DE19528662C2 - Interphase-Kultur auf Multifunktionsarray (MFA) - Google Patents
Interphase-Kultur auf Multifunktionsarray (MFA)Info
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Description
Im Bereich der Grundlagenforschung, vor allem aber in der angewandten Pharmakologie,
Toxikologie und Neurophysiologie sowie Arzneimittelentwicklung könnten erhebliche Zeit-
und Kosteneinsparungen erreicht werden, wenn biologisch-technische Analysesysteme zur
Verfügung ständen, die a) die Quantität (Probendurchsatz, Zahl der Meßpunkte) und b) die
Qualität (Aussagekraft, biologische Relevanz) wesentlich verbessern würden.
Am Beispiel der Neuropharmakaforschung sollen diese Aspekte verdeutlicht werden.
Hierbei geht es um die Frage, welchen Einfluß ein potentielles Medikament auf die
Funktion einzelner Nervenzellen hat, und wie sich dies auf die Leistung und
Kommunikation innerhalb eines verschalteten Nervennetzes auswirkt. Auf der höchsten
Komplexitätsebene können etwa durch Elektro-Encephalographie die summarischen
Wechselwirkungen zwischen Nervenzellen über Elektroden erfaßt werden, nicht aber die
Aktivitäten der Einzelzellen. Ein größeres Auflösungsvermögen wird erreicht durch intra-
und extrazelluläre Ableitungen einzelner Elektroden mittels der Patch-clamp und anderer
Techniken. Allerdings kann dadurch nur noch bedingt auf Gesamtwechselwirkungen
geschlossen werden. Verbesserungen im Sinne einer guten Detailauflösung bei
gleichzeitigem Erhalt des Gesamtüberblicks jedoch sind möglich durch Umgestaltung der
Meßapparaturen und Elektroden. Die Mikrostrukturtechnik erlaubt die Realisierung von
integrierten Schaltkreisen mit annähernd beliebiger Geometrie für die Gestaltung von
Multifunktionsarrays (MFA). Hierbei können auf einer größeren Fläche stark
miniaturisierte Elektroden in großer Dichte lokalisiert sein, so daß die neuronale Aktivität
von Nervennetzen bei gleichzeitiger Erfassung der Einzelzellaktivität möglich ist
(Hämmerle et al., 1994).
Diese technische Verbesserung kann nur dann in vollem Umfang genutzt werden, wenn sie
erfolgreich mit einem relevanten biologischen System gekoppelt wird. Bisher ist diese
Kopplung über einen längeren Zeitraum mit intaktem Nervengewebe nicht gelungen. Für
die Pharmakaentwicklung stehen zunächst in vitro-Untersuchungen im Vordergrund. Die
Kultivierung von intaktem Nervengewebe wird wesentlich erschwert dadurch, daß die
Sauerstoff-Versorgung von Zellen in einem Gewebeverband mangelhaft ist und schnell zum
Absterben der Nervenzellen führt. So konnte intaktes Nervengewebe wegen limitierter
Nährstoffversorgung nur kurz (wenige Stunden) auf einem MFA am Leben erhalten werden
(Novak et al., 1988; Meister et al., 1991, Hämmerle et al., 1994). Kultivierung von
Gewebefragmenten über längere Zeiträume ist in sogenannten Rollkulturen möglich
(Gähwiler, 1988; Bolz et al., 1990), wobei jedoch die Integration der MFA-Technologie
bisher nicht berücksichtigt wurde. Statt Gewebefragmenten können auch Einzelzellen
eingesetzt werden. Zur Kultivierung von isolierten Nervenzellen müssen diese jedoch aus
ihrem natürlichen Verband herausgerissen werden. Das Isolieren von Nervenzellen zerstört
augenblicklich die natürlichen Kommunikationsgeflechte der Zellen untereinander, womit
auch viele für die Pharmakaprüfung wichtige Leistungsfunktionen verloren gehen. Zudem
verlieren Nervenzellen u. U. wichtige Eigenschaften, da Genexpression und damit zellulärer
Differenzierungszustand von der natürlichen Umgebung beeinflußt werden.
Eine entwicklungstechnische Weiterentwicklung wäre demnach, einen Multifunktionsarray
mit einem in-vitro-System zu kombinieren, das 1) Nervenzellen über lange Zeit am Leben
erhält, 2) die natürlichen Kommunikationsnetze zwischen den Nervenzellen intakt beläßt
und 3) eine Multielektroden-gestützte Erfassung der neuronalen Aktivität z. B. unter dem
Einfluß eines Pharmakons über lange Testzeiten erlaubt.
