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Technisches Gebiet
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Die Offenbarung der vorliegenden Erfindung betrifft allgemein das Gebiet des Schätzens der Reibung zwischen einem Reifen und einer Fahrbahnoberfläche und das Gebiet des Schätzens von Reifeneigenschaften bei Radfahrzeugen. Im Besonderen betrifft sie Verfahren, Systeme und Computerprogrammprodukte zum Schätzen der Unsicherheit eines Reibungspotentialwerts.
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Hintergrund der Erfindung
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Die Fahrbahnreibung kann sich abrupt ändern, z.B. von eisigen zu trockenen oder nassen Fahrbahnabschnitten. Diese Änderungen stellen für den Fahrer oder die Fahrerin und seine oder ihre Sicherheit sowie seinen oder ihren Komfort eine große Herausforderung dar. Aus technischer Sicht ist eine zuverlässige Kenntnis der Fahrbahnreibung zum Implementieren von Fahrzeugkontrollsystemen, wie etwa eines Antiblockier-Bremssystems (ABS), äußerst wichtig. Eine Kenntnis des verfügbaren Reibungspotentials kann beispielsweise dazu verwendet werden, den Bremsweg zu optimieren, wenn eine ABS-Bremsung durchgeführt werden muss. Zusätzlich oder alternativ dazu kann die Reibung von einem oder mehreren einer Vielzahl Systeme verwendet werden, die autonomes Fahren, adaptive Geschwindigkeitsregelung, Straßenglätteerkennung und vernetztes Fahren umfassen.
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Herkömmliche Ansätze zum Schätzen oder Berechnen der Fahrbahnreibung können auf Schlupf, Schall, Laufflächenverformung, Fahrbahnrauheit und Schmierölerkennung basieren. Im Allgemeinen wurden diese Ansätze entwickelt, um die Schätzgenauigkeit zu erhöhen, z.B. durch Kombinieren der Quantität oder Qualität der eingegebenen Messungen. Schlupfbasierte Ansätze beispielsweise berücksichtigen für eine höhere Genauigkeit häufig die geschätzte Reifensteifigkeit. Des Weiteren können Schätzungen, die aus einem ABS-, TCS- oder ESP-Eingriff hervorgehen, ebenfalls Informationen liefern, da das gesamte Reibungspotential verwendet wird. Während eines tatsächlichen Fahrens muss die Berechnung jedoch häufig mit einem unvollständigen oder ungenauen Wissen über die Reifen und Betriebsbedingungen durchgeführt werden.
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Herkömmliche Ansätze sind darauf gerichtet, ein Reibungspotential zu schätzen, ohne ein Unsicherheitsmaß, d.h. wie zuverlässig ihre Schätzungen sind, auszugeben. Die Güte einer anschließenden Steuerung des Fahrzeugs, z.B. eine Sicherstellung eines ausreichend großen Abstands zu dem Fahrzeug davor, um eine volle ABS-Bremsung ohne Kollision zu ermöglichen, kann jedoch nur so gut sein wie die Grundlage der Entscheidung, z.B. das bestimmte Reibungspotential.
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Die
DE 195 15 047 A1 betrifft eine Bremsanlage und offenbart unter anderem die Berechnung eines Reibwerts anhand einer gemessenen Querbeschleunigung und einem berechneten Wert für die Längsbeschleunigung, sowie eine Anpassung dieses Reibwerts.
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Die
AT 516629 B1 betrifft Verfahren und Vorrichtungen zum Durchführen von Prüfläufen auf einem Prüfstand und offenbart unter anderem eine Modularisierung durch Aufteilen eines Simulationsmodells in mehrere Teilmodelle.
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Ziel der Erfindung
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Zur Überwindung der Defizite bekannter Ansätze, insbesondere der vorstehend genannten Art, besteht ein Ziel der vorliegenden Erfindung darin, eine Lösung zum Bereitstellen eines Unsicherheitsmaßes für eine geschätzte Reibung vorzusehen.
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Zusammenfassung der Erfindung
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Es werden Verfahren, Computerprogrammprodukte und Vorrichtungen zum Schätzen der Unsicherheit eines Reibungspotentialwerts eines Rades eines Fahrzeugs offenbart.
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Im Allgemeinen macht die Erfindung von Reifenmodellen und tatsächlichen reifenbezogenen Werten Gebrauch. Ein Reifenmodell ist als Darstellung des physikalischen Verhaltens eines Rades oder Reifens aufzufassen und ist bei jedem Reifen bei einer gegebenen Betriebsbedingung einzigartig. Von daher ist es möglich, relevante physikalische Eigenschaften zu bestimmen oder zu schätzen. Eine Eingabe für das Reifenmodell kann, wie nachstehend beschrieben, in Form eines oder mehrerer tatsächlicher reifenbezogener Werte bereitgestellt werden.
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Aus Gründen der vorliegenden Offenbarung sollte ein Reifenmodell zumindest dazu fähig sein, basierend auf einer gegebenen Eingabe ein Reibungspotential zu bestimmen oder zu schätzen. Ein Beispiel eines Reifenmodells zum Ziehen von Rückschlüssen über das Reibungspotential nutzt Messungen von Raddrehzahlen und andere Sensoren. Das Reibungspotential kann dann unter Verwendung des Reifenmodells beispielsweise von der Schlupfsteigung abgeleitet werden.
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Im Allgemeinen umfasst das Verfahren zum Schätzen der Unsicherheit eines Reibungspotentialwerts eines Rades eines Fahrzeugs das Erhalten einer Reihe von Reifenmodellen. Eine Reihe Reifenmodelle umfasst wenigstens zwei Reifenmodelle.
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Das Verfahren umfasst ferner das Empfangen eines Sensorsignals, das wenigstens einen tatsächlichen reifenbezogenen Wert angibt. Im Allgemeinen können die vorliegend offenbarten Verfahren mit einem oder mehreren einer Vielzahl tatsächlicher reifenbezogener Werte umgesetzt werden. Bevorzugt kann der reifenbezogene Wert als Eingabe für ein Reifenmodell verwendet werden. Das Bereitstellen eines tatsächlichen Werts als Eingabe für ein Reifenmodell grenzt das mangelnde Wissen über die Reifen- und Betriebsbedingungen ein.
