Verfahren und Vorrichtung zum Bestimmen von Kraftschluß und Kraftschlußgrenze bei Fahrzeugreifen
Die Erfindung betrifft ein Verfahren und eine Vorrichtung zum Bestimmen des Kraftschlusses und/oder der Kraftschlußgrenze eines Reifens eines fahrenden Fahrzeugs. Dabei wird der Fahrzustand des Fahrzeug mittels mehrerer Fahrdynamiksensoren gemessen und der Fahrbahnzustand mittels mindestens eines den Fahrbahnzustand detektierenden Fahrbahnsensors ermittelt. Ferner ist ein Rechner zum Auswerten der Daten der Fahrdynamiksensoren und des Fahrbahnsensors vorgesehen, der mittels eines Fahrdynamik- Simulationsmodells den kinematischen Zustand des Rads und den Kraftschluß bzw. unter Berücksichtigung mindestens eines abgespeicherten Reifenkennfelds mit Reifenkennlinien die Kraftschlußgrenze ermittelt.
Befindet sich ein mit Reifen ausgerüstetes Fahrzeug in einem normalen Fahrzustand mit vergleichsweise niedrigen Längs- und Querbeschleunigungswerten, d.h. nicht im Bereich der Fahrgrenze, können bisher keine zuverlässigen Aussagen über den Kraftschluß und die Kraftschlußgrenze von Reifen bzw. Rädern, von Achsen oder von dem Fahrzeug gemacht werden. Es ist weitgehend unsicher, wie groß die
Kraftschlußreserven sind, d.h. der "Abstand" zwischen den aktuellen Horizontalkräften (Umfangskräfte und Seitenkräfte) zwischen Reifen und Fahrbahn (dem Kraftschluß) und den maximal übertragbaren Kräften (der Kraftschlußgrenze) .
Ein Abschätzen des Kraftschlusses sowie der Kraftschlußgrenze ist in einem normalen Fahrzustand mit vergleichsweise niedrigen Längs- und Querbeschleuigungswerten bei Serienfahrzeugen bisher nur aufgrund der Erfahrung des Fahrers qualitativ und nur sehr grob möglich. Hierzu kann der Fahrer beispielsweise wahrnehmen, daß die Fahrbahn naß ist und aufgrund seiner Erfahrung eine Abnahme der Kraftschlußgrenze gegenüber der trockenen Fahrbahn gefühlsmäßig annehmen. Dies gelingt jedoch nur unvollkommen, was die Zunahme der Unfallhäufigkeit bei nasser Fahrbahn zeigt. Bei einem Serienfahrzeug besteht bisher keine Möglichkeit, den Kraftschluß und die Kraftschlußgrenze bei niedrigen Längs- und Querbeschleunigungen quantitativ zu bestimmen.
Auch beim Annähern an die Fahrgrenze, d.h. die Kraftschlußgrenze, mit vergleichsweise höheren Längs- und Querbeschleunigungswerten können bisher keine zuverlässigen Angaben über den Kraftschluß und die Kraftschlußgrenze gemacht werden. Bei Serienfahrzeugen sind Systeme wie zum Beispiel ABS, ASR oder ESP bekannt, die erkennen, wenn das Fahrzeug eine Kraftschlußgrenze bzw. eine fahr- dynamische Grenze erreicht. Der Kraftschluß und die Kraftschlußgrenze werden aber weder ermittelt während sich das Fahrzeug in einem normalen Fahrzustand befindet, noch wenn es sich der Fahrgrenze nähert.
In der Literaturstelle H.-J. Görich, System zur Ermittlung des aktuellen Kraftschlußpotentials eines PKW im
Fahrbetrieb, Fortschritt-Berichte VDI Reihe 12, Nr. 181, VDI-Verlag 1993, Düsseldorf, wurde ein System vorgeschlagen, das in vielen Fällen eine Abschätzung von Kraftschluß und Kraftschlußgrenze ermöglicht. Dabei liefern Fahrdynamiksensoren Informationen über den Fahrzustand. Ferner liefern Fahrbahnsensoren, von denen jeder ausschließlich für eine spezielle Fahrbahn zuständig ist, Information über den Fahrbahnzustand. Außerdem werden umfangreiche Reifenkennfeldmessungen für verschiedene Fahrbahnzustände benötigt. Mit Hilfe eines einfachen, nicht besonders schnellen Fahrzeugrechenmodells und eines Fahrzeugrechners, der keinen Betrieb in Echtzeit ermöglicht, wird der aktuelle Fahrzustand, d.h. der Kraftschluß der Achsen und des Fahrzeugs, mit der ermittelten Kraftschlußgrenze des Fahrzeugs verglichen. Die Ergebnisse für das Fahrzeug werden mit einem Bildschirm im Fahrzeug graphisch dargestellt.
Das bekannte System liefert zwar Angaben zum Kraftschluß und zur Kraftschlußgrenze des Fahrzeugs, weist aber verschiedene Nachteile auf.
Ein Nachteil besteht darin, daß umfangreiche Reifenkennfelder mit einer Vielzahl von Reifenkennlinien für alle denkbaren Fahrzustände und Fahrbahnzustände benötigt werden. Diese Reifenkennlinien werden als unveränderlich angenommen. Dies führt beispielsweise bei einer während der Betriebsdauer des Fahrzeugs abnehmenden Profiltiefe dazu, daß die Ergebnisse ungenau werden.
Hinzu kommt, daß die Fahrbahnzustände nur relativ grob in drei Gruppen eingeteilt werden, nämlich trocken, naß und winterglatt. Innerhalb einer Gruppe werden die Reifenkennfelder als konstant vorausgesetzt. Dies führt ebenfalls zu teilweise sehr ungenauen Ergebnissen, da bekannt
ist, daß in der Realität zum Beispiel die Wasserhöhe auf nasser Fahrbahn einen großen Einfluß hat. Weiterhin ist nachteilig, daß der Kraftschluß lediglich achsweise und der Kraftschluß und die Kraftschlußgrenze für das Fahrzeug ermittelt werden. Dies führt ebenfalls zu Ungenauig- keiten in der Bestimmung, insbesondere wenn die Räder auf unterschiedlichen Fahrbahnuntergründen abrollen. Also besteht keine Möglichkeit, den Kraftschluß für jedes einzelne Rad getrennt zu berechnen.
In der Literaturstelle Th. Dieckmann, Ein neuartiger Ansatz zur Bestimmung der Kraftschlußbedingungen im Reifen/ Fahrbahnkontakt, Reifen, Fahrwerk, Fahrbahn, Tagungsbe- richt der VDI-Gesellschaft Fahrzeugtechnik, Nr. 916, VDI- Verlag, 1991, Düsseldorf, sowie in dem Dokument DE 3705983 AI ("Einrichtung zum Überwachen des Ausnutzungsgrads des vorhandenen Fahrbahnreibwerts beim Bremsen und/oder beim Beschleunigen eines Kraftfahrzeugs") wird ein Verfahren vorgeschlagen, bei dem von der Anfangsstei- gung der Umfangskraft-Schlupf-Kurven der Räder Rückschlüsse auf die Maximalwerte der übertragbaren Umfangs- kräfte gezogen werden und bei dem daraus auf den Kraftschluß und die Kraftschlußgrenze des gesamten Fahrzeugs geschlossen wird. Dieses Prinzip ist relativ ungenau und weist folgende Nachteile auf.