Bolz, J., Novak, N., Götz, M. und Bonhoeffer, T. (1990). Formation of target-specific
neuronal projections in organotypic slice cultures from rat visual cortex. Nature 346, 359-
362.
Hämmerle, H., Egert, U., Mohr, A., Nisch, W. (1994). Extracellular recording in neuronal networks with substrate integrated microelectrode arrays. Biosensors & Bioelectronics 9, 691-696.
Gähwiler, B. H. (1988). Organotypic cultures of neural tissue. Trends in Neuroscience 11, 484-489.
Meister, M., Wong, R. O. L., Baylor, D. A., Shatz, C. J. (1991). Synchronous brusts of action potentials in ganglion cells of the developing mammalian retina. Science 252, 939- 943.
Nowak, J. L. und Wheeler, B. C. (1988). Multisite hippocampal slice recording and stimulation using a 32 element microelectrode array. Journal of Neuroscience Methods 23, 149-160.
Hämmerle, H., Egert, U., Mohr, A., Nisch, W. (1994). Extracellular recording in neuronal networks with substrate integrated microelectrode arrays. Biosensors & Bioelectronics 9, 691-696.
Gähwiler, B. H. (1988). Organotypic cultures of neural tissue. Trends in Neuroscience 11, 484-489.
Meister, M., Wong, R. O. L., Baylor, D. A., Shatz, C. J. (1991). Synchronous brusts of action potentials in ganglion cells of the developing mammalian retina. Science 252, 939- 943.
Nowak, J. L. und Wheeler, B. C. (1988). Multisite hippocampal slice recording and stimulation using a 32 element microelectrode array. Journal of Neuroscience Methods 23, 149-160.
Zum Verständnis biologischer Abläufe und ihrer technischen Nutzbarmachung sind in vitro-
Systeme von größtem Interesse, die eine umfangreiche Manipulierbarkeit und effiziente
Analytik erlauben und gleichzeitig Zellen in einer weitgehend natürlichen Umgebung
halten.
Ziel muß es also sein, ein Kultursystem zu etablieren, das 1) intelligente Analyse- und
Manipulationsfähigkeiten ermöglicht, die in das Kultursystem integriert sind, und 2) eine
optimale Kultivierung mit ausreichender Versorgung der Zellen und des Gewebes mit
gelösten und gasförmigen Nährstoffen gewährleistet. Das erfindungsgemäße Verfahren sind
Interphase-Kulturen auf Multifunktionsarrays. Beim Interphase-Kultur Typ I wird Gewebe
stationär an der Grenzfläche zwischen Luft und Nährmedium gehalten. Beim Typ II wird
das Gewebe zwischen den beiden Phasen hin- und herbewegt.
Dazu werden z. B. mittels Photolithographie hergestellte Elektrodenarrays auf planaren
Glas- bzw. Siliziumoberflächen oder flexiblen Trägermaterialien als Untergrund verwendet.
Die Leiterbahnen dieser Arrays sind isoliert, während die Enden inner- und außerhalb des
Kulturbereichs offen zugänglich sind. Die inneren Leiterbahnen werden als Elektroden
konfiguriert. Auf die Arrays aufgebrachte lebende Zellen können somit während der
Kulturzeit elektrisch über die Elektroden stimuliert werden, ohne daß zusätzlich externe
Elektroden eingeführt werden müßten. Gleichzeitig kann die elektrische Aktivität der Zellen
fortlaufend verfolgt werden. Die außerhalb des Kulturbereichs plazierten Leiterbahnenden
werden für diese Zwecke mit einem Aufzeichnungsgerät/Verstärker bzw. einem
elektrischen Impulsgeber verbunden. Die Elektroden können kleiner 0,0001 mm2 sein, so
daß Tausende von Elektroden innerhalb eines Kulturgefäßes Platz finden. Damit ist eine
ausgezeichnete räumliche Auflösung möglich, die z. B. beim Einsatz von Nervengewebe von
großer Bedeutung ist. Daneben kann der mögliche Zeitraum von Analysen sehr variiert
werden durch die Verbindung mit der Interphase-Kulturtechnik, die eine Kultivierung über
Wochen erlaubt. Entscheidend ist also die Integration der Meßsonden und
Eingangsanschlüsse direkt in das Kulturgefäß. Dies erlaubt eine online Analyse oder
Stimulation über viele räumlich getrennte Einzelpunkte.