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Beispiele für tatsächliche reifenbezogene Werte können aus der Gruppe ausgewählt werden, die besteht aus: Schlupf, (normalisierter) Traktionskraft, Umgebungstemperatur, Reifentemperatur, Reifendruck, Längsbeschleunigung, Querbeschleunigung, Gierrate, Raddrehzahl, Fahrzeuggeschwindigkeit, Motordrehzahl, Motordrehmoment, einem auf das Rad ausgeübten Drehmoment, ABS-Flag, Lenkradwinkel, Radwinkel, Aufhängungshöhe, Aufhängungsdruck, Achshöhe, Bremsdruck, Bremstemperatur, Bremsmoment, einem Reifentyp (manuell über eine Mensch-Maschine-Schnittstelle eingegeben), GPS-Informationen, Fahrbahnnässe, Fahrbahnbedingungen, Getriebesignale, Scheibenwischergeschwindigkeiten, einem geschätzten Reibungspotential aus einer ABS-Bremsung, einem geschätzten Reibungspotential aus einem TCS-Ereignis, einem von der Fahrzeugkonnektivität empfangenen geschätzten Reibungspotential, einem Flag-Wert aus einem Steuer-Flag-Register.
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Beispiele für Flags des Steuer-Flag-Registers umfassen Angaben, ob eine ESC-Steuerung im Gange ist, eine ABS-Bremsung im Gange ist, TCS im Gange ist, eine Bremsung im Gange ist, eine Gangschaltung im Gange ist, das Kupplungspedal betätigt wird, ein Rückwärtsgang eingelegt ist, ein Anhänger angekoppelt ist oder eine Geschwindigkeitsregelung eingeschaltet ist.
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Ein Fahrzeugbus kann Informationen weiterleiten und einen oder mehrere der vorstehenden Parameter bereitstellen.
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Schließlich umfasst das Verfahren das Berechnen eines Reibungsunsicherheitswerts basierend auf dem empfangenen Sensorsignal und der Reihe Reifenmodelle. Der Reibungsunsicherheitswert gibt die Unsicherheit des Reibungspotentials an.
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Die Reihe Reifenmodelle umfasst bevorzugt ein Untergrenzen-Reifenmodell und ein Obergrenzen-Reifenmodell.
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In solchen Fällen kann das Berechnen der Reibungsunsicherheitswerte ein Schätzen eines Untergrenzen-Reibwerts und eines Obergrenzen-Reibwerts umfassen. Der Untergrenzen-Reibwert wird basierend auf dem empfangenen Sensorsignal und dem Untergrenzen-Reifenmodell geschätzt, während der Obergrenzen-Reibwert basierend auf dem empfangenen Sensorsignal und dem Obergrenzen-Reifenmodell geschätzt wird. Der Reibungsunsicherheitswert kann beispielsweise basierend auf einer Differenz des Obergrenzen-Reibwerts und des Untergrenzen-Reibwerts berechnet werden.
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Bei manchen Beispielen wird die Reihe Reifenmodelle nicht notwendigerweise durch zwei diskrete Grenzmodelle, sondern durch ein Durchschnittsmodell und eine Modellunsicherheit repräsentiert. In solchen Fällen kann das Erhalten ein Erhalten (oder Schätzen) einer Reifenmodellunsicherheit umfassen, die eine Unsicherheit der Reihe Reifenmodelle angibt. Das Berechnen des Reibungsunsicherheitswerts basiert ferner auf dem Reifenmodellunsi cherhei tswert.
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Im Allgemeinen kann das Verfahren ungeachtet des speziellen verwendeten Sensors durchgeführt werden, vorausgesetzt der Sensor stellt ein Signal bereit, das einen tatsächlichen reifenbezogenen Wert angibt. Beispiele geeigneter Sensoren, die tatsächliche reifenbezogene Werte als Sensorsignale bereitstellen können, umfassen eine oder mehrere der folgenden Einrichtungen: einen Raddrehzahlsensor, einen Fahrzeuggeschwindigkeitssensor, einen Drehmomentsensor, einen Drucksensor, einen oder mehrere Beschleunigungsmesser, einen Gierratensensor, einen Lenkwinkelsensor, einen Temperatursensor, eine Drehmomentverteilungseinrichtung, einen GPS-Sensor, eine Kamera, einen Fahrzeugbus.
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Bei manchen Ausführungsformen kann ein Messunsicherheitswert, der eine Unsicherheit des tatsächlichen reifenbezogenen Werts angibt, empfangen oder geschätzt werden. In solchen Fällen kann das Berechnen des Reibungsunsicherheitswerts ferner auf dem Messunsicherheitswert basieren.
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Beispielsweise geben das Sensorsignal und der Messunsicherheitswert einen Messbereich an, der eine Reihe tatsächlicher reifenbezogener Werte umfasst. Der Messbereich tatsächlicher reifenbezogener Werte lässt sich als durchgehender Bereich zwischen einem Messminimum und einem Messmaximum definieren. In anderen Fällen kann er als diskreter Satz mehrerer Werte definiert werden. Des Weiteren kann er als Verteilung von Werten definiert werden, die die relative Verbreitung der Werte im Messbereich angibt.
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Im Allgemeinen kann das Verfahren ein Schätzten eines Reibungspotentialwerts umfassen oder auch nicht.
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In jedem Fall kann jegliche Ausgabe des Verfahrens einem Fahrzeugbus, insbesondere zur Verwendung in einem aktiven Kontrollsystem, wie etwa ABS, TCS, ESC, etc., zugeführt werden. Eine solche dem Fahrzeugbus zugeführte Ausgabe kann einen oder mehrere der folgenden Werte umfassen: den berechneten Reibungsunsicherheitswert, den geschätzten Untergrenzen-Reibwert und/oder Obergrenzen-Reibwert, den geschätzten Reibungspotentialwert.