Zum einen werden nur die Umfangskrafteigenschaften der Reifen berücksichtigt, so daß nur bedingt Rückschlüsse auf die Seitenkrafteigenschaften möglich sind.
Weiterhin hat sich gezeigt, daß eine ausreichend deutliche Änderung der Anfangssteigung nicht in allen praktisch erforderlichen Fällen erkennbar ist. So ist beispielsweise beim Übergang von trockener auf nasse Fahrbahn mit kleinen und mittleren Wasserhöhen ein großer
Unterschied zwischen den Kraftschlußgrenzen möglich, wogegen sich die Anfangssteigungen nur sehr geringfügig unterscheiden.
Ferner ist bekannt, daß die Anfangssteigung der Umfangs- kraft-Schlupf-Kurven nicht nur von dem Fahrbahnzustand, sondern auch von den Eigenschaften der Reifen abhängt, die sich beispielsweise durch abnehmende Profiltiefe ändern. Da die abgespeicherten Kennlinien fest sind und eine Veränderungen der Reifeneigenschaften während der Betriebsdauer nicht berücksichtigen, kann aus der An- fangssteigung nicht zuverlässig auf die aktuelle Kraftschlußgrenze geschlossen werden.
In dem Dokument DE 4338587 C2 ("Verfahren zum Einschätzen des Greifverhaltens einer Fahrbahnoberfläche gegenüber den Rädern eines darüber fahrenden Kraftfahrzeugs") wird vorgeschlagen, das Drehmoment der Antriebsräder und die Drehzahl aller Räder zu messen. Ferner wird die Radlast, die auf die Antriebsräder wirkt, abgeschätzt. Wenn die Antriebsräder bestimmte Umfangsschlupf-Werte erreichen und sich der Kraftschlußgrenze nähern, wird der aktuelle Kraftschluß der Räder mit der aktuellen Kraftschlußgrenze der Räder gleichgesetzt. Dieser wird in einem Speicher als augenblicklicher, jedoch vorübergehender Schätzwert gespeichert. Dieser abgespeicherte Schätzwert wird aktualisiert, sobald bestimmte Bedingungen vorliegen, beispielsweise wenn erneut ein Fahrzustand mit hohen Um- fangsschlupf-Werten erreicht wird, bei dem ein anderer Kraftschluß der Räder vorliegt. Auf diese Weise werden der Kraftschluß und die Kraftschlußgrenze von Rädern ermittelt, und es kann auf den Kraftschluß und die Kraftschlußgrenze des Fahrzeugs geschlossen werden.
Dieses vorgeschlagene Prinzip weist jedoch den Nachteil auf, daß eine ausreichend genaue Abschätzung nur möglich ist, wenn das Fahrzeug in die unmittelbare Nähe der Fahrgrenze kommt. Bei normalen Fahrzuständen kann keine Bestimmung erfolgen.
Ferner können die abgespeicherten Kraftschlußgrenzen nur dann aktualisiert werden, wenn bestimmte Kriterien, zum Beispiel hohe Umfangsschlupf-Werte, erfüllt werden. Da dies nur in seltenen Fahrzuständen der Fall ist, kann trotz eines permanenten Betriebs des Systems keine permanente und somit zuverlässige Aktualisierung der gespeicherten Werte erfolgen.
Weiterhin ist gemäß diesem Dokument vorgesehen, das Drehmoment zu messen, das an den Antriebsrädern anliegt. Diese Messung ist relativ aufwendig und muß sowohl beim Bremsen als auch Beschleunigen gleichermaßen funktionieren. Hinzu kommt, daß lediglich die Kraftschlußgrenze der Reifen abgeschätzt wird, ohne daß eine Information über den Verlauf der kompletten Reifenkennlinie geliefert wird.
Weiterhin sind Systeme bekannt geworden, die im Rahmen von Forschungsprojekten untersucht wurden. Sie gestatten entweder nur qualitative Aussagen über den Kraftschluß und die Kraftschlußgrenze oder benötigen zum Erkennen des Fahrbahnzustands aufwendige Sensoren, die für den praktischen Einsatz ungeeignet sind oder im Falle eines Einsatzes in der Serie inakzeptabel hohe Kosten verursachen würden.
Ausgehend von diesem Stand der Technik besteht die der Erfindung zugrundeliegende Aufgabe darin, ein Verfahren und eine Vorrichtung zu schaffen, mit denen in guter
Näherung der aktuelle Kraftschluß und/oder die aktuelle Kraftschlußgrenze eines Reifens oder von Achsen eines fahrenden Fahrzeugs in möglichst jedem Fahrzustand, also auch bei vergleichsweise niedrigen Längs- und Querbeschleunigungswerten, ermittelt werden kann. Die aktuelle Kraftschlußgrenze soll also bereits lange, bevor sie erreicht ist, ermittelt werden können. Ferner ist es wünschenswert, wenn die zugehörigen Reifenkennfelder vergleichsweise unaufwendig bereitgestellt werden können.
Durch die Erfindung sollen somit zuverlässige und genaue Informationen über den aktuellen Kraftschluß bzw. die aktuelle Kraftschlußgrenze in möglichst unaufwendiger Weise bereitgestellt werden. Diese Informationen können dann beispielsweise dem Fahrer zur Verfügung gestellt werden oder an ein System weitergeleitet werden, das regelnd in einen Fahr- oder Bremsvorgang eingreift.
Zur Lösung dieser Aufgabe bei einem Verfahren bzw. einer Vorrichtung der eingangs bezeichneten Art ist erfindungsgemäß vorgesehen, daß die Reifenkennlinien (für verschiedene Fahrbahnzustände und zum Beispiel für verschiedene Radlasten) ausgehend von einem Anfangssatz an Basis- Reifenkennlinien im Laufe der Betriebszeit an das aktuelle Reifenverhalten angepaßt werden.
Bei dem erfindungsgemäßen Verfahren wird der aktuelle Kraftschluß, insbesondere die Umfangs- und Seitenkräfte, sowie der kinematische Zustand des Rads, insbesondere Umfangsschlupf- und Schräglaufwinkel , mit Hilfe des Rechners, des Fahrdynamik-Simulationsmodells und der Signale der Fahrdynamiksensoren permanent berechnet. Ferner wird die aktuelle Kraftschlußgrenze dadurch bestimmt, daß zunächst eine Fahrbahnerkennung durchgeführt wird und anschließend aus einem Reifenkennfeldspeicher zugehörige
Reifenkennlinien (zum Beispiel für verschiedene Radlasten) ausgewählt werden und schließlich nach einer Rei- fenkennlinienanpassung die aktuelle Kraftschlußgrenze ermittelt wird.
