Verwendung eines Elektrodenarrays
Die vorliegende Erfindung beschäftigt sich mit Systemen zur Untersuchung von Regeneration, Synaptogenese und synaptischer Stabilität in biologischem Material, wie beispielsweise Zellen.
Die Erfindung steht ferner im Zusammenhang mit Verletzungen des Zentralen Nervensystems (ZNS) erwachsener Säugetiere, die beispielsweise durch Trauma, Ischämie oder neurodegenerative Krankheiten verursacht werden. Diese Verletzungen resultieren in schwerwiegenden und dauerhaften funktionalen Defiziten, die einer kurativen Behandlung bedürfen.
Es ist bereits bekannt, daß im Gegensatz zu dem sich entwik- kelnden ZNS oder zu peripheren Nerven ZNS-Axone zu einem be- stiiriirvten Punkt in der Entwicklung ihre Fähigkeit verlieren, nach Axotomie zu regenerieren. Es wird vermutet, daß sich dieser Verlust durch die nicht-permessive Umgebung des ZNS und durch für die adulten ZNS-Neuronen intrinsische Faktoren ergibt.
Behandlungen, die zur neuralen Regeneration führen können, umfassen die Gabe von Wirksubstanzen, wie beispielsweise Pharma- ka, oder die Anwendung von physikalischen Verfahren, wie beispielsweise eine Elektrostimulation.
Bisher ist kein zuverlässiges Verfahren bekannt, mit dem die Bewertung von derartigen Behandlungen, die zu neuronaler Regeneration führen können, im Rahmen eines Modellsystemes ermöglicht wird, das Langzeitaufzeichnungen der physiologischen Aktivität mit morphologischen Veränderungen korreliert.
Li et al-, Enthorinal Axons Project to Dentate Gyrus in Organo- typic Slice Co-culture, NEUROSCIENCE 1993, Band 52, Seiten 799- 813 beschreiben eine organotypische Kokultur von entorhinalem Cortex und postnatalem Hippocampus, der von seinem eigenen en- torhinalen Eingang freipräpariert worden ist. Die Autoren zeigen in diesem in vitro-System auf immunhistochemische Weise die Bildung von entorhinalen Projektionen in den kokultivierten Hippocampus, wozu die Schnitte angefärbt und unter einem Mikroskop ausgewertet wurden. Die Autoren zeigen auch einige wenige elektrophysiologische Daten, die mit einer Anregungselektrode aus Wolfram und einer Meßelektrode aus Glas gewonnen wurden.
Als Modellsystem für Langzeitaufzeichnungen ist das hier beschriebene Meßverfahren nicht geeignet.
Die Exklusivität der Verbindungen zwischen entorhinalem Cortex und Gyrus dentatus zeigen Li et al., Connectional Specification of Regenerating Entorhinal Projection Neuron Classes Cannot Be Overriden by Altered Target Availability in Postnatal Organotypic Slice Co-culture, EXPERIMENTAL NEUROLOGY, 1996, Band 142, Seiten 151-160, auf der anatomischen Ebene.
Baker et al., Chronic Blockade of Glutamate-mediated Bio- electric Activity in Long-term Organotypic Neocortical Explantε Differentially Effects Pyramidal/Non-pyramidal Dendritic Mor- phology, DEVELOPMENTAL BRAIN RESEARCH, 1997, Band 104, Seiten 31-39 zeigen Regeneration in einem anderen organotypischen Präparat, nämlich in Cortex-Cortex-Kokulturen. Auch hier wurden elektrophysiologische Daten unter Verwendung von Glas-Mikro- elektroden aufgenommen.
Nessler und Mass, Direct-current Electrical Stimulation of Ten- don Healing in vitro, CLINICAL ORTHOPAEDICS, 1987, Band 217, Seiten 303-312 berichten über die Möglichkeit, die Regeneration von Sehnen in vitro durch Gleichstrom zu stimulieren.