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Bei manchen Ausführungsformen kann das Verfahren ferner ein Aktualisieren der Reihe Reifenmodelle umfassen. Wenn eine Messung nicht mit der erhaltenen Reihe Reifenmodelle konsistent ist, kann beispielsweise angenommen werden, dass entweder die Messung oder die Reihe Reifenmodelle inkorrekt ist. Bei manchen Ausführungsformen kann die Reihe Reifenmodelle basierend auf der Messung aktualisiert werden. Beispielsweise kann eine Messung der verwendeten Reibung eine Inkonsistenz mit einem Reifenmodell zeigen, wenn die gemessene verwendete Reibung das unter Verwendung des Reifenmodells bestimmte Reibungspotential übersteigt.
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Das Aktualisieren der Reihe Reifenmodelle kann insbesondere ein Aktualisieren von Parametern der Reihe Reifenmodelle umfassen. Im Allgemeinen kann eine beliebige der vorstehend als Beispiele für reifenbezogene Werte genannten Größen aktualisiert werden.
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Ferner wird die Verwendung einer Unsicherheit eines Reibungspotentialwerts eines Rades eines Fahrzeugs offenbart, welcher Reibungspotentialwert durch ein Verfahren gemäß einem der vorhergehenden Ansprüche geschätzt und zum Steuern des Fahrzeugs verwendet wird.
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Beispielsweise kann bei einer Ausführungsform die Unsicherheit des Reibungspotentials zum Steuern des Fahrzeugs unter Verwendung einer adaptiven Geschwindigkeitsregelanlage verwendet werden. Adaptive Geschwindigkeitsregelanlagen steuern unter anderem die Geschwindigkeit des Fahrzeugs, um einen gewissen Abstand zu einem anderen Fahrzeug sicherzustellen, das sich vor dem zu steuernden Fahrzeug befindet. Dieser Abstand kann basierend auf Schätzungen des Reibungspotentials dynamisch bestimmt werden. Durch die zusätzliche Verwendung der Unsicherheit des Reibungspotentials wird es möglich, den Abstand anzupassen (z.B. zu vergrößern), um der (z.B. hohen) Unsicherheit Rechnung zu tragen.
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Des Weiteren wird ein Computerprogrammprodukt offenbart, das einen Programmcode umfasst, der dafür ausgelegt ist, wenn er in einer Recheneinrichtung ausführt wird, die Schritte eines der offenbarten Verfahren durchzuführen.
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Schließlich wird eine Vorrichtung offenbart, die eine Verarbeitungseinheit umfasst. Die Verarbeitungseinheit ist dafür ausgelegt, die Schritte eines der hierin offenbarten Verfahren durchzuführen.
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Figurenliste
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- 1 ist ein Diagramm, das typische (normalisierte) Traktionskräfte als Funktion des Schlupfes für eine Vielzahl Fahrbahnoberflächen mit unterschiedlichem Reibungspotential darstellt.
- 2 ist ein Diagramm, das die verwendete Reibung, die verfügbare Reibung und das Reibungspotential darstellt.
- 3 ist ein Flussdiagramm eines Verfahrens gemäß den Ausführungsformen.
- 4 ist ein Flussdiagramm eines Verfahrens gemäß den Ausführungsformen.
- 5 ist ein Diagramm, das ein Beispiel eines Verfahrens gemäß den Ausführungsformen darstellt.
- 6 ist ein Diagramm, das ein Beispiel eines Verfahrens gemäß den Ausführungsformen darstellt.
- 7 ist ein Flussdiagramm eines Verfahrens gemäß den Ausführungsformen.
- 8 ist ein Diagramm, das ein Beispiel eines Verfahrens gemäß den Ausführungsformen darstellt.
- 9 ist ein Blockdiagramm einer Vorrichtung gemäß den Ausführungsformen.
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Genaue Beschreibung bevorzugter Ausführungsformen
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Im Folgenden sind einige bevorzugte Ausführungsformen beschrieben, wobei der Schlupf - zu Darstellungszwecken - als beispielhafter reifenbezogener Wert gewählt wurde. Stattdessen oder zusätzlich dazu können andere reifenbezogene Werte verwendet werden. Im Besonderen machen die im Folgenden beschriebenen Verfahren zur Darstellung von einem einzelnen reifenbezogenen Wert (Schlupf) Gebrauch, obgleich andere Ausführungsformen zwei, drei oder eine beliebige Anzahl reifenbezogener Werte verwenden. In letzteren Fällen können die reifenbezogenen Werte zu einer multidimensionalen Größe, wie etwa einem Vektor, gruppiert oder kombiniert werden.
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Ein Reibungspotential wird im Allgemeinen als Maximum einer Schlupfkurve definiert und hängt von einer Vielzahl Variablen ab, wie etwa einer Fahrbahnoberfläche und Reifeneigenschaften sowie Betriebsbedingungen (Druck, Temperatur, Vertikallast, Verschleiß, etc.).
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1 stellt die Abhängigkeit des Reibungspotentials von der Fahrbahnoberfläche dar. Das Diagramm zeigt normalisierte Traktionskräfte (Ordinatenachse) als Funktion des Längsschlupfes (Abszissenachse). Der Schlupf s des Rades kann beispielsweise basierend auf einem von einem Raddrehzahlsensor stammenden Sensorsignal gemäß der folgenden Beziehung berechnet werden:
wobei ω eine Drehfrequenz des Rades, r ein Radius des Rades und v eine translatorische Geschwindigkeit des Fahrzeugs ist.
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Die normalisierte Traktionskraft µ des Rades kann beispielsweise basierend auf der folgenden Beziehung berechnet werden:
wobei F eine Traktionskraft und N eine auf das Rad wirkende Normalkraft ist.
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Die Beziehung zwischen normalisierter Traktionskraft und Längsschlupf wird in 1 für drei Fahrbahnoberflächen veranschaulicht, nämlich auf Eis, Kies und Asphalt. Wie dargestellt, ist das Reibungspotential auf Asphalt gewöhnlich höher als auf Kies, während das Reibungspotential auf Kies höher ist als auf Eis. In 1 sowie im Rest der vorliegenden Offenbarung sind, sofern nicht anders angegeben, sämtliche Größen und Werte (insbesondere der Schlupf) als auf die Längs- und/oder Querrichtung bezogen aufzufassen. Eine Schlupfkurve kann in mehrere Bereiche aufgeteilt werden, die einen in etwa linearen Abschnitt um den Ursprung umfassen, z.B. von -10 % bis +10 % des Schlupfes in 1.