Die Fahrdynamiksensoren liefern bei diesem Verfahren Meßdaten über den kinematischen Zustand des Fahrzeugs und eventuell über die am Fahrzeug angreifenden Kräfte oder Momente. Sie dienen als Eingangsgrößen für die Si ula- tionsrechnungen des Rechners mittels des Fahrdynamik- Simulationsmodells. Die Simulationsrechnungen liefern als Ausgangsgrößen den aktuellen Kraftschluß sowie den kinematischen Zustand der Räder. Diese Größen stellen Ausgabedaten des Systems dar und können auch für die Ermittlung der aktuellen Kraftschlußgrenze verwendet werden.
Der vorliegende Fahrbahnzustand (zum Beispiel trocken, naß, Schnee usw.) kann prinzipiell in an sich bekannter Weise mittels eines oder mehrerer Fahrbahnsensoren ermittelt werden. Ein Nachteil besteht dabei aber darin, daß die Entscheidung darüber, welcher Fahrbahnzustand vorliegt, jeweils von der korrekten und zuverlässigen Funktion eines bestimmten, speziellen Sensors für den jeweiligen Fahrbahnzustand oder von einer bestimmten Auswertegröße abhängt. Bei Fehlfunktion eines Sensors oder einer fehlerhaften Auswertegröße kann die entsprechende Fahrbahn daher nicht mehr identifiziert werden.
Um die Genauigkeit der Bestimmung zu gewährleisten, soll der Fahrbahnzustand genau und sicher erkannt werden. Hierzu wird nach einem bevorzugten zusätzlichen Merkmal vorgeschlagen, daß der Fahrbahnzustand mittels mehrerer, verschiedener Fahrbahnsensoren ermittelt wird, wobei die von deren Signalen abgeleiteten Informationen mittels eines Schrankenverfahrens zur Eingrenzung des Fahrbahnzu-
Stands ausgewertet werden. Zusätzlich zu den Informationen über den Fahrbahnzustand, die von den Fahrbahnsensoren ermittelt werden, können auch Ergebnisse der Fahrdynamik-Simulationsrechnung in dem Schrankenverfahren ausgewertet werden. So kann eine in dem Schrankenverfahren berücksichtigbare Information beispielsweise die An- fangssteigung der tatsächlich vorliegenden Kraftschlußkurve sein, die mit der Fahrdynamik-Simulationsberechnung ermittelt werden kann.
Bei dem Schrankenverfahren wird eine Vielzahl verschiedenartiger Informationen übereinandergelegt, so daß bestimmte Fahrbahnzustände aufgrund vorhandener Kombinationen von Sensorsignalen oder anderen Informationen ausgeschlossen werden können, so daß als Resultat der logischen Kombination der vorliegenden Informationen schließlich der richtige Fahrbahnzustand identifiziert wird. Dies ist nicht zu verwechseln mit einem System einer redundanten Anordnung von Fahrbahnsensoren, bei dem mehrere verschiedene Sensoren dazu bestimmt sind, den gleichen Fahrbahnzustand unabhängig voneinander zu sensieren. Bei dem vorteilhafterweise eingesezten Schrankenverfahren werden verschiedene Informationen gesammelt, wobei aus der Kombination dieser Informationen auf den Fahrbahnzustand geschlossen wird.
Wenn der Fahrbahnzustand zum Beispiel mittels des Schran- kenverfahrens bestimmt wurde, kann aus einem Reifenkennfeldspeicher das zugehörige Reifenkennfeld (mit Kennlinien für zum Beispiel verschiedene Radlasten) oder die zugehörige Reifenkennlinie ausgewählt werden. Dabei kann die Auswahl durch Informationen der Fahrdynamiksensoren gestützt werden. Bei der ersten Inbetriebnahme einer er- findungsgemäßen Vorrichtung wird von einem Basis-Reifenkennfeld, das einen Anfangssatz an Basis-Reifenkennlinien
enthält, die für einige wenige, verschiedene Reifen-Fahrbahn-Kombinationen im Rechner abgespeichert sind, ausgegangen.
Diese Basis-Reifenkennlinien werden im Laufe der Be- triebszeit des Fahrzeugs an das aktuelle Reifenverhalten angepaßt, indem die einzelnen Kennlinien korrigiert werden. Dies ist möglich, da das System so aufgebaut ist, daß es eine Änderung des Kraftschlußverhaltens aufgrund einer Änderung der Reifeneigenschaften, zum Beispiel aufgrund einer Änderung der Profilhöhe, im Laufe der Be- triebszeit dadurch erkennt, daß in diesem Fall der aktuelle Kraftschluß und der kinematische Zustand der Räder nicht zu dem ausgewählten Kennfeld oder der ausgewählten Kennlinie passen. Die Korrektur kann bei jeder erneut festgestellten Abweichung wiederholt werden.
Die Anpassung der Reifenkennlinien kann somit bevorzugt erfolgen, wenn auf Basis eines Vergleichs der Ergebnisse des Fahrdynamik-Simulationsmodells und der Ermittlung des Fahrbahnzustands eine Abweichung des aktuellen Kraft- schlusses bei dem vorliegenden kinematischen Zustand des Rades von der ausgewählten Reifenkennlinie erkannt wird.
Die Basis-Reifenkennfelder bzw. die Reifenkennfelder enthalten vorzugsweise nur eine geringe Gesamtanzahl von Reifenkennlinien (für verschiedene Fahrbahnzustände und zum Beispiel verschiedene Radlasten) zur Berücksichtigung in der Fahrdynamik-Simulationsrechnung, bevorzugt weniger als 40, besonders bevorzugt weniger als 20 Reifenkennlinien. Nach einem zusätzlichen vorteilhaften Merkmal kann jedoch vorgesehen sein, daß ein oder mehrere Reifenkennfelder im Laufe der Betriebszeit um Reifenkennlinien für weitere Fahrbahnzustände erweitert werden, die in den Basis-Reifenkenn eldern nicht enthalten waren und sich
als zweckmäßig erwiesen haben. Das System kann insoweit lernfähig sein und adaptiv ausgestaltet werden.
Wenn sowohl der aktuell vorliegende Fahrbahnzustand identifiziert als auch die zugehörige Reifenkennlinie durch das System ausgewählt und an das aktuelle Reifenverhalten angepaßt ist, kann die Kraftschlußgrenze bestimmt werden, bevor sie erreicht ist. Mit Hilfe des erfindungsgemäßen Verfahrens können somit der Kraftschluß und die Kraftschlußgrenze genauer ermittelt werden, als es bisher möglich war. Ein Vorteil des bevorzugten Schrankenverfahrens besteht darin, daß der Fahrbahnzustand sicherer erkannt werden kann, wobei eine redundante Erkennung möglich ist.
Ferner ist bei einer bevorzugten Ausführungsform der Erfindung von Vorteil, daß eine Änderung des Kraftschlußverhaltens erkannt werden kann, die durch eine Änderung der Reifeneigenschaften, zum Beispiel durch die veränderte Profilhöhe, im Laufe der Betriebszeit hervorgerufen wird. Außerdem sind nur wenige Basis-Reifenkennfelder oder Basis-Reifenkennlinien erforderlich, die im Laufe der Betriebszeit angepaßt und gegebenenfalls erweitert werden können.