Darüber hinaus konnte Borgens, Electrically Mediated Regeneration and Guidance of Adult Mammalian Spinal Axons into Poly- meric Channels, NEUROSCIENCE, 1999, Band 91, Seiten 251-264 zeigen, daß ein extrazelluläres elektrisches Feld die Regeneration von Nervenfasern im adulten Säuger-Rückenmark fördert.
Der insoweit beschriebene Stand der Technik zeigt also prinzipielle Modellsysteme, die für die Untersuchung der Regeneration in biologischem Material geeignet sind; zuverlässige Langzeitmessungen der physiologischen Aktivität und deren Korrelation mit morphologischen Veränderungen lassen sich mit dem im Stand der Technik beschriebenen Meßverfahren jedoch nicht durchführen.
Die erst nach dem Prioritätstag der vorliegenden Anmeldung veröffentlichte WO 00/79273 A2 beschreibt ein Verfahren, bei dem Hippocampus-Gewebe auf einem Mikroelektrodenarray angeordnet wird, über das das Nervengewebe stimuliert und die unterschiedliche Reaktion auf verschiedene Psychopharmaka gemessen wird.
Vor diesem Hintergrund liegt der vorliegenden Erfindung die Aufgabe zugrunde, eine Möglichkeit zu schaffen, um Behandlungen, die zu neuraler Regeneration führen können, in einem Modellsystem zu bewerten, das Langzeitaufzeichnungen der physiologischen Aktivität mit morphologischen Veränderungen korre- liert .
Diese Aufgabe wird erfindungsgemäß gelöst durch die Verwendung eines Elektrodenarrayε, um in biologischem Material eine durch Wirksubstanzen oder physikalische Verfahren geförderte Regeneration zu untersuchen, wobei als Elektrodenanordnung vorzugsweise eine Mikroelektrodenanordnung eingesetzt wird.
Die Erfinder der vorliegenden Anmeldung haben erkannt, daß sich in diesem Zusammenhang insbesondere organotypische Kulturen und Kokulturen von Gewebe des Zentralen Nervensystems dazu einsetzen lassen, die Entstehung und Regeneration von Verknüpfungen
zwischen Zellen funktionell zu messen und die Wirkung von Phar- makagaben oder physikalischen Verfahren zur Aktivierung von Zellfunktionen zu untersuchen.
Unter Förderung der Regeneration wird im Rahmen dieser Anmeldung sowohl die Bewirkung als auch die Unterstützung der Regeneration verstanden.
Die Erfinder haben ferner erkannt und nachgewiesen, daß sich allgemein Elektrodenarrays, insbesondere Mikroelektrodenarrays, die z.B. beschrieben sind in Egert et al., A Novel Organotypic Long-term Culture of the Rat Hippocampus on Substrate Integra- ted Multielectrode Arrays, BRAIN RESEARCH PROTOCOLS, 1998, Band 2, Seiten 229-242, besonders gut für eine Langzeitmessung in derartigen Systemen eignen.
Durch Kombination organotypischer Kokulturen mit extrazellulärer Mikroelektrodenaufnahmetechnologie kann nämlich die Entwicklung neuer Verknüpfungen und ihre regenerative Fähigkeit auf einer funktioneilen Ebene in derselben Kultur für Tage bis Wochen wiederholend überwacht werden.
Organotypische Kulturen stellen in diesem Zusammenhang eine gute Alternative zu Tierversuchen für die Bearbeitung von Fragestellungen im Bereich der Regeneration dar. Das Kokulturmodell von Gyrus dentatus und entorhinalem Cortex bietet dabei eine günstige Ausgangsbasis. Aus der einleitend beschriebenen Literatur ist zu entnehmen, daß dieses Kokulturmodell in der Literatur gut morphologisch charakterisiert ist, wobei ferner die Analogie zur in vivo Situation nachgewiesen wurde. Elektrophysiologische Daten aus der Literatur sind jedoch kaum verfüg-
bar, diese Daten können jetzt durch die erfindungsgemäße Verwendung des Mikroelektrodenarrays (im folgenden: MEA) bereitgestellt werden. Dabei ist weiter von Vorteil, daß zwischen den beiden Geweben eine einfache, monosynaptische Verschaltung mit klar definiertem Ausgangs- und Endpunkt besteht.