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Die im Folgenden beschriebenen Verfahren stellen Möglichkeiten zum Schätzen einer Unsicherheit eines Reibungspotentialwerts bereit.
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2 ist ein Diagramm, das die verwendete Reibung, die verfügbare Reibung und das Reibungspotential darstellt. Das Diagramm ist eine Schlupfkurve, die die Beziehung zwischen Schlupf und Traktion bei einem gegebenen Reifenmodell darstellt.
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Betrachtet man 2, so wird eine typische Fahrsituation durch einen aktuellen Betriebspunkt im linearen Abschnitt bei geringem Schlupf angezeigt. Der aktuelle Schlupf und die normalisierte Traktionskraft können dazu verwendet werden, die Steigung der Schlupf-µ-Kurve im linearen Bereich (Schlupfsteigung) zu schätzen.
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Basierend auf dieser Schätzung kann das Reibungspotential des Reifens abgeleitet werden. Das Reibungspotential des Reifens entspricht dem Maximum oder Scheitelpunkt der Kurve. Der entsprechende Schlupf wird als kritischer Schlupf bezeichnet. Bei einem aktuellen Betriebspunkt des Reifens auf der Kurve entspricht der Abszissenwert der verwendeten Reibung, während die Differenz zur maximalen Reibung (Reibungspotential) als verfügbare Reibung bezeichnet wird.
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3 ist ein beispielhaftes Flussdiagramm eines Verfahrens 30 zum Schätzen der Unsicherheit eines Reibungspotentialwerts eines Rades eines Fahrzeugs. Das Verfahren 30 umfasst das Erhalten 32 einer Reihe von Reifenmodellen.
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Das Verfahren 30 umfasst ferner das Empfangen 34 eines Sensorsignals. Das Sensorsignal gibt wenigstens einen tatsächlichen reifenbezogenen Wert an. Bei dem vorliegenden Beispiel kann das Sensorsignal beispielsweise den Schlupf des Rades angeben. Der Schlupf kann beispielsweise durch ein Raddrehzahlsensorsignal angegeben werden.
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Wie für einen Durchschnittsfachmann auf dem Gebiet ersichtlich, ist die vorliegende Offenbarung jedoch nicht auf ein Raddrehzahlsensorsignal als beispielhaftes Sensorsignal oder auf Schlupf als beispielhaften reifenbezogenen Wert beschränkt.
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Andere Beispiele für tatsächliche reifenbezogene Werte umfassen beispielsweise Traktionskraft, Temperatur (Umgebungstemperatur, Reifentemperatur), Reifendruck, Längsbeschleunigung, Querbeschleunigung, Gierrate, ABS-Flag, Lenkradwinkel, Bremsdruck oder -drücke.
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Die reifenbezogenen Werte können als Eingabe für jedes der Reifenmodelle verwendet werden. Basierend auf dieser Eingabe kann jedes der Reifenmodelle dann dazu verwendet werden, ein Reibungspotential zu schätzen. Daher ermöglicht das Verfahren 30 das Schätzen eines Bereichs von Reibungspotentialwerten anhand eines einzelnen tatsächlichen reifenbezogenen Werts, z.B. einer einzelnen Messung des Schlupfes.
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Schließlich umfasst das Verfahren das Berechnen 36 eines Reibungsunsicherheitswerts, der die Unsicherheit des Reibungspotentials angibt, basierend auf dem empfangenen Sensorsignal und der Reihe Reifenmodelle. Insbesondere kann der Reibungsunsicherheitswert basierend auf einem Bereich geschätzter Reibungspotentialwerte berechnet werden.
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Gemäß der vorliegenden Offenbarung wird nicht nur ein einzelnes Reifenmodell, sondern eine Reihe Reifenmodelle verwendet. Beispielsweise kann für jedes der Reifenmodelle der Reihe Reifenmodelle ein jeweiliger Reibungspotentialwert geschätzt werden. Bei anderen Beispielen können für wenigstens zwei Reifenmodelle der Reihe Reifenmodelle jeweilige Reibungspotentialwerte geschätzt werden. In solchen Fällen kann die Unsicherheit des Reibungspotentials als Differenz zwischen diesen Reibungspotentialwerten berechnet werden, wie nachstehend insbesondere unter Bezugnahme auf 4 genauer beschrieben.
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4 ist ein beispielhaftes Flussdiagramm eines anderen Verfahrens 40 zum Schätzen der Unsicherheit eines Reibungspotentialwerts eines Rades eines Fahrzeugs. Das Verfahren 40 umfasst das Erhalten 42a eines ersten Reifenmodells, das auch als Untergrenzen-Reifenmodell bezeichnet wird. Des Weiteren umfasst das Verfahren 40 das Erhalten 42b eines zweiten Reifenmodells, das auch als Obergrenzen-Reifenmodell bezeichnet wird. Das erste und zweite Reifenmodell bilden eine Reihe Reifenmodelle.
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Insbesondere können das erste und zweite Reifenmodell als Schätzungen davon bereitgestellt werden, wie sich die Reifen verhalten können. Sie können generische Hypothesen für einen breiten Bereich von Reifen und Betriebsbedingungen darstellen, der z.B. von weichen bis hin zu steifen Reifen, von hohen bis hin zu niedrigen Betriebstemperaturen und von Leistungsreifen bis hin zu Winterreifen reicht. Alternativ oder zusätzlich dazu können diese Hypothesen empirisch verfeinert werden, wie nachstehend beschrieben. Auf dem Wege der Empirie kann die Reihe Reifenmodelle ausgehend von den generischen Hypothesen verfeinert (d.h. eingegrenzt) oder ausgehend von der generischen Hypothese erweitert oder ausgehend von den generischen Hypothesen verändert werden oder es kann ein beliebige Kombination des Vorstehenden verwendet werden. In jedem Fall ermöglicht das Verfahren gemäß der vorliegenden Offenbarung eine Quantifizierung der Unsicherheit des Reibungspotentials, die diesem mangelnden Wissen über die Reifen und Betriebsbedingungen entspricht.