Nach einem weiteren vorteilhaften Merkmal wird vorgeschlagen, daß das Fahrdynamik-Simulationsmodell ein Echtzeit-Modell ist, mittels dessen von dem Rechner der aktuelle kinematische Zustand des Rads und/oder der aktuelle Kraftschluß und/oder die aktuelle Kraftschlußgrenze des Rads in Echtzeit berechnet wird. Ein solches Fahrdynamik- Simulationsmodell, das in Echtzeit arbeitet, kann beispielsweise mit schnellen, kompakten Differentialgleichungen unter Verwendung von Kenntnissen über das dynamische Verhalten des betreffenden Fahrzeugs erstellt werden.
Wenn das verwendete Fahrdynamik-Simulationsmodell speziell auf Echtzeit ausgelegt ist, kann der mit diesem Modell in Echtzeit berechnete aktuelle Kraftschluß sowie der kinematische Zustand der Räder in günstiger Weise als Eingangsgröße für ein mechatronisches Regelsystem benutzt werden, das regelnd in das Fahrverhalten eingreift. Wenn der aktuelle Kraftschluß für jedes Rad getrennt berechnet wird, können die Ergebnisse beispielweise für eine optimierte Fahrdynamikregelung genutzt werden, womit die Stabilität des Fahrzeugs in kritischen Fahrsituationen besser gewährleistet werden kann.
Auch durch eine Ermittlung der Kraftschlußgrenze in Echtzeit können diese Daten in günstiger Weise durch mecha- tronische Regelsysteme genutzt werden. Beispielsweise kann in diesem Fall. eine mechatronische Bremsanlage bei einer Vollbremsung schneller auf wechselnde Fahrbahngriffigkeiten reagieren. Wenn die Kraftschlußgrenze für jedes Rad einzeln ermittelt wird, kann eine unterschiedliche Griffigkeit für die Räder einer Achse schon beim Einleiten eines Bremsvorgangs berücksichtigt werden.
Die Ermittlung des Kraftschlusses und/oder der Kraftschlußgrenze erfolgt daher vorzugsweise für die einzelnen Räder des Fahrzeugs oder die Räder einer Achse getrennt, da hierdurch der kinematische Zustand und ein kritisches Fahrverhalten genauer erkannt werden können. Dies stellt eine günstige Voraussetzung für ein System dar, das zum Beispiel eine Warnung an den Fahrer gibt oder regelnd in das Fahrverhalten eingreift. Durch die für einzelne Räder getrennte Ermittlung der Kraftschlußgrenze kann genauer abgeschätzt werden, ob durch unterschiedliche Kraftschlußgrenzen an den einzelnen Rädern ein kritisches Fahrverhalten des Fahrzeugs zu erwarten ist, wenn sich
das Fahrzeug der Fahrgrenze nähert. In diesem Fall kann beispielsweise bereits in einem größeren Abstand vor dem Erreichen der Fahrgrenze eine Warnung an den Fahrer erfolgen. Bei einer Einzelberechnung oder -auswertung der Räder einer Achse kann auch erkannt und berücksichtigt werden, wenn die Räder unterschiedliche Reibwerte, zum Beispiel aufgrund unterschiedlicher Fahrbahnzustände, aufweisen.
In manchen Ausführungsformen kann es aber auch vorteilhaft sein, wenn die Ermittlung des Kraftschlusses und/ oder der Kraftschlußgrenze achsweise erfolgt, wobei die Räder einer Achse gleich behandelt werden, bzw. wenn mittels der bestimmten Kraftschlüsse und/oder Kraftschluß- grenzen aller Räder der Kraftschluß und/oder die Kraftschlußgrenze des gesamten Fahrzeugs bestimmt wird. Die Berechnung des Kraftschlusses oder der Kraftschlußgrenze des gesamten Fahrzeugs ist geeignet, um den Fahrzustand bzw. die Fahrgrenze des Fahrzeugs in einer einfachen und übersichtlichen Weise zu beschreiben. Mit einer geeigneten Darstellung des Kraftschlusses bzw. der Kraftschlußgrenze kann beispielsweise der Fahrer während der Fahrt informiert werden.
Im Rahmen der vorliegenden Erfindung wurde überraschenderweise festgestellt, daß die außerordentlich schwierigen Anforderungen bei einem hinreichend genauen Bestimmen des Kraftschlusses oder der Kraftschlußgrenze eines Reifens mit relativ geringem Aufwand gelöst werden können, ohne daß, wie bisher für erforderlich gehalten wurde, ein hoher technischer Aufwand zum Bereitstellen einer Vielzahl von Reifenkennfeldern oder -linien bzw. zum Bestimmen des Fahrbahnzustands erforderlich ist. Mit der Erfindung werden somit Ziele erreicht, um die die Fachwelt sich schon lange bemüht hat.
Um dabei besonders gute Ergebnisse zu erzielen, werden die oben erläuterten Merkmale sowie die Merkmale der nachfolgenden Ausführungsbeispiele vorteilhafterweise einzeln oder in Kombination miteinander eingesetzt, wobei sich durch das Zusammenwirken erfindungsgemäßer Merkmale zusätzliche vorteilhafte Wirkungen ergeben können.
Die Erfindung wird im folgenden anhand von in den Figuren schematisch dargestellten Ausführungsbeispielen näher erläutert, die weitere folgende Merkmale und Besonderheiten erkennen lassen.
Es zeigen:
Fig. 1 ein Verfahrensschema zum Erkennen von Kraftschluß und Kraftschlußgrenze,
Fig. 2 ein Schrankenverfahren zum Ermitteln des Fahrbahnzustands ,
Fig. 3 ein Reifenkennfeld mit fünf Reifenkennlinien und
Fig. 4 eine hochgenaue Anpassung einer Reifenkennlinie.
Hinsichtlich der Bedeutung der in diesem Anmeldungstext verwendeten Begriffe wird ergänzend auf folgende Literatur Bezug genommen: DIN 70000; DIN 44300; J. Reimpell- K. Hoseus, Fahrwerktechnik: Fahrzeugmechanik, Vogel Buchverlag 1992; A. Zo otor, Fahrwerktechnik: Fahrverhalten, Vogel Buchverlag 1991. Die in diesen Literaturstellen genannten Begriffe weichen zwar teilweise geringfügig voneinander ab, können aber durch den Fachmann ohne weiteres zugeordnet werden.
Die Fig. 1 zeigt ein Flußdiagramm zur näheren Erläuterung der Arbeitsweise eines erfindungsgemäßen Systems zum Be-
stimmen des Kraftschlusses und der Kraftschlußgrenze für jedes einzelne Rad eines Fahrzeugs. Unter "Kraftschluß" wird dabei die Resultierende aus Umfangs- und Seitenkraft verstanden, die am Rad angreift, d.h. der Kraftschluß wird durch zwei Kräfte oder deren Resultierende beschrieben. Unter "Kraftschlußgrenze" wird die maximal mögliche Umfangs- und Seitenkraft verstanden, die im aktuellen Fahrzustand und bei der aktuellen Fahrbahnoberfläche übertragen werden können. Die Kraftschlußgrenze wird somit durch zwei Kräfte beschrieben.