Zwischen dem Gyrus dentatus und dem entorhinalen Cortex existiert ein in der Literatur gut beschriebener perforant path- way, der durch diese monosynaptische Verschaltung teilweise dargestellt wird.
Die Erfinder der vorliegenden Anmeldung haben nun erstmals erkannt, daß es unter Einsatz von Mikroelektrodenarrays möglich ist, die Generation eines zuvor experimentell unterbrochenen perforant pathways sowohl während der juvenilen Phase, wo Regeneration auch im Zentralen Nervensystem noch relativ leicht möglich ist, als auch im ausdifferenzierten Zustand zu untersuchen. Die Verwendung der MEA-Technologie in Verbindung mit der beispielhaft erwähnten organotypischen Kultur bietet dabei die Möglichkeit, elektrophysiologisch die Aktivität über die gesamte Fläche eines Präparates über einen Zeitraum von Tagen und Wochen wiederholt zu bestimmen. Ebenso ist eine Elektrostimula- tion an reproduzierbar immer gleichen Stellen bei gleichzeitiger Ableitung in der gesamten restlichen Kokultur möglich, um eine Verbindung zwischen beiden Explantaten nachzuweisen.
Das erste Zusammenwachsen der Explantate geschieht dabei in der juvenilen Phase. Setzt man dann eine Läsion durch die neu entstandene Verbindung, nachdem die Kokultur einen ausdifferenzierten Zustand erreicht hat, so kann die Regeneration auch im adultähnlichen Zustand untersucht werden.
Bei einer derartigen Langzeitüberwachung von 17 abgeleiteten Kokulturen auf einem MEA mit Elektroden, die einen Abstand von 200 μm und einen Durchmesser von 30 μm hatten, konnte gezeigt werden, daß zwölf dieser Kokulturen wieder zusammengewachsen waren. Sieben dieser zusammengewachsenen Kokulturen wurden lä- sioniert, wovon vier nach der Läsion noch vital waren.
Es konnte in einem Versuch gezeigt werden, daß bei Einsatz von FK506, einem Immunosuppressor, eine Kokultur den perforant pa- thway regenerierte.
Dies stellt nicht nur einen Test für das regenerative Potential der differenzierten Neuronen dar, vielmehr kann auch das regenerative Potential von Pharmaka und von physikalischen Verfahren zur Aktivierung von Zellfunktionen, z.B. durch funktioneile elektrische Stimulation, getestet werden. Dies kann beispielsweise durch direkte elektrische Stimulation oder das Anlegen eines elektrischen oder elektromagnetischen Feldes erfolgen, was ebenfalls mit Hilfe eines MEA durchgeführt werden kann.
Erfindungsgemäß werden die Pharmaka oder Wirksubstanzen dabei ausgewählt aus der Gruppe: organische oder chemische Verbindungen sowie biologisch aktive Substanzen, wie beispielsweise Pep- tide, Proteine, Nukleinsäuren, wobei das biologische Material sowohl juvenile Zellen als auch Zellen im adultähnlichen Zustand umfassen kann.
Durch die erfindungsgemäße Verwendung kann jetzt die Regeneration von interzellulären Verknüpfungen, die funktioneile Verschaltung oder Wiederverschaltung zwischen Neuronen, ein zeitlicher Verlauf von entstehenden Verknüpfungen oder Wiederver-
Schaltungen sowie die Regeneration von bezüglich ihrer interzellulären Verknüpfungen geschädigten Zellen untersucht werden.
