung einer Puromycin-Suppressor-tRNA:
Die Herstellung einer Puromycin-Suppressor-tRNA (Puro-Sup-tRNA) läßt sich beispielsweise in folgende methodische Schritte gliedern:
1.) Polymerase Ketten Reaktion (PCR) zur Herstellung einer DNA-Matrize
2.) In vitro Transkription der DNA-Matrize und Aufreinigung des
Transkriptionsproduktes (Suppressor-tRNA(-3), 3'-terminal um 3 Nukleotide verkürzte Suppressor-tRNA) über ein 10%iges, denaturierendes Harnstoffgel 3.) Generierung von Puromycin-Suppressor-tRNA durch Kopplung von 5'-Phosphat-
C-C-Puromycin-3' mit dem 3'-termina!en Ende der Suppressor-tRNA(-3) unter katalytischer Wirkung der T4-RNA-Ligase.
Zu 1.) Polymerase-Kettenreaktion (PCR) zur Herstellung einer DNA-Matrize: 4 pmol der Sequenz 5 '-cgc tgc agt aat acg act cac tat agg ggc tat agc tca gct ggg aga gcg ctt gcc tct aaa gca aga ggt cag egg ttc gat ccc gct tag ccc cac cgc ggc gtc cat cca-3' (in einer Endkonzentration von 4 nM) wurden zusammen mit 1 μM des 5'- Primers 5'-aga ggg tac cgc tgc agt aat acg act cac-3' und 1 μM des 3'-Primers 5'- tgg ggc taa gcg gga tcg-3' in einer Polymerase-Ketten-Reaktion mit 0.625 mM dNTPs (jeweils), 10 mM Tris-HCI (pH 8.8 bei 25°C), 50 mM KCI, 0.8% Nonidet P40, 1.5 mM MgCI2 und 0.025 U/μl Taq-Polymerase (Promega) unter Anwendung des folgenden Temperaturprogramms amplifiziert: 1 min 95°C; 21x (0.5 min 95°C; 0.5
min 53°C; 0.5 min 72°C); 2 min 72°C. Zur Kontrolle des PCR-Produktes wurden 10 μl der PCR-Reaktion über ein 2%iges TBE-Agarosegel analysiert.
Zu 2.) In vitro Transkription zur Herstellung von Sup-tRNA(-3): Das ungereinigte PCR-Amplifikat wurde unter Verwendung des T7- MEGAshortscript™ (Ambion, #1354) entsprechend den Empfehlungen des Herstellers (7.5 mM ATP, 7.5 mM CTP, 7.5 mM GTP, 7.5 mM UTP, 1x T7 Reaktionspuffer, 1/10 Vol T7-Enzym-Mix) über 10 Std. bei 37°C in vitro transkribiert. Anschließend wurde das Reaktionsgemisch für weitere 15 min mit RNase-freier DNAse I (in einer Endkonzentration von 0.1 U/μL; Ambion) bei 37°C inkubiert. Zur Aufreinigung der gebildeten Sup-tRNA_3 wurde der in vitro Transkriptionsansatzs mit 1 Vol Urea-Ladepuffer (8.3 M Urea, 50 mM EDTA) versetzt und nach Hitzedenaturierung (Ansatz erst 3 min bei 75°C, anschließend sofort auf Eis inkubieren) über präparative 10%ige Hamstoff-TBE -Polyacrylamidgele aufgetrennt. Durch UV-Shadowing im Gel sichtbar gemacht wurde die Suppressor-tRNA(-3) enthaltende Gelbande ausgeschnitten und die RNA aus der zerkleinerten Gelbande mit 0.3 M Na-Acetat (pH 5.4) für mind. 1 Std. bei 40°C ausgeschüttelt und anschließend durch Ethanol-Präzipitation ausgefällt. Nach Waschen des RNA- Präzipitats mit 70%igem Ethanol wurde die RNA in 10 mM Tris-HCI (pH 8.0) resuspendiert und ihre Konzentration photometrisch bestimmt.
Zu 3.) T4-RNA-Ligase-Kopplung zur Generierung eines Puromycin-Suppressor- tRNA-Fusionsmoleküls:
Zur Herstellung von Puromycin-Suppressor-tRNA wurden 40 μM 5'-Phosphat-riboC- riboC-Puromycin-3' (Donor) mit 20 μM der Suppressor-tRNA(-3) (Akzeptor) in einer Ligationsreaktion mit 0.5 U/μL T4-RNA-Ligase (MBI-Fermentas), 0.02 mg/m! BSA (MBI-Fermentas), 10% DMSO, 50 mM HEPES-KOH (pH 8.3 bei 25°C), 10 mM MgCI2, 5.5 mM ATP für 45 min bei 16°C inkubiert. Zuvor wurde die Akzeptor-RNA Suppressor-tRNA(-3) für 5 min bei 85°C inkubiert und anschließend langsam auf Raumtemperatur abgekühlt, um die Ausbildung einer tRNA-spezifischen Sekundärdtruktur zu fördern. Die ligierte Puromycin-Suppressor-tRNA wurde durch Phenol/Chloroform-Extraktion und/oder Ethanol Präzipitation gereinigt.
Die Effizienz der Ligationsreaktion wurde durch Analyse über ein 10%iges Hamstoff- TBE-Polyacrylamidgel kontrolliert (vgl. Figur 5).
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