Statt der skizzierten Elektroden können ebenso Meßfühler z. B. für Sauerstoff, den pH-
Wert, Glucose oder andere Parameter in den MFA integriert sein.
Bei der Interphasekultur-Technik werden Gewebe oder Zellen auf den Multifunktionsarrays
zwischen der Nährstofflösung und der Gasphase hin- und herbewegt. Alternativ wird das
biologische Material direkt an der Grenzschicht zwischen Gas- und Flüssigphase kultiviert.
Hierdurch wird eine sehr gute Versorgung mit Nährstoffen bei gleichzeitig optimalem
Gasaustausch garantiert. Diese Kulturbedingungen erlauben eine Langzeitkultivierung und
ermöglichen bei Kultivierung von Gewebefragmenten, daß die Gewebearchitektur und
damit natürliche Zell-Zell-Wechselwirkungen sehr gut erhalten bleiben.
Mit diesen Verfahren sind Kultursysteme geschaffen, in denen z. B. natürliche neuronale
Reaktionen zwischen den Zellen der Gewebefragmente ablaufen, die für zahlreiche
Anwendungen genutzt werden können wie das Neuropharmakascreening sowie die Testung
von Produkten auf deren theurapeutische Wirkung oder pathologische Nebenwirkungen.
Das erfindungsgemäße Verfahren beruht also auf der neuartigen Kombination zweier
Einzelelemente: MFA-Technologie und Interphase-Kulturen.
Erfindungsgemäß ist damit ein Verfahren zur Kultivierung von
Geweben oder Gewebekomponenten auf einem Multifunktionsarray
dadurch gekennzeichnet, daß die Gewebe oder Gewebekomponenten
entweder an der Grenze zwischen Gas- und Flüssigphase kulti
viert (Interphase-Kultur Typ I) oder im Wechsel in der Gas- und
der Flüssigkeitsphase gehalten (Interphase-Kultur Typ II) wer
den.
Vorteilhafte Weiterbildungen und Ausgestaltungen des Verfahrens
sind in den Unteransprüchen wiedergegeben.
Eingesetzt wird ein MFA, in diesem Falle ein photolitographisch hergestellter Chip auf
einer Glasplatte (5 cm × 5 cm) mit Goldleiterbahnen, die durch Siliziumnitrit isoliert sind.
Nur die Enden sind nicht isoliert. Von allen Bahnen ist jeweils ein 10 µm2 (Durchmesser)
breites Ende (innere Elektrode) in der Mitte des Glases plaziert, das andere (4 mm2) am
Glasrand. Auf die Glasplatte um die inneren Elektroden wird ein Glasring (Durchmesser 3 cm,
Höhe 2 cm) mit Schraubdeckel befestigt zur Herstellung eines Kulturgefäßes. Auf den
Chip wird ein 400 µm dicker Hirngewebeschnitt (Ratte, postnataler Tag 6) aufgelegt und
immobilisiert mittels eines Fibrinpfropfes (30 µl Thrombin mit 30 µl Huhnplasma). Das
Gewebe wird mit Testsubstanzen (RPMI-Medium/10% Kälberserum) inkubiert und
während der Kulturzeit langsam in einer Rolleinrichtung um 360° gedreht (10
Umdrehungen/Stunde), um einen ständigen Wechsel zwischen Gas- und Nährstoffphase zu
ermöglichen.
Nach definierten Kulturzeiten (1 Stunde bis 21 Tage) in Gegenwart unterschiedlicher
Konzentrationen von Testpharmaka wird das Gewebe samt Chip entnommen, steril in einen
mikroskopischen Meßstand eingespannt (in einer Laminarstrom-Sterilhaube) und über
einzelne Elektroden (100 kΩ Eingangsimpedanz bei 1 kHz) stimuliert (10 µA, 100 ms),
wobei gleichzeitig mittels Optical Recording (spannungssensitiver Farbstoff) als externem
Meßverfahren die Ausbreitung der elektrischen Aktivität innerhalb des Nervennetzes mittels
Datenverarbeitung vermessen wird (Kreuzkorrelationsanalyse der Aktivität auf
verschiedenen Elektroden). Anschließend kann das Gewebe zur histologischen Analyse
(Hematoxylin-Eosin) gefärbt oder weiterkultiviert werden. Hiermit lassen sich z. B.