Erfindungsgemäß kann ferner an Kulturen und Kokulturen die Regeneration wiederholt über einen längeren Zeitraum von vorzugsweise mehr als einer Woche beobachtet werden. Ferner ist es möglich, die Reaktionen von Rezeptorsystemen auf die Gabe von Wirkstoffen zu untersuchen.
Vor diesem Hintergrund betrifft die Anmeldung auch ein Verfahren zur Untersuchung von Pharmakawirkung auf das Regenerationspotential von funktioneilen Verschaltungen in Kulturen, bei dem ein Elektrodenarray vorzugsweise wie oben beschrieben verwendet wird.
Dabei ist es zunächst notwendig, pharmakologisch zu überprüfen, welche Rezeptorsysteme in der Kokultur bspw. für die Verknüpfung vom entorhinalen Cortex in den Gyrus dentatus wichtig sind. Dazu muß die Wirkung von Antagonisten der verschiedenen potentiell relevanten Rezeptoren auf die Aktivität in zusammengewachsenen Kokulturen getestet werden.
Es versteht sich, daß die vorstehend genannten und die nachstehend noch zu erläuternden Merkmale nicht nur in der jeweils angegebenen Kombination, sondern auch in anderen Kombinationen oder in Alleinstellung verwendbar sind, ohne den Rahmen der vorliegenden Erfindung zu verlassen.
Weitere Vorteile ergeben sich aus den folgenden Ausführungs- beispielen und im Zusammenhang mit der Zeichnung, in der:
Fig. 1 eine schematische Darstellung der in vivo Situation zwischen entorhinalem Cortex (ec) und Gyrus dentatus (dg) zeigt;
Fig. 2 die Präparation von Kokulturen auf einem Mikro- elektrodenarray zeigt;
Fig. 3 die elektrische Stimulation an Kokulturen wie in Fig. 2 zeigt;
Fig. 4 die Wiederherstellung von funktionalen Verbindungen in einer Kokultur wie in Fig. 2 zeigt; und
Fig. 5 die elektrische Stimulation elektrogener Zellen im Zellverband auf einem MEA zeigt.
Beispiel 1 : Messungen an einer Kokultur
Fig. 1 ist eine schematische Zeichnung der in vivo-Situation zwischen entorhinalem Cortex (ec) und Gyrus dentatus (dg). Mit pp ist ein Teil des perforant pathways gezeigt, der während der Präparation an der gestrichelt dargestellten Linie geschnitten wird. CA1 und CA3 bezeichnen Felder des Hippocampus.
Schnitte von entorhinalem Cortex und Gyrus dentatus, die 6 bis 7 Tage alten Wistar-Ratten oder BalbC-Mäusen entnommen wurden, wurden auf einem Mikroelektrodenarray von 60 substrat-inte- grierten Elektroden kultiviert. Die Elektroden hatten einen Ab-
stand von 200 μm und einen Durchmesser von 30 μm. Die Stimulation der Schnitte und die Aufzeichnung der elektrophysiologi- schen Aktivität wurde durch die Verwendung eines MCS-Verstär- kers und eines Daten-Akquisitionssystems (Multi Channel Systems, Deutschland) erzielt, das die Verwendung jeden Kontakts als Stimulations- oder AufZeichnungselektrode ohne Manipulation des Schnittes ermöglicht. Die Daten wurden online von allen 60 Kanälen bei einer Abtastfrequenz von 25 kHz/Kanal aufgezeichnet .
Fig. 2 zeigt eine derartige Präparation der Kokulturen, für die horizontale Gehirnschnitte (425 μm) verwendet wurden. Von den Gehirnschnitten wurden der entorhinale Cortex-Teil und der korrespondierende Gyrus dentatus abgetrennt, die den Ursprung und das Zielgewebe eines Teils des preferant pathways repräsentieren. Die Schnitte, die während der Präparation gemacht wurden, sind in Fig. 2a gestrichelt dargestellt.