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Bevorzugt ist das Untergrenzen-Reifenmodell dasjenige der zwei Reifenmodelle, das typischerweise ein niedrigeres Reibungspotential ergibt, d.h. das rutschigere der zwei Modelle. Das Obergrenzen-Reifenmodell ist dann dasjenige der zwei Reifenmodelle, das typischerweise ein höheres Reibungspotential ergibt, d.h. das eine stärkere Traktion entwickelnde der zwei Modelle.
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Das Verfahren 40 umfasst ferner das Empfangen 44 eines Sensorsignals. Das Sensorsignal gibt einen tatsächlichen reifenbezogenen Wert an, der als Eingabe sowohl für das Untergrenzen-Reifenmodell als auch für das Obergrenzen-Reifenmodell verwendet werden kann.
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Einerseits wird das Sensorsignal (oder zumindest der darin angegebene tatsächliche reifenbezogene Wert) dazu verwendet, unter Verwendung des ersten Reifenmodells einen ersten Reibwert zu schätzen 46a, der auch als Untergrenzen-Reibwert bezeichnet wird. Parallel dazu oder darauf folgend wird das Sensorsignal oder der tatsächliche reifenbezogene Wert dazu verwendet, unter Verwendung des zweiten Reifenmodells einen zweiten Reibwert zu schätzen 46b, der auch als Obergrenzen-Reibwert bezeichnet wird.
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Der Untergrenzen-Reibwert ist bevorzugt kleiner als der Obergrenzen-Reibwert.
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Basierend auf dem Unter- und Obergrenzen-Reibwert kann ein Unsicherheitswert bestimmt werden, der eine Unsicherheit des Reibungspotentials angibt.
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Im Allgemeinen hängt die Unsicherheit vom Umfang der erhaltenen Reihe Reifenmodelle ab. Wenn die Reifenmodelle stark divergent sind, d.h. wenn über die tatsächlichen Eigenschaften der Reifen und die Betriebsbedingungen wenig bekannt ist, ist die Unsicherheit größer als bei sehr ähnlichen Reifenmodellen. Durch die hierin offenbarten Verfahren ist es möglich, diesen Umfang mangelnden Wissens zu quantifizieren und anderen Systemen innerhalb oder außerhalb des Fahrzeugs zuzuführen. Ein Fahrzeugkontrollsystem, wie etwa ABS, beispielsweise kann von einer Quantifizierung der Unsicherheit des Reibungspotentials profitieren.
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5 ist ein Diagramm 50, das, ähnlich wie 2, „Schlupfkurven“, d.h. eine Abhängigkeit von Traktionskräften gegenüber Schlupf, darstellt. Das Diagramm 50 dient zur Veranschaulichung einer beispielhaften Verwendung des vorstehend unter Bezugnahme auf 4 beschriebenen Verfahrens.
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Zunächst werden zwei Reifenmodelle 52a, 52b erhalten. Das erste Reifenmodell 52a ist ein Untergrenzen-Reifenmodell, während das zweite Reifenmodell 52b ein Obergrenzen-Reifenmodell ist.
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Bei dem dargestellten Beispiel liegt das Untergrenzen-Reifenmodell 52a über den gesamten Schlupfbereich unter dem Obergrenzen-Reifenmodell 52b. Somit ist die gemäß dem Untergrenzen-Reifenmodell 52a gebotene Reibung kleiner als die durch das Obergrenzen-Reifenmodell 52b gebotene Reibung.
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Die Differenz oder das Gebiet zwischen dem Untergrenzen-Reifenmodell 52a und dem Obergrenzen-Reifenmodell 52b gibt eine Unsicherheit hinsichtlich der Reifen- oder Betriebsbedingungen an. Beispielsweise kann das Untergrenzen-Reifenmodell auf der Annahme basieren, dass das Fahrzeug auf einer rutschigen Fahrbahn oder auf Kies fährt, während das Obergrenzen-Reifenmodell 52b auf der Annahme basieren kann, dass das Fahrzeug auf einer weniger rutschigen Fahrbahn, wie etwa auf Asphalt, fährt.
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So lange dieser Parameter (Kies oder Asphalt) unbekannt bleibt, ist es vorteilhaft, die daraus resultierende Unsicherheit des Reibungspotentials zu kennen. Daher kann die Unsicherheit des Reibungspotentials gemäß dem vorliegenden Verfahren wie folgt berechnet werden.
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Zusätzlich zu den zwei Reifenmodellen wird ein Sensorsignal empfangen. Das Sensorsignal gibt einen reifenbezogenen Wert an, nämlich den Schlupf im Falle von 5. Der durch das Sensorsignal angegebene tatsächliche Schlupfwert wird auf der Schlupfachse (Abszissenachse) als Schlupf 54 gekennzeichnet.
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Basierend auf dem gemessenen Schlupf 54 und dem Untergrenzen-Reifenmodell 52a kann ein Untergrenzen-Reibungspotential 58a geschätzt werden. Dieses Untergrenzen-Reibungspotential 58a repräsentiert jedoch wahrscheinlich nicht das tatsächliche Reibungspotential, da das Untergrenzen-Reifenmodell so gewählt oder bestimmt wird, dass es das Reibungspotential wahrscheinlich zu gering einschätzt (oder das Reibungspotential zumindest nicht zu hoch einschätzt).
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Ebenso kann basierend auf dem gemessenen Schlupf 54 und dem Obergrenzen-Reifenmodell 52b ein Obergrenzen-Reibungspotential 58b geschätzt werden. Dieses Obergrenzen-Reibungspotential 58b repräsentiert jedoch wahrscheinlich nicht das tatsächliche Reibungspotential, da das Obergrenzen-Reifenmodell so gewählt oder bestimmt wird, dass es das Reibungspotential wahrscheinlich zu hoch einschätzt (oder das Reibungspotential zumindest nicht zu gering einschätzt).