Pharmaka identifizieren, die die überschießende Nervenaktivität bei der Epilepsie
reduzieren ohne die Hirnaktivität als Ganzes zu lähmen.
Verwendet wird ein Multielektroden-Array analog Beispiel 1, wobei die Oberfläche des
Arrays chemisch modifiziert wird, um ein geordnetes neuronales Netzwerk in vitro zu
etablieren. Mittels aktivierter Siliziumverbindungen werden in einem Mehrstufenverfahren
"Peptid-Leiterbahnen" auf der gesamten Oberfläche des Arrays aufgebracht. Hierzu werden
sequenziell 3 verschiedene Decapeptide unter Zuhilfenahme von vorgefertigten Masken
unter Ultraviolett-Bestrahlung kovalent an die Oberfläche angebunden (Photoaffinity
Labelling). Die Anbindung erfolgt geordnet, so daß die Bahnen/Areale sich zwar
kontaktieren, die Überlagerung zweier Peptide in einer Bahn aber vermieden, wird. Die
Bahn (Breite 10 µm, Länge 100 µm) von Peptid B stellt jeweils das Verbindungsstück
"zwischen den Peptidarealen von A und C dar (s. Abb. 1). Peptid A und C sind konzentrisch
in einem 5 µm breiten Ring um jeweils benachbarte Elektroden (Durchmesser 10 µm)
plaziert. Die Auswahl der synthetischen Decapeptide erfolgt an Hand ihrer biologischen
Aktivität: Peptid A erlaubt die Adhäsion von Körnerzellen, Peptid B erlaubt das
Auswachsen von Axonen der Körnerzellen, Peptid C erlaubt die Adhäsion von
Pyramidenzellen und das Auswachsen ihrer Dendriten. Auf das so vorstrukturierte Array
werden Zellen des Rattengehirns (Hippocampus, postnataler Tag 9) ausgesät und nicht
adhärierende Zellen nach 2 Stunden durch zweimaliges Spülen mit Kulturmedium
abgewaschen. Nach fünftägiger Kulturzeit (37°C; 5%CO2, synthethisches Bottenstein
Medium ohne Serumzusatz) hat sich eine geordnete neuronale monosynaptische Struktur
ähnlich der in vivo Situation herausgebildet: Körnerzellen auf Peptid A senden ihre Axone
über Peptid B und bilden an der Grenze zu Peptid C Synapsen mit den Dendriten der
Pyramidenzellen auf Peptid C.
Durch elektrische Stimulation über die Elektrode im Peptidareal A wird die Körnerzelle
aktiviert (initiale Depolarisation um 15 mV): dadurch wird ein Aktionspotential ausgelöst
und über das Axon fortgeleitet. Es kommt zur Neurotransmitterausschüttung an der
Synapse, wodurch die Dendriten der Pyramidenzellen aktiviert werden. Die Aktivierung
wird durch extrazelluläre Ableitung erfaßt im Bereich der Pyramidenzellkörper an der
zweiten Elektrode. Dem Kulturmedium werden Testpharmaka in unterschiedlichen
Konzentrationen zugegeben und analysiert, ob sie einen hemmenden oder aktivierenden
Einfluß auf die synaptische Aktivität haben. Die Kultur kann als stationäres System
(permanent geflutete Zellen) gehalten werden oder aber zur besseren Versorgung als
Interphase-Kultur (s. o.).
Durch komplexere Mikrostrukturierung können 3 oder mehr Nervenzellentypen selektiv
angebunden und zur Differenzierung gebracht werden. Das System eignet sich besonders
zur Untersuchung von Pharmaka die a) Synapsen generell beeinflussen oder b) einen
Synapsentyp selektiv beeinflussen ohne gleichzeitige Wirkung auf einen anderen
Synapsentyp.