Die beiden Explantate wurden dann ähnlich der in vivo-Situation auf einem Mikroelektrodenarray mit einem 8x8-Feld von extrazellulären Elektroden positioniert. Fig. 2b zeigt eine Kokultur unmittelbar nach Präparation.
Beginnend vom siebten Tag in vitro (DIV7), wurden alle drei Tage sowohl die gesamte spontane Aktivität der Kokulturen als auch die Reaktion auf extrazelluläre elektrische Stimulation der Schicht II des entorhinalen Cortex und des Stratum granulo- sum des Gyrus dentatus überwacht.
Zusätzlich markierte Dil-Färbung ( 1 , l-Dioctadecyl-3 , 3 , 3 , 3- Tetramethylindocarbocyanin perchlorat; Honig and Hume, Fluores- cent Carbocyanine Dyes Allow Living Neurons of Identified Ori- gine to be Studied in Long-term Cultures, J. CELL. BIOL. 1986, Band 103, Seiten 171-187) des dg retrograd die Zellen in Schicht II des ec .
Fig. 3 zeigt die extrazelluläre Stimulation einer Kokultur von ec und dg, wobei Fig. 3a die Morphologie der Kokultur nach 7 Tagen in vitro (DIV7) angibt. Fig. 3b zeigt die Reaktion an allen MEA-Elektroden nach elektrischer Stimulation in Schicht II- III des ec (80 μA, 150 μs).
Die funktioneile Wiederherstellung von Verbindungen in kokultivierten Explantaten von dg und ec juveniler Ratten oder Mäuse ist in Fig. 4 gezeigt. Nach 7 Tagen in vitro ist es möglich, Aktivität in dem dg über elektrische Stimulation in dem ec hervorzurufen (Fig. 4a), nicht aber umgekehrt (Fig. 4b). Dies korrespondiert mit der in vivo-Situation in der ec-Schicht II- Zellen in den dg projizieren.
Von 112 untersuchten Kulturen zeigten 85 diese einseitig gerichtete Verbindung, 20 eine beidseitige Verbindung und 7 gar keine Verbindung.
Aus diesen Ergebnissen kann gefolgert werden, daß unabhängig vom Verlust des intermediären subikularen Gewebes die Axone des entorhinalen Cortex korrekte und funktioneile Verknüpfungen mit dem Gyrus dentatus ausbilden, die dem in vivo bekannten perforant pathway ähnlich sind. Es ist unwahrscheinlich, daß die beobachteten Verknüpfungen aus unspezifischem axonalem Sprießen
entstammen, denn die dg-Axone zeigen ebenfalls extensiven Auswuchs aus dem Explantat, stellen aber keine funktionellen Verknüpfungen mit dem Cortex her.
Die so etablierte, verknüpfte Kokultur entwickelt sich jetzt in vitro zu einem adultähnlichen Stadium, woraufhin die neu hergestellten Verbindungen dann lädiert werden.
An diesen Läsionen kann dann das regenerative Potential der differenzierten Neuronen sowie die Förderung, also Bewirkung oder Unterstützung der Regeneration durch Pharmaka oder physikalische Verfahren, getestet werden.
Beispiel 2 : Untersuchungen bei verschiedenen Stufen der Regeneration
Neuritenwachstum:
Neuroproduktive oder regenerationsfordernde Stoffe, die direkt auf die Ausgangszellen in Schicht II des ec wirken, können eine Regeneration des bereits einmal in vitro etablierten pathways ermöglichen, die im ausdifferenzierten Zustand normalerweise nicht möglich ist.
Hier besteht die experimentelle Möglichkeit, nach Läsion beispielsweise FK506 ins Kulturmedium zu applizieren. Dabei ist wichtig, daß die Kultur ein ausreichendes Alter erreicht hat, um entwicklungsbedingtes Wachsen der Neuriten auszuschließen. Dies ist nach DIV7 oder älter der Fall.