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Daher wird ein Unsicherheitswert als Differenz zwischen dem Obergrenzen-Reibungspotential 58b und dem Untergrenzen-Reibungspotential 58a bestimmt. Dieser Unsicherheitswert gibt eine Unsicherheit des Reibungspotentials an.
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6 ist ein Diagramm, das ein weiteres Beispiel eines Verfahrens gemäß einiger Ausführungsformen darstellt. Im Gegensatz zu dem Beispiel von 5 gibt das Sensorsignal insbesondere nicht nur einen einzelnen Messwert an.
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Zu Darstellungszwecken sieht das Diagramm eine direkte Beziehung zwischen einer Eingabe für das Reifenmodell (Messung, tatsächlicher reifenbezogener Wert, wie etwa Schlupf) und einem Reibungspotential vor (d.h. dem Maximum einer Schlupfkurve, welche Schlupfkurve in 6 nicht dargestellt ist).
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Zusätzlich zu einer Angabe des tatsächlichen reifenbezogenen Werts (z.B. Schlupfwert) wird ein Messunsicherheitswert 64 zusammen mit dem Sensorsignal empfangen oder basierend auf dem Sensorsignal geschätzt. Der Messunsicherheitswert gibt eine Unsicherheit des tatsächlichen reifenbezogenen Werts an. Beispielsweise gibt er einen Schlupfbereich an, in dem sich der tatsächliche Schlupf (wahrscheinlich) befindet. Ein solcher Unsicherheitswert kann beispielsweise basierend auf einem bekannten Fehler des Sensors bestimmt werden, der zum Bereitstellen des Sensorsignals verwendet wird. Zusätzlich oder alternativ dazu kann er auf einer Statistik mehrerer Messungen basieren.
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Bei dem gezeigten Beispiel reicht die Messunsicherheit von einer Untergrenzen-Messung 66a bis hin zu einer Obergrenzen-Messung 66b. Die Messunsicherheit kann, wie in 6 gezeigt, als einfacher, durchgehender Bereich (der durch eine Untergrenze und eine Obergrenze definiert wird) bereitgestellt werden. Zusätzlich oder alternativ dazu kann die Messunsicherheit durch einen diskreten Satz mehrerer Werte (wie etwa eine zeitliche Abfolge mehrerer Messungen) oder eine Verteilung von Werten angegeben werden, die die relative Verbreitung jedes Werts innerhalb des Messbereichs angibt.
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Des Weiteren kann ein Vertrauensmaß bereitgestellt oder berechnet werden, das die Wahrscheinlichkeit angibt, dass sich der tatsächliche Schlupfwert innerhalb des durch den Messunsicherheitswert angegebenen Schlupfbereichs befindet. Beispielhafte Vertrauensmaße sind 1σ, 2σ, 3σ oder 5σ. 1σ repräsentiert beispielsweise eine Wahrscheinlichkeit von ungefähr 68 % für den im angegebenen Bereich liegenden tatsächlichen Schlupfwert.
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Im Falle von 6 basiert die Berechnung des Reibungsunsicherheitswerts ferner auf dem Messunsicherheitswert. Basierend auf dem Untergrenzen-Reifenmodell 62a wird durch Bestimmen des minimalen Reibungspotentials 68a des Untergrenzen-Reifenmodells 62a ein Untergrenzen-Reibungspotential 68a geschätzt, vorausgesetzt, dass die Eingabe für das Reifenmodell innerhalb des Messunsicherheitsbereichs 64 liegt.
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Ebenso wird basierend auf dem Obergrenzen-Reifenmodell 62b durch Bestimmen des maximalen Reibungspotentials 68b des Obergrenzen-Reifenmodells 62b ein Obergrenzen-Reibungspotential 68b geschätzt, vorausgesetzt, dass die Eingabe für das Reifenmodell innerhalb des Messunsicherheitsbereichs 64 liegt.
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Ein Unsicherheitswert kann dann als Differenz zwischen dem Obergrenzen-Reibungspotential 68b und dem Untergrenzen-Reibungspotential 68a bestimmt werden. Dieser Unsicherheitswert gibt in Anbetracht der Unsicherheit hinsichtlich der Reifen- und Betriebsbedingungen (Reihe Reifenmodelle) sowie der Unsicherheit der Messung reifenbezogener Werte (Messunsicherheitswert) eine Unsicherheit des Reibungspotentials an.
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In mathematischer Hinsicht lässt sich das Vorstehende wie folgt ausdrücken:
- Man beginnt damit, zwei Reifenmodelle als Grenzen anzunehmen, nämlich ein Obergrenzen-Modell und ein Untergrenzen-Modell, die zusammen das das wahre Reifenmodell eingrenzen. Das tatsächliche Reibungspotential liegt dann innerhalb der zwei Reibungsgrenzeschätzungen
und der Unsicherheitswert wird als Abstand definiert, den diese zwei Grenzschätzungen überspannen.
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Die in
6 gezeigten allgemeinen Reifenmodellgrenzfunktionen f
µ̂
max,ober (*) und f
µ
max,unter (*) können dann in Anbetracht der Messungen Y = [y
1, ..., y
n] dazu verwendet werden, die Reibungspotentialgrenzen µ̂
max,ober und µ̂
max,unter zu berechnen.
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Die Messungen Y geben tatsächliche reifenbezogene Werte an. Bei dem in 6 gezeigten Beispiel wird eine einzelne Größe gemessen, d.h. Y = y1. Zur Darstellung eines n-dimensionalen Vektors Y wäre eine n+1-dimensionale grafische Darstellung erforderlich.
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Ein Laufenlassen der Messung(en) Y durch das Obergrenzen-Reifenmodell versieht die Schätzung mit einer Obergrenze und ein Laufenlassen der Messung(en) durch das Untergrenzen-Reifenmodell versieht die Schätzung mit einer Untergrenze. Dadurch wird die Unsicherheit des Reifenmodells im geschätzten Reibungspotential reflektiert. Unsicherheiten der Messungen lassen sich leicht einbeziehen, indem den zwei Grenzmodellen Z ∈ [Y
unter, Y
ober] zugeführt wird und der Maximalwert für die Obergrenze und der Minimalwert für die Untergrenze abgeleitet werden.