Verwendet wird eine MFA-struktur mit 96 miniaturisierten Sauerstoffelektroden, die in
einem Rechteck analog einer kommerziellen Mikrotiterplatte angeordnet sind. Jede
Elektrode stellt den Boden eines kleinen Kulturgefäßes (Volumen 200 µl) dar und ist damit
gegen andere Gefäße und Elektroden isoliert (Gefäßmaterial: Polycarbonat). Zur Reduktion
der Adhäsivität zwischen Polycarbonat und Nährmedium ist die Polycarbonat Oberfläche
silanisiert (Sigmacote®, Einwirkzeit 30 Sekunden, 22°C). In jedem Gefäß werden
Leberfragmente (Größe 100 × 100 × 100 µm, Gewebefragmente hergestellt mit Hilfe eines
Gewebehackers der Fa. McIlwain, Gewebe von adulter Balb C Maus) kultiviert in
Gegenwart eines definierten Medium- und Luftvolumens (je 100 µl; sythetisches Bottenstein
Medium). Durch Verwendung eines speziellen gummierten Deckels können alle Gefäße
gleichzeitig durch Anpressen leckfrei abgedichtet werden. Zur besseren Kultivierung von
Zellen wird der Chip mit Kulturgefäßen permanent um einen Winkel von ca. 120° auf und
ab gekippt (Taktfrequenz: 10 Sekunden in waagerechter -, 50 Sekunden in senkrechter
Position). In der gekippten Position läuft das Nährmedium von den Zellen ab. Insgesamt
wird hierdurch eine wechselnde Exposition der Zellen erreicht in a) flüssige Medium- und
b) Gasphase. Durch die daraus resultierende verbesserte Versorgung bleibt die
Stoffwechselaktivität der Zellen der in vivo-Situation ähnlicher. Mittels der
Sauerstoffelektroden kann während einer langandauernden Kulturzeit die
Stoffwechselaktivität über den Sauerstoffverbrauch unter dem Einfluß von
Lebensmittelkonservierungsstoffen für alle 96 Kulturen gleichzeitig gemessen werden (je 8
Kulturen mit einheitlicher Probenkonzentration; 11 verschiedene Proben-Konzentrationen; 8
unbehandelte Kulturen als Kontrolle).
Eingesetzt wird ein konzentrisches Elektrodenarray mit umspannendem Haltering (16
Platinelektroden mit je 100 µm2) auf einem flexiblen perforierten (1 µm Poren)
Trägermaterial (Silikonelastomer, Radius 0,6 cm). Zur besseren Anheftung der Zellen an
die Elektroden, sind die freien Elektrodenenden durch Elektropolymerisation mit einem
15er-Peptid des Extrazellulärmatrixproteins Fibronektin beschichtet (vorgeschaltete N-
terminale Kopplung mit Hydroxphenylessigsäure am Peptid für effizientere anodische
Elektropolymerisation (8 Minuten, 1 Volt gegen eine gesättigte Kalomelelektrode) in
Phosphat gepufferter Salinelösung/pH 7,4). Als stationäre Interphase-Kultur (Typ I) wird
das Trägermaterial auf dem Nährmedium aufsitzend kultiviert: hierzu wird das
Polymermaterial mit dem Haltering in eine korrespondierende Halterung eingespannt, die
die Kontaktierung der Leiterbahnen ermöglicht. Das Medium, durch die Poren des
Trägermaterials aufsteigend (Kapillarkräfte), benetzt die Zellen, wobei sich auch über die
Zellen ein dünner Flüssigkeitsfilm zieht. Die Zellen bleiben somit auch über lange
Inkubationszeiten an der Grenzschicht zur Luft, womit die Sauerstoffversorgung optimiert
ist. Als Testzellen dienen immortalisierte Stammzellen (Satelliten Zellen, adulte Ratte), die
in einer Dichte von 20.000 Zellen/cm2 ausgesät werden. Die Stammzellen tragen das
Temperatur sensitive SV40 large antigen Gen, das ihnen Immortalität verleiht. Bei der
permissiven Temperatur von 33°C proliferieren die Zellen (3 Tage, 37°C, 5% CO2); die
Differenzierung der Stammzellen zu Muskelzellen mit nachfolgender Zellfusion wird bei
der nonpermissiven Temperatur von 39°C erreicht. Über Kontaktierung der äußeren Enden
der ansonsten isolierten Leiterbahnen wird eine elektrophysiologische Ableitung ermöglicht.
Bis zu 21 Tage werden Testpharmaka zugegeben und über angeschlossene
Aufzeichnungsgeräte (DAT-Recorder) kontrolliert, ob sich die Kontraktionen der
Muskelzellaggregate und die damit verbundenen Spannungszustände der Zellmembranen
ändern. Der Einsatz von 16 Elektroden gleichzeitig ermöglicht eine direkte Mittelung
statistischer Schwankungen. Auf diese Weise werden neue Pharmaka z. B. zur Therapie von
Herzinsuffizienzen identifiziert.