Zielfindung
Die durch den Neuropilin I-Rezeptor vermittelte repulsive Wirkung von Semaphorin III trägt mit hoher Wahrscheinlichkeit zur korrekten, zielgerichteten Verschaltung von dg und ec bei.
Experimentell besteht die Möglichkeit, mit me brangängigen Pep- tiden die fragliche Signalkaskade zu hemmen und die Semaphorin III-Wirkung zu unterbinden. Die Peptide werden direkt nach Präparation ins Kulturmedium gegeben, so daß eine Läsion nicht erforderlich ist.
Svnaptoqenese
Es hat sich ergeben, daß für die korrekte Anordnung der Rezeptoren und anderen Membranproteine in der Synapse die Interaktion mit intrazellulären Proteinen essentiell ist. Viele dieser intrazellulären Proteine teilen ein gemeinsames Motiv, die sogenannte PDZ-Bindungsstelle, mit der sie an die Membranproteine binden. Die funktionelle Relevanz dieser Interaktionen ist noch weitgehend unbekannt, sie läßt sich jedoch mit dem hier beschriebenen Meßverfahren untersuchen.
Auch hier läßt sich die Interaktion der Rezeptoren mit den PDZ- Proteinen durch membrangängige PDZ-Antagonisten hemmen, was während des Zusammenwachsens oder danach erfolgen kann. Dies bietet die Möglichkeit, an einem Schnitt die Situation vorher/ nachher zu vergleichen (interne Kontrolle).
Beispiel 3: Immunhistochemische und elektrophysiologische Untersuchung
Organotypische kortikale Kokulturen (350-425 μm dick, vom Neo- cortex) wurden von drei bis sieben Tage alten Wistar-Ratten jeden Geschlechts präpariert und in vitro unter Verwendung der Roller-Tube-Technik aufrechterhalten; siehe hierzu Gähwiler, Organotypic Monolayer Cultures of Nervous Tissue, J. NEURO- SCIENCE METHODS, 1981, Band 4, Seiten 329-342. Die Kokulturen wurden für bis zu 35 Tage entweder auf Glasdeckgläschen oder auf Mikroelektrodenarrays in Medium wachsen gelassen, das 50 % basisches Eagle-Medium, 25 % Hanks-gepufferte Salzlösung, 25 % Pferdeserum, 33 mM D-Glukose und 1 mM L-Glutamin enthielt. Das Medium wurde zweimal die Woche ausgetauscht, die Kokultur- Explantate mit variierten Orientierungen und variierten Abständen (0 bis 500 μm) zueinander plaziert.
Die auf Glasdeckgläschen kultivierten Explantate wurden in gepuffertem 4%igem Paraformaldehyd für zwei Stunden fixiert, gewaschen, in gepuffertem 0,l%igem Triton X-100 behandelt, wieder gewaschen und in l%igem bovinem Serumalbumin (BSA) und 0,l%igem Ziegenserum präinkubiert , um nicht-spezifische Bindung zu verhindern.
Die Kulturen wurden für 3 bis 9 Tage mit primärem Antikörper in l%iger gepufferter BSA-Lösung inkubiert. Nach vier- bis fünftägigem Waschen in Puffer wurden die Kulturen mit einem sekundären Antikörper (Ziegen-Anti-Maus IgG, CY3 ) für drei bis fünf Tage inkubiert und hinterher für vier bis fünf Tage gewaschen. Die Explantate wurden auf Objektträger gebracht, auf Fluoreszenz betrachtet und fotografiert. Die Kontrollen bestanden aus
Explantaten, die nur mit dem sekundären Antikörper inkubiert wurden. Primäre Antiseren (Boehringer, Mannheim) waren monoklo- nale Antikörper, die zu Arbeitslösungen von 0,5 μg/m und 1 μg/ml für Anti-GAP-43 bzw. Synaptophysin verdünnt wurden.
Nissl-Färbungen wurden verwendet, um die Morphologie der Explantate zu beurteilen. Die Kokulturen wurden fixiert, dehydriert, in Toluidin-Blau gefärbt, auf Objektträger gebracht und fotografiert.