Die Umfangskraft ist dabei die Komponente der Bodenreaktionskraft in Richtung der Xw~Achse (DIN 70000) , d.h. anschaulich die Kraft (Antriebs- oder Bremskraft) in Längsrichtung des Rads, in Felgenmittelebene und in Fahrbahnebene. Die Seitenkraft ist die Komponente der Bodenreaktionskraft in Richtung der Yw~Achse (DIN 70000) , d.h. anschaulich die Kraft quer zum Rad, senkrecht zur Längsrichtung des Rads in Fahrbahnebene.
Das in Fig. 1 schematisch dargestellte System führt die Bearbeitung von zwei Hauptaufgaben durch. Im linken Bereich des Flußdiagramms sind Systemkomponenten dargestellt, die zum Berechnen des aktuellen Kraftschlusses dienen. Im rechten Bereich sind diejenigen Systemkomponenten dargestellt, mittels der die aktuelle Kraftschlußgrenze ermittelt wird, bevor diese Grenze erreicht ist. Das Ermitteln der Kraftschlußgrenze erfolgt allerdings nicht unabhängig von dem Ermitteln des Kraftschlusses. Es erfolgt ein Datenaustausch vom linken Bereich zum rechten.
Das System umfaßt zwei Gruppen von Sensoren. Die eine Gruppe umfaßt Fahrdynamiksensoren 1, die Daten über den fahrdynamischen Zustand des Fahrzeugs liefern. Die andere
Gruppe umfaßt Fahrbahnsensoren 2 , die Daten über den Fahrbahnzustand liefern.
Die Fahrdynamiksensoren 1, die zum Teil bereits serienmäßig in dem Kraftfahrzeug vorhanden sein können, liefern beispielsweise Meßdaten über die Längsbeschleunigung des Fahrzeugs, die Querbeschleunigung, den Wankwinkel, den Nickwinkel, den Gierwinkel, die Drehzahlen der einzelnen Räder und die Radlasten der einzelnen Räder.
Dabei ist es auch möglich, einzelne Größen nicht direkt zu messen, sondern indirekt zu bestimmen. Allgemein können in dem Verfahren auch Fahrdynamikgrößen berücksichtigt werden, die von mittels der Fahrdynamiksensoren gemessenen Daten abgeleitet werden. Beispielsweise kann der Gierwinkel durch Integration der gemessenen Gierwinkelgeschwindigkeit bestimmt werden oder die Radlast nicht gemessen, sondern durch eine Messung des Einfederweges der Räder gegenüber der Karosserie indirekt bestimmt werden. Beispielsweise kann auch die Messung der Radlasten der Räder einer Achse durch eine Messung der Achslast ersetzt werden, die mit Hilfe von Daten der Fahrdynamiksensoren 1, insbesondere des Wankwinkels, auf die einzelnen Räder aufgeteilt werden.
Auch die Messung der Radlasten kann beispielsweise durch die Ermittlung des Gesamtgewichts ersetzt werden. Das Gesamtgewicht kann beispielsweise über die Messung der Antriebsmomente und über die Meßsignale des Beschleuni- gungssensors in Längsrichtung ermittelt werden. In diesem Fall kann mit Hilfe von Daten der Fahrdynamiksensoren 1, insbesondere des Nickwinkels, die Aufteilung auf die Achslasten und, insbesondere über den Wankwinkel, die Aufteilung auf die einzelnen Radlasten erfolgen.
Die Daten der Fahrdynamiksensoren 1 und daraus gegebenenfalls indirekt abgeleitete Größen werden an das Fahrdynamik-Simulationsmodell 3 weitergeleitet, das vorteilhafterweise in Echtzeit betrieben wird. Echtzeitsysteme sind dadurch gekennzeichnet, daß sie externe Ereignisse innerhalb einer vorgegebenen Zeit verarbeiten können und somit die externen Zeitbedingungen erfüllen (DIN 44300) . Dies bedeutet, daß in der Echtzeitsimulation das berechnete dynamische Phänomen in jedem Zeitpunkt dem in der Realität aufgetretenen Phänomen entspricht. Es tritt keine bedeutsame Zeitverzögerung zwischen dem Verhalten des Echt- zeitsystems und dem Verhalten des realen Systems auf.
Mit Hilfe des Fahrdynamik-Simulationsmodells 3 werden die an den einzelnen Rädern aktuell angreifenden Umfangskräf- te, die Umfangsschlupf-Werte, die Seitenkräfte und die Schräglaufwinkel berechnet. Unter "Umfangsschlupf" wird dabei die Größe Sχ w gemäß DIN 70000 verstanden, die anschaulich den Schlupf zwischen Reifen und Fahrbahn beschreibt, der beim Bremsen oder Antreiben entsteht, da sich das Rad, bei gleicher Fahrgeschwindigkeit, beim Bremsen langsamer und beim Antreiben schneller dreht als in frei rollendem Zustand. Der Schräglaufwinkel ist gemäß DIN 70000 der Winkel von der Xw~Achse zur Tangente der Bahnkurve des Radaufstandspunkts und beschreibt anschaulich den Winkel zwischen Längsrichtung des Rads und der Richtung der Radschwerpunkt-Geschwindigkeit.
Das Fahrdynamik-Simulationsmodell 3 liefert als Ausgabegröße den aktuellen Kraftschluß 4 der einzelnen Räder. Die Ausgabedaten des Fahrdynamik-Simulationsmodells 3 einschließlich der Größen Längsbeschleunigung, Querbeschleunigung, Wankwinkel, Nickwinkel, Gierwinkel, Raddrehzahlen und Radlasten werden auch zu den Komponenten
Fahrbahnerkennung 5 und Kennlinienanpassung 6 weitergeleitet.
Die Fahrbahnsensoren 2 liefern zum Beispiel Daten über die Fahrbahntemperatur und/oder über den Fahrbahnzustand, beispielsweise mittels optischer oder akustischer Verfahren. Es können auch Sensoren eingesetzt werden, die lediglich eine Ja/Nein-Aussage treffen, beispielsweise ob die Fahrbahn trocken ist oder nicht.
Die Daten der Fahrbahnsensoren 2 werden von der Fahrbahnerkennung 5 verarbeitet, die auch Ergebnisse der Berechnungen des Fahrdynamik-Simulationsmodells 3 erhält. Diese Rechenergebnisse werden für die Fahrbahnerkennung genutzt, wenn die aktuellen Betriebspunkte in der Reifenkennlinie' in linearem Bereich der Umf ngskraft-Schlupf- und Seitenkraft-Schräglaufwinkel-Kurven liegen, d.h. wenn das Fahrzeug mit vergleichsweise niedrigen Längs- und Querbeschleunigungen fährt. Mit den aktuellen Betriebspunkten läßt sich in diesem Fall die Anfangssteigung der vorliegenden Umfangskraft-Schlupf- und/oder der Seitenkraft-Schräglaufwinkel-Kennlinie ermitteln. In DIN 70000 wird die Steigung der Umfangskraft-Schlupf-Kurve als Um- fangskraft/Umfangsschlupfgradient bezeichnet. Die Anfangssteigung der Umfangskraft-Schlupf-Kurve ist gleichbedeutend mit dem Umfangskraft/Umfangsschlupfgradienten bei der Umfangskraft 0.