Beim Einsatz von Hypoxie-stabilen Testzellen (Myosin II Isoform positive Myoblasten aus
langsamen Muskeln postnataler Hühner) können nicht-perforierte semipermeable
Silikonelastomere verwendet werden. Durch einen um das Elektrodenareal aufgeklebten
Glasring (Durchmesser 0,9 cm; Höhe 0,8 cm; biokompatibler Silikonkautschuk: 1 Teil
RTV-Me G25A und 9 Teile RTV-ME 62513, Wacker Chemie) wird ein separates
Kulturgefäß geschaffen. 80.000 Testellen/cm2 werden auf das Multifunktionsarray ausgesät
und das Nährmedium (0,15 ml Eagle Basismedium/10% Hitze-inaktiviertes fötales
Kälberserum) direkt auf die Zellen gegeben. Die Sauerstoffpermeabilität des
Silikonelastomers erlaubt Hypoxie-stabile Zellen an einer Phasengrenz-ähnlichen Schicht zu
kultivieren, um sie für die oben dargestellte Fragestellung einzusetzen.
Claims (27)
1. Verfahren zur Kultivierung von Geweben oder Gewebekompo
nenten auf einem Multifunktionsarray, dadurch gekennzeich
net, daß diese an der Grenze zwischen Gas- und Flüssigpha
se kultiviert werden (Interphase-Kultur Typ I).
2. Verfahren zur Kultivierung von Geweben oder Gewebekompo
nenten auf einem Multifunktionsarray, dadurch gekennzeich
net, daß Gewebe oder Gewebekomponenten im Wechsel in der
Gas- und der Flüssigkeitsphase gehalten werden
(Interphase-Kultur Typ II).
3. Verfahren nach Anspruch 1 oder 2, dadurch gekennzeichnet,
daß die Interphase-Kultur mit anderen Kulturformen kombi
niert wird.
4. Verfahren nach Anspruch 3, dadurch gekennzeichnet, daß die
anderen Kulturformen Aggregat- oder Kokulturen umfassen.
5. Verfahren nach einem der Ansprüche 1 bis 4, dadurch ge
kennzeichnet, daß die Interphase-Kultur von Nerven-, Kno
chen-, Muskel-, Leber- oder Hirngeweben oder von Stammzel
len angelegt wird, wobei zu den Stammzellen nicht embryo
nale humane Stammzellen zählen.
6. Verfahren nach einem der Ansprüche 1 bis 5, dadurch ge
kennzeichnet, daß das Gewebe oder die Gewebekomponenten
vom Menschen oder einer anderen Spezies stammen.
7. Verfahren nach einem der Ansprüche 1 bis 6, dadurch ge
kennzeichnet, daß in den Multifunktionsarray Funktionsele
mente integriert sind, auf die Gewebe- oder Gewebekompo
nenten aufgebracht werden.
8. Verfahren nach Anspruch 7, dadurch gekennzeichnet, daß die
Funktionselemente auf/in einem flexiblen oder unflexiblen
Trägermaterial plaziert sind.
9. Verfahren nach einem der Ansprüche 1 bis 8, gekennzeichnet
durch ein gasdurchlässiges Trägermaterial.
10. Verfahren nach einem der Ansprüche 1 bis 8, gekennzeichnet
durch ein gasundurchlässiges Trägermaterial.
11. Verfahren nach einem der Ansprüche 1 bis 10, gekennzeich
net durch ein flüssigkeitsdurchlässiges Trägermaterial.
12. Verfahren nach einem der Ansprüche 1 bis 10, gekennzeich
net durch ein flüssigkeitsundurchlässiges Trägermaterial.
13. Verfahren nach einem der Ansprüche 1 bis 12, gekennzeich
net durch ein Trägermaterial, das ganz oder teilweise
durchlässig für elektromagnetische Wellen ist.
14. Verfahren nach Anspruch 13, dadurch gekennzeichnet, daß
das Trägermaterial transparent für Licht ist.
15. Verfahren nach einem der Ansprüche 1 bis 12, gekennzeich
net durch ein Trägermaterial, das undurchlässig für elek
tromagnetische Wellen ist.
16. Verfahren nach einem der Ansprüche 1 bis 15, gekennzeich
net durch miniaturisierte Funktionselemente, die Analyse
einheiten für Stoffwechselmetabolite darstellen.