Die auf Mikroelektroden-Arrays kultivierten Explantate wurden zu verschiedenen Zeitpunkten bezüglich spontaner elektrischer Aktivität aufgezeichnet, frühestens nach 4 DIV (Tage in vitro ) bis spätestens 35 DIV in normalem Kulturmedium bei einer Temperatur von 35 °C. Unter Verwendung eines Multikanal-Aufzeich- nungssystemes konnten die 60 Mikroelektroden simultan aufgezeichnet werden, wodurch es möglich wurde, in den Kokulturen korrelierte Aktivität zu testen. Dabei zeigte sich die Wiederherstellung funktioneller Verknüpfungen zwischen den Explantaten. Die Elektroden hatten Impedanzen von 100 bis 300 kΩ (bei 1 kHz), einen Abstand von 500 μm und einen Durchmesser von 10 μm. Die Aktivität wurde bei 10 bis 25 kHz pro Kanal aufgezeichnet, gespeichert und offline bezüglich Latenz analysiert.
Während die Explantate mit Karbogen-äquilibriertem ACF, bestehend aus (jeweils in ml/1) 125 NaCl, 3,5 KC1, 1,3 MgS04, 1,2 KH2P04 , 2,4 CaCl2, 26 NaHC03, 10 Glukose (pH 7,4), bei einer Durchflußrate von ungefähr 0,5 ml/min perfundiert wurden, wurde die Neuronensensitivität auf verschiedene Kanalblocker und Re- zeptor-Agonisten und -Antagonisten getestet. Die Explantate wurden nach den pharmakologischen Experimenten verworfen.
Fig. 5 zeigt eine elektrische Stimulation elektrogener Zellen im Zellverband auf einem Mikroelektrodenarray, wie es bei den hier beschriebenen Versuchen eingesetzt wurde. Fig. 5a zeigt einfache Antworten in einer organotypischen Hippocampuskultur nach 17 Tagen in vitro bei monopolarer elektrischer Stimulation über die mit einem Stern gekennzeichnete MEA-Elektrode . Stimulationsartefakte sind nicht gezeigt.
Fig. 5b zeigt eine Langzeitstimulation über mehr als eine Stunde, bei der auf den verschiedenen Elektroden gleichmäßige Antworten erhalten wurden. Jede Säule zeigt die Amplitude der Reizantwort auf Stimuli, die alle 60 Sekunden bei der mit Stern gezeigten Elektrode appliziert wurde.
Beispiel 4 : Testen von FK506
FK506 - ein Immunosuppressor -, für den gezeigt wurde, daß er neuroprotektive und neuroregenerative Effekte im zentralen und peripheren Nervensystem hat (Brecht und Herdegen, 1999, Der neue 'Dreh': Hemmung von FKBP-Rotamasen als neuroregeneratives und neuroprotektives Prinzip, Neuroforum 5:36-43), wurde zum Kulturmedium bei 0 DIV in einer Konzentration von 50 nM zugegeben und mit jedem Austausch des Kulturmediums bis 14 DIV wieder verabreicht. Die Kokulturen wurden auf korrelierte Aktivität getestet, und der prozentuale Anteil der Explantate, der innerhalb einer gesamten Gruppe der behandelten Explantate Korrelation zeigte, wurde mit Kontroiläufen verglichen, bei denen kein Explantat mit dem Wirkstoff behandelt wurde.
In der unbehandelten Kontrolle (n = 28) zeigten sich nach 14 Tagen in vitro bei ca. 60 % eine korrelierte Aktivität, während
sich bei den mit FK506 behandelten Explantaten (n = 18) eine korrelierte Aktivität von nahezu 90 % nachweisen ließ. Unter "korrelierter Aktivität" wird in diesem Zusammenhang die Regeneration von funktioneilen Verbindungen zwischen den Schnitten verstanden.