Für das Ermitteln des Fahrbahnzustands stehen somit diese Anfangssteigungen sowie Daten über die Fahrbahntemperatur und über den Fahrbahnzustand mittels optischer oder akustischer Verfahren zur Verfügung. Mit Hilfe eines Schrankenverfahrens kann nun der Fahrbahnzustand erkannt werden. Da zumindest teilweise Redundanz bei dem Erkennen des Fahrbahnzustands vorliegt, läßt sich in manchen Fäl-
len eine Plausibilitätskontrolle durchführen. Wird zum Beispiel aufgrund der optischen oder akustischen Verfahren eine hohe Wasserhöhe erkannt, dürfen nicht gleichzeitig sehr tiefe Fahrbahntemperaturen vorliegen. Falls dies dennoch der Fall sein sollte, kann daraus geschlossen werden, daß die Fahrbahnerkennung fehlerhaft ist, und das System wird abgeschaltet. Alternativ besteht auch die Möglichkeit, bestimmten Signalen den Vorrang zu geben, so daß das System aktiv bleibt und lediglich eine Fehlermeldung ausgibt.
Wenn die Fahrbahnerkennung 5 korrekt arbeitet, wird der ermittelte Fahrbahnzustand, vorzugsweise für die einzelnen Räder getrennt, an einen Kennfeldspeicher 7 weitergeleitet. Der Kennfeldspeicher 7 erhält ferner Informationen von den Fahrdynamiksensoren 1, insbesondere über die Radlast des Rads zur Auswahl der passenden Reifenkennlinie.
Um die Genauigkeit zu erhöhen, können dabei weitere Parameter berücksichtigt werden, wie zum Beispiel der Einfluß des Sturzwinkels. Da dieser in der Regel in Fahrzeugen nicht gemessen wird, kann eine Ersatzabhängigkeit von einer gemessenen Größe oder von einer Kombination gemessener Größen, zum Beispiel Radlast und Querbeschleunigung, verwendet werden. Schließlich wird mit den Informationen der Fahrbahnerkennung 5 und der Fahrdynamiksensoren 1 ein passendes Reifenkennfeld (für zum Beispiel verschiedene Radlasten) und daraus eine passende Reifenkennlinie, vorzugsweise für jedes einzelne Rad getrennt, ausgewählt.
Die ausgewählte Reifenkennlinie (oder ein Reifenkennfeld) wird an die Kennlinienanpassung 6 weitergeleitet. Da die Kennlinienanpassung 6 auch die Ausgangsdaten des Fahrdy-
na ik-Simulationsmodells 3 erhält, kann überprüft werden, ob der aktuelle Kraftschluß 4 sowie der kinematische Zustand der einzelnen Räder zu der ausgewählten Reifenkennlinie paßt. Ist dies nicht der Fall, erfolgt eine Korrektur der Reifenkennlinie oder des Reifenkennfelds durch Anpassung einzelner Kennlinien, die in dem Kennfeldspeicher 7 gespeichert sind.
Die Anpassung muß sich aber nicht auf die ausgewählte Reifenkennlinie 10 beschränken, sondern beim Anpassen einer Reifenkennlinie können auch eine oder mehrere weitere Reifenkennlinien eines oder mehrerer Reifenkennfelder 9 entsprechend angepaßt werden. Die Anpassung weiterer, sozusagen "benachbarter" Reifenkennlinien kann beispielsweise auf Basis theoretischer oder empirischer Kenntnisse von Reifenkennfeldern erfolgen.
Ursache für diese Korrektur bzw. Adapation kann u.a. sein, daß sich die Reifeneigenschaften im Laufe der Betriebszeit geändert haben, zum Beispiel durch eine abnehmende Profiltiefe. Auch eine Veränderung der Reifeneigenschaften infolge eines Reifenwechsels wird durch die Simulationsrechnung erkannt und korrigiert. Dabei kann vorteilerhaft beim Abweichen des aktuellen Kraftschlusses 4 von der ausgewählten Reifenkennlinie die Kennlinie bei normalen Fahrzuständen näherungsweise und in der Nähe der Fahrgrenze hochgenau durchgeführt werden, was im Zusammenhang mit Fig. 4 erläutert wird.
Von der Kennlinienanpassung 6 werden für die Räder korrigierte bzw. adaptierte Reifenkennlinien ausgegeben, die auch an den Kennfeldspeicher 7 zum Abspeichern zurückgegeben werden. Da die Kraftschlußgrenze 8 durch die Maximalwerte der einzelnen Reifenkennlinien beschrieben wird, ist sie somit naherungsweise bekannt, wenn sich das Fahr-
zeug in einem normalen Fahrzustand befindet. Sofern die Genauigkeit der Kennlinienadaption erhöht wird, wenn sich das Fahrzeug der Fahrgrenze nähert, ist die Kraftschlußgrenze im Grenzbereich genauer bekannt.
In Fig. 2 ist eine Tabelle zur näheren Erläuterung der Vorgehensweise bei der Fahrbahnerkennung 5 mit Hilfe eines Schrankenverfahrens dargestellt. In einem Schrankenverfahren wird der Fahrbahnzustand nicht präzise gemessen, sondern mittels verschiedener Informationen eingegrenzt. Hierzu werden Informationen gesammelt, die Rückschlüsse auf den Fahrbahnzustand gestatten. Der Fahrbahnzustand kann um so genauer bestimmt werden, je mehr Informationen vorliegen. Mit der Auswertung einer einzigen Information kann der Fahrbahnzustand zunächst nur sehr grob eingegrenzt werden. Werden zusätzlich weitere Informationen ausgewertet, wird die Eingrenzung immer genauer, auch wenn die einzelnen Informationen für sich allein betrachtet nur eine grobe Eingrenzung erlauben.
Auf der linken Seite in Fig. 2 sind zeilenweise Informationen über den Fahrbahnzustand aufgelistet, die von Fahrbahnsensoren 2 oder von der Auswertung der Berechnung mit dem Fahrdynamik-Simulationsmodell 3 stammen können. Sie umfassen vorzugsweise mindestens drei der folgenden Typen: Lufttemperatur, Fahrbahntemperatur, optische oder akustische Erkennung von Schnee, optische oder akustische Erkennung von Eis, optische oder akustische Erkennung von Wasser oder optische oder akustische Erkennung einer trockenen Fahrbahn. Die jeweiligen Informationen können beispielsweise als analoge Meßgröße, digitale Information (ja/ nein) oder als qualitative Angabe (hoch, mittel, tief) vorliegen.