17. Verfahren nach Anspruch 16, dadurch gekennzeichnet, daß
die Analyseeinheiten pH- oder Gassensitive Elektroden
oder Sensorelemente umfassen.
18. Verfahren nach einem der Ansprüche 1 bis 17, gekennzeich
net durch Funktionselemente, die Elektroden zur Potential
messung oder Stimulation darstellen, allein oder in Kombi
nation mit anderen Elektrodentypen.
19. Verfahren nach einem der Ansprüche 1 bis 18, gekennzeich
net durch Funktionselemente, die integrierte Schaltungen
zur Signalverarbeitung und/oder zur Stimulation enthalten.
20. Verfahren nach einem der Ansprüche 1 bis 19, gekennzeich
net durch Funktionselemente, die im Bedarfsfall oberflä
chenbehandelt sind, um die Wechselwirkung zwischen techni
scher Oberfläche und dem biologischen Material gezielt zu
steuern, insbesondere durch Peptidbeschichtung für eine
gezielte Adhäsion von Gewebe.
21. Verfahren nach einem der Ansprüche 1 bis 20, dadurch ge
kennzeichnet, daß zwischen den Funktionselementen ein Be
reich ganz oder teilweise räumlich oder chemisch struktu
riert ist, wobei die Funktionselemente selbst auch che
misch oberflächenbehandelt sein können.
22. Verfahren nach einem der Ansprüche 1 bis 21, gekennzeich
net durch räumlich strukturierte Funktionselemente.
23. Verfahren nach einem der Ansprüche 1 bis 22, gekennzeich
net durch Funktionselemente des Multifunktionsarrays, die
kombiniert eingesetzt werden mit externen Analyseverfah
ren, insbesondere mit Videomikroskopie.
24. Verfahren nach einem der Ansprüche 1 bis 23, dadurch ge
kennzeichnet, daß Zell-Zell-, Zell-Biomolekül- oder Biomo
lekül-Biomolekül-Wechselwirkungen analysiert werden.
25. Verfahren nach einem der Ansprüche 1 bis 24, dadurch ge
kennzeichnet, daß Xenobiotika und potentiell therapeutisch
relevante Agenzien auf ihre Wirkung und Nebenwirkung hin
untersucht werden.
26. Verfahren nach einem der Ansprüche 1 bis 25, dadurch ge
kennzeichnet, daß synthetische und natürliche Substanzen
auf ihre regenerations- und entwicklungsrelevante Wirkung
hin untersucht werden.
27. Verfahren nach einem der Ansprüche 1 bis 26, dadurch ge
kennzeichnet, daß Materialeigenschaften bezüglich ihrer
Interaktionen oder Inertheit mit biologischen Systemen
charakterisiert werden.
Priority Applications (1)
Application Number | Priority Date | Filing Date | Title |
---|---|---|---|
DE1995128662 DE19528662C2 (de) | 1995-08-04 | 1995-08-04 | Interphase-Kultur auf Multifunktionsarray (MFA) |
Applications Claiming Priority (1)
Application Number | Priority Date | Filing Date | Title |
---|---|---|---|
DE1995128662 DE19528662C2 (de) | 1995-08-04 | 1995-08-04 | Interphase-Kultur auf Multifunktionsarray (MFA) |
Publications (2)
Publication Number | Publication Date |
---|---|
DE19528662A1 DE19528662A1 (de) | 1997-02-06 |
DE19528662C2 true DE19528662C2 (de) | 2003-04-10 |
Family
ID=7768682
Family Applications (1)
Application Number | Title | Priority Date | Filing Date |
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DE1995128662 Expired - Fee Related DE19528662C2 (de) | 1995-08-04 | 1995-08-04 | Interphase-Kultur auf Multifunktionsarray (MFA) |
Country Status (1)
Country | Link |
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DE (1) | DE19528662C2 (de) |
Families Citing this family (1)
Publication number | Priority date | Publication date | Assignee | Title |
---|---|---|---|---|
DE10128574A1 (de) * | 2001-06-13 | 2003-01-02 | Infineon Technologies Ag | Vorrichtung und Verfahren zur Manipulation von Vesikeln |
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1995
- 1995-08-04 DE DE1995128662 patent/DE19528662C2/de not_active Expired - Fee Related
Non-Patent Citations (1)
Title |
---|
Nature 346, S. 359-362, 1990 * |
Also Published As
Publication number | Publication date |
---|---|
DE19528662A1 (de) | 1997-02-06 |
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