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Betrachtet man 6, die das Problem in einem zweidimensionalen Raum darstellt, d.h. Y = y1 und Z ∈ [y1,unter, y1,ober], so sind die Reibungspotentialgrenzen hier durch die Punkte pmax,ober = max(fµ̂
max,ober (Z)) und pmin,unter = min(fµ̂
max,unter (Z)) gegeben, die sich im Intervall Z finden.
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Derselbe Ansatz lässt sich auf den multidimensionalen Raum anwenden, wenn Y = [y1, ..., yn] und Z ∈ [Yunter, Yober] ist. Der Reifenmodellansatz ist auch nicht auf den Messbereichsansatz beschränkt und kann auch mit einzelnen Messungen Z = E(Y) (wie vorstehend unter Bezugnahme auf 5 beschrieben) oder einer Kombination der zwei Alternativen verwendet werden.
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Die zwei Grenzreifenmodelle fµ
max,ober (*) und fµ̂
max,unter (*) können interpoliert oder extrapoliert werden, wenn die das Reifenmodell überspannenden Datenpunkte wenige sind.
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Durch diesen Ansatz können Reibungspotentialschätzungen abgegeben werden, während das eingegrenzte Modell noch immer einen großen Satz Reifenmodelle überspannt, d.h. es benötigt keine Konvergenzphase. In der Praxis impliziert dies auch, dass die Reibungsschätzung immer mindestens so gut ist wie die Daten, die ihr zugeführt wurden.
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7 ist ein Flussdiagramm eines Verfahrens gemäß den Ausführungsformen.
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Ähnlich wie bei den vorstehend beschriebenen Ausführungsformen umfasst das Verfahren 70 zum Schätzen der Unsicherheit eines Reibungspotentialwerts eines Rades eines Fahrzeugs das Erhalten 72 einer Reihe von Reifenmodellen. Das Verfahren 70 umfasst außerdem das Empfangen 74 eines Sensorsignals, das wenigstens einen tatsächlichen reifenbezogenen Wert angibt. Schließlich umfasst das Verfahren das Berechnen 76 eines Reibungsunsicherheitswerts, der die Unsicherheit des Reibungspotentials angibt, basierend auf dem empfangenen Sensorsignal und der Reihe Reifenmodelle.
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Darüber hinaus umfasst das Verfahren 70 das Aktualisieren 78 der Reihe Reifenmodelle. Dies kann ein Aktualisieren wenigstens eines der Reifenmodelle der Reihe, ein Aktualisieren eines Ober- und/oder Untergrenzen-Reifenmodells und/oder ein Aktualisieren aller Reifenmodelle der Reihe Reifenmodelle umfassen.
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Das Aktualisieren eines oder mehrerer Reifenmodelle kann insbesondere ein Aktualisieren von Parametern der jeweiligen Reifenmodelle umfassen, welche Parameter das Reifenmodell beschreiben.
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Die aktualisierten Reifenmodelle können die ursprünglich erhaltenen Reifenmodelle ersetzen und bei der nächsten Verwendung des Verfahrens eingesetzt werden, insbesondere sobald ein weiteres Sensorsignal empfangen (Schritt 74) und ein weiterer Reibungsunsicherheitswert berechnet wird (Schritt 76).
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Eine solche Aktualisierung kann es ermöglichen, dass sich die Reihe Reifenmodelle dynamisch an die aktuellen Reifen- und Betriebsbedingungen anpasst. Bei einer stabilen Konvergenz der Reifen- und Betriebsbedingungen beispielsweise kann sich die Reihe Reifenmodelle reduzieren, was zu einer Verringerung der Unsicherheit hinsichtlich des Reibungspotentials führt. Wenn sich dagegen die Reifen- oder Betriebsbedingungen ändern, können die zuvor erhaltenen Reifenmodelle nicht länger gültig sein und das Aktualisieren ermöglicht es, angesichts der Änderungen die Reihe Reifenmodelle so weit wie nötig zu erweitern, wie nachstehend unter Bezugnahme auf 8 beschrieben.
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8 ist ein Diagramm 80, das ein Beispiel eines Verfahrens gemäß den Ausführungsformen darstellt.
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Es werden ein Untergrenzen-Reifenmodell 82a und ein Obergrenzen-Reifenmodell 82b erhalten. In dem Diagramm 80 sind diese Modelle durch Flächen in einem dreidimensionalen Raum dargestellt, der durch die Schlupfsteigung, die Reifentemperatur und das Reibungspotential aufgespannt wird. Mathematisch kann jedes Modell beispielsweise durch eine Funktion dargestellt werden, wie etwa µ = α*T*sqrt(k), wobei T die absolute Temperatur, k die Schlupfsteigung, α ein Parameter und µ das Reibungspotential ist. Bei einem solchen Beispiel werden das Unter- und Obergrenzen-Reifenmodell 82a, 82b durch einen jeweiligen Wert des Parameters α beschrieben, wie etwa αunter und αober.
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Dann werden Signale erhalten, die reifenbezogene Werte angeben, z.B. Schlupfsteigung und Reifentemperatur, und als Eingabe für die Reifenmodelle verwendet. Bei dem gezeigten Beispiel können die bestimmten reifenbezogenen Werte einen Schlupfsteigungswert von „53“ und einen Reifentemperaturwert von „275 K“ umfassen.
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Basierend auf diesen reifenbezogenen Werten wird unter Verwendung des Untergrenzen-Reifenmodells und der erhaltenen reifenbezogenen Werte ein Untergrenzen-Reibungspotential bestimmt. Des Weiteren wird unter Verwendung des Obergrenzen-Reifenmodells und der erhaltenen reifenbezogenen Werte ein Obergrenzen-Reibungspotential bestimmt. Bei dem gezeigten Beispiel kann das Untergrenzen-Reibungspotential „0,5“ und das Obergrenzen-Reibungspotential „0,95“ betragen.