In den Spalten sind beispielhaft verschiedene Fahrbahnzustände angegeben, die als unbekannt vorausgesetzt werden und durch die Fahrbahnerkennung 5 bestimmt werden sollen. Diese Fahrbahnzustände können vorzugsweise drei oder mehr der folgenden Fahrbahnzustände umfassen: trocken, feucht, naß, niedrige Wasserhöhe, hohe Wasserhöhe, Schnee, Eis, loser Untergrund.
Wenn die Fahrbahntemperaturmessung beispielsweise die Information "sehr tiefe Temperatur" liefert und der Fahr- bahnsensor zum Erkennen von Schnee und Eis ein positives Signal liefert sowie die Auswertung der Anfangssteigung der Umfangskraft-Schlupf-Kurve ergibt, daß eine flache Anfangssteigung vorliegt, so kann aufgrund des angekreuzten Musters nur eine verschneite Fahrbahn vorliegen. Dieses Ergebnis wird erzielt, obwohl kein Fahrbahnsensor 2 eingesetzt wird, der speziell nur die verschneite Fahrbahn erkennt. Ferner ist dieses Schrankensystem in einem gewissen Umfang redundant, da zumindest teilweise eine einfache Überprüfung der Ergebnisse erfolgen kann. Fällt in dem beschriebenen Beispiel etwa der Sensor zur Bestimmung der Fahrbahntemperatur aus, kann dennoch die verschneite Fahrbahn über die beiden verbleibenden Informationen identifiziert werden.
Fig. 3 zeigt beispielhaft ein Reifenkennfeld 9, das mehrere Reifenkennlinien 10 für verschiedene Fahrbahnzustände enthält. Eine Reifenkennlinie 10 ist eine Kurve in dem Reifenkennfeld 9, in der die Umfangskraft U als Funktion des Schlupfes s oder die Seitenkraft als Funktion des SchräglaufWinkels dargestellt sein kann. Ein Reifenkennfeld 9 ist allgemein ein Diagramm, in dem mehrere Reifenkennlinien 10 für unterschiedliche Parameter dargestellt sind. Beispielsweise können in dem Reifenkennfeld 9 Um- fangskraft-Schlupf- oder Seitenkraft-Schräglaufwinkel-
Kurven für verschiedene Radlasten abgebildet sein, wobei alle anderen Parameter konstant gehalten sind. Eine weitere Möglichkeit sind zum Beispiel wie in Fig. 3 Umfangs- kraft-Schlupf-Kurven für verschiedene Fahrbahnoberflächen.
Im Rahmen der Erfindung werden als Parameter der Reifenkennlinie 10 bzw. des Reifenkennfelds 9 bevorzugt der Fahrbahnzustand und/oder die Radlast berücksichtigt. Weitere oder andere vorteilhafte Parameter können beispielsweise die Querbeschleunigung, die Längsbeschleunigung, die Raddrehzahl oder der Sturzwinkel sein.
Bei der ersten Inbetriebnahme des Systems oder beispielsweise nach einem gewollten Zurücksetzen auf Anfangswerte enthalten die Reifenkennfelder 9 vorteilhafterweise einen Basissatz von Kennlinien 10, der noch nicht alle denkbaren Parameterkombinationen abdeckt. Die Basis-Reifenkennlinien bilden ein Basis-Reifenkennfeld, in dem in vereinfachter, allgemeiner Weise Reifenkennlinien beispielsweise für wenige Fahrbahnzustände und/oder Radlasten abgespeichert sind. Bei der ersten Inbetriebnahme können nur wenige Basis-Reifenkennlinien für einige wenige, verschiedene Reifen-Fahrbahnkombinationen abgespeichert sein. Diese Kennlinien treffen für einen durchschnittlichen Reifen zu und geben nicht exakt das Verhalten des tatsächlich aktuell montierten Reifens wieder. Das exakte Verhalten hängt u.a. vom Reifentyp, dem Profilzustand, dem Reifenluftdruck und anderen Parametern ab.
Die Basis-Kennlinienfelder sind ausreichend, da bei dem erfindungsgemäßen System eine Korrektur bzw. Adaption der abgelegten Kennlinien 10 durchgeführt wird. Dabei wird der Fahrbahnzustand berücksichtigt. Ferner können vorteilhafterweise auch die Reifenkennfelder 9 um weitere
Reifenkennlinien 10 erweitert werden. Dabei können fehlende Parameterkombinationen zunächst durch Interpolation abgedeckt werden, die im Laufe der Betriebsdauer des Fahrzeugs durch eigene Reifenkennlinien 10 ersetzt werden.
Vorteilhafterweise kann vorgesehen sein, daß die Reifenkennfelder 9 mindestens drei Basis-Reifenkennlinien bzw. Reifenkennlinien 10 für folgende Fahrbahnzustände umfassen: trocken, feucht, naß, niedrige Wasserhöhe, hohe Wasserhöhe, Schnee, Eis, loser Untergrund. Der Radlasteinfluß und die Wechselwirkung zwischen Umfangs- und Seitenkräften können beispielsweise aufgrund von Erfahrungs- werten berücksichtigt werden.
Da das wirkliche Verhalten eines Reifens nicht exakt mit dem durch die Basiskennlinien beschriebenen Verhalten übereinstimmt, werden die Reifenkennlinien 10 und somit auch die Reifenkennfelder 9 während des Fahrbetriebs angepaßt, wobei auch eine Änderung des Reifenverhaltens, zum Beispiel durch Verschleiß, berücksichtigt wird. Solange normale Betriebszustände mit vergleichsweise niedrigen Längs- und Querbeschleunigungen bei vergleichsweise kleinen Umfangskraft-Schlupf- und Schräglaufwinkel- Werten vorliegen, kann bereits eine näherungsweise Anpassung der Reifenkennlinien 10 erfolgen, sobald eine Abweichung des aktuellen Kraftschlusses (bei einem vorliegenden kinematischen Zustand des Rades) von der ausgewählten Reifenkennlinie festgestellt wird, und damit eine näherungsweise Ermittlung der Kraftschlußgrenze 8 durchgeführt werden. Dies ist möglich, obwohl der exakte Verlauf des tatsächlichen Reifenkennlinie 10 im Bereich großer Umfangskraft-Schlupf- und Schräglaufwinkel-Werte, d.h. bei vergleichsweise hohen Umfangs- und/oder Seitenkräften noch nicht bekannt ist.
In Fig. 4 ist veranschaulicht, wie nach einem besonders vorteilhaften Merkmal der Erfindung im Bereich der Fahrgrenze des Fahrzeugs die Anpassung der Reifenkennlinien 10 bzw. die Ermittlung der Kraftschlußgrenze 8, 8a genau durchgeführt wird. Diese hochgenaue Anpassung erfolgt, sobald sich das Fahrzeug der Fahrgrenze nähert und der aktuelle Kraftschluß 4 sowie der kinematische Zustand der Räder möglicherweise nicht mehr zu der ausgewählten Reifenkennlinie 10 paßt. Dadurch wird die Berechnung der Kraftschlußgrenze 8 um so genauer, je mehr sich das Fahrzeug der Fahrgrenze nähert.
Die Anpassung der Reifenkennlinie 10 kann allgemein erfolgen, sobald es zu Abweichungen zwischen dem berechneten, aktuellen Betriebspunkt 11 und der ursprünglich aus dem Kennfeldspeicher 7 ausgewählten Reifenkennlinie 10 kommt. Der Betriebspunkt 11 beschreibt dabei den Fahrzustand eines Fahrzeugs bzw. eines Reifens, dem eine bestimmte Umfangskraft U, ein bestimmter Umfangsschlupf s, eine bestimmte Seitenkraft und ein bestimmter Schräglaufwinkel zugeordnet werden können. Die Lage des Betriebspunkts in einem Reifenkennfeld 9 bzw. auf einer Reifenkennlinie 10 wird im Rahmen der Erfindung nicht notwendigerweise durch unmittelbare, direkte Messung von Umfangskraft U und Schlupf s bzw. Seitenkraft und Schräglaufwinkel ermittelt, sondern die genannten Größen werden aus dem Fahrdynamik-Simulationsmodell 3 zurückgerechnet, wobei die Auswahl der Reifenkennlinie 10 die Fahrbahnerkennung 5 einbezieht.
Der Anfangsbereich 12 der Reifenkennlinie 10 kann näherungsweise weitgehend als linear betrachtet werden. Insbesondere in dem Anfangsbereich wird die Anpassung der
Reifenkennlinie 10 bzw. die Ermittlung der Kraftschlußgrenze naherungsweise sein.
Bei höheren Schlupfwerten, d.h. in der Nähe der näherungsweise zutreffenden Kraftschlußgrenze 8a, die durch den Maximalwert der ausgewählten Reifenkennlinie 10 bestimmt ist, verläßt die ausgewählte Kennlinie 10 dagegen den linearen Bereich. Eine Abweichung der ausgewählten Kennlinie 10 von der tatsächlich gültigen Kennlinie 14, aus der die tatsächliche Kraftschlußgrenze 8 bestimmt werden kann, kann auch in diesem Bereich dadurch festgestellt werden, daß der Betriebspunkt 11 nicht auf der ausgewählten Reifenkennlinie 10 liegt, sondern davon abweicht. Dies ist im nichtlinearen Fall für Betriebspunkte 11 der Fall, die oberhalb des Abweichungspunkts 13 liegen.
Der Abweichungspunkt 13 ist der Punkt auf der ausgewählten Reifenkennlinie 10, ab dem in Richtung zunehmender Schlupf- oder Schräglaufwinkelwerte die tatsächlich gültige Reifenkennlinie von der ausgewählten Reifenkennlinie 10 bzw. von einem linearen Verlauf abweicht. Der Bereich, ab dem der Betriebspunkt 11 von der Reifenkennlinie 10 bzw. von einem linearen Verlauf abweicht, ist in Fig. 4 durch einen nach oben weisenden Pfeil dargestellt.
Sobald der Betriebspunkt 11 nicht mehr auf der ausgewählten Reifenkennlinie 10 liegt, wird die ausgewählte Reifenkennlinie 10 korrigiert, so daß sich eine neue korrigierte Reifenkennlinie 14 ergibt. Diese angepaßte Reifenkennlinie 14 weicht dann beispielsweise von der ursprünglich ausgewählten Kennlinie 10 ebenfalls ab dem Abweichungspunkt 13 ab. Die Anpassung kann näherungsweise bereits im linearen Anfangsbereich erfolgen. Die Feststellung einer Abweichung verbunden mit einer genauen
Adaption der Reifenkennlinie bzw. Bestimmung der Kraftschlußgrenze ist vorzugsweise möglich, wenn der lineare Anfangsbereich 12 überschritten ist. Die genaue Adaption der Reifenkennlinie bzw. Bestimmung der Kraftschlußgrenze sind aber nicht nur in unmittelbarer Nähe der Kraftschlußgrenze, sondern bereits relativ frühzeitig im weiteren Bereich der Kraftschlußgrenze möglich.
Ein Abweichen des Betriebspunkts 11 von der ausgewählten Reifenkennlinie 10 bzw. ein Abweichen der Reifenkennlinie 10 von dem linearen Anfangsbereich kann zu einer gleitenden Korrektur der Kennlinie benutzt werden, wobei jede Abweichung zu einer Korrektur herangezogen wird. In manchen Ausführungsformen kann es aber auch zweckmäßig sein, wenn eine Korrektur erst durchgeführt wird, wenn die Abweichung einen bestimmten Schwellwert übersteigt.
Die ausgewählte Reifenkennlinie 10 kann beim Erkennen einer Abweichung in eine korrigierte Reifenkennlinie 14 angepaßt werden, was beispielsweise mittels der theoretischen oder empirischen Kenntnis benachbarter Reifenkennlinien oder des grundsätzlichen Verhaltens von Fahrzeugreifen durchgeführt werden kann. Da die Anpassung der Reifenkennlinie 10 in eine korrigierte Reifenkennlinie 14 genauer erfolgen kann, insbesondere wenn sich das Fahrzeug der Fahrgrenze nähert, wird die Genauigkeit der Bestimmung der Kraftschlußgrenze 8 im Bereich der Kraftschlußgrenze 8 bzw. der Fahrgrenze erhöht.
Auf diese Weise ist eine näherungsweise Anpassung der Reifenkennfelder bei Betriebssituationen mit vergleichsweise niedrigen Längs- und Querbeschleunigungen und eine genaue Anpassung der Reifenkennlinien bei jeder Annäherung an die Fahrgrenze möglich, unabhängig davon, ob die Fahrsituation kritisch ist oder nicht. Bei normalem Fahr-
betrieb erfolgt eine permanente, näherungsweise Abschätzung der aktuellen Kraftschlußgrenze. Nähert sich das Fahrzeug dem Grenzbereich, wird die Ermittlung der aktuellen Kraftschlußgrenze genauer. Dadurch stehen dann präzise Daten zur Verfügung, sobald ein exakter Eingriff in das Fahrverhalten erforderlich wird.
Mit der Erfindung werden zuverlässige und genaue Informationen über den aktuellen Kraftschluß sowie die aktuelle Kraftschlußgrenze gegeben, bevor die Kraftschlußgrenze erreicht ist. Dabei ist es besonders vorteilhaft, daß nicht nur die aktuelle Kraftschlußgrenze, sondern auch der Verlauf der gültigen Reifenkennlinie vorliegt, um Extrapolationen des Fahrzeugverhaltens sowie bei einer eventuellen Fahrzeugregelung eine optimale Regelgüte zu ermöglichen.
Bezugszeichenliste
1 Fahrdynamiksensor
2 Fahrbahnsensor
3 Fahrdynamik-Simulationsmodell
4 Kraftschluß
5 Fahrbahnerkennung
6 Kennlinienanpassung
7 Kennfeldspeicher
8 Kraftschlußgrenze
8a Kraftschlußgrenze der unkorrigierten Reifenkennlinie
9 Reifenkennfeld
10 Reifenkennlinie
11 Betriebspunkt
12 Anfangsbereich
13 Abweichungspunkt
14 korrigierte Reifenkennlinie
U Umfangskraft s Schlupf