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Wenn diese Ausgaben der Reifenmodelle (d.h. die Werte des Reibungspotentials) nicht mit einer tatsächlichen verwendeten Reibung 88 (die z.B. durch den Fahrzeugbus bereitgestellt oder in einer Messung bestimmt wird) konsistent sind, kann wenigstens eines der Reifenmodelle aktualisiert werden.
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Wenn eine Messung nicht mit der erhaltenen Reihe Reifenmodelle konsistent ist, kann im Allgemeinen angenommen werden, dass entweder die Messung oder die Reihe Reifenmodelle inkorrekt ist. Hier kann die Reihe Reifenmodelle basierend auf der Messung aktualisiert werden.
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Bei dem gezeigten Beispiel wird eine tatsächliche verwendete Reibung von „0,6“ erhalten. Diese tatsächliche verwendete Reibung entspricht einem gewissen Punkt 88 in der dreidimensionalen Darstellung des Diagramms 80. Diese tatsächliche verwendete Reibung ist größer als das Reibungspotential gemäß dem Untergrenzen-Reifenmodell. Ein Übermaß an verwendeter Reibung gegenüber dem Reibungspotential stellt eine Inkonsistenz dar, die zu einer Aktualisierung des entsprechenden Reifenmodells führt. Daher wird bei dem gezeigten Beispiel der Parameter αunter des Untergrenzen-Reifenmodells aktualisiert, um eine Konsistenz mit der tatsächlichen verwendeten Reibung sicherzustellen, die durch den Punkt 88 dargestellt ist. Die Aktualisierung stellt ein aktualisiertes Untergrenzen-Reifenmodell 83a bereit, das bei weiteren Verwendungen des Verfahrens eingesetzt wird. Das aktualisierte Reifenmodell 83a ersetzt das vorherige Untergrenzen-Reifenmodell 82a.
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Ebenso kann ein Obergrenzen-Reifenmodell aktualisiert werden, wenn eine Angabe der maximal möglichen Reibung niedriger als das Obergrenzen-Reibungspotential des Obergrenzen-Reifenmodells ist. Beispielsweise kann eine Reibungspotentialschätzung (etwa aus einer ABS-Bremsung erhältlich) als maximal mögliche Reibungsangabe verwendet werden.
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Bei dem gezeigten Beispiel wird das Reifenmodell über den gesamten Bereich reifenbezogener Werte (Schlupfsteigung und Temperatur) aktualisiert. Bei anderen Ausführungsformen kann die Aktualisierung jedoch lokal die tatsächlichen reifenbezogenen Werte (z.B. bei einer Schlupfsteigung von „53“ und einer Temperatur von „275 K“) oder einen Bereich bei und um diese tatsächlichen reifenbezogenen Werte betreffen. Dies kann insbesondere dort die Grundlage sein, wo keine Reifenmodellstruktur (z.B. als mathematische Funktion oder Parametrisierung) bekannt ist.
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9 zeigt ein Blockdiagramm einer Vorrichtung gemäß einigen Ausführungsformen. Die Vorrichtung 90 umfasst eine Verarbeitungseinheit 92. Die Verarbeitungseinheit 92 ist dafür ausgelegt, eine Unsicherheit eines Reibungspotentialwerts eines Rades eines Fahrzeugs zu schätzen. Zu diesem Zweck ist die Verarbeitungseinheit 92 dafür ausgelegt, eine Reihe von Reifenmodellen zu erhalten. Die Reifenmodelle können durch eine Einrichtung innerhalb oder außerhalb der Vorrichtung 90 bereitgestellt werden. Sie können beispielsweise durch die Verarbeitungseinheit 92 von einer Speichereinrichtung (nicht gezeigt) innerhalb der Vorrichtung 90 oder außerhalb der Vorrichtung 90 erhalten werden. Sie können auch von einem Fahrzeugbus erhalten werden.
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Alternativ kann das durch die Verarbeitungseinheit 90 durchgeführte Erhalten ein Erhalten von Parametern (z.B. von einem Fahrzeugbus) und ein Zuführen dieser Parameter zu einem leeren Reifenmodell umfassen, um eine Reihe Reifenmodelle zu erhalten.
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Die Vorrichtung ist ferner dafür ausgelegt, ein Sensorsignal zu empfangen 34. Das Sensorsignal gibt wenigstens einen tatsächlichen reifenbezogenen Wert an. Die reifenbezogenen Werte werden durch einen Fahrzeugsensor 94 bereitgestellt. Bei manchen Ausführungsformen kann die Vorrichtung 90 den Fahrzeugsensor 94 umfassen.
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Die Verarbeitungseinheit 92 ist dafür ausgelegt, das Sensorsignal (oder darin angegebene reifenbezogene Werte) als Eingabe für die Reifenmodelle zu verwenden und basierend auf der Reihe Reifenmodelle, wie hierin beschrieben, einen Reibungsunsicherheitswert zu schätzen.
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Bei manchen Ausführungsformen kann die Vorrichtung ferner eine Konnektivitätsschnittstelle (nicht gezeigt) umfassen, die zur Kommunikation mit außerhalb des Fahrzeugs befindlichen Einheiten geeignet ist, etwa eine Fahrzeug-zu-Fahrzeug- oder Fahrzeug-zu-Infrastruktur-Kommunikation.
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Der Begriff „Fahrzeugkonnektivität“ ist so aufzufassen, dass er jede Kommunikation mit außerhalb des Fahrzeugs befindlichen Einheiten umfasst, etwa eine Fahrzeug-zu-Fahrzeug- oder Fahrzeug-zu-Infrastruktur-Kommunikation. Durch Verwendung von über die Fahrzeugkonnektivität bereitgestellten Daten kann beispielsweise ein Fahrzeug (direkt oder über eine dazwischenliegende Einheit, wie etwa einen Server oder Cloud-Dienst) fahrbahnbezogene oder umgebungsbezogene Werte (z.B. Temperatur) an andere Fahrzeuge eines Fuhrparks weiterleiten. Die anderen Fahrzeuge des Fuhrparks können basierend auf dem oder den weitergeleiteten Werten ihre Reifenmodelle sofort kalibrieren.